Das Dresdner Schloss

  • Die Bildzeitung kennt wohl nicht den Unterschied zwischen ähnlich und identisch. Stil und Thema der beiden Friese sind zwar ähnlich, aber die Motive sind doch verschieden. Und schon gar nicht sind die Friese identisch - auch nicht "fast identisch", was ein Widerspruch in sich ist. Eine Sache kann nie mit einer anderen identisch sein, weil die Identität immer singulär ist. Nicht einmal zwei hintereinander mit demselben Prägestempel geschlagene Münzen sind identisch.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Umgestaltung des Nordflügels (dies ab 1896) im Rahmen des großen Schlossumbaus (1889 – 1901) beinhaltete für das hier befindliche Porzellanzimmer eine recht bald als nachteilig bewertete innenarchitektonische Veränderung. An der Südseite des Raumes (Mauer zum Schlosshof weisend) wurde nämlich ein Türdurchgang hergestellt (als Zutritt zum Altan bzw. in den neu geschaffenen Läufergang), hier auf einem Ruinenbild von 1980 gut zu sehen: Klick

    Ich zitiere nachfolgend aus einem Anfang 1921 erschienenen Fachartikel. Zuvor einige Angaben zum Autor Ludwig Schnorr von Carolsfeld:

    Deutscher Kunsthistoriker (geb. 1877, gest. am 8. Mai 1945, sein Spezialgebiet war die Geschichte des europäischen Porzellans, viele Jahre als Kustos am Schlossmuseum Berlin tätig)

    Zitat von Ludwig Schnorr von Carolsfeld

    Der Kunstwanderer, Jahrgang 1921, 1. Januarheft
    Die Vertäfelung im Porzellankabinett des Dresdner Schlosses
    Ludwig Schnorr von Carolsfeld

    Ein zwingender Grund, den Zugang nach dem Altan offenzuhalten, besteht heute nicht mehr. Es ist daher dringend zu wünschen, daß die Hauptwand des Turmzimmers wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt wird. Eine Rekonstruktion ließe sich leicht und ohne erhebliche Kosten nach der alten photographischen Aufnahme im Sinne der ursprünglichen Aufstellung vornehmen.
    […]
    Durch die Wiederherstellung der Hauptschauseite [Anm.: gemeint ist die Südseite des Raumes] und die Neuordnung des Bestandes würde das einzigartige Porzellankabinett die frühere Geschlossenheit wiedererlangen und eine neue Anziehungskraft unter den unvergleichlichen Kunststätten Dresdens bilden.


    Nunmehr, nach fast genau 100 Jahren, geht dieser Wunsch in Erfüllung. Mit der im Zitat erwähnten „photographischen Aufnahme“ ist dieses Foto hier gemeint (Zustand der Südwand bis 1896): Klick

    Und hier zum Vergleich der Zustand NACH dem Umbau (mit hergestelltem Türdurchgang auf den Altan): KlickKlick

    Im Ergebnis der aktuellen Raum-Rekonstruktion wird nun also die ursprüngliche Innenarchitekturwiedererstehen, incl. des „altarartig vorgebauten Schautisches“.

    Zitat von Ludwig Schnorr von Carolsfeld

    Dem Türdurchbruch ist der altarartig vorgebaute Schautisch, […], zum Opfer gefallen.


    Die Rekonstruktion der Holzkonstruktion des Schautisches war Bestandteil des Leistungsumfangs des bereits vergebenen Auftrags für das Tischlergewerk - die zugehörige Ausschreibung wurde hier beschrieben: Klick



    Bildquelle: SIB, Ausschreibungsunterlagen (Gewerk Tischler)


    Eine ganz aktuelle Ausschreibung beinhaltet die Herstellung des Marmorfußbodens und der marmornen Tischplatte. Als Material für die geschwungene Tischplatte kommt ein schwarzer Kalkstein mit der geologischen Bezeichnung *Portoro Nero/ Giallo*zum Einsatz. Die Varietät *Giallo* (ital. Giallo = gelb) umfasst dabei die Sorte mit goldgelben Adern (es gibt auch eine Art mit weißer Aderung). Wikipedia schreibt dazu:

    Zitat von Wikipedia

    Mitgoldfarbener Aderung ist dieser Naturwerkstein sehr begehrt und zählt zu den exklusivsten Dekorationsgesteinen der Welt.


