Leipzig Marktplatz

  • Im 2. Weltkrieg wurde die Häuserzeile nördlich des bekannten Rathauses zerstört. Seit dem Wiederaufbau befindet sich hier ein Plattenbau, welcher in seinem Aussehen der früheren Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg ähnelt.

    Nun meine Frage in die Runde: Wie stehen die Chancen, dass dieser Plattenbau rückgebaut und die alten Gebäude rekonstruiert werden könnten? Hier könnte auch eine Mischung aus alt und neu entstehen.

    Mit einer Neubebauung würde nicht nur der Marktplatz der "Boomcity Leipzig" vervollständigt, sondern auch wertvoller, innerstädtischer Boden nachverdichtet. Weiterhin würde das Areal zwischen Reichsstraße, Böttcher- und Salzgässchen und das berühmte Fotomotiv der "Nordzeile" eine Aufwertung erfahren.

    Anmerkung: Ich wünsche mir hier eine sachliche (!) und keine in politisch fremde Gewässer abschweifende Diskussion.

  • "Jan", zu Realisierungschancen kann ich Dir nichts sagen. Das müssen Leipziger beantworten oder Leute, die mehr Bezug zu Leipzig haben. "Rastrelli" womöglich.

    Begrüßenswert fände ich eine Rekonstruktion schon. Die von Dir gezeigten Häuser haben ja Dresdner Qualität.

    Wenn ich es richtig sehe, nimmt der Plattenblock ja nicht das Grundstück der Häuser komplett ein, sondern nur das der beiden linken auf den Fotos zu sehenden Häuser. Theoretisch wäre also der Grund der beiden rechten Häuser sogar frei. Eine Bebauung würde allerdings das Salzgässchen wieder auf das historische Maß verengen. Und die seitlichen Fenster des Blocks wären zugebaut. Das würde wohl auch seltsam aussehen.

    Wobei mir das zweite Haus von links ja als das Wertigste/Stimmigste vorkommt, insofern eine komplette Neubebauung incl. Rekonstruktion am wünschenswertesten wäre.

    Soviel mein Senf dazu.

  • Die von Dir gezeigten Häuser haben ja Dresdner Qualität.

    In der Tat waren die Leipziger Barockhäuser von hoher Qualität. Man merkt es heutzutage vor allem an das noch bestehende Romanushaus. Interessanterweise heisst das erste Buch von dem berühmten Britischen Architekturhistoriker Sir Nikolaus Pevsner Leipziger Barock, eine Veröffentlichung seiner Doktorarbeit. (Pevsner war gebürtiger Leipziger.)

  • ...

    An der Stelle gibt es dahinter sogar noch einen zweiten Plattenriegel, der fallen kann und daneben noch Baulücken.

    ...

    Die Platte hinter der Platte ist die Reichsstraße. Auf einem Teil des jetzigen Parkplatzes ist der Löhrshof geplant.

    ...

  • ...

    Diese Gegenüberstellung verdeutlicht den großen Verlust an städtebaulicher Qualität, welchen der Marktplatz in diesem Bereich erfahren hat. Auch der Eingang zum Citytunnel kann mE nicht überzeugen. Die gesamte Szenerie wirkt doch einigermaßen trostlos.

    Handlungsbedarf wäre also durchaus gegeben.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Interessante Thematik, die viel Diskussionsstoff bietet . Bei den beiden o.g. Gebäuden handelt es sich links um „Kochs Hof“, einem der vielen typischen Durchhöfe der Stadt, von 1739 und rechts um „Jöchers Haus“ von 1695 (die beiden Figuren über dem Eingang sind erhalten und am vor einigen Jahren errichteten „Katharinum“ angebracht worden). Der Bau aus den 60er Jahren mit der in Leipzig sehr bekannten „Milchbar Pinguin“ besitzt durchaus eine gewisse Qualität und der Vergleich mit dem Berliner Stasi-Bau ist hier definitiv nicht angebracht. Dafür ist die Ausgestaltung der Fassade zu wertig. In natura wirkt der Bau auch längst nicht so blass wie auf dem Trostlos-Bild. Dazu kommen die zurecht unter Schutz stehende Leuchtwerbung der Milchbar sowie der Brunnen im ruhigen Innenhof. Es ist sehr schade, dass dieses gutklassige Exemplar der Ostmoderne nicht an einem anderen Standort platziert wurde denn natürlich muss man konstatieren, dass es hier nicht optimal in den Stadtraum eingefügt ist und damals wohl eher eine Verlegenheitslösung darstellte. Anhand der Draufsicht in Google-Maps erkennt man die Problematik sehr gut – die histor. Baufluchten werden nicht bedient, es steht weit zurückgesetzt was natürlich einen hohen Verlust an potentieller Nutzungsfläche mit sich bringt (in bester Innenstadtlage wohlgemerkt).

