Nürnberg (Galerie) - vom Hauptbahnhof zur Burg (Teil 1)

  • (...) urbane Strukturen sind für urbanes Leben unverzichtbar.

    Ganz genau. - Dazu gibt es aber auch noch einen weiteren Punkt im Städtebau, den ich wichtig finde. Und zwar die Begrünung. Ein schöner Baum an der richtigen Stelle kann Wunder wirken. Nicht nur, weil im Idealfall hässliche Fassaden verdeckt werden. Ein grüner Farbtupfer und ein schattiges Plätzchen können jede Fußgängerzone auflockern.

  • Quote

    Zitat von buarque



    (...) urbane Strukturen sind für urbanes Leben unverzichtbar.


    Dem schließe ich mich an. Und genau darauf zielte meine Meinung aus dem Dresden Galerie Strang.


    Petersburgs Zitat bringt es genial formuliert auf den Punkt:



    Allerdings kann ich jetzt auch Franka verstehen (" Nürnberg von der Moderne wie zermalmt aussieht") beim Anblick dieser Gebäude:


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    Der Baukörper ist viel zu gedrungen und die horizontalen Fenster wirken geradezu brutal.



    Und auch hier geb ich Franka Recht :


    "Ja, die Modernes gibt es dort auch, aber sie setzt der guten Architektur längst nicht so zu. Im Gegenteil. Sie wirkt siegreich und voller Kraft. Lag es am blauen Himmel? An der lockeren Bebauung?"


    Es liegt an den hochstehenden Fenstern und den gestreckten Fassaden.


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  • Am Giebel des Hauses ganz rechts sieht man eine Darstellung des Viatushauses…

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Wir haben jetzt den Hauptmarkt erreicht, Blick zu St. Sebald und Schönem Brunnen:


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    Rechts die Frauenkirche:


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    Am schwächsten ist sicherlich die Bebauung zur Pegnitz hin:


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    Nochmals die Häuserzeile an der Frauenkirche:


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    Die Bebauung hinter dem Schönen Brunnen geht teilweise auf ein Neubauprojekt zurück:


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    Von hier aus führt der Rathausplatz direkt zur Burgstraße und Burg:


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    Ein wenig Orientierung, wir sind direkt zwischen St. Sebald und Rathaus:


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    Das Rathaus auf der rechten Seite:


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    Das Bratwursthäusle gleich an der Kirche:


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    Eher schlichte Bauten im Umfeld, die sich aber unauffällig einfügen:


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    Le meilleur travail n'est pas celui qui te coûtera le plus: c'est celui que tu réussiras le mieux.

    (Jean-Paul Sartre)

  • Von hier aus geht es nun die Burgstraße hinauf, in der Bildmitte ist das Fembohaus zu sehen, das wohl als einziges Großgebäude nur schwach beschädigt wurde - heute ist es Sitz des Stadtmuseums:




    Bebauung gegenüber:



    Blick zurück zum Rathaus:



    Die Bebauung direkt an der Burg ist doch etwas sehr schlicht ausgefallen:




    Hier beginnt nun die weitläufige Burg:



    Blick nach Osten auf die Kaiserstallung:




    Damit ist der erste Teil beendet, zur Burg inkl. Burggarten und Burggraben gibt es dann einen zweiten Teil, bevor es im dritten Teil dann wieder in die Altstadt zurück geht.

    Le meilleur travail n'est pas celui qui te coûtera le plus: c'est celui que tu réussiras le mieux.

    (Jean-Paul Sartre)

  • Ich finde auch, dass Nürnberg gar nicht so übel ist. Insbesondere die direkten Gebäude des Wiederaufbaus zeichnen sich durch einen angepassten Stil und hochwertige Natursteinfassaden aus. Auch die frühen modernen Neubauten wie z.B. der Schneckendorf-Bau des Rathauses sind nicht uninteressant. Schwierig finde ich dagegen alles, was später gebaut wurde und das Bild des historischen Nürnbergs schon sehr erdrückt sowie den Hinterhofcharakter mancher Nebenstraßen.

    Ich denke, ein Wiederaufbau Nürnbergs nach Vorbildern aus Frankfurt, Dresden oder Potsdam ist utopisch, dennoch wäre es schön, wenn die zukünftige Stadtentwicklung sich stärker am historischen Nürnberg entwickeln würde und entstellte Bauten wieder rekonstruiert werden oder vielleicht sogar der ein oder andere Leitbau definiert wird, den es zukünftig zu rekonstruieren gilt.

