Bremen - Umnutzung/Konversion alter Industrie-, Gewerbe- und Krankenhausareale

  • Es folgt ein weiteres großen Umnutzungsprojekt, das nach der alten Zigarettenfabrik Brinkmann ("Lord Extra") benannt ist, die hier bis in die 2010er Jahre ihre immer weiter zurückgefahrene Produktionsstätten hatte. Es ist Teil eines größeren Neuplanungsgebiets, das "Vorderes Woltmershausen" genannt wird und eine vollkommene Umkrempelung eines eigentlich sehr zentral gelegenen Areals, das bislang von Kleingewerbe (Gebrauchtwagenhändler etc.) dominiert wird zum Ziel hat.


    Hier mal der "Masterplan" des Hamburger Stadtplanungsbüros "Elbberg", in rot sind die Industrie- und anderen Gebäude unter Denkmalschutz hervorgehoben:


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    Masterplan Woltmershausen - Elbberg


    Das "Tabakquartier" ist auf der obigen Grafik der Bereich im Hintergrund/oberen Bildrand. Die ältesten Gebäude stammen aus den 1930er Jahren, so dass hier kein gründerzeitliches Industrieflair dominiert, sondern schon recht nüchterne Architektur. Der aktuelle Plan, mehrfach verändert, sieht nun den vollständigen Erhalt auch der kleineren, weißen Speichergebäude zwischen den "hinten" gelegenen großen Tabakspeichern und der Fabrik im Vordergrund vor:


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    Link zur Homepage des "Tabakquartiers"


    Ein paar Bilder, zunächst vom vorderen Teil der alten Zigarettenfabrik, dies ist bereits weitgehend fertiggestellt, geworben wurde hier mit Bremens schnellstem Internet, in jedem Falle sind die Büroflächen weggegangen wie warme Semmeln, trotz Corona:


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    Leider wurden bei der lobenswerten Wiederherstellung der alten Fenstergliederung Kunststofffenster verwendet:


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    Von innen sieht man die moderne Stahlskelettstruktur des Gebäudes, das aus den späten 1930er Jahren stammt:


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    Das alte Heizwerk ist unter weitgehendem Erhalt der alten Technikanlagen zur einer "Eventlocation" umgebaut worden:


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    Für Bilder von innen kann ich leider nur diesen Artikel verlinken mit einigen erstklassigen Fotos, ich hoffe, er ist nicht hinter einer Paywall:


    So nimmt das Viertel neue Formen an - Weserkurier


    Im hinteren Bereich ist der erste der großen Tabakspeicher aus den späten 50er/frühen 60er Jahren vollständig umgebaut worden:


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    Die anderen Gebäude aus dieser Epoche werden alle erhalten und gerade in Büros, Wohnungen und ein Theater umgebaut:




    Das wars vom Tabakquartier. Sicherlich nicht unbedingt wirklich klassische Industriearchitektur, aber trotzdem aus meiner Sicht lobenswert, dass im Prinzip fast nichts abgerissen worden ist auf dem Gelände.

  • Ein Nachtrag zum Tabakquartier und ein paar Bilder vom Gaswerksgelände, welches sich östlich an das Tabakquartier anschließt und mittelfristig ebenfalls Bestandteil einer städtebaulichen Neuordnung werden soll. Zunächst nochmal das Heizwerk, das ich jetzt einmal betreten konnte, es wird sich wirklich größtmögliche Mühe bezüglich des Erhalts auch des Inventars gegeben, als erstes nochmal eine Außenansicht. von Süden:



    hier der Treppenaufgang zu den Räumen:



    Einer der Veranstaltungsräume, wirklich sehr reduziert und wie ich finde gelungen renoviert:



    Ein Durchgang auf dem Gelände mit irgendeiner Maschine:



    Nochmal einer umgebauten Tabakspeicher bei Sonnenschein, wirklich ganz nett, auch wenn es im Original 1960er-Architektur ist:



    Schließlich noch drei Bilder vom Gaswerksgelände, auf dem ebenfalls einige erhaltenswerte Gebäude überlebt haben. Momentan sehen die Stadtwerke sich noch nicht im Stande, das Gebiet aufzugeben oder umzuziehen, aber es gibt trotzdem eine konkrete Entwicklungsperspektive. Das Verwaltungsgebäude mit dem erhaltenen Turm:



    Man sieht aber, dass das Gebäude im Krieg getroffen wurde, das aktuelle Dach ist viel niedriger als das originale, wie man an dem verputzten statt gemauerten Areal am Turm sehen kann:



    Zuletzt das ehemalige Kohlenlager des Gaswerks (ursprünglich wurde das Stadtgas ja aus Verkokung von Kohle gewonnen):



    Ein wirklich großes und gottseidank unter Schutz stehendes Gebäude, das immer noch als Lager genutzt wird. Das wäre es von hier erstmal.