    Bereits 1991 hatte der Stadtrat für die Wiederherstellung des traditionellen städtebaulichen Gefüges mit seinen Raumfolgen „Gasse-Straße-Platz“ für das Stadtzentrum votiert. Daher wurde später auch die angrenzende Reichsstraße in ihrem historisch verschwenkten Verlauf neu angelegt was übrigens neben anderen auch ein Grund ist, dass der hier ebenfalls angesprochene Reichsstraßenriegel nicht in alle Ewigkeiten stehen wird. Man erkennt dies schon am oben geposteten Projekt „Löhrs Hof“. Hier wird der neue (alte) Straßenverlauf wieder aufgenommen und der Neubau orientiert sich mit seiner Brandwand bewusst nicht am DDR-Bau. Übrigens: Auf gleichem Areal (heute Parkplatz) wird es zukünftig direkt neben dem „Riquet Haus“ die Rekonstruktion der eingelagerten Fassade von „Deutrichs Hof“ geben. Hier gibt es allerdings noch keine konkrete Planung.

    Zurück zum thematisierten DDR-Block:

    Durch Zufall habe ich vor einiger Zeit im 1998 erschienenen „Beitrag zur Stadtentwicklung Nr. 19 - Realisierungswettbewerb des Museums der bildenden Künste“ eine Einschätzung vom damaligen Leiter des Stadtplanungsamtes Wolfgang Kunz entdeckt (Zitat): „Das Wohngebäude im Süden des Sachsenplatzes wird noch lange erhalten bleiben, so dass diese „Störung“ des Raumgefüges zunächst akzeptiert werden muss.“ In einer Grafik wird das Gebäude darüber hinaus als „Mittelfristiger Erhalt“ ausgewiesen. So viel erstmal dazu.

    Nachfolgend noch ein Schwung Bildmaterial vom Pinguin-Block aus diesem Sommer:

    milchbarblock1j1jbl.jpg

    Ansicht Reichsstraße

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    Im Innenhof

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    Der unter Denkmalschutz stehende Brunnen

    milchbarblock8wzjjn.jpg

    Eigene Bilder

  • Der Block für sich allein betrachtet hat bestimmt seine Qualitäten; das sieht man nur schon auf dem dritten Bild mit der Durchfahrt zum Hof. Ich erkenne aber bereits beginnende Witterungsspuren (oder sind es sanierte Partien?), und die lassen so ein Gebäude recht schnell schmudelig wirken. Das ist das Problem, das ich mit solchen Bauten habe. Ihre Fassaden müssten alle fünf bis zehn Jahre gereinigt werden, dann haben sie eine dauernde Ausstrahlung.

    Bei der Fenstererneuerung hätte man auch mehr Feingefühl walten lassen können, wenn der Bau schon in der Denkmalliste eingetragen ist. Besonders das Treppenhausfenster gegen den Hof wirkt billig.

  • Das Objekt strahlt natürlich wenig Urbanität aus und hält auch keinem Vergleich zur Vorkriegsbebauung stand. Aber für DDR-Verhältnisse war die Fassadengestaltung mit Sandsteinplatten doch recht hochwertig. Und auch der Bau selbst orientiert sich an traditionellen Mustern der Leipziger Handelshöfe. Von Handel und Wandel ist im Hofinnerem allerdings wenig zu verspüren. Vielleich sollte man zunächst dort einmal ansetzen.

  • Das Gebäude hat für seine Zeit durchaus eine gewisse Qualität, aber die beste Chance auf Abriss ist doch vermutlich der Leerstand. Wenn der Widerstand des Amtes oder der Stadt sicher zu groß ist, kann man sich natürlich um eine Belebung des Gebäudes kümmern aber jetzt würde das unserer Sache nicht helfen glaube ich.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Ich kann an dem Bau wenig interessantes oder anheimelndes entdecken. Dafür ist er mir zu groß und zu monoton. Den Brunnen sollte man natürlich erhalten, notfalls translozieren. Sei´s drum.

