• Die Schlosskapelle wurde ja nicht in toto abgerissen.

    Man hat die wichtigsten Sachen "beim Umzug mitgenommen": Das Portal kam vor, die Taufe und Altar in die Sophiernkirche als neue protestantische Hofkirche. Die Orgel in die Friedrichstädter Kirche, die Kanzel (mit 99%iger Wahrscheinlichkeit) nach Neukirchen b. Chemnitz,

  • Der eigentliche Anlass für den Abriss der Schlosskapelle war der dringliche Raumbedarf für Wohnzwecke der Herrscherfamilie. Aber der erfreuliche Nebeneffekt, dass die katholische Hofgesellschaft damit endlich die ungeliebte Präsenz dieser zutiefst protestantischen Örtlichkeit los wurde, dürfte der Entscheidung doch recht förderlich gedient haben.

    Die heute von Maecenas angefragt Ikonographie der Schlosskapelle, also ihr Bezug zur protestantischen Theologie, ist in einem ausführlichen Beitrag von Angelica Dülberg in Band 2 der Schloss-Triologie dargelegt. Ich kann hier nur kurz auf einige Beispiele eingehen. Bei den nachfolgend kursiv gedruckten Passagen handelt es sich um Zitate aus der genannten Quelle.

    Ganz eindeutige Indizien für die zum Ausdruck gebrachte protestantische Botschaft finden sich in Gestaltungsdetails der Portalskulpturen.

    Das Besondere an der Auswahl der Skulpturen des Alten und Neuen Testaments ist, dass sie - bis auf die beiden Johannes - von Bibelzitaten begleitet werden, die sich eindeutig auf die Bibel Martin Luthers beziehen und damit auf Hauptgedanken des Lutherischen Protestantismus hinweisen. Auf dem Bogen der Nische des Paulus steht RÖM•IIIi, während Jesajas, Moses und Petrus Tafeln mit der Rechten halten, auf denen folgende Bibelstellen stehen [Anm. von mir: bei Interesse bitte auf die Fotos in meinem vorherigen Beitrag schauen].

    Nachfolgend wird von der Autorin erläutert, dass die Bibelstellen mit Bedacht ausgewählt wurden - dass sie Kernaussagen der protestantischen Theologie darstellen. Hier zum Beispiel bei Paulus:

    Der Römerbrief des Paulus gibt den Hinweis auf die Rechtfertigungslehre, die wichtigste und grundlegende Erkenntnis der Reformation: Die Rechtfertigung des Sünders vor Gott nicht aufgrund von irgendeinem rechten Tun des Menschen, sonder allein aus dem Glauben.


    Oder betrachten wir die Holztür (übrigens ist das noch das originale Stück, für die Funktionstür wurde eine sehr gelungene Kopie angefertigt):

    960px-Schlosskapelle_Dresden_-_T%C3%BCr_%28Original%29.JPG

    Quelle: Wikimedia commons, von derBrauni

    Der protestantische Charakter des Ikonografischen Programms wird besonders in der Gegenüberstellung von Sünde und Erlösung deutlich, denn auf der mit reichen Schnitzereien geschmückten Holztür des Portals erscheint als zentrales Relief die biblische Geschichte von "Christus und der Ehebrecherin" die hier als Bild der vergebenden Gnade, ebenfalls ein Hauptgedanke der lutherischen Theologie, zu deuten ist.

    Im Bereich der Ädikula steht das lateinische Monogram "VDMIE", Verbum Domini Manet In Aeternum - Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. Auch dies ein weit verbreiteter lutherische Slogan.

    Dies alles mag uns heute Lebenden recht akademisch vorkommen (den weitaus meisten ohne vorherige Fachbuchlektüre nicht mal auffallen), aber den damaligen Generationen waren diese ganzen Symbole verständlich und aussagekräftig. Und so dürfte vieles aus dem Gestaltungsprogramm der Kapelle für die katholische Hofgesellschaft ein gewisses Trigger-Potential besessen haben. Ergo, die katholische Fraktion am Hof war sicher froh dass dieses "ideologische Ärgernis", die Schlosskapelle, endlich aus dem Machtzentrum des Staates entfernt wurde.

    Nun musste der Herrscher aber auf seine Untertanen Rücksicht nehmen - die überwältigende Mehrheit der Sachsen waren überzeugte Protestanten. Wie hegt man eventuellen Widerstand ein? Man neutralisiert die Anführer. Und so erhielten die nunmehr "freigestellten" Funktionsträger der Kapelle weiterhin relativ hohe Zuwendungen (mit persönlicher Zusicherung durch den Kurfürsten), obwohl sie in ihren neuen Posten gar nicht mehr beim Hof angestellt waren. Außerdem spendierte der Hof 1200 Thaler zur Einrichtung und Reparatur der Sophienkirche.


    Noch eine kleine Ergänzung zur Nischenfigur von Johannes dem Evangelisten. Beim Umsetzen des Portals an die Sophienkirche war die Originalskulptur verloren gegangen (zerbrochen?). Das jetzige Stück wurde 1738 von Thomae geschaffen, als Ersatz.