    Aber auch so hält Nürnberg für Touristen und Einheimische ausreichend Architektur zum Erleben bereit. Besonders freue ich mich, dass das Volksbad saniert wird. Und besonders bedaure ich den Abriss des 30er-Jahre Posthochhauses am Bahnhof.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Aussagekräftig und charakteristisch für das Nürnberger Stadtbild sind die Stadtmauer mit ihren Türmen und Toren sowie deren Krönung "im Zeichen der Burg". Kraftvoll und Halt gebend ist jedoch auch die bereits genannte Pflästerung und zwar jene in Reihe, mit großem Kopfsteinen und nicht etwa jene modische, unruhige Form mit Kunststein, welche auffällig in den besonders hässlichen Abschnitten des Wiederaufbaus vertreten ist. Auch die traditionellen Straßenlaternen haben einen abmildernden Effekt. Man möchte es eigentlich gar nicht thematisieren, doch es grenzt ja fast ein Wunder, dass die üblichen Lobbyverbände diesem wunderschönen Straßenpflaster nicht unlängst den Kampf angesagt haben.

  • Dafür, dass Nürnberg hier bei manchen fast glühend gehasst wird, würde ich - in Unkenntnis eines eventuellen Selektionsprozesses bei der Bildauswahl - mal behaupten, dass das besser aussieht als ein Großteil der weiteren Ü500.000-EW-Städte in Deutschland. Auch die Nachkriegsbauten wirken überwiegend passend. Ein paar modernistische Bausünden gehören nunmal dazu, und das meine ich ganz wörtlich, ein bisschen optische Reibung stört ehrlich gesagt gar nicht, wenn sie nicht dominiert, wie in Köln oder Bremen oder Frankfurt auf ähnlichen Spaziergängen vom Bahnhof in die Altstadt.

    Ich habe wirklich kein glühende Hass gegen Nurnberg aber nur verwunderung. Von alle deutsche Städten die immer noch gibt warum wird gerade Nurnberg so gelobt. Ich frage mich. Die grösste Teil von der Altstadt liegt nicht uber die Deutsche durchschnitt. Alle Strassen die von Königstrasse abgeht sieht aus wie BRD durchschnitt.


    Meine Augen sieht einfach eine ganz lieblose Stadtbild mit eine paar schöne Gebäuden ausgestreut.


    Hier ein paar Beispiele von die Nebenstrassen - alles Zentrale Teilen die Altstadt.


    Breite Gasse

    Nasch Leder – Google Maps


    DEPOT – Google Maps


    Brunnengasse

    Dilek und Friseure – Google Maps


    43 Brunnengasse – Google Maps


    Karolinenstrasse

    Markus Schneider – Google Maps


    Markus Schneider – Google Maps


    Adlerstrasse

    38 Adlerstraße – Google Maps


    Lorenzer Strasse

    11 Lorenzer Str. – Google Maps


    Lorentzer platz

    Nürnberg, Lorenzer Platz – Google Maps


    Kornmarkt

    5 Kornmarkt – Google Maps


    Kolpinggasse

    28 Kolpinggasse – Google Maps


    Dr. Kurt Schumacher Strasse

    17 Dr.-Kurt-Schumacher-Straße – Google Maps


    Ludwigsplatz

    Markus Schneider – Google Maps


    Frauengasse

    6 Frauengasse – Google Maps


    Vordere Ledergasse

    27 Vordere Ledergasse – Google Maps


    Ich kann weiter machen - aber ihr sieht doch - BRD mittelmass! Ich wohnte im Heilig Geist Spital. Im Innere eine lieblose Gebäude von 1950 die von Aussen schon schöner aussah. Aber die Platz drumrum ist so was von Mittelmass.


    1 Hans-Sachs-Platz – Google Maps

  • johan v2, und jetzt bitte noch eine vergleichbare Übersicht zu Dresden (außerhalb Neumarkt), das ja so viel besser sein soll. :wink:

    Aber Riegel hat recht, es langweilt eigentlich mittlerweile nur noch. Wir wissen doch, wie unsere Städte in Deutschland nunmal leider in weiten Teilen aussehen. Wir müssen das zwar registrieren, aber dürfen es eben nicht akzeptieren. Das verbindet uns wohl alle in diesem Forum.

