• Das "Gebäude" war 300 Jahre lang da, denn das Schloss hatte ja als Ruine immer überlebt. Der RAUM war weg, aber mit geringen Resten an den Wänden noch greifbar einschl. der im Schutt wiedergefundenen Gewölberippen. Das herrliche Portal nebst Holztüre (!!), der Altar, die Taufe und die (unlängst wiedergefundene) Kanzel sind durch Umsetzung ebenfalls erhaltengeblieben. Also mehr als "nichts" ist es schon (nebst Zeichnungen, Grundrissen, Aufmaß)

    Die Entscheidung pro Reko Kapelle ist nun schon 45 Jahre alt und beruhte v. a. auf dem Wunsch diesen musikhistorisch absolut hochbedeutenden Raum (Heinrich Schütz - der Vater der deutschen Musik wirkte in und schrieb seine Musik für diesen Raum!) wiederzugewinnen.

    Die ehem. Generaldirektorin, ihres Zeichens woke und alt68 ohne Ende, wollte dort nichts, was nach einer Kapelle aussah, drin haben.

  • Ich möchte über ein paar Ausstattungsobjekte berichten, die die beiden Säle im Nordflügel vervollständigen werden (oder schon vervollständigt haben, der aktuelle Arbeitsstand ist mir nicht bekannt).

    Betrachten wir zunächst den Propositionssaal. Unmittelbar neben den Bogenbereichen der beiden Supraporten, also sowohl auf der westlichen als auch der östlichen Schmalseite des Raumen befanden sich jeweils 2 Viktoria-Figuren. Rekonstruiert werden 4 identische Ausführungen. Als Bildquelle konnte nur das einzige historische Foto herangezogen werden, das den Orginalzustand des Saales zeigt (von Hermann Krone, aufgenommen 1870/1875 - unterschiedliche Angaben):

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0277000/df_hauptkatalog_0277427.jpg

    Und hier sieht man das fertige Tonmodell:

    Stefan Dürre / Rekonstruktion und Modellarbeiten

    Neuere Vorkriegsfotos konnten tatsächlich nicht verwendet werden, ich hatte gleich mal nachgeschaut. Offensichtlich waren die Figuren bei einem späteren Umbau (z.B. Deckenerhöhung) durch Kronen ersetzt wurden:

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0257000/df_hauptkatalog_0257329.jpg

    In welchem Material die Figuren endgefertigt werden, ist mir nicht bekannt. Vielleicht beinhaltete das der für den Propositionssaal freihändig vergebene Auftrag "Schnitzarbeiten".


    Nun zum Großer Ballsaal. Hier gab es eine ganze Anzahl an weiblichen Aufsatzfiguren auf den Wandsäulen (passend zu den Gemälden von Bendemann- Sinnbilder des antiken Griechenlands). Hier ist beispielhaft ein Modell (die Figuren sind alle unterschiedlich):

    Stefan Dürre / Rekonstruktion und Modellarbeiten

    Von den historischen Fotos habe ich dasjenige ausgewählt, wo die Figuren am besten zu erkennen sind:

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0045000/df_hauptkatalog_0045649.jpg

    Eine Arbeit aus dem Portfolio hat mich ziemlich überrascht. Und zwar wurden von 8 sogenannten Eroten-Medaillons zeichnerische Entwürfe angefertigt. Heißt das jetzt, dass die doch rekonstruiert werden? Hier ist ein Beispiel.

    Stefan Dürre / Rekonstruktion und Modellarbeiten

    Auf dem vorletzten Foto sieht man auch Beispiele dieser Medaillons, in den Fensrelaibungen befindlich.

  • Das sind ja wunderschöne Neuigkeiten. Mal sehen, was da wirklich alles noch rekonstruiert wird.

    Was ich mich frage - wie wurden eigentlich die großen Säle im Winter beheizt? Kamine gab es offensichtlich nicht. Gab es eine Art Warmluftheizung?

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Was ich mich frage - wie wurden eigentlich die großen Säle im Winter beheizt? Kamine gab es offensichtlich nicht. Gab es eine Art Warmluftheizung?

    Sehr gute Frage. Diese Thematik ist mir vorher noch nie aufgefallen, jetzt sehe ich es auch, es gibt dort weder Öfen noch Kamine.

    Auskunft gibt Band 3 der Schlosstriologie. In einer Randbemerkung im Kapitel über die Neugestaltung der Säle Mitte des 19.Jhd. wird darauf eingegangen, dass die Ausmalung des Ständesaales (heutige Bezeichnung: Propositionssaal) außergewöhnlich lange dauerte. Und dafür werden mehrere Gründe angeführt:

    Die lange Ausführungszeit war neben dem enormen Arbeitspensum einerseits durch den Umstand begründet, dass der Ständesaal über die Wintermonate hinweg unbeheizt und damit nicht benutzbar blieb; zum anderen durch ein Augenleiden, welches die gesundheitsschädliche Technik ausgelöst und Bendemann zwang, 1842 zu pausieren.

