• Ausschnittsvergrößerung eines historischen Fotos des kleinen Ballsaales:

    Ist das im Prinzip eine der Grisaillen, über die wir sprechen? Mir scheint allerdings, daß da noch eine gewisse Farbfassung gegeben ist, oder!? Jedenfalls sehen wir hier Ausdruck und Stil eines der Original. Scheint mir sehr gelungener durchgearbeitet zu sein. Die Putti wirken geschmeidig und wie selbstverständlich ihres Daseins-Sinnes hingegeben. Die neuen Putti auf der Reko-Grisaille müssen erst noch üben. Sind noch etwas zerknauscht, weil gerade aus dem Ei gepellt, .... biggrin:)8):huh:

    Quelle:
    http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/…/tu_hks_0000001

  • Nein, das ist die falsche Seite, das hier ist farbig und auf den Längsseiten des Saales.....
    Es gibt da noch ein anderes Foto....

  • Ja, Octavian, das meinte ich ja auch. Das ist nicht das besagte Puttitreffen!
    Dennoch läßt sich der Stil und die Ausführungsqualität etwas erkennen. Und die dürfte im ganzen Ssaal gleich gewesen sein, oder!? In der Zwischenzeit hatte ich nochmal vergrößert. Also leider nochmal die falsche Seite. Mir ist kein Foto der richtigen Seite bekannt. Sonst mache ich davon auch gerne eine Ausschnittsvergrößerung

  • Seinsheim hat schon recht, ich nehme das etwas persönlich. Ich bin kein studierter Kunsthistoriker, aber ich stelle fest, dass ich in Jahrzehnten mit Reisen, in denen ich alle möglichen Schlösser etc. besichtigt habe, meine monatlichen Besuche auf Trödelmärkten und nicht zuletzt meine eigene Drechsel-und Tischlerarbeit mich zu einem Punkt geführt habe an dem ich auf Anhieb sagen konnte, dass die Leuchter aus Frankreich waren und wie eine französische Ormolu Arbeit des 19. Jhds aussieht. Erschrocken bin ich wenn ich feststelle, wie die Bürokratie das ganze zerzaust. Erst wird eine noch sehr gute Aufrisszeichnung des ganzen durch das Leipziger Büro Jacob gemacht. Hier stimmen noch alle Proportionen. Dann überlässt man es einer Firma, die eigentlich aus der Drückerei kommt. Hier hätten zwei Firmen zusammen arbeiten müssen. Der Bronzeguss erinnert an chinesische Vintage vom Dekodiscounter. Die Drückarbeit selber ist sehr gut ausgeführt.

    Ich plädiere dafür dieses Forum auch mehr zu einem Forum der Innenräume zu machen. Bei Innenräumen wird nämlich der Originalsubstanz meist noch grösserer Tort angetan als aussen. Sieht ja keiner.

    Ich kann nur jedem raten und jeden fordern mal selber künstlerisch tätig zu werden, als Architekturzeichnung, Modellierung oder Schnitzerei oder was auch immer. Nur das schult das Auge für die Proportionen. (Die schlimmste Anforderung an heutige Handwerker ist die Entwurfszeichnung.) Und die Kritik ist verdammt wichtig, da stimme ich zu. Wir haben uns heute nur angewöhnt gleich nach den Grundrechten zu rufen, wenn einer sagt, dass etwas nicht in Ordnung war und zuzumachen.

  • Und wen man genau hinschaut, sieht man, dass die Vorlage ziemlich genau so gut, oder auch schlecht, wie die Reko aussieht......

  • Auch wenn die Ausschnittsvergrößerung nicht viel hergibt muß ich doch sagen: quod erat demonstrantum ...
    Der Punkt geht an Octavian!
    Jetzt sag uns mal, wieso die Grisaille so ist, wie sie ist und sich damit von anderen der Kunstgeschichte in der analysierten Weise unterschiedet!?
    Und die anderen Puttiszenerien, wie sind die denn ausgeführt? Die nehmen ja viel größere Bildflächen ein!
    Muß ketzt los. Bin gespannt, was ich heute Abend hier vorfinde. Bis dann!