    In dubio pro reko


    20 Jahre APH

  • Sehe ich anders. Ich finde Johans Input lesenswert. Insbesondere, da es mich interessiert, was Vielgereiste zu Nürnberg zu sagen haben.

  • Quote

    Aber Riegel hat recht, es langweilt eigentlich mittlerweile nur noch.


    Na ja. Könnte man auch umgekehrt den ewigen Schönrednern vorhalten. Dazu ein paar Anmerkungen:


    Das ist ein Forum, in welchem Architektur und Wiederaufbau als zentrales Thema diskutiert werden. Wenn jemand dankenswerterweise neue unbekannte Bilder einstellt, noch dazu mit der Intention, damit eine These zu untermauern, wird man diese Bilder diskutieren, und zwar auch dann, wenn irgendwer irgendwann schon irgendwas Ähnliches geäußert hat. Das ist einfach unvermeidlich, und wem das nicht passt, braucht ja nicht dran teilzunehmen.


    Wenn wer in einem Dresden oder Potsdam-Strang seine Begeisterung über die gelungene Stadtreparatur äußert, sagt dann jemand: ach wie langweilig, das haben wir doch eh schon so oft gehört…


    Das würde jedoch stimmen, denn diese Ansicht ist ohnedies einhelliger Konsens.


    Warum ist das im umgekehrten Fall Johans Kritik am Nürnberger Wiederaufbaumodell so unerwünscht? Warum wird auf Kritik an Nürnberg so ungnädig bis in Extremfällen sogar hysterisch reagiert? Denn hier erscheint eine kritische Aussage keineswegs so selbstverständlich, und hier kann, anders als in Dresden, von einem einhelligen Konsens keine Rede sein. In diesem Zusammenhang wäre auf Snorks Galerie über seine Heimatstadt Kiel zu verweisen, deren Wiederaufbau ganz offensichtlich nicht in vergleichbarem Ausmaß zu vernichtender Kritik führt, außer was bestimmte Punkte wie die Marktgestaltung betrifft (und hier stammt sie vorwiegend vom Galeriehersteller selber). Keiner ruft da dauernd aus: ach Gott wie schiach, obwohl der Kieler Wiederaufbau sich vom Nürnberger sich in qualitativer Hinsicht höchstens mikroskopisch unterscheidet (von ganz vereinzelten sensiblen Bereichen um Glanzobjekte wie Fembohaus oder Nassauerhaus abgesehen, wo der Kommerzialismus und Modernismus so etwas wie Gnade walten ließen). Warum ist das bei Nürnberg-Galerien nicht der Fall?


    Weil ganz offenbar der Informationswert einer solchen Kritik am Kieler Ist-Zustand gegen Null tendieren würde. Es gibt niemanden, der so verrückt wäre, Kiel als Wohlfühlaltstadt oder als erwähnenswertes Beispiel urbaner Stadtentwicklung etc zu apostrophieren.


    Und das ist der Unterschied. So lange der Nürnberger Wiederaufbau als gelungen oder auch nur erträglich schöngeredet wird, wird dies von den Gegnern dieser Auffassung bestritten werden. Das mag zwar fad sein, aber noch viel fader ist das Schönreden gegen jeglichen Augenschein. Dazu möge man noch bedenken, wie es zum Wiederaufflackern dieser "faden" Uralt-Diskussion gekommen ist – nämlich dadurch, dass die Nürnbergerin Franka ihrer Begeisterung über den DDner Neumarkt freien Lauf gelassen hat und es dabei gewagt hat, dieses Projekt über das Nürnberger Wiederaufbaumodell zu stellen. Das sind die realen Verhältnisse hier. Aber wenn Johan hier sinnvolle und durchaus konstruktive (Negativität heißt nicht eo ipso Destruktivität), jedenfalls fundierte Kritik äußert, mit umfangreichen Verlinkungen heißt es gleich – ach wie fad, hatten wir schon hundertmal.


