Hannover-Linden/Limmer/CB-Neust. (Galerie)

  • Angeregt durch die "Gründerzeitquartiere in deutschen Großstädten"-Vergleiche habe ich einen Abstecher nach Hannover-Linden gemacht. Leider hatte ich nicht viel Zeit, es handelt sich größtenteils um Fotos aus Linden-Mitte, obwohl auch Linden-Nord und Linden-Süd großflächige Gründerzeitwohngebiete aufweisen.

    Hannover spielt von der erhaltenen Bausubstanz/dem Potenzial her in einer Liga mit Leipzig, hat aber deutlich weniger aus dem Bestand gemacht und wird deshalb wohl auch nicht zu unrecht bei solchen Vergleichen selten genannt. Da ich ein Faible für Underdogs habe, und die Stadt auch ein wenig kenne, dachte ich mir, es ist doch mal an der Zeit, hier ein paar Bilder zu zeigen. Von der Innenstadt haben wir ja einiges in der Galerie, aber aus den Stadtteilen nicht viel mehr als ein paar Streetview-Bilder und Wikipedia-Fotos.

    Dabei, ich muss es nochmal sagen, weist Hannover vielleicht neben Stuttgart bei den westdeutschen Großstädten nach Hamburg und München sicherlich den am flächigsten erhaltenen Bestand auf. Interessant ist auch, dass selbst die Arbeiterviertel außerordentlich gut erhalten sind, das ist in fast allen anderen deutschen Städten ähnlicher Größe (mit Ausnahme Leipzigs) deutlich weniger der Fall, weil diese aufgrund der Nähe zur Industrie auch oft mehr zerstört wurden und/oder nach dem Krieg aufgrund der generell schlechteren Wohnbedingungen eher abgerissen wurden.

    Ich bin immer erstaunt, wie geschlossen und großflächig der Bestand oft noch ist. Linden hat außerdem einen ganz eigenen Stil, wie man sehen wird, sehr viele backsteinsichtige Fassaden schon im Historismus, dadurch relativ oft gotisierende Elemente, die dann von der frühen Moderne oft auch wieder aufgegriffen wurde. Der Stadtteil weist nahezu alle Entwicklungsstufen des deutschen Städtebaus von etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Architektur der 2010er Jahre auf, wird aber dominiert von kaiserzeitlicher Blockrandbebauung.

    In medias res, das "Tor zu Linden" ist von der Stadt kommend am ehesten der "Schwarzer Bär" genannte Platz, der aber noch sehr gemischt bebaut ist, hier war ich (atypisch) etwas selektiv, weil doch auch einiges an Nachkriegszeug dazwischen steht, gleich rechts mit dem Capitol ein ziemlicher backsteinexpressionistischer Kracher:

    Nördlich wird der Platz von diesem interessanten Haus gesäumt, anscheinend wurde der Turmhelm in den 1980er Jahren postmodern wiederaufgebaut:

    Die Lichtverhältnisse waren durch die tiefstehende Sonne bestenfalls mäßig, zudem hat mein Telefon eine Neigung zu sehr starker Farbsättigung, die ich tlw. sogar reduzieren musste, aber dann wieder mit Problemen mit der Helligkeit.

    Gegenüber ein weiteres imposantes Geschäftshaus:

    Im Bild auch der namengebende schwarze Bär.

    Blick nach Süden, hier ist auch die heterogene Struktur zu erkennen, im Hintergrund aber nochmal zwei große Geschäftshäuser:

    Ein weiteres lustiges Haus:

    Der Stadtteil ist sehr multikulturell und alles andere als verschnörkelt. Trotzdem oder gerade deshalb wirkt er sehr lebendig und alles andere als "abgehängt", wie solche Stadtteile zum Beispiel im Ruhrgebiet manchmal sind. Die ikonischen grellgrünen alten üstra-Straßenbahngarnituren fahren nur noch hier im Stadtteil wegen der fehlenden Hochbahnsteige:

    Linden ist wie ganz Hannover von der westdeutschen Fensterkrankheit befallen, aber es wird recht viel renoviert, und mein Eindruck ist, dass der Anteil adäquat geteilter Fenster in den letzten 20 Jahren, seit ich den Stadtteil (sporadisch) besuche, deutlich zugenommen hat. Es geht gleich weiter....