    Zur Verlegung der Marmorplatten wird im Leistungsverzeichnis ausgeführt:

    Zitat von SIB

    Verlegt werden weiße Marmorplatten (Estremoz branco) im Wechsel mit dunkelgrünen Waldheimer-Sepentinit- Platten. Der Serpentin ist bereits vorhanden [Anm.: wurde vom SIB bereits 2014 beschafft], zugeschnitten und wird vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Hier sind lediglich die Oberflächen analog dem Estremozbranco zu bearbeiten. Das Material aus Estremoz branco ist komplett durch den Auftragnehmer zu beschaffen.


    Die sehr frühe Materialsuche nach dem Serpentinit erklärt sich vermutlich aus der schwierigen Beschaffbarkeit:

    Zitat von Wikipedia

    Waldheimer Serpentinit wurde 1867 als „Rochlitzer Marmor“ auf der Pariser Weltausstellung präsentiert. Heute wird im Bergwerk nicht mehr abgebaut.

    Die Arbeiten werden den beteiligten Firmen auch in logistischer Hinsicht einiges abverlangen; unter der Teilüberschrift *Gleichzeitig laufende Arbeiten* heißtes im Ausschreibungstext:

    Zitat von SIB

    Das Turmzimmerdient während der gesamten Ausführungszeit als Transitstrecke (= Verkehrsfläche bzw. Verbindungsweg) für Materialtransporte vom Bauaufzug am östlichen Nordflügel zum Westflügel [Anm.: alle Materialtransporte in die Paradezimmer].Eine Vollsperrung des Turmzimmers für den gesamten Zeitraum der Ausführung der Natursteinarbeiten ist nicht möglich. Ausnahmsweise kann das Turmzimmer in den Zeiträumen gesperrt werden, in denen Plattenmaterial in den Durchgängen bzw. auf dem Verbindungsweg zwischen den beiden Türen verlegt wird. Diese Zeiträume sind mit dem Auftraggeber mind.2 Wochen vorher abzustimmen. Die vorgenannten Arbeiten sind nur an Samstagen auszuführen.
    Bei der Ausführung ist immer mit der Anwesenheit anderer Firmen zu rechnen, z.B.:
    - Tischler(Wandverkleidungen, Podeste, Fenster)
    - Elektro- und Sicherheitstechnik (Kabelzug, Installationen)
    - Maler
    Die Belegung des Fußbodens muss also segmentweise (= in mehreren Arbeitsgängen) erfolgen, d.h., dass der Auftragnehmer Arbeitsbereiche abgrenzen und absperren muss, dass dabei getrennte Verlegebereiche entstehen. Der Transitweg zwischen den beiden Türen muss bis zum Schluss freigehalten werden.


    Abschließend noch ein Foto, aufgenommen von Hyade (leider nicht mehr aktiv). Man sieht den ehemaligen (hier bereits zugemauerten Türduchgang vom Turmzimmer in den Altan:


    Foto von Hyade

  • Nochmal zu "Pfunds Molkerei" (Nr. 1.880 und 1.881). Dass die Behauptungen von "Pfund" totaler Quatsch sind, ist hoffentlich jedem klar. Die Inneneinrichtung von "Pfunds Molkerei" (kann sich jeder in Wikipedia ansehen) stammt von 1891. Sie überträgt Entwürfe der Semperschule für Innenraumdekorationen in die triviale Welt eines Milchladens. Das Material sind Keramikfliesen von Villeroy & Boch. Die Anregungen für die Malereien dürften irgendwelchen Musterbüchern entnommen sein. Eine direkte kunsthistorische Abhängigkeit des Milchladeninterieurs von Innenraumgestaltungen des Dresdner Schlosses kann man ausschließen. Dazu sind die dekorativen Elemente im Milchladen zu sehr Allgemeingut jener Zeit (was auch gerade für die Darstellung alberner Kindergruppen mit Girlanden gilt), andererseits die bildlichen Szenen zu konkret auf die Thematik des Milchladens bezogen. Wir können hier sehr schön sehen, wie künstlerische Elemente der Hochkultur in die niederen Sphären der Alltagskultur transferiert werden und im Ergebnis teilweise noch ganz hübsch anzusehen sind, teilweise aber auch schon mutig die Grenze zum Kitsch überschreiten.

  • Ich war neulich mal wieder im Dresdner Schloss.

    Und möchte jetzt mal in ganz einfachen Worten sagen, was gesagt werden muss:

    Das Dresdner Schloss ist einfach MEEEGAAASCHÖÖÖN!!!!!!!