    Bei Jöchers Haus habe ich mich hinsichtlich der zeitlichen Einordnung wirklich verschätzt. Ich war mir nicht sicher, ob es sich nicht doch um ein gründerzeitliches Gebäude handelt. Dafür sprach die Höhe des Gebäudes, eine gewisse Schlichtheit der Fassadenelemente, das hohe Zwerchhaus mit dem geraden Abschluss (auf dem ich mir regelrecht eine Reklametafel vorstellen kann).

    Somit vielen Dank für den Hinweis, dass es sich doch um ein Gebäude des späten 17. Jahrhunderts handelt.

  • Eine Rekonstruktion an dieser Stelle wäre sicherlich wünschenswert.

    Aber auch wenn der moderne Block sich überhaupt nicht an die historischen Baufluchten hält, hat er gerade für DDR Verhältnisse mit seiner eher hochwertigen Sandsteinfassade schon eine gewisse städtebauliche Qualität. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass dieser Block als Beispiel für moderne DDR Architektur dauerhaft unter Denkmalschutz gestellt wird.

    Daher denke ich, dass eine Rekonstruktion an dieser Stelle, die sicherlich mehr als wünschenswert ist, in den nächsten Jahren nicht realistisch ist.

  • In diesem Forum geht es um Rekonstruktionen historisch wertvoller Gebäude.

    ...Nach wirklich alten Gebäuden, die Hunderte von Jahren alt sind, müsse man fast schon suchen, blendet man das Alte Rathaus oder Kirchen mal aus. Dennoch sind sie zu finden: Beispiele sind die Alte Waage von 1555 oder das Romanushaus von 1703.

    Das rasante Wachstum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts forderte architektonisch seinen Tribut, ganze Straßenzüge wurden zunichtegemacht. Die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs taten ihr Übriges, sind aber dennoch beinahe vernachlässigbar angesichts der Zahl der Häuser, die völlig bewusst ausradiert wurden, um Platz für Neues zu schaffen....

    Da es die in Leipzig nicht gibt, muss man mit der Gründerzeitmassenware und den Plattenbauten leben.

  • In diesem Forum geht es um Rekonstruktionen historisch wertvoller Gebäude.

    Woher hast du das? Es geht um Rekonstruktion klassisch-traditioneller Architektur und Ensembles, ohne Einschränkung. Dies schließt eben auch Gebäude des Historismus ein, selbst wenn diese für dich persönlich "Massenware" sind. Wenn es allein nach der kunsthistorischen Bedeutung ginge wäre z.B. die Königliche Reithalle in Budapest nicht jüngst wiederaufgebaut worden (siehe hier).

    In dubio pro reko

  • Es ist sehr schade, dass dieses gutklassige Exemplar der Ostmoderne nicht an einem anderen Standort platziert wurde denn natürlich muss man konstatieren, dass es hier nicht optimal in den Stadtraum eingefügt ist und damals wohl eher eine Verlegenheitslösung darstellte.

    Das ist mE der springende Punkt. Dieses Gebäude hat durchaus gewisse Qualitäten, die gerade auf den von dir gezeigten Bildern zur Geltung kommen. Allein, im unmittelbaren Zentrum einer europäischen Stadt mit geschichtlicher und kultureller Tiefe wirkt dieses Gebäude doch arg deplatziert.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Auch das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig daneben ist eine urbane Meisterleistung.

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    Der im Jahr 2004 fertiggestellte Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums kann in der Tat in Hinblick auf seine stadträumliche Wirkung nur als äußert schwach bezeichnet werden.

    Ich kann mich noch erinnern als seinerzeit die Verwendung von Rochlitzer Porphyr bei der Natursteinfassen-Verkleidung als regionale Reminiszenz gepriesen wurde. Es hilft nichts. Für mich ein klarer Fall von Bausünde.

    Wenn man bedenkt, dass obiges Bild in unmittelbarer Nähe des Marktplatzes aufgenommen wurde, dann ist das schon traurig ob der verpassten Chance das Stadtbild aufzuwerten.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)