  • Vom Schwarzen Bären geht es nach rechts in Richtung des Ihmezentrums, das seit Jahrzehnten in einem fürchterlichen Zustand vor sich hingammelt. Es ist in seiner unfassbaren Hässlichkeit auch schon fast wieder eine Sehenswürdigkeit und in dieser Ballung von Baumasse sicherlich ziemlich einmalig in Deutschland. Dadurch, dass ein Großteil der Wohnungen in Privatbesitz ist, ist eine konzertierte Aktion oder ein Abriss praktisch unmöglich:

    Seit mindestens 10 Jahren ist die Erdgeschosszone in diesem "Bauzustand", ohne dass erkennbar etwas passieren würde:

    Direkt nebenan wurde ein etwas deplatziert wirkendes Reihenhausgebiet gebaut, geschätzt zweite Hälfte der 2000er Jahre:

    Die Wohntürme des Ihmezentrums stehen übrigens keineswegs leer, es sind die niedrigen Geschosse mit ihren Einkaufszentren und Arztpraxen, die seit Jahren vor sich hingammeln.

    Nebenan wird anscheinend ein großes Grundstück gerade bauvorbereitet:

    Im Hintergrund die relativ heterogene Bebauung dieses vorderen Teils von Linden. Wahrscheinlich waren hier die Kriegszerstörungen ausgeprägter, denn weiter "hinten" wird es wesentlich geschlossener. Die Pläne, zunächst ein Blick aus der gleichen Perspektive wie oben:

    Andere Perspektive von weiter südlich:

    Quelle: Eleonorenhof

    Man beachte, dass das Ihmezentrum nicht retuschiert wurde ;). Die Architektur ist so lala, aber man erkennt doch den Schritt vom oben gezeigten, seltsam suburban wirkenden Projekt von ca. 2005 bis heute, immerhin wird der Blockrand (wieder?)hergestellt und sich an die üblichen Geschosszahlen im Gebiet angepasst.

    Nochmal derselbe Blick wie zwei drüber 2008 (Google Streetview):

    Nach diesem Ausflug ins Moderne geht es gleich mit dem "echten" Linden weiter.

  • Eine der vielen Wohnstraßen im "vorderen" Linden-Mitte:

    Auf der Gartenallee geht es Richtung Lichtenbergplatz:

    Gegenüber ein herrliches Haus, keine Ahnung, was da drin ist:

    Am Lichtenbergplatz:

    Einmal rumgegangen:

    Zwei Häuser werden gerade renoviert....

    weiter nach Norden gedreht:

    Blick nach Norden über den Platz mit Blick in eine der schönen Straßen:


    Man kann die schöne Figur nicht so gut erkennen, aber vom Fassadenschmuck ist doch noch einiges vorhanden, lediglich die Dachaufbauten haben etwas gelitten:

    Dass rot hier als Farbe selbst im höherwertigen Historismus so dominant ist, ist sehr hannöversch, das gibt es meiner Meinung nach in keiner anderen deutschen Stadt vergleichbarer Größe.

  • Dadurch, dass ein Großteil der Wohnungen in Privatbesitz ist, ist eine konzertierte Aktion oder ein Abriss praktisch unmöglich

    Dann blieben eigentlich nur zwei Möglichkeiten:

    1. Die Stadt würde den Eigentümern die Immobilien abkaufen, das Zentrum abreißen und neu bebauen. Das ist aber angesichts der Größe den Zentrums wohl finanziell fast unmöglich.