    960px-DD-Schlosskapelle-10.jpg

    Quelle: Wikimedia commons, von SchiDD

  • Dies alles mag uns heute Lebenden recht akademisch vorkommen (den weitaus meisten ohne vorherige Fachbuchlektüre nicht mal auffallen), aber den damaligen Generationen waren diese ganzen Symbole verständlich und aussagekräftig.

    Danke für die Erklärung! Die im Kern protestantische Symbolik des Portals erschließt sich wirklich nur nach entsprechender Lektüre von Fachliteratur.

    Vor diesem Hintergrund es auch verständlich, dass August der Starke und sein Nachfolger am liebsten das gesamte Schloss (als "protestantischen" und inzwischen ziemlich unmodernen Bau der deutschen Renaissance) durch einen Riesenbau im Stil des Römischen Barocks ersetzt hätte. Dazu fehlte gottseidank aber das Geld.

  • 2011, zum Tag der offenen Tür im Residenzschloss, konnte man ein auf den ersten Blick etwas seltsam anmutendes Modell in Augenschein nehmen. Es zeigte ausschließlich den Großen Schlosshof, die Straßenseiten fehlten und auch der gesamte Westflügel. Im Jahr 2007 war ja endlich die Entscheidung gefallen, die Sgraffiti-Malereien fortzuführen - nach langjährigem Kampf. Das betreffende Modell diente ganz offensichtlich zur Veranschaulichung des Vorhabens im Rahmen der Entscheidungsfindung. Deswegen war der Westflügel ausgespart, denn dort lag die Ausmalung schon lange vor. Nachstehend ein Foto von eryngium, das er 2019 als Teilnehmer des Schlosskolloquiums aufgenommen hatte:

    24239-sgraffiten-im-schlosshof

    In dem Modell waren drei Gestaltungselemente integriert, die aktuell noch nicht realisiert sind und für die es auch noch keine offizielle, endgültige Realisierungsaussage gibt. Wie gesagt, das Modell diente als gegenständliches Anschauungsobjekt im Rahmen der Entscheidungsfindung, es war noch keine bestätigte Vorgabe für die tatsächliche Ausführung.

    Ich meine folgende drei Elemente: Bemalung Turmschaft, Giebelfiguren und die Farbgestaltung des Schlosskapellenportals. Von dem Portal nachstehend ein Fotoausschnitt (eigenes Foto, 2011 aufgenommen):

    39440

    Bezüglich der Farbgestaltung des Portals ist Folgendes zu erkennen: Weißer Anstrich, partielle Vergoldung. Vergoldet zeigen sich die 3 Aufsatzskulpturen und ich vermeine auch Goldakzente im Bereich der Säulen zu sehen. Auch die Giebelfiguren sind vergoldet dargestellt und dafür gibt es eine schriftliche Quelle aus dem Jahr 1602. Möglicherweise basierte die Kreation der Aufsatzfiguren auf einem Analogieschluss (gleichartige Farbausführung entsprechend der gesicherten Version der Giebelfiguren).

    Bleiben wir noch bei den Giebelfiguren. Dem einen oder anderen hier im Forum ist der Name Dr. Stefan Dürre sicher ein Begriff, Kunsthistoriker und Bildhauer - in beiden Berufsfeldern eine fachliche Koriphäe. Auf seiner HP findet sich seit kurzem eine sehr interessante Eintragung (Auflistung wissenschaftlicher Projekte):

    - ehemaliges Dresdner Residenzschloss, kunstwissenschaftliche Untersuchung zu den 18 Giebelfiguren im Großen Schlosshof und zeichnerische Entwürfe, seit 2024 (im Auftrag des SIB)

    Eine natürlich sehr erfreuliche Nachricht, aber bis zur Aufstellung der Figuren fehlen noch etliche weitere Schritte, vor allem die offizielle Ankündigung, dass man das tatsächlich machen wird.

    Die genannte Anzahl von 18 Stück hat mich zunächst etwas irritiert. Müssten es nicht 21 sein ( jeweils 3 auf der West- und Ostseite, 6 auf der Nordseite mit ihren 2 Giebeln und 9 auf der Südseite mit ihren 3 Giebeln)? Die Lösung könnte darin bestehen, dass der östlichste der 3 Giebel der Südfassade möglicherweise nicht mit Figuren ausgestattet war. An dieser Stelle befand sich das gotische Torhaus. Dieses wurde erst 1682/83 abgerissen und dann erst der südöstliche Treppenturm erbaut. Der im Rahmen dieses Umbaus neu errichtete Giebel blieb vielleicht ohne Figuren - oder man weiß es nicht.

    Zur Veranschaulichung der Situation in der Südostecke habe ich ein Foto aus dem DAF verlinkt:

    https://i.postimg.cc/k4tnTPrw/P1300673.jpg

  • Ha! Ich habe festgestellt, dass ich damals auch dabei war, bei der Schlossbesichtigung am 9. August 2009.....