    Es ist anzunehmen, dass diese ursprünglich Eigenschaft - nicht beheizbar - auch für den anderen großen Saal im Nordflügel vorlag.

    Für die letzten beiden Jahrzehnte des sächsischen Königtums wiederum ist bekannt, dass sich die königliche Familie nur in den Wintermonaten, also in der kalten Jahreszeit, im Dresdner Schloss aufhielt. Und das war nun aber die Jahreszeit, in der sehr wichtige, staatstragende Veranstaltungen im Schloss stattfanden; die Hofbälle, Neujahrsempfänge zum Beispiele. Die "Location" dafür war der Schlossbereich zwischen Kleinem Ballsaal und Eckparadesaal. Ergo, irgendwann muss dann doch die Möglichkeit bestanden haben, die Säle zu heizen. Dazu nochmal oben genannter Band 3, hier zu den Baumaßnahmen im Rahmen des großen Schlossumbaus (1896/98):

    Im Zusammenhang mit der Erneuerung des Nordflügels werden auch die Festsäle mit der zeitgemäßen modernen Haustechnik ausgestattet. Dazu gehört ihr Anschluss an die Fernheizung und die Installation elektrischen Lichts.

    Wie allerdings die Wärme ganz konkret in die Säle "eingeleitet" wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Irgendwelche Heizkörper o.ä. konnte ich nicht entdecken.

    In der heutigen Version wurden übrigens Fußbodenheizungen eingebaut.

  • Zum Thema Heizen:

    Die Zwischendecken waren damals ja mutmaßlich einfache Balkendecken - bitte korrigieren, wenn ich mich irre.

    Wenn also die Räume UNTER den Festsälen beheizt waren (waren sie das?) - dann sollte eine „Basiswärme“ gegeben wesen sein, denn Balkendecken haben so gut wie keine isolierende Wirkung.

    Für den restlichen Bedarf bis zur Komfortwärme dürften bei Festlichkeiten die Beleuchtung (- unzählige Kerzen) und die Abwärme der Gäste selbst gesorgt haben.

  • Ist denn schon bekannt ob die Kapelle zukünftig auch regulär, wie die übrigen Räume des Schlosses besichtigt werden kann?

    Aus letzter Zeit ist mir dazu kein offizielles Statement bekannt. Aber ich bin ziemlich sicher, dass die Kapelle regulär zugänglich sein wird. Das ist nun mal ein ganz besonderes Rekonstruktionsprojekt, das man sicher einer möglichst großen Anzahl von Besuchern zeigen will (nicht nur in dem begrenzten Rahmen von künstlerischen Veranstaltungen). Ich erinnere an den berechtigten Stolz, als das fertige Schlingrippengewölbe der Öffentlichkeit präsentiert wurde - mit dem omnipräsenten Hinweis, dass man hier eine sehr anspruchsvolle, aber seit Jahrhunderten vergessene Handwerkstechnik wieder ergründet hat.

    Eine offizielle Aussage zur oben genannten Frage gab es freilich mal, allerdings liegt das schon etwa 20 Jahre zurück. Sie stand in dem 2006 erschienenen Buch von Dirk Syndram und Peter Ufer (damals Chefredakteur der Sächsischen Zeitung) "Die Rückkehr des Dresdner Schlosses". Das abschließende Kapitel trägt die Überschrift "Ein Rundgang durch das Residenzschloss der Zukunft". Im Unterkapitel "Rund um den Großen Schlosshof" finden sich folgende Ausführungen:

    Einen für Passanten offenen Charakter werden auch drei im Erdgeschoss des Nord- und Ostflügel gelegene Raumbereiche erhalten. Es handelt sich um Räume, die sich als Solitäre vom Großen Schlosshof aus erschließen und kaum nach musealen Anforderungen klimatisierten lassen.

    Genannt und beschrieben werden dann folgende drei Räumlichkeiten: Schlosskapelle, Schlossmuseum im Ostflügel und natürlich das Restaurant (Nordostflügel). Nach dem wichtigen Hinweis, dass das Schlossmuseum in den letzten gotischen Innenräumen Dresdens einziehen wird, folgt dieser schöne Satz hier:

    Ebenso wie die wiedererstandene Schlosskapelle werden sie [Anm. von mir: sie, also die Museumsräume] als "Zeitfenster" Besuchern kostenfrei offen stehen.

    Wie gesagt, das liegt zwei Jahrzehnte zurück und muss natürlich nicht mehr gültig sein, insbesondere was den "kostenfreien" Zutritt betrifft. Aber zumindest mit regulären Führungen wird man die Schlosskapelle bestimmt besichtigen können.

    Kleine Randbemerkung. Syndram ging 2006 immer noch von einer "zurückhaltend modernen Gestaltung" der Schlosskapelle aus, so eine Formulierung im genannten Buch.

