Das Dresdner Schloss

  • Ein Bekannter von mir geht jetzt im Juli eine Woche nach Madrid. Er ist zwar absolut nicht von unserem Fach, aber er spricht fliessend Spanisch. Falls Du irgendwelche Fragen dazu hast, wäre das eine Möglichkeit, ihm diese 'unter die Nase zu reiben' und vielleicht ein paar Fotos zu machen (falls das erlaubt ist, und der Betrieb nicht ferienhalber geschlossen ist).

  • Der folgende Passus aus einem Beitrag von eryngium bezieht sich speziell auf den Kamin im 1. Vorzimmer.
    EDIT: Achtung, Korrektur im übernächsten Beitrag.

    Zitat von eryngium

    Der Chef-Restaurator Hr. Walter hat wohl aus einer großen Zahl von Bruchstücken sehr ähnlicher Kamine (wohl ehedem bunt gemischt gelagert im Ostflügel) durch Vergleich mit Vorkriegsfotos den hier originalen Kamin zusammensetzen können.
    Anhand des Marmorierungsmusters wurde nach Art eines Fingerabdrucks der korrekte Marmor-Kamin gefunden, ergänzt und eingebaut.


    Diese Ausführungen können anhand des folgenden Zitats aus dem Leistungsverzeichnung der Ausschreibung für die Kamine der Paradesuite präzisiert werden:

    Zitat von SIB

    Die Befundsituation zu den einzelnen Räumen ist unterschiedlich. Von sämtlichen Kaminen existieren sehr gute bis ausgezeichnete historische Fotografien. Während vom Kamin im Eckparadesaal kein Originalfragment existiert, sind es im Ersten Vorzimmer bereits mehrere Teile, die eine nahezu vollständige Aussage über Profilierungen und Material erlauben. Vom Zweiten Vorzimmer hat sich eine in acht Stücke zerbrochene, inzwischen restaurierte Kaminrahmung aus der Zeit um 1795/1800 vollständig erhalten, die wohl in der 1. Hälfte des 19. Jhd. in den Raum gekommen ist. Sie wird als authentisches Bauteil selbstverständlich wieder eingebaut. Die Kaminarchitektur des Audienzgemachs und des Paradeschlafzimmers sind durch zahlreiche Fragmente sowohl in der Materialität aber auch in den Profilierungen nachvollziehbar. Von den Kaminvorlagen im Fußboden haben sich keine Fragmente erhalten. Diese müssen entsprechend der historischen Fotografien rekonstruiert werden.

    Die Materialauswahl stellt bei der bevorstehenden Aufgabe einen wesentlichen Schwerpunkt dar. Hier ist es unumgänglich zunächst über Handmuster die grundsätzliche Natursteinauswahl zu treffen. Letztendlich müssen dann die zu bearbeitenden Werksteine durch den Bieter in den Brüchen selber ausgewählt werden, da nur durch die konkrete Auswahl vor Ort Einfluss auf die vorhandenen Varietäten und Farbnuancen genommen werden kann. Gegebenenfalls sind mehrmalige Besuche der Brüche einzuplanen. Mehrmengen sind so einzuplanen, das bei eventuellen Schäden oder Materialbruch, blockgleiches Material ständig zur Verfügung steht. Auch muss die Materialmenge die Möglichkeit zulassen, eventuell nicht gut in Farbe und Textur zusammenpassende Elemente auszutauschen.

    Den Zuschlag für die Herstellung der Kamine in den Paraderäumen erhielt eine kleine Firma aus Ostsachsen (Natursteinwerk Bischofswerda). Die hatten sich schon bei anderen analogen Projekten im Schloss große Verdienste erworben. Die Formulierung im LV * Die Materialauswahl stellt bei der bevorstehenden Aufgabe einen wesentlichen Schwerpunkt dar* umfasste wohl einen der Pluspunkte, mit denen die Firma im Wettbewerbsverfahren punkten konnte. Der Chef der Firma (Steffen Blazejovsky) scheint ein Superprofi zu sein, was das Auffinden der geologisch exakten Gesteinsarten betrifft. Das war der Sächsischen Zeitung am 7. Januar 2018 einen speziellen Artikel wert (betitelt mit: "Der Marmormann vom Dresdner Schloss"):

    Zitat von Sächsische Zeitung

    Um Zerstörtem oder Verfallenem seinen Glanz zurückzugeben, ist Steffen Blazejovsky mehrmals im Jahr in halb Europa unterwegs, um Steine aufzutreiben, die mit dem Original identisch oder ihm gleichwertig sind. Der 57-Jährige, der zum Steinmetz- und Steinbildhauermeister im Jahr 2006 noch den Abschluss als Restaurator im Handwerk machte, genießt in der Branche und bei Auftraggebern einen guten Ruf.

    Quelle: https://www.saechsische.de/der-marmor-man…ss-3854053.html


    Im LV hieß es zum 2. Vorzimmer (siehe obiges Zitat): „Vom Zweiten Vorzimmer hat sich eine in acht Stücke zerbrochene, inzwischen restaurierte Kaminrahmung aus der Zeit um 1795/ 1800 vollständig erhalten“.
    Frage an eryngium: Hast Du davon zufällig ein Foto von diesem vollständig erhaltenen Kamin (falls der überhaupt schon eingebaut war)?


    Zitat von Riegel

    Ein Bekannter von mir geht jetzt im Juli eine Woche nach Madrid. Er ist zwar absolut nicht von unserem Fach, aber er spricht fliessend Spanisch. Falls Du irgendwelche Fragen dazu hast, wäre das eine Möglichkeit, ihm diese 'unter die Nase zureiben' und vielleicht ein paar Fotos zu machen (falls das erlaubt ist, und der Betrieb nicht ferienhalber geschlossen ist).


