• Die alten und neuen Steine bilden eine spannende Symbiose. Könnte auch von Gerhard Richter sein.

    Da soll sich ein Modernist nochmal über Rekonstruktionen beschweren.

    Das ist eine Restaurierung, keine Rekonstruktion. Man verzichtet auf eine äußerliche Angleichung, lässt Zeitspuren sichtbar. Was hat die Arbeit von Restauratoren mit Gerhard Richter zu tun?

    Bei einer Rekonstruktion hätte alles wie neu ausgesehen. Da gäbe es die Zeitspuren nicht.

    Deine Fotos sind großartig!

  • Nun ja, eine Rekonstruktion ist die Wiederherstellung fehlender Substanzen, eine Restauration die Instantsetzung vorhandener Substanzen. Wie ist das jetzt beim Dresdner Schloß zu bewerten, wo nach dem Krieg nicht viel mehr gestanden ist als die traurigen Außenmauern?

  • Am Ende kommt bestimmt eh noch eine Kunstharzschicht drüber und dann sieht es wieder aus wie aus einem Guss.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Restaurieren und Rekonstruieren kann man nicht genau voneinander abgrenzen. Das sehr in Mitleidenschaft gekommene historische Brunnenbecken wurde restauriert, fehlende Teile ergänzt bzw. rekonstruiert.

    So ist's doch mit dem ganzen Schloss gehandhabt worden.

  • Das ist eine Restaurierung, keine Rekonstruktion. Man verzichtet auf eine äußerliche Angleichung, lässt Zeitspuren sichtbar. ...

    Bei einer Rekonstruktion hätte alles wie neu ausgesehen. Da gäbe es die Zeitspuren nicht.


    Das sagt WIKIPEDIA dazu:

    Zu Rekonstruktionen im Bauwesen kommt es in der Regel, um durch Krieg, politische Willkür oder Naturkatastrophen zerstörte wahrzeichenhafte Bauten und bauliche Ensembles in möglichst identischer Form wieder erstehen zu lassen.

    ...

    Arten von Rekonstruktionen

    Es gibt verschiedene Vorgehensweisen bei der Rekonstruktion, die sich im Grad der Originaltreue und in der Sensibilität zur Umsetzung unterscheiden. Georg Mörsch bezeichnet in der Architektur die Rekonstruktion als eine „wissenschaftliche Methode der Quellenausbeute zur Neuherstellung untergegangener Dinge, unabhängig von der Zeit, die seither verstrichen ist“.

    • Originalgetreue Rekonstruktion des Bauwerks wird nach aufwendiger Quellenforschung möglichst mit denselben Materialien und denselben Methoden durchgeführt. Oft werden noch vorhandene Originalbauteile verwendet. Diese Art der Rekonstruktion findet sich vor allem bei kulturhistorisch bedeutenden Bauwerken, die dann als Anschauungsobjekt dienen und museal genutzt werden. ...


    Ich würde hier auch von Rekonstruktion sprechen und zwar so wie der Begriff in Deutschland verstanden wird. Im Osten war "Rekonstruktion" aber anders definiert.

  • Die Beiträge von Seebastian und mir bezogen sich konkret auf den Brunnen im Großen Schlosshof, nicht auf den Gesamtkomplex des Dresdner Schlosses.

    Beim Residenzschloss als Ganzes findet man Verschiedenes vor: Das Treppenhaus im Bärengartenflügel ist ein Neubau. Dort gab es früher kein Treppenhaus. Der Eingang Bärengartenflügel (Sophienstraße) ist neu, war früher nicht vorhanden. Die Paraderäume sind Rekonstruktionen. Die Straßenfassaden des Schlosses waren im Wesentlichen als Ruinen erhalten. Dachstühle und Dächer sind alle baulich neu, rekonstruieren aber das historische Erscheinungsbild. Die Überdachung des Kleinen Schlosshofes ist keine Rekonstruktion, sondern etwas völlig Neues ohne historisches Vorbild. Der Riesensaal ist ein Beispiel für Erinnerungsarchitektur. Die Renaissancefassung der Fassaden des Großen Schlosshofes ist eine Nachschöpfung (Rekonstruktion). Dies sind nur Beispiele.

    In Teilbereichen hat man unterschiedliche Ansätze verfolgt. Ich würde für das Gesamtgebäude von "Wiederaufbau" sprechen. Das Gebäude war als Ruine noch vorhanden. Da stand man vor der Wahl: abreißen oder wiederaufbauen.