    Interessant, dass man damals wohl eine eher steinfarbige Lasur erwogen hat und die Figuren sogar vollvergoldet hätte. Ansonsten die Maskarons des Akanthusblattfrieses, den Schlussstein, Basen und Kapitelle der Säulen.

    Ich frage mich, ob dem ein regelrechtes Projekt zugrunde gelegen hat ..... und wie ich es in dem Fall machen würde. Vielleicht mit partieller Vergoldung der Figuren, nicht ganz so à la Russe......

    Schlossbesichtigung-09.-August-2009-025-M.jpg

  • Ich meine irgendwo gelesen zu haben, das ursprünglich sogar 5 Figuren auf dem Portal gestanden haben. Muss so ähnlich wie einst auf dem Torhaus ausgesehen haben. Ist da was dran?

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Im Bereich der Attika gibt es 4 Pilaster. Einstmals standen "darüber" (Bekrönung) vier Skulpturen, allesamt Tugenddarstellungen, plus die in der Mitte platzierte Jesusfigur. Die über den inneren Pilastern befindlichen Figuren gingen 1737 bei der Umsetzung des Portals an die Sophienkirche verloren. Auf dieser Zeichnung ist der vollständige Besatz zu sehen, mit etwas gutem Willen;

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0017000/df_hauptkatalog_0017150.jpg

  • Bei dem Turm ist enormer Handlungsbedarf. Wieso sind die Figuren Gold ?

    Nichts für ungut, aber ich bin gerade etwas verärgert. Für sich betrachtet hätte ich mit diesem fordernden Stakkato-Ton einer Fragestellung kein Problem, aber wenn auf der gleichen Seite dazu Ausführungen stehen und überhaupt dieses Thema Farbgestaltung des Portals seit Tagen diskutiert wird, finde ich das schon etwas unpassend.

  • Taschenberg Palais Flügel des Schlosses.

    Ist das hier wirklich der richtige Strang für Bilder und Inhalte zum Taschenbergpalais? Ist es nicht ein eigeneständiges Gebäude? Habe es jedenfalls noch nie in Betracht gezogen, dass es ein Flügel des Schlosses sein könnte.

  • Ich hab zum Palais keinen eigenen gefunden.
    Da die Gebäude miteinander verbunden sind und das schon eine ganze Weile und die Familie hier wie dort gewohnt hat ist es zumindest nicht vollkommen abwegig.
    Ich einfinde auch die Hofkirche ein stückweit als Schlossanbau wegen der Brücke. Weil nichts davon ohne das Schloss überhaupt da wäre wo es ist.

  • Die Firma, die nach eigener Aussage die Putz- und Stuckarbeiten in der Schlosskapelle durchgeführte, hat vor 2 Tagen einige aktuelle Fotos gepostet:

    External Content www.instagram.com
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  • Danke.

    Die Beleuchtungskörper - schwarze Strahler und "Lichtleisten" - tun mir weh.

    Ob der Raum jetzt wieder so etwas, wie eine Kapelle wird? Ich hoffe darauf, dass nun die Musica Sacra den Raum in Besitz nimmt und auf ihre Weise "weiht".

  • Mir tut so einiges in der Schlosskapelle weh. So sehr es ein Wunder ist, dass man den Raum und das wundervolle Gewölbe wiedergewonnen hat, so traurig sind all die vertanen Chancen bei diesem Projekt.
    Naja, zukünftige Generationen haben hier was um darauf aufzubauen. Vielleicht erleben wir ja sogar noch was davon.

  • Eine Aussage so zurechtzubiegen, daß das Bauwerk im WW II zerstört wurde, blendet mehr als 200 Jahre Geschichte aus und ist in puncto Außenkommunikation und -darstellung doch sehr problematisch. Ein bißchen mehr Ehrlichkeit wäre hier schon zu wünschen.

  • In den Instagram-Texten des Handwerksbetriebs sind mehrere Ungenauigkeiten. Da braucht man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

    Interessant sind doch die Fotos. Man sieht die, wenn man das so nennen mag, Gestaltung des Bodens vom früheren Altar-, heute Bühnenbereich. Auch kann man einen Blick in die Tonnengewölbe der seitlichen Emporen werfen. Nach den Diskussionen hier im Forum ging ich davon aus, dass diese gegen Kreuzgewölbe ersetzt würden. Kreuzgewölbe sind auch zu sehen, unter der neuen Empore an der Westseite sein. Diese Seite sieht für mich verheißungsvoll aus. Sehr schön ist auch der Sandstein auf dem Boden. Die Zeitfenster an den Wänden tragen auch zur Aura des Raumes bei, ich finde deren Präsentation gut.

  • Ja, lustig liest es sich, wenn er schreibt "sogenannte Befunde", als hätten die Restauratoren und Forscher diese Befunde gefakt. Er kennt sich einfach nicht mit den Fachtermini aus und man spürt überall die Fachfremdheit zu Archäologie und Kunstgeschichte.

    Macht doch nix. Die Bilder zählen.