    Ach mein lieber Riegel, ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll – das wäre ja mega-super. Und natürlich hätte ich Fragen:
    1. Wann ist nach jetzigen Sachstand mit der Fertigstellung der Webarbeiten zu rechnen(ungefähre Größenordnung – geht es bei einer eventuellen „Verspätung“ eher um Monate oder ist tatsächlich das Jahr 2022 anvisiert)?
    2. Falls es wesentlich später wird als Sept. 2019: Wie viele Teile sind bis jetzt fertig? In diversen Texten war immer die Rede von insgesamt 32 Einzelstücken.
    3. Falls es wesentlich später wird als Sept. 2019: Wie ist die Reihenfolge der weiteren Arbeiten? Denkbar wäre zum Beispiel, dass man bereichsweise vorgeht, möglicherweise werden aber auch zuerst die vertikalen Stücke produziert und danach die horizontalen (oder umgekehrt).
    4. Falls es wesentlich später wird als Sept. 2019: Wird man die zunächst vorliegenden „Fehlstellen“ irgendwie „kaschieren“ (zum Beispiel durch interimsweise aufgehängte bedruckteFolien)?


    Quelle: SIB, Ausschreibungsunterlagen

    Einmal editiert, zuletzt von BautzenFan (22. Juni 2019 um 22:58)

  • Themenschwerpunkt 1 - PARADE-APARTEMENT
    1.5 Eckparadesaal

    Im Eckparadesaal liegt noch die meiste Arbeit vor den Handwerksfirmen...

    1 Eckpaaradesaal

    1 Eckpaaradesaal


    ------------------------------

    Eck-Kabinett im Turm


    2 NW-Eckturm

    2 NW-Eckturm


    -------------------------------

    Sehr beglückt hat mich, dass nun im Eckparadessaal die Rokoko-Fassung rekonstruiert wird.
    Das war mir bisher unbekannt.

    Leider war nur eine Stuck-Rosette zum Teil zu sehen.

    1 Eckpaaradesaal

    Hier noch mal ein Vorkriegs-Bild.

    https://www.arstempano.de/typo3temp/pics/36273be361.jpg

    Das lässt mich hoffen, dass in diesem Raum zukünftig wieder der Audienzstuhl August III aufgestellt wird, denn nun wird ja die Raumfassung aus der Zeit als Audienzzimmer "August des Schwachen" rekonstruiert.
    Für mich ungeahnte Möglichkeiten!

    https://www.arstempano.de/uploads/tx_mue…DD_09_RI_50.jpg

    Nach Aussage der Bauleitung werden die beiden Öfen in den Nischen in den nächsten 14 Tagen geliefert und eingebaut. Aus Österreich, wenn ich es mir korrekt gemerkt habe.

    Einmal editiert, zuletzt von eryngium (22. Juni 2019 um 23:24)

  • KORREKTUR zu meinem letzten Beitrag.

    Eryngium hat mich gerade auf einen Fehler aufmerksam gemacht. In der Anfangszeile muss es dort heißen: Kamin des 2. (nicht des 1.) Vorzimmers. Daraus resultiert, dass das folgende Foto von eryngium den angefragten Kamin aus dem 2. Vorzimmer zeigt:

    Besagten Kamin finde ich besonders interessant, und zwar deshalb (Zitat aus dem LV):

    Zitat von SIB

    Vom Zweiten Vorzimmer hat sich eine in acht Stücke zerbrochene, inzwischen restaurierte Kaminrahmung aus der Zeit um 1795/ 1800 vollständig erhalten, die wohl in der 1. Hälfte des 19. Jhd. in den Raum gekommen ist. Sie wird als authentisches Bauteil selbstverständlich wieder eingebaut.

    VOLLSTÄNDIG erhalten, kaum vorstellbar angesichts des Zustands der Ruine.

  • Themenschwerpunkt 2 - RÄUME IM NORDFLÜGEL

    Turmzimmer
    leider konnte im Rahmen der Baustellenbegehung kein Blick ins Turmzimmer geworfen werden.
    Im Buschfunk war zu vernehmen, dass dieser Raum am 28.09.2019 noch nicht eröffnet werden kann.

    Großer Ballsaal und Propositionssaal
    Am ersten Tag des Kolloquiums wurde in einigen Vorträgen oder Grußworten namhafter (sächsischer) Denkmalpfleger der alten Schule immer wieder unmissverständlich an die (zeitweilig ?) anwesenden Minister bzw. Vertreter aus den Ministerien appelliert, beide Säle mindestens in ihrer architektonischen Fassung zu rekonstruieren.
    Einige Verwegene sprachen sich sogar für die Wiederherstellung der Wandmalereien aus der Mitte des 19. Jhds. aus.

    Die Bedeutung der Räume sieht man darin, dass sie als ORT und Zeugniss der sächsichen konstitutionellen Monarchie ein "Bindeglied" in unsere heutige Zeit mit ihrer parlamentarischen Demokratie darstellen.
    Hier fanden Landtage mit König und den beiden Parlamentskammern statt.

    ---------

    Angesichts der überzeugenden Leistungen in den Parade-Räumen scheint diese Maximalforderung zunächst in den Bereich des Möglichen zu rücken.

    Leider verlassen aber die Landeskonservatorin Fr. Prof. Pohlack

    und viele andere relevante Persönlichkeiten der alten Schule sächischer Denkmalpflege ihre Posten und gehen in den Ruhestand.

    Die öffentliche Verkündung der Nachfolge auf dem Posten des Landeskonservators beim Kolloquium durch den Sächs. Innenminister hat mich ratlos zurück gelassen. Und nicht nur mich.
    Alf Furkert, derzeit Chef der Sächsischen ARCHITEKTEN-Kammer, wurde als neuer oberster Denkmalpfleger ernannt.



    Wer mehr wissen will, ist hier richtig:

    Denkmalschutz in Sachsen

    8 Mal editiert, zuletzt von eryngium (23. Juni 2019 um 00:36)

  • Meine persönliche Meinung:

    Ich wünsche und erhoffe weitere Kontinuität auf dem Weg sächsicher Denkmalpflege hinsichtlich Rekonstruktionen. Dieser wird in Sachsen seit 1945 beschritten und auch noch 30 Jahre nach der Wende - gegen
    - den einen oder anderen unerfreulichen Feuilleton-Beitrag,
    - eine nicht unerhebliche Zahl von akademisch-wissenschaftlichen Bedenken und Anfeindungen aus einigen Denkmalpflege-Institutionen (überwiegende der "gebrauchten Bundesländer")
    verfolgt; mit den beispielsweise in Dresden greifbaren materiellen Ergebnissen von Reko und Wiederaufbau.

