Die Architektur Franco Stellas am Berliner Schloss

  • Im neuen Extrablatt bekommt der Architekt Franco Stella (S.32 f.) eine ausführliche Laudatio. Absolut verdientermaßen, wie ich meine. Entgegen vieler Mitbewerber stellte er nicht das eigene Ego in der Vordergrund (architektonische „Experimente“ blieben daher aus). Durch seinen Respekt und die Wertschätzung für die Architektur Schlüters und Eosanders sah sich Stella selber als deren Fortsetzer, die er nicht übertrumpfen wollte.

    Auch Stellas oft kritisierter strenger Rationalismus harmoniert aus meiner Sicht weitgehend mit den Barockfassaden bzw. den Rekonstruktionen, sogar mit der monotonen Ostfassade habe ich mich mittlerweile angefreundet. Besonders lobend hervorzuheben sind die neu geschaffenen genialen Räume „Agora“ und „Passage“, die keiner von Stellas Mitwerbern so oder ähnlich geplant hatten. Kurz: Der Beste hat gewonnen!

    "In der ersten Wettbewerbsphase haben wir zwei Monate daran gesessen, in der zweiten Phase noch einmal rund drei Monate, mit fünf Kollegen. Aber meine beiden wichtigsten Mitarbeiter waren die Barockbaumeister Andreas Schlüter und Eosander von Göthe. (…) Das Alte zu respektieren, ohne das Neue zu korrumpieren, eine Kontinuität zwischen Geschichte und Gegenwart herzustellen, mit den richtigen Anschlüssen und Übergängen – das war das Schwierigste. Es gibt ein Zitat des preußischen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel: „In der Naht liegt die Tugend.“ Daran musste ich oft denken. Ich wollte eben keinen Kompromiss, sondern eine Kontinuität der Prinzipien, der Regeln zwischen Fassaden und innerer Struktur, ein Spiel der Mauern und Säulen. Wo ich Neues entworfen habe, zielte das immer darauf ab, städtische Plätze zu schaffen, etwa beim Schlossforum, durch das man den Bau in Nord-Süd-Richtung durchqueren kann. Von dort geht es auf einer Seite zur Agora, auf der anderen in den Schlüterhof. Es sollten Orte mit öffentlichem, nicht kommerziellem Charakter entstehen, Durchgänge, die wie Straßen durch das Bauwerk verlaufen."

    Nachfolgend einige Bilder der Stella-Fassaden / Stella-Raumgestaltungen des Schlosses:

  • Der Raum der Gigantentreppe und der darüber liegende Schweizer Saal. Angenehme Raumgestaltung, Anklänge an die historischen Vorgänger, "mehr" ist vorerst leider nicht möglich (da Rekonstruktionen von Innenräumen seitens der Stiftung derzeit unerwünscht sind):

    Blick in die große Treppenhalle:

    Blick in einen Veranstaltungssaal:

  • Auch wenn ich mit Stellas klobiger, unsensibler Ostfassade einfach nicht warm werden kann, erkenne ich das sein Konzept mit Agora, Forum und Belvedere eines der besten und schlüssigsten war. Das Forum (oder die Berliner Uffizien) empfinde ich sogar als sehr gelungen, konzeptionell und in der tatsächlichen Ausführung.
    Auch haben wir es Stella zu verdanken, dass mehr und mehr Teile des Schlosses rekonstruiert wurden als anfangs zur Rekonstruktion vorgesehen waren. Er hat immer bei mehr Rekonstruktion mitgemacht und sogar Platz gemacht und seinen eigenen Entwurf beschnitten, damit z.B. die Runde Ecke noch Platz fand.
    Dass man (anders als in anderen Städten) einen Unterstützer der Schlossrekonstruktion als Architekten gewinnen konnte, war von enormem Wert. Vor allem bei dem Gegenwind welcher der Rekonstruktion immer wieder bis heute entgegen schlug. Stella war uns da ein echter Verbündeter. :)

  • Diese großen Räume, diese große Leere. Das ist für mich befremdlich und nicht unbedingt anziehend.

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Richtig tolle Bilder Maecenes! Danke dafür.

    Ich sehe Stellas Ergänzungen und Innenräume wie eine weiße Leinwand, die noch gestaltet werden darf, sogar soll.
    Fassadenbegrünung an seiner Schlüterhoffassade, der Ostfassade und der Uferwand, nach und nach einige Innenräume wiederherstellen, irgendwann die Schlossapotheke. Stellas Entwurf lässt viel Platz und schafft diesen auch bereitwillig. Das ist so ziemlich das Beste, was unter den gegebenen Voraussetzungen entstehen konnte. Auch wenn es innen aktuell noch sehr blutleer wirkt.

  • Mal eine bescheidene Frage, die mir beim Durchlesen der Diskussion und Betrachten der Bilder kam: Die Architektur Stellas ist ja schon ziemlich ikonisch, einzigartig. Besteht nicht die "Gefahr", dass das alles in 30, 40 Jahren eben deshalb unter Denkmalschutz kommt?