  • In der Vorkriegsansicht steht das Bett auf einem 2stufigen Podest, heute aber nicht. Welche der beiden Varianten entspricht dem Original?

  • Zitat von HelgeK

    In der Vorkriegsansicht steht das Bett auf einem 2stufigen Podest, heute aber nicht. Welche der beiden Varianten entspricht dem Original?

    Rastrelli war schneller, aber ein paar Ausführungen noch von mir.

    Wie schon gesagt, entspricht die jetzige Ausführung dem Original.

    Wann und warum dieser „Bettumbau“ erfolgte, weiß ich nicht. Allgemein bekannt ist ja, dass im Rahmen des großen Schlossumbaus (1889 – 1901) in den Paraderäumen einige Veränderungen vorgenommen wurden: z. B. die Aufstuckatierung im Eckparadesaal, Austausch der Kronleuchter (die „neuen“ waren „pompöser“), völlige Neugestaltung eines der beiden Vorzimmer als so genanntes Wettinzimmer. Aber ob in diesem Rahmen auch das Bett ein Podest erhielt? Oder schon eher, vielleicht als der Raum als privates Schlafzimmer von König Johann und seiner Gemahlin genutzt wurde?

    Auf einen Unterschied möchte ich noch explizit hinweisen: den Bereich des Thronsessels im Audienzgemach. Mit *Unterschied* ist der Zustand gemeint, den die in der Zwischenkriegszeit entstandenen Fotos im Vergleich mit der heutigen Ausführung erkennen lassen.

    Thronsaal um 1920

    Thronsaal um 1920

    Die heutige Gestaltung:

    Und schließlich der Kupferstich von 1719:

    Klick

    Man beachte insbesondere folgende Details: Podest, Baldachin, die den Thronsessel flankierenden Textilen Pilaster sind jeweils doppelt und überlappend angeordnet. Genauso ist das heute wieder entstanden. Im Falle des Thronsaales hatte man erfreulicherweise auch eine Fotografie zur Verfügung, die um 1860 entstanden ist – den Raum also VOR dem großen Schlossumbau dokumentiert. Dieses Foto ist in der Baubroschüre des SIB (erste Ausgabe 2008) enthalten (Seite 111). Pilasteranordnung neben dem Thronsessel („gedoppelt“, überlappend), Vorhandensein des Baldachins und wohl auch die Kronleuchter entsprechen dem Zustand von 1719. Das Podest des Thronsessels fehlt dort aber auch schon.

    Dass dann später (vermutlich beim großen Schlossumbau) die „Doppel“-pilaster und der Baldachin entfernt worden sind, könnte ich mir nur damit erklären, dass Teile der originalen textilen Ausstattung wohl schon zu verschlissen waren.

  • Nun aber endlich zu dem angekündigten historischen Bildnis. Es trägt den Titel: „Ansicht vom Toilettezimmer der Königin Amalie im Dresdner Schloss“ (Aquarell, Gouache; 395 x 536 mm; jetzt im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Künstler: Otto Wagner). Das Gemälde entstand 1857 vermutlich im Auftrag der Königin Amalie, die es ihrer Zwillingsschwester, Königin Elisabeth von Preußen (Gemahlin von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen), schickte.

    Toilettezimmer der Königin Amalie

    Danke für diesen spannenden Hinweis!

    Das Bild nimmt einem auf eine Zeitreise mit. Man kann sich vorstellen, wie eine liebende Gemahlin ihren widerstrebenden Gatten dazu gebracht hat, das auf Außenwirkung hin entworfene Paradeschlafzimmer in den tatsächlichen Lebensmittelpunkt einer Familie zu verwandeln.

  • Und jetzt geb ich auch noch meinen Senf dazu, pflichte meinen Vorschreibern komplett bei und ergänze nur, dass:

    1.

    die von BautzenFan erwähnten Kristall-Lüster 1890/92 im Zuge einer Modernisierung des Schlosses eingebracht wurden. Elektrifizierung und Prunksteigerung gingen Hand in Hand.

    2.

    Wettinzimmer und Vorzimmer entstanden zur gleichen Zeit aus den beiden Retiraden.

    1. und 2. Vorzimmer haben nach erneutem Umbau damals wohl schon wieder ihrer "originalen" Funktion in Beziehung zum Audienzgemach mehr entsprochen, nachdem sie zwischenzeitlich 1829 zu "Caffe Zimmern" umgebaut worden waren.

    Zur gleichen Zeit also 1829 wurden die Retiraden / Wettinzimmer als "Conditorey Zimmer" bezeichnet und waren mit 1. und 2. VZ durch Tapeten- / später Schiebetüren verbunden.