    2. Es werden Konzepte zu einer Reaktivierung des Erdgeschosses erarbeitet und mit städtischer Förderung umgesetzt.

  • Weiter geht es nun in den Westen des Stadtteils, hier mischen sich manchmal schon die kleineren typischen Lindener Arbeiterhäuser dazwischen, die nach Westen und Norden immer dominanter werden, dazwischen nochmal ein ebenfalls sehr typische hannoverscher Versatz im Blockrand, solche Sprünge gibt es v.a. in der List häufig in den schöneren Straßen:

    Ich meine diesen Vorsprung, oft mit Balkonen:

    Die Häuser werden hier schon etwas einfacher, typisch mit Zwerchgiebeln, in der reinen Form später sogar giebelständig:

    Zwischendurch immer diese reformstiligen Kracher - und herrliche Schulgebäude:

    Typischer Blick in die Straßen:

    Blick auf eine der Hauptachsen des Viertels mit einer der letzten echten Straßenbahntrassen der gesamten Stadt:

    Etwas schlichter geht es zum "Lindener Berg", hier gibt es noch viele echt hannöversche Kneipen, wo herrlich hannovert wird - es ist ein unausrottbarer und dennoch falscher Mythos, dass in Hannover reines Hochdeutsch gesprochen wird, der (allerdings sterbende) Stadtdialekt hat ein stark ostfälisches Substrat und macht schlimme Sachen mit gs und allen Vokalen. Typischer Satz: "Is doch goch kaan Themä" (ist doch gar kein Thema), ei-s werden zu langen aa-s und aa-s werden Richtung schmutziges ää gebogen. Auch das in Westfalen verbreitete überkorrigierte getz statt jetzt (weil man jelernt hat, dass anlautendes je- eigentlich fast immer ge- ist, wenn man korrekt sprechen will) ist hier verbreitet, allerdings regionaltypisch nicht apokopiert als "getze".

    Und das unheimlich hannöversche Eckhaus nochmal näher:

  • Ach, kucke mal hier, ich habe dieses Haus gefunden:

    Es sah 2008 noch so aus:

    Das scheint aber ganz frisch saniert/rekonstruiert worden zu sein, denn man sieht auf meinem Bild von heute noch die Reste einer Baustelleneinrichtung, 2020 sah es bei der Apple-Tour so aus:

    Hatte das nur für eine Sanierung gehalten..... da bin ich aber über etwas extrem Erfreuliches gestolpert. Werde gleich mal schauen, was ich dazu im Netz finden kann. Ursprünglich scheint es eine Polizeidienststelle gewesen zu sein (2008).

    Nebenbei ein sehr schönes Beispiel dafür, was diese Straßenansichten alles an interessanten Dingen hervorbringen.

  • Wow, das ist ja wirklich wundervoll! Wie viele solcher Teilrekonstruktionen im "Leipzig-Stil" wir wohl noch entdecken können, die bislang ganz still durchgeführt wurden? Das ist wirklich ein sehr erfreulicher Anblick. :)

    Und danke auch für die anderen Eindrücke! Ich mag die Urbanität und zugleich angenehme Dichte dort. Diese Rücksprünge machen es z.B. auch sehr charmant, oder hier und da mal ein Vorgarten, gut erhaltene Dachlandschaften, recht gepflegte Erdgeschosse, angenehmer Straßenraum, Bäume, usw.

  • Ein_Hannoveraner
    1. Mai 2021 um 20:24

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Das ist mir tatsächlich durchgerutscht (ich hatte aber auch nicht danach gesucht). Zeigt nebenbei auch, wie wenig Interesse und "traffic" hier eine Stadt wie Hannover erzeugt. Eine Meldung, zwei Antworten, das war's. Hier muss ich Heimdall auf jeden Fall lobend erwähnen, er macht sich oft die Mühe, auf solche Meldungen zu antworten, damit sie nicht so leer im Raum stehenbleiben.

    Zum Ihmezentrum Heimdall kann ich nichts weiter sagen, bis eben auch die Tatsache, dass die Eigentumsverhältnisse unheimlich kompliziert sein müssen und die Stadt mehrere Anläufe unternommen hat, dort etwas zu tun. Den aktuellen Stand kenne ich nicht, optisch sieht es allerdings so aus, als sei dort seit mindestens 10 Jahren nichts passiert.

    erbse: Ja, mir gefällt Linden auch, und das ist bei weitem nicht der einzige Stadtteil mit diesem Charakter in Hannover. Ich werde bei Gelegenheit, auch wenn diese meist rar gesät sind, auch noch andere Stadtteile zeigen, heute war es im Prinzip eine Art erzwungene Mittagspause auf dem Rückweg aus der Heimat bei Stau auf der A7, da dachte ich mir, ich fahre mal in Laatzen ab und mache Pause in Linden, habe einen guten Döner gegessen und bin da etwas rumgelaufen.