  • Ich möchte noch gerne ein Wort zu jenen Künstlern verlieren, die ihren Personalstil durchsetzen wollen. Dieses Problem gab es in der Tat zu allen Zeiten - heute besonders bei Egomanen-Architekten im Städtebau. Wenn nun ein Caravaggio, ein Borromini, ein Tiepolo, ein Richard Wagner Allüren zeigten - nun gut, das waren Genies, und ihre Allüren waren genial. Aber wenn drittklassige Kunstmaler und -handwerker sich als Genies aufspielen und meinen, sich in Baudenkmalen auf Kosten der Qualität selbst verwirklichen zu müssen, ist das nur peinlich und unerträglich.

    Und jetzt komme ich wieder auf das Konzept der Kunstgewerbeschulen und der Imitatio (im Sinne von Nacheifern) zurück. Jahrhundertelang haben Künstler und Kunsthandwerker im Rahmen ihrer Ausbildung erst einmal die großen Meister studiert - in der École Polytechnique bei Durand haben die Eleven in den ersten Semestern die bedeutenden Bauwerke der Vergangenheit studiert, in anderen Akademien haben die Schüler jahrelang nur abgezeichnet. Und irgendwann, wenn sie durch Nachahmung der großen Meister begriffen haben, wie ein Faltenwurf funktioniert, wie sich Federn an einem Flügel darstellen lassen, wie Licht von Haut oder Metall reflektiert wird, wie es um die Anatomie bestellt ist, dann erst haben sie selbstständig gearbeitet. Das hat auch viel mit Demut zu tun, mit Respekt. Und diese Demut und dieser Respekt haben zu den großen Kunstleistungen geführt.

    Und dann kam die Industrialisierung, es gab das Bauspekulantentum und plötzlich wurden historistische Stuckfassaden wie Meterware abgewickelt, wurden eklektische Raumdekorationen nach Katalog bestellt. Doch auch da gab es immer noch herausragende Qualität, weil ein gewisses Niveau dank des tradittionellen Kunsthandwerks einfach noch gewährleistet war.

    Schließlich traten Moderne und Bauhaus auf den Plan. Deren erste Generation hatte das alte 'Handwerk' noch gelernt, verabschiedete sich dann aber umgehend und vollständig von der Traditionskette. Man fühlte sich als Avantgarde, suchte das Neue um der Neuartigkeit willen, vollzog den Bruch mit der Geschichte, weil man den neuen Menschen, die neue Gesellschaft und die neue Welt erschaffen wollte. Und weil man im Sinne eines falsch verstandenen Individualismus und eines völlig missverstandenen Geniebegriffs "sich selbst verwirklichen" wollte . Und nicht zuletzt begann man, das Alte zu verachten - auch, weil man insgeheim ahnte, dass man im Vergleich dazu nicht bestehen könnte.

    Und so gingen die über Jahrtausende erworbenen Grundfähigkeiten verloren. Was heute an Technischen Universitäten und Kunsthochschulen vermittelt wird, ist zum Teil nur noch traurig.

    Deswegen: Wir brauchen eine Rückbesinnung, eine Umkehr. Nicht im Sinne von kitischigem Vintage- und Retrotraditionalismus, sondern im Sinne einer echten traditio (= Weitergabe) von künstlerischen Fähigkeiten und Errungenschaften. Das verlangt Demut statt pseudogenialischer Selbstgefälligkeit. Wer keine Demut hat, sollte sich einen anderen Beruf suchen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • (...) Jetzt sag uns mal, wieso die Grisaille so ist, wie sie ist und sich damit von anderen der Kunstgeschichte in der analysierten Weise unterschiedet!?

    Ganz einfach: Weil es mittelmäßige oder schlechte Maler(eien) schon immer, überall und zu allen Zeiten gegeben hat.

  • Und wen man genau hinschaut, sieht man, dass die Vorlage ziemlich genau so gut, oder auch schlecht, wie die Reko aussieht......

    Auch wenn die Ausschnittsvergrößerung nicht viel hergibt muß ich doch sagen: quod erat demonstrantum ...
    Der Punkt geht an Octavian!


    Jetzt haben wir ja den Vergleich. Ich war deshalb bis jetzt mit Kritik zurückhaltend, weil ich genau das vermutete, was Oktavian (s. Zitat und vorangehenden Beitrag) schrieb. Es entspricht auch meiner Erfahrung, das schon früher nicht alles perfekt war, sei es in künstlerischen Arbeiten oder auch bei handwerklichen. Wobei man bei einem solch bedeutenden Schloss eher davon ausgehen darf, dass hier nur erstrangige Künstler mit Aufträgen betraut wurden. Insofern wurde hier der exakte Rekonstruktionsauftrag erfüllt.