    Seit Kriegsende erfolgte dazu im sächsischen Landesamt für Denkmalpflege stets die "Übergabe des Staffelstabes" von einer Generation Denkmalpfleger an die gleichgesinnte nächste; amtsintern geschult und entsprechend sensibilisiert.
    Erstmals wird nun eine seit den Kriegszerstörungen von 1945 über mehr als 70 Jahre bestehende Kontinuität in der Führung der sächsichen Denkmalpflege-Institution gebrochen.

    Ich hoffe trotzdem, dass Herr Furkert die ihm übertragene Verantwortung für den auf uns überkommenen, materiell greifbaren kulturellen Schatz - das "Tafelsilber" Sachsens - adäquat wahrnehmen wird; ganz im Sinne von
    - Hans Nadler https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Nadler_(Denkmalpfleger),
    - Gerhard Glaser (https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Glaser),
    - Rosemarie Pohlack (https://de.wikipedia.org/wiki/Rosemarie_Pohlack)

  • Sehr beglückt hat mich, dass nun im Eckparadessaal die Rokoko-Fassung rekonstruiert wird.

    ...
    Das lässt mich hoffen, dass in diesem Raum zukünftig wieder der Audienzstuhl August III aufgestellt wird, denn nun wird ja die Raumfassung aus der Zeit als Audienzzimmer "August des Schwachen" rekonstruiert.

    Ist der Audienzstuhl August III noch vorhanden und was würde das für die doch ursprünglich geplante Ausstellung in diesem Bereich bedeuten?

  • Soweit ich weiß, ist dieser vorhanden.
    BautzenFan und Rastrelli wissen das vermutlich. Ich müsste erst nachsehen (nicht im Dachboden sondern der Bibliothek), schaffe das aber heute nicht.
    Octavian wäre hier am hilfreichsten gewesen.
    Leider wurde er ja durch einige "Fachleute" hier vergrault.


    Genau zu diesen Fragen hätte ich mir eigentlich Aussagen von Herrn Prof. Syndram erwartet.
    In spätestens 3 Monaten wissen wir mehr.

  • Laut Gisela Haase (das ist DIE Fachfrau für die historischen Möbel der Wettiner) existieren im Bestand der SKD noch drei Audienzstühle (oder eben Thronsessel):

    1. Audienzstuhl von Benjamin Thomae, entstanden 1718/1719; dieses Stück wird im Audienzgemach der Paraderäume aufgestellt
    Stuhl im Restaurierungsmodus
    Raumvisualisierung mit Audienzstuhl

    2. ein (Zitat Frau Haase) „graziles Rokokomöbel des Hofbildhauers Josef Deibel“, um 1750

    3. „Armlehnstuhl in lebhaften Rokokoformen“ (Zitat Frau Haase), vermutlich vom Hofbildhauer Johann Joseph Hackl

    Nr. 2 ist höchstwahrscheinlich dieses Stück hier (gemäß Bildbeschreibung der fotothek ist es Deibel zugeschrieben):
    KlickKlick

    Außerdem ist einem Artikel von Gisela Haase zu entnehmen, dass ein weiterer Audienzstuhl –und zwar (Zitat) aus dem „Deibelschen Umkreis“ - seit 1945 verschollen ist. Das wiederum könnte dieses Stück sein (denn davon habe ich nur Vorkriegsaufnahmen entdeckt): Klick
    Wie man sieht, trägt dieses Möbel die Bezeichnung: Thronsessel August III.

    Eine Aussage von eryngium kann ich nicht so recht nachvollziehen (oder ich habe es nicht richtig verstanden). M.E. ist aus dem Umstand, dass im Eckparadesaal die Rokokofassung rekonstruiert wird, nicht ableitbar, dass deshalb Chancen für die Aufstellung eines Audienzstuhles von August III. bestehen.
    Die Rokokofassung im EPS (Stuckrosetten, Ofennischen) wurde ab 1767 realisiert, August III. starb aber bereits 1763.
    Zum Thema, ob im EPS überhaupt ein Thronsessel aufgestellt wird, verweise ich auf einen früheren Beitrag. In Kurzfassung – höchstwahrscheinlich nicht. Denn an dem Mauerschaft, vor dem der Thron zu platzieren wäre, wird ein Wandspiegelhängen. Und einen Thron mit Spiegel im Rücken, kann ich mir nicht vorstellen.
    Quelle: SIB, Ausschreibungsunterlagen (rote Eintragungen von mir, entsprechen der Ursprungsunterlage)

    Link zum Beitrag


    Bleiben wir noch beim Audienzgemach. Auf dem folgenden Foto gingen die Augen des Fotografen leicht nach oben, zur Decke, aber mit ins Bild gelangte die Nordwand des Raumes (in frontaler Draufsicht):

    Foto von eryngium


    Versetzen wir uns nun ins Jahr 1987, da stand ein Kameramann an fast der gleichen Stelle und hielt seine Kamera ebenfalls in Richtung Norden. Dabei entstand diese Aufnahme:


    Quelle: Schnappschuss aus der filmischen Dokumentation „Von der Ruine zum Richtfest“, herausgegeben 1994 vom Sächsischen Finanzministerium

    Anhand des hellen Streifens im voranstehenden Bild manifestiert sich die Stirnfront der beim Wiederaufbau herausgebrochenen Mittelmauer im Westflügel (im konkreten Fall ist das die ehemalige Trennmauer zwischen Audienzgemach und Paradeschlafzimmer).


    Nun zum Großen Bilderkabinett. Auf dem nächsten Foto von eryngium blicken wir frontal auf die Ostwand des Raumes (wie eryngium schon schrieb, führt die Tür in die Türckische Cammer):

    Die folgende Zeichnung (ebenfalls besagte Ostwand) stammt aus einer früheren Ausschreibung. Damit möchte ich den zu erwartenden Endzustand verdeutlichen:


    Auf den beiden Gemälden (jeweils vom Hofmaler Louis de Silvestre) sind Maria Josepha von Österreich und ihr Gemahl August III. dargestellt, letzter in polnischer Tracht. Es ist das Paar, dessen Hochzeit im September 1719 barock-opulent gefeiert wurde.