    Ein paar Bilder habe ich auch noch, es geht ungefähr dort weiter, wo ich bis zu meiner "Entdeckung", die dann keine richtige war, gewesen war, nochmal die Egestorffstraße mit der südlichen Häuserzeile:

    Das ist so diese Art unglamouröse westdeutsche Arbeiterstadtteilgründerzeit, die immer noch ok ist, aber wegen der ich nun nicht unbedingt verreisen würde, konsequent mit den ungeteilten Plastikfenstern und zerschossenen Erdgeschossen, teilentstuckt (ein Vorteil bei Klinker/Backstein: man kann es farblich nicht verhunzen).

    Andere Straße:

    Man sieht, dass die Gotik in war, auch hier bei den drei Backsteinhäusern, die sich mit anderen abwechseln, gotische Formen, eine Grundschule:

    Hier mal etwas aus dem Stil fallend im Jugendstil, aber immer noch Backstein:

    Einfach schöne Reihen, v.a. in diesen leicht gehobenen Straßen (a.e. für Angestellte) mit diesen schmalen Vorgärten:

    Das Grün bei den Fenstern des Hauses rechts im Vordergrund heißt übrigens "Lindener Grün" und muss bei Renovierungen wiederverwendet werden.

    Das Lindener Rathaus von hinten (den Vorderteil hatte ich mal in der allgemeinen Hannover-Galerie gezeigt), auch wieder gotisch inspiriert:

    Nun sind wir am Lindener Markt angekommen, einem weiteren kleinen Platz mit Cafés und, ja, Marktständen:

    Nochmal das Lindener Grün als Rahmenfarbe:

    Blick in den Himmel mit historischer Laterne:

    Ich liebe ja diese roten Häuser mit weißen/cremefarbenen Schmuckelementen, außerdem schon wieder Lindener Grün.

    Aus meiner Sicht ziemlich einmalige Ansichten aus einer deutschen Stadt. Snork hatte mal ein paar Straßenzüge aus Kiel gezeigt mit diesen ebenfalls historistischen Backsteinhäusern, aber das war doch deutlich schlichter gewesen und auch nicht so flächig erhalten.

  • Snork 13. Dezember 2022 um 22:16

    Hat den Titel des Themas von „Galerie Hannover-Linden“ zu „Hannover-Linden (Galerie)“ geändert.
  • Witzig an Linden ist die Heterogenität zwischen den Straßen, es wechseln sich Historismus mit barocken Elementen, Neorenaissance, Neogotik ab mit Jugendstil und Reformarchitektur, auch einige schöne Beispiele der Zwischenkriegsarchitektur gibt es zwischendrin, die ganz schlichte Variante sieht so aus:

    Hier mal ein neogotisches Haus, im stadtteiltypisch mäßigen Zustand:

    Irgendwie aber auch ganz nett, diese Häuser so "gebraucht" zu sehen, die werden nicht geschont, aber doch sehr intensiv genutzt.... hier mal ein Beispiel für Zwischenkriegsarchitektur, ich liebe ja diese Figuren an der Ecke, die Fenster hingegen weniger:

    Nebenstraße:

    Hier auch ein seltsames Haus mit diesem Zierfachwerk im Dachgeschoss und einer leichten Asymmetrie:

    und natürlich die westdeutsche Fensterkrankheit....

    Strenge Zwischenkriegsarchitektur:

    Dieses Haus kann ich auch weder deuten noch einordnen, würde es auf eine Art frühen Heimatstil schätzen, eher nach als vor dem ersten Weltkrieg?