  • Ein weiteres interessantes Areal ist das südöstliche Ende des Holz- und Fabrikenhafens. Die Gegend ist von allen Hafengebieten am wenigstens im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Hier gibt es zwei großen Mühlenbetriebe, die auch weiterhin Mehl produzieren und das große Gelände der ehemaligen Kaffee-HAG-Fabrik mit den KABA-Werken nebenan.



    Schonmal gezeigt wurde hier in etwa dieser Anblick der Roland-Mühle, die mit dem Art-Deco-artigen Wolkenkratzerdesign ihres Speichergebäudes in den 1920er Jahren ziemlich Furore machte:



    Aber hier soll es ja um die Umwandlung ehemaliger Industrieareale gehen und diese Gebäude sind alle noch in ihrer ursprünglichen Nutzung. Interessanter wird es da schon auf dem Gelände der ehemaligen Kaffee-HAG-Fabrik und dem benachbarten KABA-Werk:



    Das oben ist eines der ältesten Stahlbetongebäude Europas und wurde 1906/07 errichtet für den Erfinder des entkoffeinierten Kaffees Ludwig Roselius, dem wir auch die Böttcherstraße zu verdanken haben. Sogar Walter Gropius soll der Baustelle einen Besuch abgestattet haben. Es enthält außerdem den Marmorsaal Bremen, der recht spektakulär sein soll und mittlerweile wieder geöffnet ist für Besichtigungen und Veranstaltungen.


    Mittlerweile fährt sogar diese kleine Touristenbahn hierher, wie ich zu meinem Erstaunen feststellte und viele Touristen saßen im Kaffee am Hafen:



    Die Gebäude sind von einem recht herben Charme, von überrenoviert kann hier nicht die Rede sein, im Hintergrund ist echter Hafenbetrieb, an den Containern zu erkennen:



    Auch das KABA-Werk wird gerade umgebaut, um den üblichen Mix aus Startups und Büros aufzunehmen:




    Ein für Bremer Verhältnisse wirklich großes Industriegebäude



    Auch im Umfeld werden und wurden einige Gebäude saniert, wiewohl es recht gemächlich vorangeht und nach meinem Eindruck leider auch nicht übermäßig rücksichtsvoll saniert wird (siehe Fenstereinteilungen):



    Das Gebiet hat 10 Jahre Stillstand hinter sich und ist erst vor zwei Jahren von der niederländischen Sirius Facilities, die einfach gar nichts gemacht hat, an eine Bremer Firma gegangen, die nun zumindest erkennbar etwas tut. Da Wohnen hier tatsächlich nicht erlaubt ist und die Lage für Bremer Verhältnisse auch recht dezentral, ist dies etwas für Liebhaber einer wirklich authentischen Hafenatmosphäre, was dem Ganzen aber einen tatsächlich recht ehrlichen Charme gibt, der sicherlich einigen zusagt.

  • Kleines Update von der Umnutzung der Silberwarenfabrik Koch und Bergfeld in der Neustadt. Der südliche Teil ist fertiggestellt und beherbergt nun eine große Kindertagesstätte. Zur Erinnerung, das alte Hauptgebäude:



    Dahinter verbarg sich ein überraschend ausgedehntes Fabrikgelände, welches nun teilweise abgerissen und teilweise umgenutzt wurde, auf ganz interessante Weise. Die angekündigte Kita im südlichen Bereich:




    Die Rampen sind natürlich immer optisch schwierig, aber unvermeidlich und auch sinnvoll. Selbst die Lampen an der Fassade wurden wiederhergestellt. Blick in das Gebäude:



    Immerhin die alte Stützkonstruktion wurde erhalten, ansonsten dominiert moderne Kühle, aber aus meiner Sicht ein schöner Kitaraum.


    Foto entlang des südlichen Bebauungsrands, hier standen vorher mehrere Reihen dieser im Vorderteil noch erkennbaren Sheddachhallen:



    Ganz witzig fand ich diese Geschichte, der Außenspielbereich einer Gruppe befindet sich in einer teilerhaltenen Fabrikhalle:



    (Man erkennt aber auch, dass hier keine große Baukultur abgerissen wurde, das waren selbst aus heutigen Maßstäben sehr, sehr zweckmäßige Hallen).


    Gegenüber der beeindruckenden Vorderfront gibt es noch weitere, tlw. verfallene Fabrikgebäude, hier wird eine Art Schuppen saniert:



    Insgesamt eine aus meiner Sicht sehr schöne Reaktivierung. Selbst die Firma Koch&Bergfeld gibt es noch im Hauptgebäude, sie produziert auch weiterhin, hat sich aber eben deutlich verkleinert, da Silberbesteck nicht mehr so in Mode ist.