    Man könnte jetzt aber auch diskutieren, ob bei einer Rekonstruktion grundsätzlich etwas verbessert werden darf. Die Diskussion wäre wahrscheinlich anders verlaufen, wenn Oktavian schon vor zwei Tagen darauf hingewiesen hätte, dass schon früher nicht alles perfekt war. Insofern möchte ich mich wiederholen, künftig bei solchen Diskussionen zuerst Vergleichsbilder gegenüberzustellen.

  • Wenn man das Original betrachtet, fallen wesentlich stärkere (und richtig gesetzte) Kontraste und eine „Körperlichkeit“ auf, die die Rekonstruktion nicht ansatzweise hat (besonders auffällig beim Gesicht des mittleren Kindes- man vergleiche diese Stelle bitte mit der Pinselei der Dame und sage mir dann, dass man keinen qualitativen Unterschied sähe..). Kein Schatten hier ist richtig gesetzt, Wie gesagt, hier hätte ein Könner rangelassen werden müssen, der die fehlenden Bildinformationen gekonnt interpretiert- hier wurden ledliglich Flächen angepinselt, was letztlich einem „Malen nach Zahlen“ näher kommt, als einem gekonnt umgesetzten Licht- und Schattenspiel. In diesem Fall muss man interpretieren- und vor allem muss man es können.

  • Beim Vergleich muss man aber auch beachten, dass wir hier zwei Aufnahmen mit völlig unterschiedlichen Fototechniken und Raumausleuchtung gegenüberstellen. Ich habe jetzt mal dem Bild von Seinsheim (resp. seinem Bekannten) mehr Kontrast gegeben:

    Kann es nicht sein, dass allzu starke Kontraste das Gesamtbild der Nische beeinträchtigt hätten? Die ganze Nische ist ja in sehr dezenten Tönen gehalten, und da hätte sich ein kontrastreiches Bild oben in der Hohlkehle zu stark abgesetzt. Also eine Grisaille-Malerei à la Burgtheater in Wien (die ich übrigens sehr fantastisch finde; hier aber nur auf die Grisaille Malerei bezogen, und nicht auf den Goldhintergrund), wäre hier fehl am Platz gewesen.

    Bei einer Beurteilung einer plastischen Fassade, eines Gemäldes, (oder auch einer Webseite mit hundert Funktionstasten) kneife ich jeweils ein Auge zu, um das Bild verschwommen zu sehen. Somit erhält man ein Bild, das sich auf das allerwesentlichste beschränkt (mein Urteil über einen Webseitenvorschlag lautete, dass sie wie eine Sportkletterwand aussehe, überall farbige Punkte und Striche, aber kein Konzept und keine Ordnung).

    Ich muss aber zugeben, dass das Original wohl eine Spur mehr Tiefenwirkung hatte.

  • Um sich mal in die Lage von Oktavian hinein zu versetzen:

    Wir haben jetzt hier innert zwei Tagen 104 Beiträge (ab hier) zu wenigen Details dieses grossartigen Raumkunstwerkes verfasst. Könnt ihr euch vorstellen, wieviele Stunden in Kommissionen mit Besprechungen, Vertragsabschlüssen, Augenscheinen etc. drauf gehen? Irgendwann muss einfach mal ein Schlussstrich bei einem Werk gesetzt werden, so weh es einem tut! Ich kann da aus Erfahrung bei eigenen Objekten sprechen, beispielsweise bei einer gotischen Stube: ich selber hatte das zusätzlich erforderliche Geld nicht, von der Bank erhielt ich es nicht, und in einem Monat musste ich die Wohnung dem Mieter übergeben. Punkt. Nun hoffe ich, dass ein späterer Besitzer des Hauses diese Mängel mal eliminieren wird.

    Es kommt noch hinzu, dass die Suche nach fähigen Handwerkern und Restauratoren sehr zeitaufwändig ist!