    Und ein sehr imposantes altes Stadtbad, ich schätze außer Nutzung:

    Einfach ein sehr interessantes Stück Stadt, dieses Linden. Trotz eines milden Gentrifizierungsprozesses ist das hier ganz sicher kein Prenzlauer Berg, der Stadtteil steckt dort, wo ich mich eigentlich wohlfühle, sehr gemischt, ohne, dass dies euphemisierend für runtergekommen oder abgehängt stünde, dazu ein wirklich ziemlich charaktervoller Bestand aus nahezu allen Epochen der Architekturgeschichte seit ca. 1850.

  • Und ein sehr imposantes altes Stadtbad, ich schätze außer Nutzung

    Es wurde bis 1983 genutzt.

    Foto: Städtische Bäder am Küchengarten, 1929 – Digitales Stadtteilarchiv Linden-Limmer

    Heute befindet sich dort das Theater am Küchengarten.

    Dieses Haus kann ich auch weder deuten noch einordnen, würde es auf eine Art frühen Heimatstil schätzen, eher nach als vor dem ersten Weltkrieg?

    Ich würde auch die Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg schätzen, vor allem wegen der quadratischen Fensterformate.

    Dann noch zur Villa Stephanus:

    Hier finden sich ein paar Innenaufnahmen:

    Bildergalerie: So sieht es im Inneren der umgebauten Villa Stephanus in Linden aus
    Die Villa Stephanus an der Lindener Gartenallee wurde erst im Krieg zerstört, dann vom Land als Polizeistation heruntergewirtschaftet, von Aktivisten besetzt…
    www.haz.de

    Hinsichtlich der Fertigstellung gibt es unterschiedliche Angaben. Auf "Wikipedia" steht: "Das Gebäude wurde bis zum Frühjahr 2021 zu einem Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen umgebaut." Auf einer Maklerseite (Hier) wird aber als Baujahr/Fertigstellungsjahr 2022 angegeben. Sollte das der Fall sein, könnte das Gebäude doch noch in die Wahl zum Stadtbild-Gebäude des Jahres 2022 aufgenommen werden, sofern diese Wahl noch nicht abgeschlossen ist, oder?

  • Auf meinem Bild von gestern ist ja noch eine Bautür zu erkennen (die rechte der beiden Eingangstüren auf der Straßenseite), so dass man das Haus wohl auch noch für 2023 vorschlagen könnte, falls 2022 nicht mehr geht ;).

    Aber das ist in jedem Fall eine gute Idee, soll ich das mal in den entsprechenden Thread stellen?

  • Ein gotisierendes Eingangsportal bei einem Haus aus der Zwischenkriegszeit:

    Nochmal weiter im Westen wird es deutlich bescheidener und wohl auch älter:

    Die ältesten Lindener Arbeiterhäuser sind tatsächlich freistehend und giebelständig:

    Sicherlich auch durch das Licht bedingt, aber diese Straßen haben schon etwas Ärmliches und leicht Bedrückendes:

    Für Linden-Nord, das ebenfalls über weite Strecken gründerzeitlich ist, war leider kaum noch Zeit, ich bin da einmal kurz "reingestoßen". Der Charakter ist ähnlich dem Westen von Linden-Mitte, alles etwas bescheidener, oft ein Geschoss weniger, deutlich weniger gentrifiziert, man könnte sagen, "ehrlicher", ein paar Straßenzüge:

    Typisch für Linden-Nord sind auch sehr variable Geschosszahlen, die Straßen wirken viel weniger aus einem Guss, man kann hier mit etwas bösem Willen tatsächlich auch verstehen, warum diese Gebiete nach dem Krieg so "out" waren:

    In Niedersachsen wurden noch bis ins späte 19. Jahrhundert Fachwerkbauten errichtet, das kenne ich auch aus Göttingen, wo viele Arbeiterhäuser aus den 1880er und 1890er Jahren echte Fachwerkhäuser sind (kein Zierfachwerk), hier sieht man es nur seitlich:

    Und eine postmoderne Ergänzung aus den 80er Jahren, wie man sie auch aus Bremer Gründerzeitgebieten kennt:

    Auch Linden-Nord hat weiter nach Norden hin beeindruckendere Straßenzüge, das habe ich einfach nicht geschafft. Ich finde auch diese vermurksten, gemischten Straßen eigentlich ganz nett, so was wäre in vielen Städten einfach abgerissen worden. Auch Linden sollte ja flächig abgetragen werden und im Stile des Ihmezentrums bebaut werden, davon zeugen aber erfreulicherweise außerhalb des besagten Ihmezentrums nur noch wenige Blöcke.