    Ministerpräsident Michael Kretschmer hat einmal gesagt:

    "Der Wiederaufbau des Residenzschlosses hat Ausstrahlung weit über Dresden hinaus, weil hier etwas wieder neu entsteht, was Menschen begeistert und verbindet."

    (Kretschmer am 6. Juni 2018 in Dresden. Quelle: Sächsische Staatskanzlei)

    Ich möchte hier in der nächsten Zeit einige vertiefende Beiträge zum Residenzschloss bringen - als kleine Ergänzung zu den exzellenten Materialien von BautzenFan. Für den Anfang habe ich einen Filmbericht des MDR über den Hausputz im Historischen Grünen Gewölbe mitgebracht. (Bitte auf Vollbildmodus stellen und genießen!) Außerdem künstlerisch besonders wertvolle Fotografien vom Kleinen Ballsaal. Die Aufnahmen stammen von David Brandt (Fotos zum Vergrößern anklicken).

  • Danke für die schönen Mitbringsel. Bei meinem letzten Dresden-Besuch wollte ich in den Kleinen Ballsaal, dachte, der Dienstag sei günstig (da die Museen meist montags geschlossen sind), aber es war dann doch der falsche Tag. So bleibt die Spannung erhalten.
    Ich kenne übrigens Dresdner Architekturstudenten, die noch nie im Grünen Gewölbe, noch nie im Schloss oder im Zwinger waren. Man fragt sich, was da in der Ausbildung schief läuft. Offenbar wollen einige Professoren, dass die Studenten sich gar nicht erst mit historischer Architektur befassen; sie könnten ja sonst noch auf den Geschmack kommen...

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Am Samstag 09.02. haben die Frauen Wiedemann und Wiedemann sen. zur Reko der Malerei im Kleinen Ballsaal eine Führung gehalten. Sehr qualifizierte kompetente Frauen.
    Die betagte Mutter war an der Semperoper beschäftigt und wurde für den Ballsaal verpflichtet. Die jüngere Frau Wiedemann hat mitgearbeitet und war für die Figuren verantwortlich.
    Ich habe Ihre Dokumentationsblätter der Denkmalpflegerischen Maßnahme auszugsweise fotografiert und gebe die nun endlich hier wieder, nachdem mir nach 3 Wochen eine Schreibberechtigung zuerkannt wurde.




    - Datenblatt Zustand vor 1896
    - daraus entzerrtes Original vor 1896.
    - Rekonstruiertes Gemälde

    Ich finde man kann ziemlich gut erkennen, dass auf einen schöpferischen Eigenanteil der Restauratorinnen / Künstlerinnen bewusst verzichtet wurde. Der Fries wurde in seiner malerischen Qualität wie im Ursprungs-Zustand rekonstruiert, eben auch alle künstlerischen "Unzulänglichkeiten" wiederhergestellt, dies entspr. den Vorgaben der Denkmalpflege.
    Es wurde bewusst darauf verzichtet, "malerisch besser" zu rekonstruieren, als die Darstellungen gewesen sind.
    Lediglich der zu große Kopf des 2. Putto von links wurde leicht verkleinert wiedergegeben, um den historischen "Macrozephalus" zu entschärfen.

    Übrigens handelt es sich bei den Farbflächen des Frieses um Ölmalerei. Der weiße Untergrund ist Tempera, wie sonst alles im Raum auch.
    Der farbige Puttenfries wurde an der westlichen und östlichen Kehle identisch rekonstruiert, weil nur für eine Kehle ein Foto vorhanden war.
    Da die Auftraggeber mit der Quali der Malerei schon 1866 nicht zu frieden waren, sprechen die zeitgenössischen Quellen von einer brauchbaren handwerklichen Malerei. Laut Aussagen des Chefrestaurators (zu einer späteren Führung) war der Fries bereits vor 1896 (!) - vermutlich deswegen - durch einfache Architekturmalerei "getilgt". Dies bezeugt ein Foto von 1896. (Info des Chefrestaurators zu einer späteren Führung).


    Ich fand schon in der Diskussion vor 4 Wochen sehr befremdlich, in welcher ehrabschneidenden Art und Weise hier über die Leistungen von Restauratoren und Künstlern "diskutiert" wurde, ohne das nötige Hintergrundwissen. Aus diesem Grund sehe ich mich noch heute bemüßigt, diese Bilder hier einzustellen und für die Damen Wiedemann eine Lanze zu brechen.

