• Betonmonster unten an der Königstraße, schäbige Bebauung am Hauptmarkt, allentwegen moderne "Zitate", schreckliche Häuser am Köpfleinsberg: des Reiches Schatzkästlein eingetreten und ausgeplündert: wer könnte das emotionslos zusehen?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ja, das trifft natürlich zu. Für den (natürlich in summa höchst unangenehmen) Spannungsbogen ist allerdings der Umstand maßgeblich, dass das eine oder andere erhalten geblieben ist (anders als zB Würzburg, wo von den bürgerlichen Bauten fast nichts mehr steht). Das sorgt einerseits für ein stetes Aufflackern von so etwas wie Freude, die angesichts des indiskutablen Umfelds allerdings sofort wieder beeinträchtigt wird bzw sogar ins Gegenteil umschlägt. In gewisser Weise würde man (ich) mit "Nürnberg" leichter fertig werden, wenn überhaupt nichts mehr stünde. Zumindest wäre man dann nicht mehr gezwungen, sich mit dem heutigen "Stadtbild" (das in Wahrheit eine dreiste Zumutung des kulturvergessenen BRD-Wirtschaftswunderbanausentums ist) auseinanderzusetzen.


    Zitat

    Sieht echt übel aus, diese Trümmerwüste.


    Tifft das auf die heutige "Innenstadt" vielleicht weniger zu?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (19. April 2011 um 00:24)

  • Lieber Niederländer, das wird ein Traum bleiben! Vom finanziellen Rahmen einmal ganz abgesehen, wenn man sieht, wie in Deutschland um jede noch so kleine Reko schmerzlich gerungen werden muss, ist das weitaus mehr als nur unrealistisch. M.E hat man in Nürnberg nach der weitgehenden Pulverisierung der Altstadt 1945 den richtigen Weg eingeschlagen, leider nicht konsequent genug. Es wäre sinnvoller gewesen auf alle Fälle die alten Hausgrundrisse einzuhalten und die Häuser in ihrer alten Kubatur konsequent wiederherzustellen. Dazu eine Gestaltungssatzung, die nur bestimmte Fensterformate und Sprossenfenster im zentralen Altstadtbereich erlaubt hätte, Balkone nur nach hinten raus und, und, und.
    Angesichts der totalen Zerstörung der Altstadt und dem, was unmittelbar nach dem Krieg möglich war, halte ich den Wiederaufbau der Nürnberger Altstadt für einen der gelungensten in Deutschland. Zumindest im zentralen Bereich wurde auf die sonst üblichen Flachdachkisten verzichtet. Man stelle sich vor, man hätte nach dem Krieg die Frankfurter Altstadt so wiederaufgebaut und schon damals das Areal zwischen [lexicon='Römerberg'][/lexicon], Braubachstraße, Fahrgasse und Main für die Reko als Traditionsinsel in der Zukunft freigehalten. Möglich wäre es gewesen, denn dieser Bereich blieb ja bis in die 60er weitgehend unbebaut.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Genauso sehe ich das auch.man braucht heutzutage nur noch ein paar Highlights, wie das Topplerhaus , den Pellerhausgiebel, oder aber die Hauptmarktbebauung zu rekonstruieren und die altwe Straßenführung der Königsstraße alles wäre sehr sehr gut.

  • "Was wäre damit erreicht!"


    Meiner meinung nach nicht sehr viel... Die Charme des alten Nürnbergs befand sich vor allem in den Hinterhöfen, engen Gassen, schönen Erkern und einzigartigen Dachgauben. Das wird alles nur mit sehr viel mehr Mühe zurückkommen.


    Moderationshinweis: Ungültige Bildverweise entfernt.