    Zugute kam Hannover hier sicherlich auch die äußerst maue Einwohnerentwicklung der Nachkriegszeit, das reduzierte den Druck auf solche Gegenden. Jetzt wächst die Stadt natürlich wieder, aber flächige Abrisse kann ich mir nun nicht mehr vorstellen. Manche westdeutsche Städte haben -wenn überhaupt- nur ein oder zwei so geschlossene Straßenzüge, wie sie allein Linden zu Dutzenden hat, das ist schon etwas Besonderes und die Nonchalance, mit der dies in Hannover als "normal" angesehen wird, ist auch typisch.

    Verwundern tut mich nur dieses Unbewusste in Westdeutschland. Die Menschen in Linden wissen wohl schon, dass sie in einem schönen Stadtteil wohnen, aber dass man oft mit wenigen Mitteln noch wesentlich mehr rausholen könnte, scheint weniger bekannt zu sein. So bleibt der Stadtteil an vielen Stellen deutlich unter seinem Potenzial. Umgekehrt macht ihn gerade das vielleicht auch so charmant, hier ist nichts geleckt, aber auch abgesehen vom Ihmezentrum nichts substanzgefährdet, die Häuser sind trotz ihres optisch mäßigen Zustands alle grundsätzlich in Schuss und vollvermietet, so dass hier noch eine Menge Potenzial schlummert.

    Das war es leider erstmal. Ich habe durch diese nur einstündige Runde deutlich Appetit auf mehr bekommen und werde das bei Gelegenheit auf jeden Fall noch erweitern.

  • natürlich die westdeutsche Fensterkrankheit

    58410-img-2838-jpg

    Find ich ehrlich gesagt bei vielen Gründerzeitbauten durchaus tolerierbar. Gerade auf deinem Foto.

    Richtig schlimm sehen eigentlich meist nur diese weiß gerahmten Plastik-/Alufenster aus, am fiesesten, wenn sie nicht im Format der Originalfenster eingefügt wurden. Und dann ohne jegliche Unterteilung.

    Aber hier auf dem Bild sind's doch immerhin Oberlichter, T-Kreuze, oder schmale Fenster die auch ohne Sprossung halbwegs funktionieren.
    Erinnert an die "Fensterlandschaft" in den USA und UK. Dort ist Sprossung an Bauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eh nicht so üblich wie hier. (ein typisches Bild der Brownstones aus Brooklyn dazu, sowieKensington/London) Ich kann mir auch vorstellen, dass einige der Altbauten in Hannover auch historisch recht viel Glasfläche hatten.

    Bei älteren Bauten braucht's hingegen unbedingt Sprossen. Viele Bauten der vorindustriellen Zeit sind sehr schlicht gestaltet und generieren ihren Charme aus den Fenstern, Türen und Gauben.

  • Ich bin zur Zeit öfter mal in Hannover, weil ich meiner Schwester beim Renovieren helfe, so auch heute wieder. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung mache ich dann, wenn es sich ergibt, noch ein paar Fotos. Diesmal wieder Linden, beginnen möchte ich in Linden-Nord, heute mal atypischerweise ohne Sonne.

    Linden-Nord hat einen fast noch herberen Charme als die Nordstadt, der Renovierungszustand der Häuser ist eher noch einen Tacken schlechter, allerdings hat der graue Morgen sicherlich auch nicht geholfen. Vielleicht sieht es hier bei Sonnenschein doch noch etwas ansprechender aus.

    Bemerkenswert bleibt die Geschlossenheit der Straßenzüge. Abgesehen von einer der Hauptmeilen mit ein paar Nachkriegsbauten und ein oder zwei "demonstrativ" neubebauten Blöcken aus den 70ern (die natürlich ganz verlässlich ihre gesamte Umgebung in den Schmutz ziehen) gibt es hier praktisch nur Bauten aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Es kann einen fast so eine Art Ermüdung erfassen, wenn man um eine Ecke biegt und wieder nur Gründerzeitbauten sieht, vielleicht so, wie es einem in Deutschland noch in Leipzig gehen kann.

