Historische Treppenbrunnen in Indien

  • Falls ihr auf Twitter seid, kann ich euch https://twitter.com/wrathofgnon empfehlen.

    Der (ich vermute einmal) Herr lebt in Japan, postet aber viel Informatives zum Thema menschenfreundliche Stadtbilder, klassisches Bauen, alte Kultur- und Handwerkstechniken und vieles mehr. Ich bleibe da eigentlich fast immer bei irgendwas hängen :D

    Heute zB bei diesem Artikel zu riesigen uralten Treppenbrunnen in Indien: https://www.bbc.com/future/article…as-water-crisis

  • Ja, die Stufenbrunnen Indien sind beeindruckend (und zum Teil Weltkulturerbe).

    Ihr Erhalt ist wichtig und wertvoll.

    Ihre heutige Bedeutung liegt aber im Tourismus, Entwickeln von Umweltbewusstsein bei der Bevölkerung und Stiften von Identität

    Ich finde es ein wenig bedauerlich, dass - wohl dem weltweiten Zeitgeist entsprechend - auch in dem verlinkten Beitrag Ökologische Wunder-Dinge behauptet werden, die ein Stufenbrunnen EBEN NICHT leisten kann.

    Diese Öko-Fakenews finde ich ansatzweise bedenklich...

    Auch wenn vielleicht jedes Mittel Recht sein sollte, um die Bauten zu sanieren.


    Wissenschaftlicher Hintergrund der historischen indischen Systemen der Wasserbewirtschaftung ist folgender:

    Wichtiger als der jeweilige Stufenbrunnen selbst (als (historische) WasserENTtnahmestelle) sind in den Halbwüsten und Wüsten Nord-Indiens Erddämme und künstliche Becken, die den Wasserabfluss in Tälern (in der kurzen Regenzeit) bremsen und durch Aufstau eine ANREICHERUNG des Grundwassers bewirken. Diese historischen Stauseen sind Bestandteil jeder historischen indischen Stadt.

    Nur durch das oberirdische Anstauen von Wasser kann der Grundwasserspiegel in großem Umfang jedes Jahr wieder angehoben werden.

    (Dass von der umgebenden Bebauung um die alten Stufenbrunnen) auch Regenabfluss in die Stufenbrunnen direkt geleitet wird, ist dabei eine zu vernachlässigende Größe. Im Artikel selbst wird später dargestellt, dass der dort beispielhaft beschriebene Stufenbrunnen mit 150m3 WasserEINSPEISUNG eigentlich eine zu vernachlässigende Größe im System ist.

    Stufenbrunnen wurden übrigens so gebaut, weil

    - man in tiefgründig durch Lockersediment geprägten Böden von temporären Flusstälern (Sand und KIes) ursprünglich keine senkrechten Tiefbrunnen bauen konnte.*

    - der Grundwasserspiegel in Rajasthan schon immer sehr großen Schwankungen unterliegt und

    - selbst in schlimmsten Trockenzeiten über die Stufen immer noch das sehr tiefe Grundwasser erreichbar ist.

    (Zur Regenzeit sind die meisten Stufenbrunnen tatsächlich fast "Randvoll" )


    * (Heute geht das natürlich einfach mit einem klassischen Bunnenbohrgerät und Stahlrohren) Solche modernen Brunnen sind in Indien überall vorhanden. Handschwengelpumpen sind landesweit an zentralen Orten zu sehen. Es bräuchte für die Wasserversorgung also die Stufenbrunnen gerade nicht.


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    Euphemistisch finde ich das Zitat:

    "Die Wiederherstellung von Stufenbrunnen löst das Wasserproblem des Landes möglicherweise nicht vollständig, kann aber sicherlich Lösungen auf lokaler Ebene zur Bekämpfung der Wasserknappheit bieten".


    Eigentlich müsste man sich klar machen, dass nur die Verringerung des Bevölkerungswachstums die Übernutzung der natürlichen Ressourcen verhindern könnte. Aber chinesische rigorose Ansätze werden in der "größten Demokratie der Welt" bisher ausgeschlossen. Fröhlich dem Untergang entgegen.

  • Auch Indien hat stark zurückgehende Geburtenraten. Die Fertilitätsrate ist von 4,6 Kindern je Frau im Jahr 1980 runter auf um die 2,0 im Jahr 2020 gerutscht, das heißt unter die Reproduktionsrate (die bei 2,3 liegt). Natürlich wird die Bevölkerung erstmal noch weiter wachsen, aber es steht auch ohne Ein-Kind-Politik -die für China übrigens ein fataler Fehler war- eine ähnliche Entwicklung an.