    Man könnte meinen, das Nürnberger Wiederaufbaumodell sei bei manchen die Heilige Kuh dieses Forums.


    was Vielgereiste zu Nürnberg zu sagen haben.

    ist unerwünscht bzw unmaßgeblich, wie im Danzig-Forum nachzulesen. Vielgereiste haben keine Ahnung von Alltaugstauglichkeit für Einheimische oder so.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Dafür, dass Nürnberg hier bei manchen fast glühend gehasst wird, würde ich - in Unkenntnis eines eventuellen Selektionsprozesses bei der Bildauswahl - mal behaupten, dass das besser aussieht als ein Großteil der weiteren Ü500.000-EW-Städte in Deutschland. Auch die Nachkriegsbauten wirken überwiegend passend. Ein paar modernistische Bausünden gehören nunmal dazu, und das meine ich ganz wörtlich, ein bisschen optische Reibung stört ehrlich gesagt gar nicht, wenn sie nicht dominiert, wie in Köln oder Bremen oder Frankfurt auf ähnlichen Spaziergängen vom Bahnhof in die Altstadt.


    johan v2, und jetzt bitte noch eine vergleichbare Übersicht zu Dresden (außerhalb Neumarkt), das ja so viel besser sein soll. :wink:

    Aber Riegel hat recht, es langweilt eigentlich mittlerweile nur noch. Wir wissen doch, wie unsere Städte in Deutschland nunmal leider in weiten Teilen aussehen. Wir müssen das zwar registrieren, aber dürfen es eben nicht akzeptieren. Das verbindet uns wohl alle in diesem Forum.

    Ja aber ich weiss auch nicht wie man zu Kern kommen soll. Wenn man merkt wie Nurnberg in sein Ist-zustand aussieht, dann muss mann auch erkennen, dass die Ergebnis suboptimal sei. Und ist halt suboptimal in vergleich mit etwas. Diese Vergleich muss nicht ein andere Stadt sein sondern könnte auch sein Vergangenheit oder sein Zukunft sein oder ein Form von Idealstadt. Wie sieht eine schöne Stadt aus? Wenn man erkennt die Zustand, dann weiss mann, dass mann handeln muss. Mein Beitrag zeigt ohne Referenz zu andere Städten wie 90 Prozent von der Innenstadt aussieht. Findet ihr das schön oder befriedigend dann haben wir halt unterschiedliche Vorstellungen von schöne Städtebau.


    Ich habe auch wirklich nicht gegen Nurnberg oder Franken. Ich habe meine Zeit in Franken wirklich genossen. Ich liebte alle diese Ausflugmöglickeiten und auch die Gastronomie. Fur mich war Plätzen wie Bamberg oder Rothenburg/Dinkelsbuhl richtige Augenöffner und die grund warum ich in die Vorgänger von diese Forum beigetreten bin. Fast jedes Wochende war ich unterwegs und habe viele schöne Ecken diese Bundesland entdeckt (oder auch andere Bundesländer).


    Aber die Kernpunkt - die Ist-zustand von Nurnberg entspricht nicht mein Ideal. Wenn mann diese Zustand schönredet, teilen wir dann uberhaupt eine Vorstellung wie man schön bauen soll?


    Neutorstrasse

    https://maps.app.goo.gl/48H6cpNJwVQGZAMe6


    Lammsgasse

    https://maps.app.goo.gl/UwhHuVYmBEgmUE2Z6



    https://maps.app.goo.gl/aGbaX4cNGodPCutg8


    Krämergasse

    https://maps.app.goo.gl/2gj5j3Zy1D6NiB2i7



    Deswegen gibt Städten wie Potsdam, Lubeck, Dresden, Frankfurt hoffnung - nicht weil die Perfekt sind sondern dass die schöner wird.

  • Mir ist schon klar, dass bei dieser Diskussion auch immer die Fallhöhe eine Rolle spielt, also nicht nur das, was noch da ist, sondern auch das, was eben weg ist. Wenn man also Nürnbergs Vorkriegszustand als eines der größten Flächendenkmäler Mitteleuropas im Kopf hat, dann ist der Wiederaufbau natürlich erschütternd schlecht gewesen. Umgekehrt finde ich eben schon, dass zumindest das heutige Ergebnis trotzdem noch besser aussieht als in vielen anderen vergleichbar zerstörten Städten, auch wenn diese zynisch gesagt vielleicht auch mit deutlich weniger relevanter Substanz ins Rennen gegangen sind.