  • Danke, Niederländer für diese atemberaubend schönen Stadtansichten des alten Nürnberg! Zugleich führt die von Zeno dankenswerterweise präsentierte Luftaufnahmen-Galerie vor Augen, wie heillos der Absturz der Stadtbaukultur nach dem 2. Weltkrieg gewirkt hat, so dass man von einem Jahrzehnte andauernden Totalversagen von Architektur und Städtebau in Nürnberg wie weithin in Deutschland sprechen kann. Unter Hunderten von Luftaufnahmen gibt es nicht mehr als eine Handvoll, die formbewusst inszenierte Stadtfiguren aus jüngster Zeit zeigen. Alles andere ist gestaltvergessene, verzagte, ideenlose Massenware, die sich weder zum Großstädtischen noch zum Kleinstädtischen bekennen mag, weder zu historisch geprägter Gestaltung noch zu ausdrucksvoller Moderne, weder zu markant-geschlossenen Blockstrukturen noch zu landschaftsbezogenem Zeilenbau. Pure Selbstverleugnungsarchitektur in zerfließendem Siedlungsbrei, die man in dieser Dominaz schwerlich in anderen deutschen Großstädten vergleichbarer Größenordnung findet, schon gar nicht in den Millionenstädten, wo man sich doch eher von einem gewissen Aspruchsniveau nach Weltmaßstäben herausgefordert fühlt.

  • Zunächst Dank auch von mir für deine schönen Ansichten des alten untergegangen Nürnberg.
    Ein Wiederaufbau der meist sehr schlicht wirkenden Hauser im Vorkriegszustand oder zumindest in Annäherung daran wäre möglich gewesen.

    "Was wäre damit erreicht!"


    Meiner meinung nach nicht sehr viel...

    Bei aller Liebe, man muss da zwischen dem Machbaren und Wünschenswerten unterscheiden. Sicherlich hatte das alte Nürnberg mehr Charme als man mit solche angepasste Neubauten je erreichen kann aber der Entwurf der Dortmunder Architekturstudentin zeigt hohe Sensibilität und Einfühlungsvermögen gegenüber dem Nürnberger Stadtbild. Wenn man P&C in Lübeck am Markt anschaut, sieht man woher der Wind meistens weht. Für mich wäre diese Bebauung das, was der Qualität eine Reko des Vorkriegszustandes am nächsten käme und würde das Erscheinungsbild de Hauptmarkts sehr verbessern.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Pfälzer Bub hat geschrieben:

    Zitat

    Was wäre damit erreicht!

    Mit einer Neubebauung im Sinne dieser Studentin von der Hauptmarktsüdseite über den Plobenhof bis zum Obstmarkt an dieser Stelle und dem Hans-Sachs-Platz (als Ersatz für das Bankgebäude) wäre für Nürnberg sehr wohl viel erreicht. Die Studentin hatte schon ein typisch nürnbergerischer Innenhof bei der Neubebauung entworfen, und zwischen den Neubauten könnte man noch den Plobenhof (Niederländers 3. Bild von Unten in obigem Beitrag) rekonstruieren!
    Die heutige Bebauung an diesen Stellen ist mit der Bebauung zwischen Museumsbrücke und Fleischbrücke am Pegnitzufer gegenüber die wohl am meisten störende Bausünde in der Nürnberger Altstadt.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ich empfinde den Entwurf der Studentin für den Hauptmarkt als bei Weitem zu banal. Diese Gebäude würden eher als Strassenfassaden taugen. An den Hauptmarkt gehört eine Reko der ehemaligen Bebauung vor dem Krieg mit dem prägenden Stufengiebel.
    Alles andere ist zu banal.

  • Es gibt ja nicht nur den Entwurf dieser "Studentin". Ein ganzer Wettbewerb hat weitere Ergebnissse hervorgebracht, von denen viele besser sind als die heutige Bestandsbebauung am Marktplatz. Das ist ja auch nicht sonderlich schwer. Leider nur wird dieser Wettbewerb wohl ohne positive Folgen bleiben. Eine Neubebauung ist, meines Wissens nach, nicht in Sicht.

    http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showpost…2&postcount=129

  • Die anderen Entwürfe sind auch nicht doll.Kein Entwurf orientiert sich an dem überkommenen Vorkriegszustand.