    Meine Meinung:
    Wenn es den selbsternannten Qualitätsprüfern der Dresdener Denkmalpflege irgendwann möglich ist, den Kleinen Ballsaal selbst in Augenschein zu nehmen (an jedem Tag außer Dienstag, wer Öffnungszeiten lesen kann, ist klar im Vorteil), werden diese "Fachleute" evtl. zudem feststellen, dass die Gesamtwirkung des Frieses im Raum ziemlich untergeordnet, ist. Ja, die Putten sind - bei genauester Betrachtung dieses Details in einem opulenten Gesamtkunstwerk - zweitklassig, haben aber nicht die Kraft, den Gesamteindruck auch nur annähernd zu schmälern.
    Der Puttenfries entspricht meiner Meinung nach dem Zustand von 1866. Den Damen Wiedemann gebührt eine Entschuldigung für die Unterstellung von "Unfähigkeit".





  • - Datenblatt "Vorkriegszustand" Es konnte aus 2 Fotos der Gesamtzustand wie dargestellt ermittelt werden
    - daraus entzerrtes Bestandsfoto Vorkrieg.
    - Rekonstruiertes Gemälde

    Dieser Fries war bis 1945 vorhanden. Es wurde auch hier wieder auf originalgetreue Reko ohne "Verbesserungen" wertgelegt.

    - Meine Meinung: Die Gesamtwirkung des Frieses im Raum ist ziemlich untergeordnet, die Wirkung bei genauester Betrachtung zweitklassig, was aber den Gesamteindruck nicht schmälert.
    Entspricht dem Vorkriegszustand und ist nicht einer Unfähigkeit heutiger Künstlerinnen anzulasten.

  • Auch die Führung durch die "Lampenbauer-Firma" am 02.02. war sehr interessant.

    Nur so viel: die Acanthus-Volute der Gueridons wurde von den 3 im Original erhaltenen Kaminaufsatzleuten abgenommen und 1 zu 1 an den rekonstruierten Standleuchtern wiedergegeben.

  • Ich danke vielmals für die zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ausführlichen Informationen. Ich denke, die Meinungen sind auf diesem Strang hinlänglich ausgetauscht worden, die Leute haben eben im buchstäblichen Sinne eigene "Sichtweisen". Ich möchte mich daher an weiteren Debatten nicht mehr beteiligen und nur noch auf
    vier Punkte hinweisen.
    1.) Ehrabschneidend waren die Kommentare keineswegs. Man darf Kritik üben, und die hier vorgetragenen Einwände waren überwiegend sehr sachlich und kunsthistorisch fundiert. Wer solche Debatten für ehrenrührig hält, darf auch keine Buchrezensionen, keine Widerlegung wissenschaftlicher Abhandlungen oder Kritiken von Konzertaufführungen lesen (und schon gar nicht Sendungen wie das Literarische Quartett sehen).
    2.) Es ist sehr müßig zu mutmaßen, wer von den Foristen wirklicher oder vermeintlicher Experte ist. Ich denke, es melden sich hier - neben engagierten Laien - mehr ausgewiesene Experten zu Wort, als man denken möchte.
    3.) Die Kritik, die bislang geübt wurde, richtete sich ausschließlich gegen die Grisaillen, gar nicht gegen die hier gezeigten farbigen Bilder.
    4.) Allerdings verstärken diese Bilder meine kritische Haltung. Ich denke, ein geschultes Auge erkennt klar, dass gerade bei den Farbbildern die Gesichter andere sind, ebenso das Karnat und die Frisuren. Die Nachschöpfung von Malerei ist eben schwierig....

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Des Weiteren wurde ja noch die goldene Architekturmalerei mit Instrumenten (in den Kassetten der Kehlen) von einigen "Fachleuten" hier im Forum wortgewaltig bemängelt. Sinngemäß wurde dabei die "teigige und kontrastarme" Malerei als unmöglicher Rekonstruktionsfehler dargestellt.

    Auch hier hilft Detailwissen.

    Die Malerei wurde wie folgt ausgeführt:
    - 1. flächige Malerei in Ockertönen
    - 2. Schatten durch dunklere Farbflächen darüber lasierend aufgetragen.
    - 3. Höhung als letzter Schritt nicht in Weiß (wie bei Griseille üblich) oder eben hellgelb, sondern Blattgold.

    Je nach Standpunkt werden die Malereien in ihrer Wirkung verändert, denn die Höhungen sind nur bei Reflektion von Licht warnehmbar.