    Damit dann aber auch genug mit dem kleinen Offtopic-Ausflug.


    Die Stufenbrunnen sind absolut faszinierend. Und ich denke schon, dass in einigen Orten auch archaisch anmutende Lösungen und LowTech diverse Probleme lösen können. Gerade im Bereich Bauen, dafür treten wir doch ein. Traditionelle Handwerkskunst schafft oft bessere Wohnhäuser als die Schnell-und-Billig-Bauindustrie.

  • Noch ein paar Worte zum gezeigten Beispiel, dem Stufenbrunnen von Abhanerie.
    Auch wenn die Deutsche Wikipedia anderes behauptet, vor Ort steht geschrieben, dass der Stufenbrunnen, also "das Loch" selbst sehr weit vor der Vormogulzeit errichtet wurde. Es war ursprünglich ein öffentlicher Brunnen.

    Im 16.Jahrhundert wurde dieser Stufenbrunnen durch Bebauung nach außen abgeschirmt (umlaufender Arkadengang) und es wurde in den Stufenbrunnen hinein eine Art "Sommerpalast" für die lokalen Herrscher errichtet . An der Nordseite.
    Dieser Bau war kein Tempel sondern ein klimatisiertes Wohngebäude zur Hot Season

    Klimatisierung wie folgt:

    Über ein unteres Ziehbrunnen-Systeme mit Göpelwerk wurde Wasser aus dem "Auge des Bunnens" zunächst auf ein überbautes Wasserbecken hinter den 3 großen Arkaden gehoben und dort zwischengespeichert.


    Aus diesem mittleren (überdeckten) Becken wurde in einem 2. Göpel Wasser bis nach oben gebracht, ausgeschüttet und über die Verdunstungskälte und die Beschattung wurde es im Gebäude für Herrscher und Harem erträglich.

    Und hier noch ein "Escher-Bonus-Bild"

  • Toller Beitrag eryngium! Wirklich interessant.
    Doch wäre das nicht mal ein guter Anlass, endlich mal einen Indien-Faden im Asien-Subforum zu eröffnen?
    Das bald bevölkerungsreichste Land der Welt mit all seinen Kulturschätzen wäre es doch mal wert, genauer betrachtet zu werden. Zumal es sich auch als touristisches Ziel immer mehr herausputzt.

  • Der Stufenbrunnen von Abhanerie in seiner Mischung aus Moghul-Architektur und archaicher Ursprungsbebauung steht ziemlich perfekt da, und ist der Höhepunkt des Bautyps "klassischer indischer Stufenbrunnen".

    Dieser wurde - wie gesagt - nur dort angelegt, wo man wegen des sandig-kiesigen Bodens so etwas errichten musste.

    Weniger perfekt gibt es die Stufenbrunnen in vielen Altstädten Indiens. Z.B. den hier in Jodhpur.

    In günstigen Gegenden reicht bis heute ein Stausee für die Ärmsten der Bevölkerung.

    Udaipur Altstadt

    Wasser spielte und spielt in Indien aber von jeher eine entscheidende Rolle.

    Besonders beeindruckend war für mich die Anreicherung indischer Moghul-Architektur mit manieristischen bzw. barocken europäischen Einflüssen. In Mandu, einer Stadt auf einem Hochplateau in der Halbwüste

    Mandu (Stadt) – Wikipedia


    Herrschaftlicher Pool im 1. OG

    Und an einer Stelle wurde in den letzten 100 Jahren ein Palast in einen Hindutempel umgewandelt.

    Dort funktioniert die Wasserkunst noch heute.

  • An Stellen mit felsigem Untergrund baute man auch in Indien "normale" Schacht-Brunnen.

    Hier mal 2 opulente Beispiele an der Seidenstraße in Rajasthan

    Göpelwerk war seitlich, an der Welle wurde der Eimer nach oben bewegt.

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    Und an nachfolgendem großartigen Bauwerk gab es sogar eine überdeckte Zisterne im Sockel, von der aus dann über Schwerkraft umliegende Gärten bewässert werden konnten, da man die Brunnenarchitektur auf einem künstlichen Hügel (Fels-Aushub) errichtete.