  • Syndram ging 2006 immer noch von einer "zurückhaltend modernen Gestaltung" der Schlosskapelle aus,

    Also seien wir dankbar, dass es anders kam. Marmorfußboden, Altar, Säulen Orgel (und viell. ein Kanzel-Abguss) können noch kommen. 3., 4., 5. Ausbaustufe

    (ach und die korinthischen Säulen in den Emporenecken, die sehr wichtig waren, wie mir jemand sagte, fehlen auch noch. Und ganz am Ende kann man dann Überlegungen oder einen Wettbewerb zur Ausmalung der Kapelle machen. Ein wahnsinnstolles Projekt für die kommenden Jahrzehnte).

  • Also seien wir dankbar, dass es anders kam.

    Ja ist es denn anders gekommen?
    Die imaginierte 3., 4. und 5. Ausbaustufe können auch ausbleiben. Und momentan wird es ein Multifunktionsraum den man durchaus als „zurückhaltend modern“ interpretieren kann, wenn man auch die Visualisierung anschaut. Jedenfalls keine weitergehende Rekonstruktion.

  • Quatsch. Man hat überall die historische Version wiederhergestellt. Man muss das auch erst mal auf sich wirken lassen. Und von einer noch weitergehenden Reko war nie die Rede. Das ist Aph- Wunschdenken (auch meines).

    Und dass die SKDler, die ausschließlich mit originalen Sachen zu tun haben, sich mit einer Komplettreko von etwas, das seit 300 Jahren weg ist, schwertun, kann man doch verstehen. Das LfD als Motor wird in Zukunft jedenfalls nicht mehr aktiv werden.

    Dafür ist es viel geworden.

    Engagierte Bürger müssen nun ran!!! Ich hoffe auf den Schützverein und die Musiker in der Stadt.

    Die haben auch schonmal die Oper und die Frauenkirche gestemmt.

    Ich habe jedenfalls beschlossen, in den Heinrich Schütz-Verein einzutreten und mich dort zu engagieren. (Immer nur Bürgerhausfassaden sind auf die Dauer zu langweilig)

  • Und dass die SKDler, die ausschließlich mit originalen Sachen zu tun haben, sich mit einer Komplettreko von etwas, das seit 300 Jahren weg ist, schwertun, kann man doch verstehen.

    Resurrectus' Beitrag finde ich genau richtig als Replik auf den vorangegangenen.

    Der Umgang mit den Originalen ärgert mich jedoch ganz besonders. Wenn man doch den originalen Altar noch hat (und sogar restauriert hat), ebenso den Taufstein, dann müssten doch mindestens diese beiden an den Originalstandort, für den sie geschaffen wurden, zurückkehren. Dies jetzt nicht zu tun, vielleicht mit der Begründung, man wolle keine Schlosskapelle, sondern einen multifunktionalen Raum, in dem solche Stücke nur störend im Weg herumstünden, ist gerade einer Kulturinstitution wie den SKD unwürdig.

    Und wenn man die Multifunktionalität ernst nimmt, würde das ja wohl auch für die Orgel sprechen. Ein Raum mit Orgel hat definitiv mehr Funktionsumfang als einer ohne.

    Lediglich Zutaten wie Säulen, Marmorboden, Kanzel-Reproduktion oder Deckenverputz oder gar eine Ausmalung kann man vielleicht als streitbar ansehen. Die Kanzel noch am wenigsten, denn da diese noch im Original vorhanden ist, ist eine exakte Reko möglich. Welch seltener Glücksfall!

    Bei der Abwägung sollte nie vergessen werden, dass dies nicht nur optische, sondern auch atmosphärische und teils auch akustische Faktoren sind. Will man einen Schütz-Raum, sollte "so viel Schütz wie möglich" zurückkehren, also so viel wie möglich von dem Raum, in dem er gewirkt hat. In diesem Fall sehe ich daher nicht nur APH-Wunschdenken, sprich eine Extremposition, sondern nur eine naheliegende Abrundung des schon fast Vollendeten.

    Bis vor wenigen Jahren ging ich aber davon aus, noch lange, vielleicht immer, mit einer Kapelle mit betonsichtigen Wänden vorlieb nehmen zu müssen. Daher steht für mich die Zufriedenheit mit dem Status quo auch deutlich im Vordergrund.

  • Einige Bilder vom letzten Wochenende.

    Blick durch den Zaun am Durchgang (oder der Durchfahrt?) zum großen Schlosshof unter dem Hausmannsturm.
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    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Endlich mal Bilder vom Durchgang unter dem Hausmannturm. Wird das Gewölbe auch noch verputzt? Wie war die Gestaltung einst? Wozu diente eventuell dieses Betonviereck oder ist es ein Zeugnis vom Feuersturm 1945?

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Man erkennt im Beton zwei Gießabachnitte. Einen Beton-Ring oder besser Rahmen und dann eine gefüllte Mitte. Es könnte sein, dass zunächst nur der Rahmen gegossen wurde, um so bereits eine Gewöbetragwirkung zu erreichen. Die leere Mitte diente in diesem Fall vermutlich als Einbringöffnung für Baumaterial oder als Zugang. Nachdem diese nicht mehr gebraucht wurde, konnte der innere Bereich geschlossen werden.