    Was den Besucher erwartet, wenn er (aus dem Großen Bilderkabinett kommend) das Entree der Türckischen Cammer betritt, hat Dirk Syndram so beschrieben:

    Zitat von Dirk Syndram

    Nachdem man diese in sich einzigartige Ausstellung des königlichen Barocks [Anm.: gemeint sind die Paraderäume insgesamt] verlassen hat, wird man den fünf heransprengenden Pferden der Türckischen Cammer gegenüberstehen und erlebt damit leibhaftig den Blick Augusts des Starken auf den Hof des Sultans am Bosporos.

    Quelle: Das Dresdner Residenzschloss als Museum, in: Dresdner Hefte, Nr. 104

    Pferdequintett

  • Wie akribisch die Räume im Dresdner Residenzschloss rekonstruiert werden ist ein großer Schatz!
    Das Knowhow das dort aufgebaut wird ist enorm wertvoll für ähnliche künftige Projekte, z.B. wenn es konkret an den Wiederaufbau Berliner Schlossräume geht. Und natürlich denke ich auch an unser Neustrelitzer Schlossprojekt dabei. :)

    Herrlich. Vielen Dank auch für diese vorbildliche und sehr detailgetreue Dokumentation hier im Forum! Das ist einer der besten architekturbezogenen Themenstränge überhaupt im Web.

  • Außerdem ist einem Artikel von Gisela Haase zu entnehmen, dass ein weiterer Audienzstuhl –und zwar (Zitat) aus dem „Deibelschen Umkreis“ - seit 1945 verschollen ist. Das wiederum könnte dieses Stück sein (denn davon habe ich nur Vorkriegsaufnahmen entdeckt): Klick
    Wie man sieht, trägt dieses Möbel die Bezeichnung: Thronsessel August III.

    BautzenFan liegt genau richtig. Dieses Bild wurde im Kolloquium beim Thema Schlossbergung im 2. Weltkrieg durch Herrn Walther als Beispiel für Verluste gezeigt.

    Ganz vielen Dank für Deine Mühe zur Aufklärung des Sachverhaltes!
    Ich konnte mich nur erinnern, in Pillnitz im Wasserpalais (Kunstgewerbe-Museum) vor ca. 25 Jahren mal zwei der Stühle nebeneinander gesehen zu haben. Habe mich damals gefragt, wieso man 2 im Schloss brauchte. Damals gab es ohne Wikipedia und die entspr. Literatur noch keine Antworten auf die Fragen.

  • Eine Aussage von eryngium kann ich nicht so recht nachvollziehen (oder ich habe es nicht richtig verstanden). M.E. ist aus dem Umstand, dass im Eckparadesaal die Rokokofassung rekonstruiert wird, nicht ableitbar, dass deshalb Chancen für die Aufstellung eines Audienzstuhles von August III. bestehen.
    Die Rokokofassung im EPS (Stuckrosetten, Ofennischen) wurde ab 1767 realisiert, August III. starb aber bereits 1763.
    Zum Thema, ob im EPS überhaupt ein Thronsessel aufgestellt wird, verweise ich auf einen früheren Beitrag. In Kurzfassung – höchstwahrscheinlich nicht. Denn an dem Mauerschaft, vor dem der Thron zu platzieren wäre, wird ein Wandspiegel hängen. Und einen Thron mit Spiegel im Rücken, kann ich mir nicht vorstellen.
    Quelle: SIB, Ausschreibungsunterlagen (rote Eintragungen von mir, entsprechen der Ursprungsunterlage)

    Link zum Beitrag

    Oh Schade. Ich hatte schon Hoffnung.
    Leider wurden ja all diese Fragen im Kolloquium durch den Verantwortlichen Nutzer (SKD i.V. Herr Syndram) nicht beleuchtet. Statt dessen von ihm nur Altbekanntes zum bestehenden Museumsrundgang.

    Meine spärlichen Infos beziehen sich auf Aussagen des sehr engagierten BAU-Leiters, dessen Aussagen bezüglich Musealer Nutzung und Baugeschichte natürlich nur begrenzt verlässlich sind.

    Es wurde - in meiner Erinnerung - auf dem Baustellenrundgang und in einem Vortrag zur Schlossnutzung dargestellt, dass im Eckparadesaal unter August III der Audienzstuhl stand, während die Raumfolge ab hier schon damals in memoriam an den Vater nur zur Präsentation und Erinnerung diente.
    Ähnliches findet sich ja in München oder Versailles.

    Wo ist nur Octavian, um hier mal Hinweise zu geben bezüglich Zeitschichten in diesem Raum ?????????????????

  • Themenschwerpunkt 3 - LANGER GANG

    Mit um die 100m Länge und ca. 4einhalb Meter Breite ist der Lange Gang wirklich ein laaaaanger Gang.
    Trotz dieser eigentlich ungünstigen Proportionen war ich zunächst (nur*) überwältigt, wie großdimensioniert, großzügig und angenehm proportioniert der Raum wirkt.
    (*denn wenn man ihn vom Schloss her kommend betritt, sieht man zunächst nur Rohbau)

    Der Gang war zu seiner Entstehung 1586 bis 1588 nächst als Verbindungsgang vom Georgenbau zum in Einheit entstandenen Neuen (Prunk-) Stallgebäude am Jüdenhof (heute Johanneum) errichtet worden.
    (Im Neuen Stall damals ausgesuchte Leib-Pferde und Wagen im EG, Harnischkammer (schon damals repräsentaive Präsentation) und Gäste-Appartement im OG)
    Er war beidseitig komplett durchfenstert und als Ahnengalerie ausgestattet.

    Unter August dem Starken wurde dann im Langen Gang jedes zweit Fenster verschlossen, um Platz für eine viele Hundert Gewehre umfassende hochkarätige Waffensammlung zu bekommen.
    Es wurden damals in jeden zweiten Bogen Vitrinen-Schränke eingebaut (Fenster vermauertNeben dem Platzgewinn für die augustäischen Sammlungen entstand dadurch auch ein beeindruckenderes Wechselspiel beidseitiger Beleuchtung durch die alternierenden Fenster)******.
    (****** In den 1970-er Jahren wurden die Fenster zum Langen Gang - wie zur Erbauungszeit - alle geöffnet. Die zum Fürstenzug nahezu ausnahmslos geschlossen. So hatte man Stellfläche für´s Verkehrsmuseum. Die Fenster-Situation wurden im Zuge der Reko nun auf den Zustand der 1730-er Jahre zurück gebaut.)