    Vergleiche hierzu Fotos einer Probetafel der Frau Wiedemann sen. auf der
    - der Aufwand der Malerei durch Goldschraffuren im Detail
    - die unterschiedliche Wirkung je nach Lichteinfach erkennbar ist.



    Ich finde man kann hier ganz gut erkennen, wie aufwändig die angeblich "teigige" Malerei der "unfähigen" Restauratorinnen Wiedemann doch in Wirklichkeit ist.
    Die Goldmalerei ist so konzipiert, dass die Goldhöhungen erst bei "multizentrischer" Beleuchtung aus 200 Kerzen komplett reflektieren.
    Wenn man im Winterhalbjahr kurz vor Schließung (täglich18.oo Uhr, außer DIENSTAGS) den Saal besichtigt, ist der Effekt schön zu sehen. Draußen ist es dann dunkel und die Lüster entfalten Ihre berechnete Wirkung optimal.
    Bei einseitigem Tageslich und "falscher" Kameraposition ist die fehlende Tiefe der Malereien hingegen evident.

    Ich finde:
    Man macht sich also tatsächlich anhand von Tageslicht-Schnappschüssen auf einem RGB-Bildschirm (der Gold "nicht kann") nur ein unzureichendes Bild der Raumwirkung und Plastizität im Detail.
    Der geneigte Kritiker möge sich bitte vor Ort begeben.
    Und man stelle sich vor, wie einem beim Walzer in diesem Saal die goldene Decke vor Augen flimmert.

  • Ich danke nochmals für die sehr aufschlussreichen Bilder und die hilfreiche Dokumentation. Und gerne werde ich mich bei nächster Gelegenheit - nicht dienstags - an der Gesamtwirkung des Saals erfreuen, dessen Rekonstruktion und Gesamtwirkung ich ungeachtet aller Detailfragen stets positiv gesehen habe.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • PS.: Nach Info des Chefrestaurators Christoph Walther - meine Nachfrage vor ca. 14 Tagen bei besagter Führung - werden die Deckengemälde der Paradeappartements durch lasierenden Farbauftrag entwickelt.
    Der im "Fachmagazin" BILD (oder wars der TAG ?) vor ein paar Wochen dokumentierte Zustand der Deckenmalerei war sozusagen die "erste Schicht" Malerei und wird durch lasierende Tiefen und Höhungen dem barocken Original minutiös angenähert.
    Auf die fundierte Kenntnis der Fachleute hier im Forum meint man im Residenzschloss - sinngemäß zitiert - "verzichten zu können..."

    Ich persönlich bin auch der Meinung, dass ein mancher hier im Forum erst
    - nach persönlicher Besichtigung vor Ort (Residenz DIENSTAGS geschlossen, alle anderen Museen in Dresden MONTAGS) und
    - mit fundierten Kenntnissen zum konkreten Objekt
    urteilen sollte. Sei es zu Innenräumen im Schloss, der Wirkungvon angeblich missglückter Neubauten am Jüdenhof oder sonst was.

    (Und NEIN, ich meine nicht nur Seinsheim)

    Mein Eindruck:
    Statt sich über Erreichtes zu begeistern, wird hier regelmäßig "madig" gemacht.

    Ich stelle mir seit geraumer Zeit vor, dass z.B. Entscheidungsträger aus dem geldgebenden Finanzministerium (die ja nun von der Materie selbst keinen blassen Schimmer haben), sich hier im Forum mal kurz belesen, um dem Volk "aufs Maul zu schauen". Ich könnte mich vermutlich dem Eindruck "Wenn selbst die Reko-Befürworter HIER im Forum die erzielten Ergebnisse so unzulänglich finden, dann muss man doch für solchen Quatsch kein Geld ausgeben..." nicht erwehren.
    Oktavian hat genau DARAUF hingewiesen und einen professionelleren Umgang hier eingefordert.
    Statt mal reflektiert diese Dinge zu bedenken, wurde er hier übel beleidigt. (auch hier: NICHT Seinsheim.)

    Architectura pro Hominae?

    Hab ich vor 4 Wochen nicht gemerkt, dass man in irgendeiner Weise "human" und resprektvoll mit einander und mit der Leistung andere umgeht.

    Vor allem aus diesem Grund hab ich mich nach 3 Jahren des bloßen Lesens nun bemüßigt, hier ein paar "Bildchen" einzustellen.

    So. Möge der nächste Shitstorm beginnen.