  • Um mich jetzt einmal unbeliebt zu machen: Ich muss sogar sagen, dass ich Teile des Nürnberger Zentrums zum schlimmsten zähle, was wir in Deutschland städtebaulich vorzuweisen haben. Und zwar gerade deshalb, weil man sich in Nürnberg darum bemühte, architektonisch an die zerstörte Altstadt anzuknüpfen. Denn aufgrund der gleichzeitigen Weigerung, wirklich zu rekonstruieren oder wenigstens einen tatsächlich historisierenden Stil zu verwirklichen, kam dabei eine ganz schauderhafte Mischung zustande. Gerade dieser Ansatz an Traditionalismus sorgt dafür, dass eine unglaubliche Tristesse entsteht, die ich mir auf keine Weise irgendwie schönreden kann. Wenn ich beispielsweise durch ... sagen wir ... Köln gehe, dann gelingt es mir, einen positiven Bezug zu der dortigen Nachkriegsarchitektur herzustellen, indem ich sie eben mit der Großstadterfahrung verknüpfe. Ja, die Betonklötze sind hässlich, aber wenigstens sind sie kantig und wuchtig und darin irgendwie auch beeindruckend. Sie haben wieder etwas für sich. Bitte nicht falsch verstehen, natürlich würde ich schöne, also historische oder historisierende Bauten präferieren. Aber wenn nicht schön, dann eben wenigstens monumental, großstädtisch, tatsächlich modern. Diese Architektur stellt immerhin etwas dar, lässt an Wiederaufbau und Wirtschaftswunder denken, an das erste pulsierende Leben nach den Schrecken des Krieges, an den Rausch der aufkeimenden Konsumgesellschaft, ohne sich irgendwie zurückzunehmen.


    In Nürnberg dagegen ... praktisch der ganze Altstadtbereich östlich vom Hauptmarkt hat so etwas unglaublich Vorstädtisches, Miefiges. Nein, wenn man da durchspaziert, dann ist man geistig nicht bei der großartigen Altstadt, die sich hier einst erstreckte, auch wenn man hin und wieder statt den typischen Flachdächern einen Giebel sieht, auch wenn die Häuser nicht die typische Wuchtigkeit und Eckigkeit der Nachkriegsarchitektur zeigen. Nein, man kann sich überhaupt nicht in ein historisches Ambiente hineinkuscheln, denn dafür ist alles zu modern. Aber man kann eben auch nicht den anderen Weg gehen und die Moderne als Moderne irgendwie in ein gehaltvolles Narrativ einflechten, denn dafür ist es nicht modern genug, nicht "kalt", nicht großstädtisch genug. An die Stelle eines der großartigsten Stadtbilder, das jemals geschaffen worden ist, hat man etwas gesetzt, das irgendwie so feige und halb und (auf negative Art und Weise) provinziell wirkt. Ich meine Ansichten wie die folgende:


    https://www.google.com/maps/@4…8-WpTQ!2e0!7i13312!8i6656


    Sowas kann man sich in der Peripherie eines 10.000-Einwohner-Fleckens vorstellen, aber nicht im Zentrum einer DER Metropolen des deutschen Mittelalters, einer Stadt, die früher locker an Prag, Florenz oder Venedig heranreichte. Ich weiß nicht, wo denn da die Urbanität sein soll, die viele so gerne beschwören. Ja, es ist eng bebaut, und? Wirkt das wie das Zentrum einer 500.000-Einwohner-Stadt? Da sehe ich lieber Ansichten wie die folgende aus Köln:


    https://www.google.com/maps/@5…vigsJQ!2e0!7i13312!8i6656


    Ja, es mag minimal hässlicher sein, aber diese klitzekleine zusätzliche Hässlichkeit ermöglicht es mir, dieses Stadtbild als "großstädisch" zu registrieren und damit doch wieder ansatzweise positiv zu besetzen.


    Ich möchte Nürnberg nun nicht voll miesreden, insgesamt würde ich die Stadt trotzdem irgendwo in der oberen Mitte der deutschen Großstädte ansiedeln. Aber das liegt nicht an dem Wiederaufbau, sondern einfach daran, dass doch relativ viel frühere Bausubstanz den Krieg überdauert hat, sodass die glorreiche Geschichte der Reichsstadt doch noch gut erfahrbar ist. Wenn genügend Historisches vorhanden ist, kann mir sogar der Nürnberger Wiederaufbaustil gefallen, denn in Kombination mit tatsächlich Traditionellem schlägt das Pendel des Minimaltraditionalismus mehr in Richtung Traditionalismus aus. Dann können diese Gebäude sogar wirklich gemütlich und romantisch wirken, nicht (auf eine negative Weise) provinziell und dörflich, sondern tatsächlich altstädtisch.