    Eigentlich hätte der Raum den Namen "Lange Galerie" verdient. Gewehr-Galerie trifft es tatsächlich am besten. Und so wurde er auch bis 1945 bezeichnet. Nun weiß ich, dass Galerie hier nicht übertrieben war.


    Gaaanz am anderen Ende sieht es dann so aus:


    0 Langer Gang

    0 Langer Gang

    Fertig gestellter Teil der Decke in der endgültigen Ausführung.
    So wie hier zu sehen, wird die gesamte Deckenfläche im Langen Gang rekonstruiert.

    Dass die Deckenfelder über Jahre von einem großen Restauratoren-, Maler-, Theatermaler-Team anderenorts "vorkonfektioniert" wurden, ist ja hinlänglich bekannt.
    Hier vor Ort werden die Bildfelder (auf handgehobeltem Tannenholz gemalt - wegen der unperfekteren Oberflächen-Optik) nun in einer recht komplizierten Rahmenkonstruktion eingebaut. Kompliziert, weil der Einbau nicht wie früher erfolgen kann: Einlegen von oben in die Kasetten-Rahmen geht nicht, denn der Gang hat eine neue** Stahlbeton-Decke bekommen, um die Lasten der Technik im Dach tragen zu können.

    ** Die alte Nachkriegs-Betondielen-Decke wurde - bei Erhalt des Daches (!) - ersetzt, um die historische Raumhöhe des Ganges wieder herzustellen. Die Raumgeometrie entsprach nach dem Wiederaufbau nicht der historischen. Dies wurde angepasst.


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    Wie läuft das Ganze zeitlich ab?

    Genaue End-Termine kann man nicht benennen, da durch die begrenzten Kapazitäten von Künstlern, Restauratoren und Handwerkern hier nicht auch noch zusätzlich zum Parade-Appartement Druck aufgebaut werden soll.

    Als nächste Arbeitsschritte werden wohl im Juli alle Kassettenfelder im gesamten Gang eingebaut sein.
    Die Fassung der Kassettenrahmungen wird danach wegen der schier unendlichen Flächen noch ein Weilchen dauern.
    Und bis letztlich mal alle goldenen Zapfen*** angebracht sind, hat das nächste Jahr Einzug gehalten.

    Man beginnt gerade mit den Eichen-Dielen des Fußbodens.

    Auch die Vitrinen und die zugehörige Technik werden eingebaut.
    Letztere im Spitzboden****.

    (**** Der Gang wird zukünftig aus konservatorischen Gründen weniger (oder nicht?) beheizt, um Feuchtigkeit im Mauerwerk auszuschließen (Taupunkt in der Mauer, Ggf. Schadenspotenzial für das Porzellan-Bild des Fürstenzuges). Dafür werden die Vitrinen zum Schutz der hier später wieder gezeigten hunderten Schusswaffen entsprechend einzeln klimatisiert, um Korrosion auszuschließen.
    Trotz der Erfahrungen im Münzkabinett traut man sich das zu. Eine andere OPTIMALE Lösung scheint es auch nicht zu geben.)

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    0 Langer Gang

    0 Langer Gang


    Die Entscheidungen zur farblichen Gestaltung des Raumes (Wände) werden in vielen Details nach und nach in Abhängigkeit von der Decke als bestimmendem Ausgangspunkt aller Reko-Arbeiten Stück für Stück vor Ort gefällt. Beispielsweise hat man sich nach dem Bau von 2 Probe-Vitrinen für die hellgraue Variante entschieden. Die dunkle Variante (rechts im Bild) kommt nicht.

    -----------


    Auch die Gestaltung der Wandflächen wurde lange abgewogen. Eine Raumfassung in Anlehnung an die Zeit August des Starken wird umgesetzt.


    0 Langer Gang


    Die Krieger-Medaillons werden wohl kommen...


    -------------

    Hoch spannend und komplex ist der Umgang mit den überkommenen Wandmalerien aus dem 16. Jhd. in den Fenster-Nischen.
    Beim Brand 1945 haben sich nur Reste erhalten.

    0 Langer Gang

    0 Langer Gang

    0 Langer Gang


    -----------------------------------------------------
    Diese Reste sind zudem durch thermisch bedingte chemische Umwandlung der Pigmente komplett farbig verändert*****, wie man jetzt weiß.

    1.
    Zu DDR-Zeiten versuchte man sich zunächst an einer Ergänzung in der veränderten***** Farbigkeiten in Anlehnung an ähnlich-farbige Original-Befunden aus dem damals in Augustusburg bei Chemnitz entdeckten Renaissance-Fresken.
    (Von diesem schon als historisch zu bezeichnenden Restaurierungs-Ansatz ist mir leider kein Foto gelungen. Er verschwindet zukünftig hinter einer Vitrine.)

    2.
    Heute hat man nun Farbdias aus Vorkriegszeiten gefunden, die das Wissen um die originale Farbigkeit komplett veränderten.

    Es stellt sich die Frage, wie man nun mit den Origianl-Fragmenten umgeht, um diese in eine harmonische Raumgestaltung einzubeziehen. Komplizierte und differenzierte Abwägungen erfolgten!

    3.
    Wie man gut sehen kann, bringt der bloße Erhalt der Original-Rudimente keine befriedigende gestalterische Wirkung.

    4.
    In einem ersten Versuch der jetztzeitigen Restaurierungsarbeiten an den Wandmalereien wurden alle, die Original-Fragmente umgebenden, neuen Putzflächen ähnlichfarbig zum *****verfärbten Bestand angepasst, um das dargestellte Bildprogramm verständlich zu machen. Diese Probe wurde verworfen.

    0 Langer Gang


    5.
    Letzlich hat man sich nun für eine Ergänzung in Grisaille entschieden.
    So wie nachfolgend zu sehen, sollen nun alle Nischen in Anlehnung an Befunden und Vorkriegsfotos ergänzt werden.

    - Der Origianal-Befund ist deutlich zu erkennen.
    - Die Motive werden verständlich und die gesamte Raumgestaltung wirkt stimmig(er).

    0 Langer Gang

    0 Langer Gang


    (***** Erläuterung zur veränderten Farbigkeit der Original-Wandmalereien:
    Die schwarzen Flächen in dieser Nische waren beispielsweise ursprünglich weiß. Das Pigment Bleiweiß hat sich durch den Brand 1945 in ein schwarzes Pigment chemisch umgewandelt. Rottöne waren vorher ocker-gelb etc.)