    4 Mal editiert, zuletzt von eryngium (8. März 2019 um 03:25)

  • Lieber eryngium, ich bin dir so unendlich dankbar für deine kompetente Wortmeldung!

    Ich wollte mich hier demnächst, nachdem ich mich inzwischen sachkundig gemacht hatte und vor Ort war, ganz in deinem Sinne äußern und die herausragende Rekonstruktionsleistung Kleiner Ballsaal voll und ganz verteidigen. Indem du mir zuvorgekommen bist, hast du mir so viel Arbeit abgenommen, und du hast sie viel viel besser gemacht, als ich es je gekonnt hätte. Ich kann dann noch ergänzende Details beisteuern, die ebenfalls Seinsheim widerlegen. Auf deine Frage im letzten Beitrag weiß ich die Antwort, kann sie aber hier noch nicht unterbringen. Das braucht noch ein paar Stunden. Ich wollte dir nur auf die Schnelle, nachdem ich deine Beiträge entdeckt hatte, danken, danken und nochmals danken. Bitte bleib uns weiter im Forum erhalten! So eine kompetente Stimme wird immer wieder mal gebraucht.

    Ich schließe mich deiner Bewertung der Debatte hier vor einigen Wochen vollinhaltlich an. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich damals noch nicht hier im Forum angemeldet war und deshalb die besonnenen Stimmen (neben Oktavian waren das Riegel und Saxonia sowie natürlich BautzenFan) nicht unterstützen konnte.

    Jetzt möchte ich auf Seinsheim reagieren. Lieber Seinsheim, es ist schade, dass du nicht erkennen willst, wie sehr du dich vergaloppiert hast.

    Ich danke vielmals für die zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ausführlichen Informationen.

    Frostiger kann man nicht auf diese unglaublich gute Materialzusammenstellung von eryngium reagieren.


    Ich denke, die Meinungen sind auf diesem Strang hinlänglich ausgetauscht worden, die Leute haben eben im buchstäblichen Sinne eigene "Sichtweisen".

    Willst du die Diskussion jetzt abwürgen, um die Deutungshoheit zu behalten? Es geht nicht nur um "Meinungen". Es geht auch um Belege, um Fakten. BautzenFan hatte dazu einiges beigesteuert, aber das drang praktisch nicht durch. Das entscheidende Material hat eryngium jetzt auf den Tisch gelegt.


    1.) Ehrabschneidend waren die Kommentare keineswegs.

    Doch das waren sie zum Teil. Du hast dich selbst gewundert, wie sehr die Emotionen hochkochten. Kannst du dir nicht vorstellen, dass es dafür einen Grund gab? Zum Berliner Schloss äußerst du dich auch immer wieder kritisch. Da gibt es nicht diese heftigen Reaktionen, denn da trägst du deine Ansichten in einem ganz anderen Ton vor und hast wirklich Ahnung von der Materie. Es passiert in einem Forum, dass man beim Schreiben unglücklich formuliert und daneben greift. Das passiert mir vielleicht auch manchmal. Dann muss man sich einfach darauf besinnen, was das eigentliche Anliegen hier ist: der Austausch unter Leuten, die das Interesse für ein bestimmtes Thema eint. Unterschiedliche Sichtweisen sind erlaubt.

    Insbesondere wurde hier die Restauratorin Ariane Bothe-Stadelmann diffamiert (vor allem von Kunstmaler Clintwood). Dabei hätte man sich eigentlich denken können, dass sie die Kinderfriese gar nicht gemalt hat. Ich hatte dies jedenfalls nach den damals in diesem Strang zu ihr veröffentlichten Links gleich vermutet, ohne die Namen der Künstlerinnen zu kennen, die die figurativen Malereien tatsächlich ausgeführt hatten. Kurz vor der Mitteilung von eryngium oben hatte ich dann Gewissheit, dass Gerda und Lydia Wiedemann die Kinderfriese entworfen und ausgeführt haben.


    Man darf Kritik üben, und die hier vorgetragenen Einwände waren überwiegend sehr sachlich und kunsthistorisch fundiert. Wer solche Debatten für ehrenrührig hält, darf auch keine Buchrezensionen, keine Widerlegung wissenschaftlicher Abhandlungen oder Kritiken von Konzertaufführungen lesen (und schon gar nicht Sendungen wie das Literarische Quartett sehen).