  • Das "Danke" ist nicht als vollkommene Zustimmung, sondern als "danke für diesen interessanten Aspekt" anzusehen. Ich kann zumindest den Gedanken nachvollziehen und finde das Argument gut vorgetragen. Zu bedenken gebe ich aber, dass dann doch wieder die "Fallhöhe" zumindest unbewusst eine Rolle spielt in Deiner Bewertung, denn solche Straßen finde ich auch in den zerstörten Bereichen der Bremer Innenstadt, bin mir sicher, dass ich sie auch in Köln finden könnte, auch aus Frankfurt gibt es einen Altstadtbereich, der mit 50er-Jahre-Zeilenbauten wiederaufgebaut wurde. Das stört überall und ist überall misslungen, aber zum leidenschaftlich vorgetragenen, persönlichen Vorwurf wird es irgendwie nur Nürnberg gemacht.


    Ich will die Diskussion aber gar nicht endlos ausweiten, zumal ich in Nürnberg wirklich gar keine Aktien habe. Finde es eher interessant als Beispiel für eine leidenschaftliche und halbwegs niveauvolle Online-Diskussion und kann beide Positionen nachvollziehen.

  • Mir ist schon klar, dass bei dieser Diskussion auch immer die Fallhöhe eine Rolle spielt, also nicht nur das, was noch da ist, sondern auch das, was eben weg ist. Wenn man also Nürnbergs Vorkriegszustand als eines der größten Flächendenkmäler Mitteleuropas im Kopf hat, dann ist der Wiederaufbau natürlich erschütternd schlecht gewesen. Umgekehrt finde ich eben schon, dass zumindest das heutige Ergebnis trotzdem noch besser aussieht als in vielen anderen vergleichbar zerstörten Städten, auch wenn diese zynisch gesagt vielleicht auch mit deutlich weniger relevanter Substanz ins Rennen gegangen sind.

    Ich stelle eine naive Frage Heinzer aber findest du wirklich die Stadt Nurnberg schön in sich selber? Ohne Vergleich mit andere deutsche Städten entspricht Nurnberg deine Vorstellungen von eine schöne lebenswerte Stadt? Findest du meine Beispiele als schon gute Beispiele von Städtebau die man auch andersort bauen soll?

  • Am Beispiel von Suebicussens Beitrag - abgesehen vom zu schönfärberischen letzten Absatz - sieht man den Nutzen solche "fader" Diskussionen. X-mal hab ich versucht, mein Missfallen und Unbehagen zu artikulieren, aber noch nie ist es mir gelungen, das so treffend zu formulieren. Suebicus trifft meine Empfindungen genau auf den Punkt. Es stimmt: gegenüber dem Kölner Modernismus bin ich nachsichtiger. Ich kann mit Heinzers Bremen ein befriedigendes Auskommen finden - übrigens ohne Heinzer damit zu verärgern, dass ich den dortigen Wiederaufbau hochloben würde: dass das Schnoor-Viertel unzerstört bliebt ist so wenig Verdienst wie das Fehlen eines verschonten Viertels in Nürnberg vorwerfbarer Makel, aber das Haus der Bürgerschaft passt ungleich besser nach Bremen als dieses fürchterliche Schneckendorfsche Rathaus nach Nürnberg - aber ich kann nicht mit Nürnberg so etwas wie ein Auskommen finden. In Bremen ist um Markt und Dom genug erhalten, dazu Böttcher-Straße und Schnoor fast als Draufgabe, um als "schöne Stadt" zu gelten. Sicher gibt es dort viel Modernes - aber das hat man gelernt, zu akzeptieren. Das hingegen liegt im Magen:


    Denn aufgrund der gleichzeitigen Weigerung, wirklich zu rekonstruieren oder wenigstens einen tatsächlich historisierenden Stil zu verwirklichen, kam dabei eine ganz schauderhafte Mischung zustande.

    Man kann es nicht besser sagen. Diese schauderhafte Mischung, von der Suebicus so trefflich schreibt, schafft es tatsächlich, auch das bisschen Erhaltene zu nivellieren, in diese einheitliche unappetitliche Wiederaufbaubrühe hineinzuziehen. Auch erhaltene Häuser wie am Weinmarkt verlieren dadurch ihre Aura, werden plötzlich irrelevant und banal.