    ------------------------------------
    *** Goldene Zapfen


    0 Langer Gang


    0 Langer Gang


    Die Decke weist bisher nur in einem ersten Teilbereich als plastische Elemente (neben den ohnehin überall vorhandenen goldenen Halbkugeln und "Marzipanbroten") auch die Zapfen auf.
    Letztere sind recht aufwändig in der "Produktion" und durch ihre Menge auch ein relevanter Kostenfaktor. Sie werden gedrechselt, dann beschnitzt, gestrichen, vergoldet und dann teilweise besandet und nachvergoldet.
    So entsteht eine sehr differenzierte Oberflächen-Ausbildungen, die meine schlechten Handyfotos leider nur sehr bedingt zeigen.
    Finanzierung für alles incl. Zapfen ist wohl gesichert, sodass man sich nicht mit einer Teillösung zufrieden geben wird.

    29 Mal editiert, zuletzt von eryngium (24. Juni 2019 um 03:52)

  • (Den Beitrag schrieb ich, bevor im vorangehenden Beitrag die Texte zu den Bildern eingestellt wurden; deshalb die Vermutungen, auf welche nun Antworten gegeben sind.)

    Die Fotos mit den Malereiresten in den Fensternischen sind interessant. Bisher herrschte hier im Forum ja Unklarheit, wie mit ihnen umgegangen wird, respektive mit den Fehlstellen. Eryngium, Du wirst wohl Informationen erhalten haben, ob das der Endzustand ist, so wie im letzten Bild. Wenn es der Endzustand ist, dann hat man also die Architekturglieder mit Rahmungen und Marmorierung in blassen Tönen ergänzt, auf der Wandfläche des Ganges aber in kräftigeren, wohl den Ursprünglichen entsprechend ergänzt. Die figürlichen Malereien hat man hingegen in einer schwarz/weiss Grisaille ergänzt. Dort, wo noch keine Malerei rekonstruiert worden ist, ist der Gegensatz zwischen den dunklen Resten und der weissen Wand sehr hart - zu hart sogar. Insbesondere beim dritten Bild, das in der Flucht des Ganges aufgenommen worden ist, stechen die weissen Fensternischen sehr hart heraus.

    Auf demselben Bild sieht man auch eine Musterabdeckung einer Ausstellungsvitrine. Sie ist hellgrau und leicht gemustert. Ich denke, dass die Vitrinen und die fertig restaurierten Fensternischen mit den blassen Farben sehr harmonieren werden. Sehr beeindruckend, wenn man jetzt zum ersten Mal das noch nicht ganz fertige Resultat sieht, und den Beginn ab den von BautzenFan eingestellten Ausschreibungen miteinander vergleichen kann!

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (24. Juni 2019 um 14:23)

  • Liebe BautzenFan , lieber Riegel,
    Ihr wart ein wenig schnell mit Fragen und Anmerkungen. Parallel zu meinem Schreib-Erguss.
    Die Erläuterungen sollten nach 28 Editierungen nun oben im Text zu finden sein, hoffe ich.
    Vielen Dank für die tollen Vergleichsbilder aus Vorkriegszeiten.

    Einmal editiert, zuletzt von eryngium (24. Juni 2019 um 02:22)

  • 0 Langer Gang




    Meine Meinung zur Reko im Langen Gang mit Bezug zu den originalen Wandfresken:

    Ich finde allein am Beispiel dieses Details zur Ergänzung der originalen Wandmalereinen wird klar, wie komplex die Restaurierung und Teil-Reko in einem ausgebrannten Schloss bei den heutigen Ansprüchen an die Ergebnisse aus Sicht der Denkmalpflege ist.


    Vergleicht man die Arbeitsweise und -ansätze, so stellt man fest, dass der Umgang mit historischem Bestand heute ein komplett anderer ist, als in den 50-er bis 70-er Jahren.
    Auch ist der deutsche Ansatz mit einem gewissen "Fetisch" Original (zum Glück) ein anderer als beispielsweise der in Polen praktizierte, wo überwiegend scheinbar immer noch "schön neu" gesetzt ist.

    Die Zeiten ändern sich.
    - Wurden beispielsweise beim Wiederaufbau der Münchner Residenz oder der "Restaurierung" der Wandmalereien in Augustusburg bei Chemnitz oft noch "Schön Neu" vor "Original-Befund zeigen" gestellt, so ist das heute diametral anders.
    - Wurde in den 50-ern in München der noch rel. gut erhaltene Thronsaal dem neuen Herkules-Saal geopfert, weil man "schön neu" wollte und auch für die Akzeptanz in der Bevölkerung Ergebnisse brauchte. Wurden in Dresden Museumskombinate und Hotels, Bibliotheken und Wohnheime ins Schloss geplant und zum Glück aus Geldmangel nie umgesetzt... Heute hängt man im Dresdener Schloss, den veränderten Ansichten in der Denkmalpflege folgend, an jedem Stück Originalsubstanz und rückt dieses ins Licht.

    Innenarchitekten, Grafikdesigner, Ästheten und Freunde von "Schön Neu" würden es sich womöglich anders wünschen. Die Denkmalpflege hat nach 50 Jahren Forschung, Versuch und Irrtum, Neuer Erkenntnis und sehr viel handwerklich-künstlerischer Arbeit aus den benannten Gründen genau so entschieden.
    Hier und an vielen anderen Stellen im Schloss.

    Selbstverständlich sind Geschmäcker verschieden und der eine oder andere Besucher wird die "fleckigen" Patchwork-Ergebnisse im Langen Gang zunächst gewöhnungsbedürftig finden.
    Solange man den an diesen Projekten mit unendlicher Akribie und Hingabe Arbeitenden keine Ahnungslosigkeit bis hin zu Diletantismus unterstellt, wie ja hier ab und an durch fehlende Detailkenntnis geschehen, finde ich das selbstverständlich legitim.

    Einmal editiert, zuletzt von eryngium (24. Juni 2019 um 09:20)

  • Ich erlaube mir auf diese unortodoxe Weise auf Ergänzungen in einem Beitrag von gestern hinzuweisen.
    GRÜN dargestellt. Da der Beitrag seitenweise zurück liegt und wohl nicht bemerkt würde...
    Irgendwer verbreitet sich hier so episch...

