Danke eryngium für den sehr interessanten Beitrag zur Produktion der Stoffe!
Vielleicht kann mal jemand etwas zur Wandbespannung der Münchner "Reichen Zimmer" als weiteres Raumkunstwerk auf Augenhöhe im Vergleich erläutern ??? Würde mich sehr interessieren...
Kriegsbedingt sind die Wandbespannungen in München auch rekonstruiert...
Die Wandbespannungen der Reichen Zimmer in der Münchner Residenz sind zu einem großen Teil ziselierte Genueser Samtstoffe, die nicht so extrem aufwändig und teuer sind wie die von Dir beschriebenen Dresdener Brokatstoffe und deren Wiederherstellung in der Wiederaufbauphase der Münchner Residenz dementsprechend kein großes Problem darstellten.
Allerdings gibt es im Inneren Audienzzimmer (Raum 57) und im Paradeschlafzimmer (Raum 60) der Reichen Zimmer auch anspruchsvollere Brokatstoffe, die vor den Bombardierungen abgenommen und in Sicherheit gebracht worden waren, zusammen mit den meisten geschnitzten Wandvertäfelungen, den Flügeltüren, den Gemälden, allen Möbeln und sonstigen mobilen Ausstattungsgegenständen. Die heute in diesen beiden Räumen zu sehenden Brokatstoffe sind also meines Wissens original, nicht rekonstruiert! Es gibt allerdings sehr wenige veröffentlichte Quellen hierzu, die meisten Texte zum Wiederaufbau der Reichen Zimmer behandeln die extrem schwierige und anspruchsvolle Rekonstruktion des Deckenstucks und der nicht gesicherten und zerstörten Schnitzereien im Miniaturenkabinett und im Konferenzzimmer, die aus Zeitmangel nicht mehr ausgebaut werden konnten.
(Quellen: Kurt Faltlhauser (Hrsg.): Die Münchner Residenz: Geschichte – Zerstörung – Wiederaufbau, München 2006;
Hermann Neumann: Der Wiederaufbau der Münchner Residenz nach dem Zweiten Weltkrieg und die Tradierung des Stuckhandwerks - ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees, 2015)
Hier ein Foto des Paradeschlafzimmers der Reichen Zimmer mit den schweren Brokatstoffen am und um das Bett herum:
Von den ziselierten Samtstoffen der anderen Räume der Reichen Zimmer hab ich im Moment keine adäquaten Fotos parat, bei Interesse kann ich aber welche machen und nachliefern.
Das Hauptaugenmerk bei der Gestaltung der Reichen Zimmer lag allerdings nicht bei den Wandbespannungen, die größtenteils nur als Hintergrund dienen, sondern bei den unglaublich feingliedrigen und fantasiereichen Stuckaturen und Holzvertäfelungen, welche die ganzen Räume überdecken und im Sinne des Rokoko die Auflösung des Raumes, d.h. der tektonischen Hülle, anstreben (die Reichen Zimmer stammen aus den 1730er Jahren, sind also ein paar Jahre später entstanden als die Dresdner Paraderäume). Die beabsichtigte Wirkung, die Stilstufe und die verwendeten Materialien sind also größtenteils andere, von daher kann man beide Enfiladen nicht ganz miteinander vergleichen.
Ich bin allerdings nicht unbedingt der Meinung, dass die sicherlich sehr teure und aufwändige Dresdner Lösung mit Brokatstoffen deswegen unbedingt an der Spitze der barocken Raumausstattungskunst stehen muss; es kommt im Endeffekt immer auf die Kunstfertigkeit an, mit der die Materialien bearbeitet werden und die künstlerischen Resultate, die damit erzielt werden. Insofern stehen Räume in anderen Schlössern, deren Materialien vielleicht etwas "billiger" waren, keineswegs den Dresdner Räumen nach, man denke neben den Stuckaturen and Schnitzereien der Reichen Zimmer oder der Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark beispielsweise auch an die filigranen Scagliola-Arbeiten in einigen Renaissance-Räumen der Münchner Residenz (vor allem Reiche Kapelle und Antiquarium) oder an die fantastischen Hinterglasmalereien im Spiegelkabinett der Residenz Würzburg, die alle von den reinen Materialkosten möglicherweise unter den Kosten der Dresdner Paraderäume lagen, aber deshalb vom künstlerischen Standpunkt her keinesfalls weniger wertvoll sind.
Bzgl. der "Enttäuschung" einiger Besucher der rekonstruierten Dresdner Paraderäume und der mangelnden Wertschätzung der aufwändigen Stoffarbeiten:
vielleicht hat sich die Dresdner Schlossverwaltung nicht unbedingt einen Gefallen damit getan, die rekonstruierten Paraderäume mit allzu überschwänglichen Attributen zu bewerben und so bei einigen Besuchern die Erwartung zu wecken, nun die opulentesten und prächtigsten Schlossräume der Welt erblicken zu können; Vergleiche mit Versailles u.ä. waren diesbezüglich sicherlich nicht besonders hilfreich. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, explizit darauf hinzuweisen, was in diesen Räumen wirklich in außergewöhnlicher und unübertroffener Qualität zu besichtigen ist: die Stoffarbeiten der Wandbespannungen und des Paradebettes. Der gemeine Besucher hat sich aber wahrscheinlich mehr Prunk und Glitzer erwartet und ist nicht gebildet genug, die feine und diffizile Qualität der Brokatstoffe zu erkennen und zu schätzen. Vielleicht kann in Zukunft noch mehr auf diese besondere und wirklich außergewöhnliche Qualität hingewiesen werden.
Zumindest in Deutschland wohl einzigartige ORIGINALE Wandbespannungen aus etwa gleicher Entstehungszeit wie in Dresden finden sich in der Rastatter Residenz.
Im Neuen Schloss Schleißheim bei München gibt es auch noch das originale Paradeschlafzimmer von Kurfürst Max Emanuel, mit vollständig erhaltenem Bett und Wandbespannungen von ca. 1720 (beides wird zur Zeit restauriert, siehe hier)
(Quelle: Wikimedia Commons; Autor: Rufus46, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)