    Aber man kann eben auch nicht den anderen Weg gehen und die Moderne als Moderne irgendwie in ein gehaltvolles Narrativ einflechten, denn dafür ist es nicht modern genug, nicht "kalt", nicht großstädtisch genug.

    Auch das ist es. Selbst die Moderne will nicht als solche angenommen werden, auch sie ist zu irrelevant und banal. Es ist alles ein Ärgernis. Man hätte es einfach nicht schlechter machen können. Gut, dass dies jemand einmal so formuliert hat. Vielen Dank.

    aber zum leidenschaftlich vorgetragenen, persönlichen Vorwurf wird es irgendwie nur Nürnberg gemacht.

    Dies trifft zT zu, und wurde von Suebicus, wie ich finde, perfekt erklärt. Die von dir erwähnte unterschiedliche "Fallhöhe" wird überdies durch die vielen noch vorhandenen Relikte bzw Reminiszenzen - auch in der Sebalder Steppe sieht man zur Burg oder zu wichtigen Türmen als mittelalterliche Landmarken - im Bewusstsein des Beschauers mehr oder weniger beständig am Leben erhalten. Man hätte aus dem noch Vorhandenen relativ leicht etwas Besseres machen können und müssen. Die scheinbaren Zugeständnisse an die Tradition sind zur bloßen Verhöhnung geraten.

    Und wenn dann wer daherkommt, und dieses furchtbare Wiederaufbaumodell über den Dresdner Neumarkt stellen will, ein Wunder im deutschen Nachkriegsstädtebau, das man als Externer nicht mal in Erwägung gezogen hat - ich erinnere mich, als ich das erste Mal im Internet ganz von ungefähr auf ein Bild der wiederaufgebauten Frauenkirchenumgebung gestoßen bin, wie fassungslos ich da gewesen bin, und es gleich meinem alten Vater gezeigt habe, der gemeint hat, ja, was hilfts, halt eine schöne Vorkriegsansicht, und das, obwohl wir vor relativ kurzer Zeit dort gewesen waren und die Rohbauten gesehen hatten, wenn man dann so etwas lesen muss, so kommt einen das fast als gemeine Obszönität vor.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich stelle eine naive Frage Heinzer aber findest du wirklich die Stadt Nurnberg schön in sich selber? Ohne Vergleich mit andere deutsche Städten entspricht Nurnberg deine Vorstellungen von eine schöne lebenswerte Stadt? Findest du meine Beispiele als schon gute Beispiele von Städtebau die man auch andersort bauen soll?

    In den Altstädten (west)deutscher Großstädte ist nur noch wenig "schön in sich selber", insofern traue ich mich nicht, diese Frage zu beantworten und kontere wieder mit einem Vergleich ;): In der Reihung der Altstädte westdeutscher Großstädte (sagen wir, wie üblich definiert als Städte mit über 500.000 EW) verorte ich Nürnberg im oberen Drittel.


    Vielleicht liegt die Diskrepanz der Wahrnehmung auch tatsächlich darin, dass ich die frühe Wiederaufbauphase anders als viele hier eigentlich ganz eigenständig und interessant finde. Gerade diese Kombinationen mit dem typischen Sandstein in Nürnberg geben diesen Gebäuden etwas Besonderes. Ich habe auch nichts gegen die 50er Häuser am Frankfurter Römer oder an der Domshofnordseite in Bremen. Umgekehrt können mich auch in 20 Jahren und mit noch mehr Patina Sammel-Ansichten von 60, 70er und 80er-Blöcken in der Kölner Innenstadt nicht dazu bringen, dieser Form der optischen Verwahrlosung auch nur eine "reizvolle urbane modernistische Kälte" zu attestieren.


    Der Unterschied liegt vielleicht tatsächlich darin, dass ich die Piefigkeit und Hilflosigkeit des sterbenden Heimatstils, der in vielen deutschen Städten und auch in Nürnberg zumindest die frühe Phase des Wiederaufbaus bis vielleicht 1960 noch mitbeeinflusst hat, ganz witzig finde, während Ihr sie inbrünstig genau dafür hasst.


    Nochmal: Das ist einfach meine Meinung. Da ich keine Aktien im Thema habe/keine emotionale Verbindung zu Nürnberg fällt es mir leicht, Eure Sichtweise zu akzeptieren. Ihr könntet sogar Recht haben ;).