  • Alles richtig, warum konnte dann aber das Büro Jacob 1 1/2 Jahre in Frankreich originale Leuchter besichtigen, um nachher doch die eine Firma zu beauftragen bei deren Fotos auf der Webseite man schon ahnen kann wo es hingeht. Hier passt etwas logisch nicht, es sei das ist ein gewisser Filz, bei dem jeder seinen Kuchen von den Fördermitteln abbekommt.

  • Diese Diskussion, lieber @Riegel, verlief ja auf mehreren Ebenen.

    Zunächst ist ständig und von allen betont worden, dass niemand die großartige Leistung des Wiederaufbaus des Dresdner Schlosses im Allgemeinen und der Rekonstruktion des Kleinen Ballsaals im besonderen hinterfragt. Wir alle freuen uns darüber.

    Nichtsdestoweniger habe ich mir erlaubt, in meinem ersten Post auf vier Mängel hinzuweisen und festzustellen, dass da etwas nicht gut gemacht worden ist. Eine solche Feststellung muss erlaubt sein und sie ist auch richtig - einfach, damit man für das nächste Mal noch mehr auf solche Dinge achtet.

    Dann hat die Diskussion eine gewissen Eigendynamik entfaltet. Wir haben über die Qualität der fraglichen Grisaille gesprochen, wobei ja mittlerweile unstrittig ist, dass ihr künstlerischer Wert gering ist - unabhängig davon, wie gut oder schlecht das Original war und wie gut oder schlecht man dessen Qualität anhand dieses einen Fotos nachvollziehen kann.

    Aber von dort ausgehend haben wir auch über verschiedene Maltechniken in verschiedenen Epochen diskutiert. Wir haben über das Wesen der Grisaille an sich gesprochen und über Qualitätsunterschiede im heutigen Kunsthandwerk. Ich habe das alles als sehr lohnend empfunden (und @Petersburg hat gelernt, dass man Grisaillen nicht bei Alnatura unter der Bezeichnung grissini bekommt ;) ).

    Und dann habe ich ein nicht nur von mir geteiltes Anliegen vorgetragen, dass wir nämlich eine neue Art von Kunstgewerbeschulen brauchen, eine neue Stufe kunsthandwerklicher Ausbildung. Weil Reko-Projekte - hoffentlich! - zunehmen werden, und weil es ärgerlich wäre, wenn jemand wie Du, lieber Riegel, viel Zeit und Geld aufwenden musst, um gute Handwerker und Restauratoren zu finden - derweil ein Großteil der jungen Generation in den überfüllten Hörsälen an den Unis herumsitzt und auf die Arbeitslosigkeit oder Umschulung zusteuert, nur weil Politiker und Ideologen meinen, es sei minderwertig, ein gutes Handwerk zu erlernen, und weil die Modernisten uns einreden, eine besondere Ausbildung fürs Kunsthandwerk sei überholt.

    Ich denke, all das sind wichtige Themen, und ich fand es schön, dass diese Debatte sich so umfänglich entwickelt hat und dass sich so viele daran beteiligt haben. Und dafür - auch für konstruktiven Widerspruch - möchte ich allen danken!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Äm.... Sorry, aber ich habe an der Reko des Kleinen Ballsaales keinerlei Anteil
    Ich kenne (und schätze!) aber sehr viele, die mitgemacht haben und weiß recht genau um das Ringen in den unendlich vielen Details, nebst der Notwendigkeit, den aufs Geld schauenden Bauherren bei Laune halten zu müssen...
    Insofern: Unschön, wenn diese Leute nebst Vertreter des Freistaates Sachsen hier mitlesen (ich weiß, daß etliche das tun! ) und ihr großartiges und mühsam wiedererrungenes Raumkunstwerk zerredet sehen müssen..... That's the point....

    Ich persönlich rekonstruiere andere Sachen in Dresden. Und die haben noch "weniger Qualität" als der Ballsaal. Aber aus den gleichen Gründen.....

  • Gut gepredigt ja und was nun? Ich musste auf das Bäffchen grinsen. Alle haben sich gegenseitig ihrer Wertschätzung versichert, nett geplauscht ein paar Jungspunde stören wie immer, aber etwas im Sinne eines Massnahmenplan greift nicht. Bleibt alles beim alten. Vielleicht können wir nicht in diese Speichen eingreifen, aber wenn viele beruflich daran hängen, will ich es vielleicht auch nicht, das ist was ich hier mitnehme.