  • @ Der herzog

    die Bebauung mit dem markanten Giebel war genau auf der gegenüberliegenden Seite. Der Entwurf gilt der Südseite. Diese war die in der Geschichte des Hauptmarktes stets die am stiefmütterlich behandeltste.

    Generell sind dies Ideen, die eine grundlegende Neuordnung der Bebauung und der Straßen zwischen Hans Sachs Platz und Fleischbrücke unterstellen. Da diese den umfangreichen Abriss des Bestandes vorsehen, können diese Pläne nur als Anstoß für eine sehr langfristige Entwicklung verstanden werden.
    Allerdings befinden sich weite Teile des Bestandes in der Hand der Schmelzers (auch Augustinerhof) oder sind in städtischen Händen. Sicherlich spielt dies bei der Entstehung von solchen Gedankenspielen eine Rolle. Die Dichte der Bebauung würde hier ja massiv erhöht, wodurch die Investitionen in dieser potentiell hochattraktiven Gegend sicher wieder reingeholt werden könnten.

    d.

  • Der Hauptmarkt war leider auch vor dem Krieg nicht besonders schön.
    Es gibt da die Idee einer Studentin zur Fassadenumgestaltung der (Süd-?) Seite:

    http://www.nuernberg.de/imperia/md/pre…tmarkt_foto.jpg

    Was wäre damit erreicht!

    "Was wäre damit erreicht!"

    Meiner meinung nach nicht sehr viel... Die Charme des alten Nürnbergs befand sich vor allem in den Hinterhöfen, engen Gassen, schönen Erkern und einzigartigen Dachgauben. Das wird alles nur mit sehr viel mehr Mühe zurückkommen.


    Sehe ich auch so, auch wenn der Vorschlag der Studentin für eine Neubebauung der Hauptmarkt-Südseite eine deutliche Verbesserung darstellen würde. Aber die vorgeschlagenen Bauten unterscheiden sich in keiner Weise von den um etwa 1950 hundertfach in der Steppe errichteten, angepassten Neubauten. Wo ist da der Unterschied? Solche Bauten würden immerhin eine Basis für spätere Ergänzungen mit Erkern, Dachaufbauten etc. bieten, sodass mit der Zeit eine allmähliche Individualität entstehen könnte. Aber nicht mal diese Chance wird in Nürnberg wahrgenommen. Baukunst-nbg hat mal solche Vorschläge mit Ergänzungen für die Hauptmarkt-Westseite angestellt: Nürnbergs Wiederaufbau

    Beispiele von Wiederaufbau-Neubauten in der Steppe:


    Burgstrasse
    (mit Ausnahme des historischen, schmalen Hauses mit Dacherker)


    Obere Söldnersgasse
    (gemeint sind natürlich nicht der Kopfbau oder der Bau ganz rechts mit den Balkonen)

  • ich sehe die beiden Beispiele als Beispiele für die ganze Steppe an. Ok, ob "in Burgnähe" oder in der richtigen "Steppe", auf das kommt es nicht an; dann korrigiere ich es eben in "ganze östliche Sebalder Altstadt".

  • Na, die Bauweise ist schon unterschiedlich. In Burgnähe ist es schon qualitätsvoller, während es um die Tucherstraße schon den Charakter von Massenfertigung hat.

  • Meine Meinung ist, dass es Rekos in Städten wie Nürnberg, München, Münster, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] oder sogar Köln schwerer haben als in total zerstörten Perlen wie Dresden, Wesel, Frankfurt oder Hildesheim. Der "Leidensdruck" ist einfach nicht hoch genug und es gibt zuviel authentisches oder vermeintlich authentisches. Man kann über solche Entwürfe wie den von mir gezeigten froh sein, die wenigstens rudimentär den Genius Loci respektieren.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.