  • Und der für mich beeindruckendste "Stufen- Brunnen" Indiens ist ein in den Felsen gehauener Sommerpalast aus dem frühen 11. Jhd.

    Rani Ki Vav – Wikipedia

    Zum Brunnenschacht kann man seit 1000 Jahren (mit längerer Unterbrechung) bequem hinunterwandeln.


    Unten ist es relativ kühl und schattig.

    Die Skulpturen aus dem 11. Jahrhundert, schier "ewig" verschüttet und in den 1980-ern freigelegt, beeindrucken besonders.

  • Auch Indien hat stark zurückgehende Geburtenraten. Die Fertilitätsrate ist von 4,6 Kindern je Frau im Jahr 1980 runter auf um die 2,0 im Jahr 2020 gerutscht, das heißt unter die Reproduktionsrate (die bei 2,3 liegt).

    Dazu sage ich mal vorsichtig, dass man sich nur auf selbst gefälschte Statistiken verlassen soll.

    In vielen Bundesstaaten gibt es nicht mal ein Geburtsregister...

    Und auch das derzeit offiziell postulierten 1% Bevölkerungswachstum jährlich (das ja mit 2% Geburtenrate nur schwer in Übereinstimmung zu bringen ist) bedeutet immer noch PRO JAHR 13 Mio. mehr Menschen in einem überwiegend semiariden Land.
    Pro MONAT derzeit 1x die Stadt München als Bevölkerungszuwachs.
    Derzeit 464,15 Einwohner pro Quadratkilometer.
    In Deutschland 233 bei deutlich besseren natürlichen Bedingungen.

    Durchschnittsalter der Bevölkerung übrigens - je nach Quelle - zwischen 23 und 28 Jahre.
    " Die Lebenserwartung ist trotz merklicher Anstiege in den letzten Jahren mit rund 69,4 Jahren in 2018 noch relativ niedrig, ebenso der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung mit rund 6,4 Prozent (2019)."

    Die Bevölkerungszahl wächst unvermeidlich noch ne ganze Weile...

    Klimawandel und Verschärfung von Dürren ist dort REGIONAL eine Folge von Übernutzung der Ressourcen.
    Der Waldanteil liegt in Indien heute bei nur noch 2%.

    Alles andere ist Lawifläche, Siedlung oder Wüste bzw. Hochgebirge...
    Lokale Klimasysteme und das Grundwasser kollabieren. .. Landflucht und Verarmung sind die Folge.

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    Aber tatsächlich ist es ohnehin ein Fehler, indische Lebensverhältnisse mit europäischen ins Verhältnis zu setzen.

    Was bei uns als Armut in Indien bewertet und in TV-Beiträgen immer mal reißerisch dokumentiert wird, ist normale Realität für derzeit 600 bis 800 Mio. Menschen.

    Und war auch für die Hälfte der Bevölkerung nie anders.

    Ich habe bei Mittelstands-Familien übernachtet, die in Verhältnissen leben, die für Europäer unvorstellbar sind.

    Hätten sicher alle ein Recht auf Migration in bessere Verhältnisse, weil man Menschen so eigentlich gar nicht leben lassen möchte.


    Statt bei uns Milliarden für Klima-Kosmetik zu verballern, müsste man Windkraft- und Solartechnologien in Indien und Pakistan kostenlos zur Verfügung stellen als Entwicklungshilfe.

    Damit wäre allen vermutlich mehr geholfen.
    Nur dann gäbe es bei UNS aber kein Wirtschaftswachstum mehr, wenn wir wirklich fair mit der 3. Welt wären.
    Alles ehr schwierig und schier ausweglos.

  • "Ausweglos" sagte man noch vor wenigen Jahrzehnten auch über China. Es war bis vor Kurzem noch ein geradezu bettelarmes Land.

    In Indien hat man nun die Chance noch über die Brücke zum Wohlstand zu huschen. Und das halbwegs im Reinen mit Natur und folgenden Generationen. Wenn man es denn wirklich will.

    Aber zurück zum Architekturthema.

  • Snork

    Mein Beitrag bezog sich nicht auf Treppenbrunnen in Indien, sondern empfahl einen interessanten Twitter-Account, der sich mit Architektur im Allgemeinen beschäftigt.

    Bitte zurückverschieben (oder in den Webtipps-Strang, falls es einen solchen gibt).

  • Ich hatte mich vor ein paar Tagen auch mal mit Indiens Architektur befasst

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