    Man sieht also, die Baugeschichte ist vielgestaltig.

    Insofern ist es auch schwierig, die Frage nach dem "originalen" Zustand zu stellen.

    Original waren sie alle.

    Die eigentliche Antwort ist, dass man für die Paraderäume eine Reko des Zustands 1719 umsetzt.

    - Diese Zeitschicht wird für die betreffenden Räume (Paraderäume) als die kunsthistorisch bedeutendste Schicht bewertet.

    - Die Dokumentation für dieses Datum ist durch die Kupferstiche und zugehörigen Vorzeichnungen Leplats nahezu perfekt. Man kann tatsächlich bis zu den Möbeln, den Wandgliederungen, der Form der Beleuchtung und Ausstattung dort "nachschauen*".

    - Historische Fotos, bis in die 1860-er zurückreichend, originale Ausstattungsgegenstände (Möbel, Textile Schätze, diverse originale Fragmente von Wandbehängen), Naturstein-Originale und Stuckfragmente sind vorhanden, wurden und werden integriert.

    All das ermöglicht eine Reko, die eben NICHT Disneyland ist, sondern bis zur Fadenstärke (!) exakt wissenschaftlich rekonstruierend arbeitet.

    (Habe gerade das dankenswerterweise von BautzFan hier verlinkte Buch von Reiner Zimmermann "inhaliert" und bin jetzt ein Stück schlauer :-))

    Empfehlenswert!

    * Zimmermann schreibt, dass auf den Vorzeichnungen Leplats Möblierungen zu sehen sind, die als im Kunstgewerbemuseum vorhandene Möbel identifiziert werden können. Auf den Stichen, hat man dann manches weggelassen, um die Darstellung optisch zu beruhigen...

  • Und wer die 20,- Euronen für obiges Werk bedauerlicherweise nicht übrig hat, der kann sich (demnächst) alternativ 2 tolle Werke kostenlos beim Freistaat bestellen:

    Das erste gibt es schon lange, ist in der x-ten Auflage als hochwertiger Druck immer noch verfügbar. Schloss-Reko bis 2007.

    https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/16910

    (Dort auch ein Pdf aufrufbar.)

    Ganz neu ist die Folge-Publikation 2008-2019

    Hab´s gerade gelesen und mich sehr gefreut.

    Diese wird sicher zeitnah beim Broschürenversand des Freistaates zu haben sein.

    Hab es dort bisher nicht gefunden, melde aber das Erscheinen demnächst gern hier den werten Interessenten.

  • Zitat von eryngium
    Ganz neu ist die Folge-Publikation 2008-2019

    Was meinst Du denn damit? Kenn ich ja noch gar nicht :wie:

    P.S.: Frage hat sich erledigt - die letzten Sätze von eryngium konnte ich in der Erstfassung? nicht lesen. Aber vielen Dank für den Literaturtipp. Ein "must have" :thumbup:

  • Was hat die Arbeit von Restauratoren mit Gerhard Richter zu tun?

    Ich finde die Kunst von Richter ziemlich profan mit manchmel einem witzigem Gedanken. Sein Prinzip ist ja gerne mal der "Zufall". Nun ist es ja so, dass die Freunde der Rekonstruktion oder Restaurierung häufig die Moderne nicht mögen, und Freunde der Moderne etwas gegen Reko oder Restau haben und dafür aber eine Faible für Richter. Hier verbindet sich beides eigentlich ganz schön und versöhnlich. Die durch den Zufall bestimmten Ergänzungen oder Rekonstruktionen ergeben eine spannendes Muster. Beinahe ein Kusntwerk für sich. Dieses erinnert eben an den Richterschen Ansatz vom Zufall und ist nun Teil eines wundervollen Gesamtkunstwerkes in Form des alten wiedererstanden Brunnens. Und so haben, nur dank der Freunde der Rekonstruktion, die Freunde der Moderne auch etwas davon.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Im Erker im eckparadesaal sind nun alle drei Wandleuchten mit den alten Spiegeln versehen. Sehr charmant. Es fällt nur auf wenn man davor steht. Und die Patina der alten Spiegel machen die Leuchter herrlich mysteriös. Und man ist beim betrachten an die Geschichte erinnert ohne das es stört.

    Nun noch ein Blick auf die Schachtarbeiten im Schloss Hof. Evtl wegen des Brunnens.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Das sieht wahrscheinlich durch den Winkel nur so komisch aus, da die Köpfe ja neu angefertigt wurden. In der Frontansicht wird es besser aussehen.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.