    Viele Rezensionen und Kritiken zu Büchern, Filmen, Konzerten oder Theateraufführungen sind ärgerlich. Aber das Publikum weiß besser, wie es damit umgehen muss. Der Vergleich zu den darstellenden Künsten hinkt. Ein Rekonstruktions- oder Restaurierungsprojekt lässt sich nicht beliebig oft neu aufführen.


    2.) Es ist sehr müßig zu mutmaßen, wer von den Foristen wirklicher oder vermeintlicher Experte ist. Ich denke, es melden sich hier - neben engagierten Laien - mehr ausgewiesene Experten zu Wort, als man denken möchte.

    Wer zu den Kinderfriesen Vergleichsbilder von Tiepolo anbietet, kann kein ausgewiesener Experte sein. Tiepolo war ein Superstar in seinem Fach und gehört in eine ganz andere Stilepoche. Da hättest du auch gotische Tafelmalereien posten können. (Riegel hatte in freundlichem Ton schon darauf hingewiesen, dass die Vergleichsbilder irrelevant waren. Wenn ich es jetzt deutlicher formuliere, dringt es hoffentlich durch.)


    3.) Die Kritik, die bislang geübt wurde, richtete sich ausschließlich gegen die Grisaillen, gar nicht gegen die hier gezeigten farbigen Bilder.

    4.) Allerdings verstärken diese Bilder meine kritische Haltung. Ich denke, ein geschultes Auge erkennt klar, dass gerade bei den Farbbildern die Gesichter andere sind, ebenso das Karnat und die Frisuren. Die Nachschöpfung von Malerei ist eben schwierig....

    Zu Punkt 3: Das stimmt nicht. Zu Punkt 4: Ich habe zwei geschulte Augen und komme zu einem anderen Ergebnis. Das Inkarnat ist auf den Schwarzweißvorlagen gar nicht zu bestimmen, die Gesichter sind zum Teil verschmutzt oder zerstört. Die nachschaffenden Künstlerinnen mussten sich in die Stilepoche einfühlen. Menschen, die rekonstruieren, sind keine seelenlosen Kopiermaschinen. Außerdem hat historisches Bildmaterial nie die exakt gleiche ästhetische Wirkung auf den Betrachter wie ein Bild des gleichen Objektes von heute.

    Die Kritik vor einigen Wochen ging teilweise schon in Richtung Sachsen-Bashing. Es fällt auf, dass die scharfen Töne aus der preußischen Hauptstadt und von einigen Mitforisten aus Westdeutschland kamen. Mich hat damals insbesondere auch gestört, dass keine Vergleichsbeispiele aus Sachsen angeführt wurden. Den nichtsächsischen Mitforisten ist das vielleicht gar nicht so bewusst geworden.

    Übrigens lesen die Kollegen vom Deutschen Architekturforum hier auch mit. Sie haben sich inzwischen vor Ort ein eigenes Bild vom Kleinen Ballsaal gemacht und die Kritik als unberechtigt zurückgewiesen. Die schönen Fotos dazu von Elli Kny im DAF sollte man sich anschauen.

    Ich wünsche mir, dass wir damit die Frage nach Form und Zungenschlag der Debatte vor einigen Wochen abhaken und uns fortan inhaltlich mit dem schönen Thema dieses Strangs befassen.

  • und trotzdem ist der Akanthus am Leuchter miserabel ausgeführt. Von mir aus war er das dann auch schon 1866. Dann braucht aber kein Leipziger Kunstbüro mehr ein Jahr durch Frankreich zu touren um sich in die Arbeiten dieses französischen Künstlers einzufühlen, einen 1a Entwurf zu machen und dann das. Das ist dann die Veräppelung der Steuerzahler.

  • Eryngium hat oben die entsprechenden Infos aus der Fachführung gepostet. Ich hatte mir den Sachverhalt vor Ort angesehen. Die Akanthus-Motive an den Guéridons entsprechen denjenigen an den erhaltenen und lediglich restaurierten Kaminleuchtern. Das SIB weist in seinem gedruckten Infomaterial zum Kleinen Ballsaal ausdrücklich darauf hin, dass die erhaltenen historischen Reste des Ballsaals und seiner Ausstattung maßgebliche Informationen für die Rekonstruktionen der verlorenen Teile geliefert haben. Das ist gängige denkmalpflegerische Praxis. Im SIB-Material wird sogar konkret betont, dass der Dekor der Guéridons sich am Befund der Kaminleuchter orientiert.