    Das Dresdner Schloss

  • Viel interessantes Material! Man muss schon aufpassen, dass man nicht durcheinander kommt. Ich denke aber, dass es passt, wenn ich in diesem Beitrag Ergänzungen zu den Audienzstühlen und zum Bildnispaar im Großen Bilderkabinett mache.

    Laut Gisela Haase (das ist DIE Fachfrau für die historischen Möbel der Wettiner) existieren im Bestand der SKD noch drei Audienzstühle (oder eben Thronsessel):

    1. Audienzstuhl von Benjamin Thomae, entstanden 1718/1719; dieses Stück wird im Audienzgemach der Paraderäume aufgestellt
    Stuhl im Restaurierungsmodus
    Raumvisualisierung mit Audienzstuhl

    Zu den Möbeln des Paradeappartements im Residenzschloss läuft ein Forschungsprojekt der SKD. Auf der Projektseite ist der Audienzstuhl Augusts des Starken abgebildet. Er wird Benjamin Thomae zugeschrieben, von dem auch die Prunktische im Grünen Gewölbe stammen. Der "Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aurangzeb" von Dinglinger steht zum Beispiel auf einem solchen Prunktisch im Neuen Grünen Gewölbe. Ich kann jedem empfehlen, sich nicht allein von der "indischen Pracht" blenden zu lassen, sondern auch dieses herrliche Möbelstück näher in Augenschein zu nehmen.

    Auf der verlinkten Projektseite sind zwei weitere Objekte abgebildet, die auf der bekannten Visualisierung des Audienzgemachs ebenfalls zu finden sind: eine Pendule (genau die, die auf den abgelehnten Plakatentwürfen zu sehen war; eine französische Arbeit von 1739) sowie ein silberner Kaminschirm (der in tatsächlich gedruckten Flyern zur Vorankündigung der Eröffnung der Paraderäume abgebildet wurde; eine augsburgische Arbeit aus dem Ende des 17. Jahrhunderts).

    Laut Gisela Haase (das ist DIE Fachfrau für die historischen Möbel der Wettiner) existieren im Bestand der SKD noch drei Audienzstühle (oder eben Thronsessel):

    [...]

    2. ein (Zitat Frau Haase) „graziles Rokokomöbel des Hofbildhauers Josef Deibel“, um 1750

    3. „Armlehnstuhl in lebhaften Rokokoformen“ (Zitat Frau Haase), vermutlich vom Hofbildhauer Johann Joseph Hackl

    Nr. 2 ist höchstwahrscheinlich dieses Stück hier (gemäß Bildbeschreibung der fotothek ist es Deibel zugeschrieben):
    KlickKlick

    Nr. 2 in Farbe und von Jürgen Karpinski fotografiert: Klick Karpinski
    Die Internetseite verrät uns, dass dieser Audienzstuhl 2013 auf Schloss Hubertusburg gezeigt wurde. Thematisch würde er auch sehr gut in die derzeit auf Hubertusburg laufende Ausstellung passen. In Informationsmaterialien zur Ausstellung habe ich aber keinen Hinweis auf den Stuhl gefunden. Ich vermute daher, dass er nicht in Wermsdorf gezeigt wird. (Ich werde die Ausstellung erst später besuchen können.) Angesichts seiner auch für Laien leicht fasslichen Bedeutung und Schönheit hätte man ihn sicher in den Infomaterialien platziert. Sicherlich wird dieser Audienzstuhl in den Dresdner Paraderäumen gezeigt werden. Ein solches Hauptwerk lässt man nicht im Depot vergammeln. Dazu passt, dass der Stuhl nicht auf Hubertusburg weilt. Die Ausstellung dort läuft ja noch bis in den Herbst, wenn der Stuhl längst in Dresden gebraucht wird. Eine Aufstellung des Stuhls vor einem Spiegel oder einem Fenster ist, wie BautzenFan ganz richtig meinte, ausgeschlossen. Aber es gibt ja nicht nur den Eckparadesaal. Auch die Retiraden, Vorzimmer und Bilderkabinette wollen bestückt sein.

    Ein kleiner Beifang auf der verlinkten SKD-Seite ("Klick Karpinski") sei noch erwähnt: Die herrlichen Trompeten waren Anfang des Jahres in einer Sonderschau im Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg zu sehen. Möglicherweise werden sie künftig in einem der Nebenräume der Paradesuite ausgestellt. Das wäre zumindest nicht ganz abwegig. Die Räume im Westflügel der Festetage sind ja dem Hofzeremoniell des 18. Jahrhunderts gewidmet. Denkbar wäre auch eine Präsentation später im Ausstellungsbereich zur Festkultur im Nordflügel.


    Außerdem ist einem Artikel von Gisela Haase zu entnehmen, dass ein weiterer Audienzstuhl –und zwar (Zitat) aus dem „Deibelschen Umkreis“ - seit 1945 verschollen ist. Das wiederum könnte dieses Stück sein (denn davon habe ich nur Vorkriegsaufnahmen entdeckt): Klick
    Wie man sieht, trägt dieses Möbel die Bezeichnung: Thronsessel August III.

    Wie dem Bildlink zu entnehmen ist, befand sich dieser (vierte) Stuhl vor 1945 auf Schloss Moritzburg. Das diente nach der Abdankung als Privatwohnsitz des vormals regierenden Hauses Wettin. Die Ausstattung war Privatbesitz. Das deutet eigentlich darauf hin, dass es sich nicht um einen offiziellen Audienzstuhl oder Thronsessel handelte, denn der wurde ja zur Ausübung der Staatsgeschäfte benötigt. Solche Objekte gingen nach der Abdankung in Staatsbesitz über. Zumindest dürfte es sich um ein Stück minderen Ranges gehandelt haben. "Deibelscher Umkreis" und die Ähnlichkeit zu Stuhl Nr. 2 deuten darauf.

    Unmittelbar nach dem Krieg wurde Moritzburg enteignet. Eryngium erwähnte das Stichwort "Schlossbergung". Damit wird die Bergung von Kulturgut aus den enteigneten Schlössern (nicht nur der Wettiner) in der Sowjetischen Besatzungszone bezeichnet. Besonders wertvolle Stücke gelangten in die Museen, der Großteil des übrigen geborgenen Kulturgutes in den Kunsthandel. Vieles ging in den Nachkriegswirren verloren.