    Der Ortsteil Linden-Nord im Luftbild:

    Im Westen der Westschnellweg, in dem schmalen Streifen unter dem Schriftzug "Linden-Nord" befindet sich der besagte 70er-Block mit einem runtergekommenen Einkaufszentrum, auch im Süden am unteren Bildrand nördlich der "11A" befinden sich zwei in den 1970ern bebaute Blöcke. Die Geschichte der Grundstücke kenne ich nicht (also Vorbebauung, evtl. Abrisse/Kriegsschäden etc.). Der Rest ist fast geschlossen erhalten.

    Typisch für Hannover sind außerdem die roten Dächer.

    Ein kleiner Platz am Kötnerholzweg:

    Blick in eine Seitenstraße:

    Gegenüber:

    Dieser reduzierte Jugendstil (?) ist relativ typisch für die Bauten dieser Zeit in Hannover. Blick nach Süden Richtung Linden-Mitte:

    Seitenstraße:

    Viele Häuser in wirklich mäßigem Zustand, aber praktisch kein erkennbarer Leerstand:

    Ein ganz gut renoviertes Geschäfts- und Wohnhaus:

    Blick in die Limmerstraße:

    Es geht noch weiter....

  • Immer wieder diese Backsteinperlen, die in dieser Pracht und Größe meines Wissens nur in Hannover stehen:

    büschen zerrockt, aber jut. Alle paar Blocks dann (auch oft im Verbund) Schule, Kirche, irgendein Verwaltungsbau:

    Kirche links, oft neogotisch:

    Schule:

    Am Pfarrlandplatz nochmal einer der "edleren" Blocks aus der Zeit kurz vorm Ersten Weltkrieg:

    Typischerweise dann auch mit kleinen Vorgärten....

    Die Südseite des Platzes:

  • Weitere Szenen:

    Aus meiner Sicht sehr vielseitige Straßen durch die variierenden Fassadenmaterialien...

    Hier die fürchterlichen 70er Blocks, deren Geschichte Mantikor oben recherchiert hat:

    Schon wieder so ein neogotischer Kracher:

    Im Westen gibt es nochmal eine neoromanische Kirche am Bethlehemplatz:

    Bebauung am Platz:

    Am Schluss nochmal ein sehr hannöverscher Straßenzug:

  • Der zweite Teil der Bilder stammt wieder aus Linden-Mitte und wurde bei etwas mehr Sonne aufgenommen, immer wieder beeindruckend die Schulen:

    Typische Straßenszenen:

    Und schon wieder eine Schule:

    Blick nach Norden:

    Jugendstil kann ja auch echt seltsam/streng wirken:

    Eine gewisse Allergie gegen Symmetrie gab es also auch schon vor 120 Jahren.... im Folgenden der Blick Richtung Lindener Markt:

    Die Nebenstraßen oft auch recht heterogen:

    Nochmal eine sehr typische Reihe, ich liebe diesen variierenden Backstein/Klinkerfarben in Serie:

    Das "Lindener Grün" als typische Rahmenfarbe, die bei Sanierungen häufig wieder verwendet wird (auf dem Bild im Gegenlicht sehr dunkel wirkend):

  • Das Finale für heute, in den zentraleren Bereichen ist der Renovierungszustand bereits deutlich besser, diese besseren Renovierungen "breiten" sich jetzt immer mehr aus:

    Weitere unheimlich typische Szenen in diesem Gebiet:

    Nach Westen wird es dann wieder etwas bescheidener:

    Die älteren Arbeiterhäuser sogar teilweise noch freistehend:

    Die Beethovenstraße mit einer sehr schönen Reihe (auch beim letzten Mal gezeigt):

    Und eine tolle Neorenaissanceschule mit Lindener Grün als Rahmenfarbe:

    Nachbarhaus:

    Gegenüber eines der Häuser:

    Das war es gewesen.....