    Könnte, würde das dann die Rekonstruktion weiterer Räume verhindern? Wir trösten uns ja gerne hier mit dem Verweis auf die Zukunft - "Irgendwann wird alles besser, und dann wird man auch den ein oder anderen Raum vielleicht rekonstruieren können". Ich selbst glaube das auch, denn die Aufregung wird sich irgendwann legen, ob es nun 5, 10 oder 20 Jahre dauert. Und dann werden neue Möglichkeiten entstehen. Aber wird das schnell genug gehen, bevor evtl. der Denkmalschutz den Ist-Zustand zementiert?

  • Erstens wüsste ich nicht, was an den kahlen Räumen vom künstlerischen Standpunkt denkmalschutzwürdig sein soll. Zum Anderen würden Stuckierungen ja die Substanz des kahlen Raumes nicht zerstören. Schließlich sind solche Überlegungen zur Zukunft ohnehin müßig. Man kann dann auch fragen, ob die "Gefahr" besteht, dass es in 40 Jahren vielleicht gar keinen Denkmalschutz mehr gibt...

  • Franco Stella könnte als Urheber testamentarisch anweisen, dass seine Fassadenteile zur Umgestaltung im Sinne der originalen Schlossgestaltung freigegeben werden sollen. Und er auch bei Denkmalschutz Umbauten bereitwillig zustimmen würde, wäre er noch am Leben.

    Solche Aussagen können entsprechende Entscheidungen schon beeinflussen, wie diverse Debatten um Architekten-Erben und Umbau-/Abrissprojekte zeigen.

  • .. Schließlich sind solche Überlegungen zur Zukunft ohnehin müßig. Man kann dann auch fragen, ob die "Gefahr" besteht, dass es in 40 Jahren vielleicht gar keinen Denkmalschutz mehr gibt...

    oder, wo man Berlin hinversetzt, wenn das Meer nach der globalen Eisschmelze um 66 Meter ansteigt und das jetzige Berlin somit teilweise unter Wasser steht.

  • Unter all den Innenräumen sind ja eigentlich nur die Gigantentreppe und der Schweizer Saal (siehe Bilder in Beitrag 4) in ihren Konturen mit Anklängen an die historischen Vorgänger wiederhergestellt worden. Die übrigen Räume sind als überaus schlichte Museumsräume hergerichtet worden. Und das "schlicht" ist wörtlich zu nehmen, denn hier hätte man durchaus auf mehr Wertigkeit bei den Materialien achten können. So wurde in allen Ausstellungsflächen ein ödes graues Laminat verlegt (wie in jedem x-beliebigen Aldi), statt hochwertigem Parkett o.ä.. Das liegt aber nicht an Franco Stella, sondern an den Kuratoren der Ausstellungen.

    Grundsätzlich bleiben Rekonstruktionen von einigen Innenräumen in der Zukunft möglich, das ist ja auch ausdrücklich von vornherein so geplant worden, und dem würde auch ein möglicher Denkmalschutz für die Stella-Fassaden nicht im Wege stehen. Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen ist im folgenden Bild der ehemalige Thronsaal / Rittersaal zu sehen. Es wurde für den Rundgang im dritten OG in Teilen der Grundfläche eine Zwischendecke zum Mezzanin eingezogen (aus Leichtbaumaterialien), die man für eine Rekonstruktion des Raums wieder entfernen könnte.

    Leider gibt es keinen einzigen Innenraum im Humboldtforum, in dem eine Info-Tafel auf den jeweiligen historischen Vorgänger verweisen würde (nur Insider wissen "hier war mal der Rittersaal... der Schweizer Saal"...). Offensichtlich will die derzeitige Leitung des Humboldtforums bewusst keine Erinnerung an das frühere Schlossinnere aufkommen lassen. Leider.

    Bild: Der ehemalige Rittersaal, historischer Vergleich

  • Man könnte dem Humboldt-Forum solche Infotafeln ja stiften. Oder eine App entwickeln, die via Augmented Reality die historischen Räume über die aktuellen blendet. Da kann sich das HF dann gar nicht dagegen "wehren". ;)

    Ich hätte mir für die Übergangszeit bis zur teilweisen Reko auch deutlich ansprechendere Innenräume gewünscht. Etwa nach dem Vorbild des Museum Barberini in Potsdam, da haben Hilmer & Sattler und Albrecht einen wirklich guten Job gemacht. Es ist innen nicht rekonstruiert, macht aber einen sehr wertigen, klassisch-eleganten Eindruck, der hervorragend mit dem Äußeren korrespondiert. Ins Berliner Schloss mag man ja gar keine Gäste einladen, das fühlt sich irgendwie peinlich an. Bis auf das Foyer und die Höfe. Die beiden neuen Restaurants Wilhelm und Alexander im Schlüterhof sind auch gut gelungen.