    Die Leipziger Spezialfirma Historische Leuchten Jacob hat die Modellentwicklung für die verschiedenen Leuchter im Saal gemacht. Ein Guéridon besteht nicht nur aus Akanthusmotiven. Und die Behauptung, Akanthusmotive seien früher immer auf die gleiche Art durchgearbeitet gewesen, hält der Realität der Kunstgeschichte nicht stand. Auch Riegel hatte sich schon entsprechend geäußert.

  • Danke für die Bilder. Die Kritik vor vier Wochen war nicht „ehrabschneidend“, sondern eine berechtigte Diskussion über die Qualität der Ausführungen.

    Ich möchte zu dem farbigen Fries nun gar keine Kritik mehr äußern, sondern nur darum bitten, die Gesichter des Originals mit denjenigen der Restaurierung zu vergleichen, da hier m.E. sehr wohl eine Eigenschöpfung der Restauratorinnen zu sehen ist.

  • Aus meiner Sicht, sollte jedem Künstler seine "eigene Note" zugestanden werden. Auffallen wird das am Ende sowieso
    so gut wie niemanden. Aber kein guter Künstler wird eine Arbeit nur kopieren - außer Beltracci vielleicht ;)

    Das gleiche bei den Füllbauten auf dem Neumarkt. Wenn der Bau fertig ist, ist die Messe gelesen.
    Sich dann noch aufzuregen und zu diskutieren ist reine Zeitverschwendung.

    Mit der gleichen Energie sollte sich doch besser vor Bauausführung engagiert werden um die Dinge
    in die richtige Richtung zu lenken.

  • Da gebe ich dir Recht, aufgrund der räumlichen Distanz zum Betrachter, fallen diese Malereien tatsächlich kaum auf. Und ich finde auch, dass ein Bild in der Regel durch eine Interpretation nicht leidet und oftmals sogar gewinnt. Aber eben, in der Regel ;) Und hier wurde ja betont, dass es dem Original 1:1 entspricht, was so nicht stimmt. Aber du hast Recht, das Augenmerk sollte von nun an verstärkt der Bauausführung gelten.

  • @eryngium, Ich weiß, du meinst es gut. Du möchtest dich hinter die Restauratoren stellen und sie vor ungerechter, "ehrabschneidender" Kritik schützen. Dabei solltest du allerdings aufpassen, dich nicht selbst ungerecht und ehrabschneidend gegenüber anderen Forumsmitgliedern zu verhalten, die du nicht kennst, denn du scheinst ja sehr neu hier, und von denen du nicht weißt, ob sie nicht vielleicht auch Expertise im Fach mit sich bringen.

    Ich bedanke mich für deine ausführlichen Beiträge, sie sind wirklich sehr interessant. Da sie sehr ausführlich sind, will ich jetzt nur mal auf einem Punkt etwas erwidern, und zwar zu der Malerei der großen Nische des Kleinen Ballsaals. Dein eigenes Vergleichsmaterial zeigt nämlich deutlicher denn je, dass die Nachschöpfung dem Original in vielerlei Hinsicht nicht gleicht, ganz grundsätzlich nicht gleicht, wie z.B. im bloßen Stil der Ausführung.
    Ich habe mir mal die Mühe gemacht, meine Probleme mit der Neuschöpfung visuell zu erklären. Eine Anpassung, die zeigt, wie man die Probleme beheben könnte, habe ich außerdem eingefügt:

    Das Original wirkte wie die Illusion eines Reliefs. Wenn man die Augen zusammenkneift, könnte es sich tatsächlich um das Photo eines Reliefs handeln. Die Neuschöpfung wirkt hingegen wie eine sehr flach schattierte Zeichnung. Schatten, die Körper, Haare oder Gesichter der Putti plastischer erscheinen ließen, fehlen ganz oder wurden nicht stark genug in der Neuschöpfung schattiert.

    Abseits von der Stilistik stimmen, wie ich bereits beim Deckengemälde in einem der Paraderäume angesprochen habe, Details des Motivs nicht überein. Das Ohr des linken Putto ist im Original von Haaren bedeckt, warum wurde in der Neuschöpfung ein Ohr erfunden? Ich habe das mal schnell korrigiert.
    Der Kranz, der von dem anderen Putto gehalten wird, besteht im Original, wie man an den Schattenflecken erkennen kann, aus viel kleinteiligerem, detailierterem Blattwerk. Warum hat man sich daran nicht genau gehalten? Auch das habe ich mal grob angepasst. Hätte ich etwas mehr Zeit, hätte ich alles genauer kopieren können.