    Die folgende Zeichnung (ebenfalls besagte Ostwand) stammt aus einer früheren Ausschreibung. Damit möchte ich den zu erwartenden Endzustand verdeutlichen:


    Auf den beiden Gemälden (jeweils vom Hofmaler Louis de Silvestre) sind Maria Josepha von Österreich und ihr Gemahl August III. dargestellt, letzter in polnischer Tracht. Es ist das Paar, dessen Hochzeit im September 1719 barock-opulent gefeiert wurde.

    Was den Besucher erwartet, wenn er (aus dem Großen Bilderkabinett kommend) das Entree der Türckischen Cammer betritt, hat Dirk Syndram so beschrieben:

    Auf dem Bild sind die beiden Gemälde falsch angeordnet. Herr und Dame müssen die Plätze tauschen. Der Herr gehört bei solchen Bildnispaaren auf die heraldisch rechte Position (das ist die wichtigere). Die Dame wird heraldisch links platziert. Diesem Schema folgt übrigens auch das weit verbreitete Bildnispaar Luther - Melanchthon aus der Cranach-Werkstatt.

    Auf der Rückseite der gezeigten Wand, also in der Türckischen Cammer , befinden sich große Wandvitrinen, die in ihrer aufeinander bezogenen Ausstattung die Tür zum Bilderkabinett ebenfalls sehr schön flankieren. Bei meinem letzten Besuch in der Türckischen Cammer öffneten einige neugierige Besucher diese Tür zum Großen Bilderkabinett, schlossen sie aber sogleich. Offenbar gab es nichts zu sehen.

    Das Arrangement des Bildnispaars beiderseits der Tür erinnert an die Fürstengalerie. Dort sehen wir an der westlichen Stirnwand August III. und Maria Josepha - der König auch hier in polnischer Adelstracht. Die beiden Staatsporträts schuf Louis de Silvestre im Jahre 1737. Sie rahmen den Zugang zum Neuen Grünen Gewölbe.

    Dresdner Schloss, Fürstengalerie, Blick nach Westen (Foto: SchiDD, Januar 2016, CC-BY-SA-4.0)

  • Themenschwerpunkt 4 - SGRAFFITEN IM SCHLOSSHOF

    Ein sehr interessanter Themenschwerpunkt beim Kolloquium waren wieder einmal die Sgraffiten im Schlosshof.
    Leider kann ich hier nicht die vielen Infos wiedergeben. Sie gehören aber sicher auch nicht unbedingt in ein Bau-Forum.

    Insgesamt wurde wieder viel zur wissenschaftlichen Arbeit bei der Entwicklung der Bildmotive gesprochen und verdeutlicht, dass es sich bei den künstlerischen Neuschaffungen im Alten Stil nicht um "komplette Neu-Erfindungen" und "Disneyland" handelt.

    Die wissenschaftliche Auswertung historischer Stiche, Zeichnungen und Gemälde vom Residenzschloss und das Auffinden der passenden graphischen Vorlagen aus der Entstehungszeit wurde sehr schön in Vorträgen dargestellt.

    Auch, dass die Sgraffiten (bis zum Schloßbrand 1701 in gutem Zustand existent) nach deren Erneuerung
    - 1602 und
    - 1676 bis 1678
    noch immer Bestandteil der Schloßarchitektur waren und selbst nach den komplexen baulichen Änderungen* in der Südost-Ecke des großen Schlosshofes erneuert wurden.

    (* Abriss des frühzeuzeitlichen alten Schlosstores zwischen Kleinem und Großem Schlosshof, Errichtung des neuen Südost-Wendelsteins als Ergänzung zu den 3 anderen, die schon über 100 Jahre bestanden, 1682 bis 1684.
    10 Jahre später entstand in diesem Bereich die Englische Treppe.)

    Man verdeutlicht also nochmals vor den anwesenden Fachleuten, auf welcher Grundlage die schöpferische Reko der Hof-Wandflächen umgesetzt wird und welche Wertschätzung die 1549 bis 1552 entstanden Wandgestaltungen auch 130 Jahre später genossen, als das barocke Palais im Große Garten gerade gebaut war (um 1680).

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    Wissenschaftliche Dokumentation zur Bildentwicklung im Großen Schlosshof

    Sgraffiten im Schlosshof

    Sgraffiten im Schlosshof

    Sgraffiten im Schlosshof

    Sgraffiten im Schlosshof

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    Beispiel für die Bildfindung auf einer Teil-Fläche

    Sgraffiten im Schlosshof


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    Schlossmodel als Arbeitsgrundlage für die komplexe Gesamtaufgabe Sgraffiten-Neuschöpfung.
    - Zunächst Zuordnung der inhaltlich-ikonografischen Themen am ganzen Schloss, um das Bildprogramm für den zu rekonstruierenden Hof sicher bestimmen und von anderen Themen (an den Außenfassaden) abgrenzen zu können.
    - Suche nach zeitgenössischen grafischen Vorlagen
    - Entwicklung des Bildprogramms und Kontrolle am Modell


    Sgraffiten im Schlosshof


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    Weitere interessante Details:

    - Auf Rückfrage wurde bestätigt, dass man weiterhin plant, im Bereich des Hausmanns-Turm die Sgraffiten bis in den Bereich der Uhr zu erweitern.

    - Der vor 30 Jahren entstandene Westgiebel des Nordflügels - als erster Teil des Gesamtwerkes - wird oberflächlich aufgefrischt.
    An einem östlichen Giebel des Nordflügels sind Versuchsflächen mit unterschiedlicher Oberflächen-Schutzmaßnahmen zur Langzeitbeobachtung angelegt. Auf Grundlage der Ergebnisse dort wird der Westflügel demnächst "nachgebessert".

    - Die Figuren auf allen Giebel-Voluten des Hofes wurden ikonografisch entziffert und sollen kommen. Die seit fast 30 Jahren bestehenden sind zu klein, waren aber auch nur ein Versuch mit Spolien von anderen Objekten, wenn ich es richtig verstanden habe.

    - Als nächstes steht die farbliche Fassung der Schönen Pforte an.

    2 Mal editiert, zuletzt von eryngium (27. Juni 2019 um 00:04)