Frage zur Residenz Landshut

  • Liebe Forumsgemeinde,

    ich hätte eine Frage bzw. Bitte bezüglich der Landshuter Residenz. Angeregt durch die Diskussion über Neorenaissance im Gründerzeit-Strang habe ich nochmal ein bißchen über die Landshuter Residenz, den gewissermaßen "italienischsten" Original-Renaissancebau in Deutschland nachgelesen.

    In den Artikeln, die ich gelesen habe, wurde erwähnt, dass Palladio sich die Landshuter Residenz zum Vorbild des Stils seiner Villen im Veneto genommen hat, was mir neu war. Das lässt die Landshuter Residenz noch einmal in einem ganz neuen Licht erscheinen.

    Zugleich habe ich gelesen, dass die Fassade um 1799 im klassizistischen Stil erheblich umgestaltet wurde. Daher meine Frage: Hat irgendjemand Bilder, die den Originalzustand der Fassade - also den, den Palladio sich zum Vorbild genommen hat - zeigen?

    Schließlich frage ich mich ganz ernsthaft, ob man angesichts der enormen Bedeutung Palladios nicht vielleicht den Originalzustand der Fassade wiederherstellen sollte.

    Wenn das alles stimmt, was ich gelesen habe, dann fehlt seit der klassizistischen Umgestaltung der Fassade ja gewissermaßen ein entscheidender Baustein zum Verständnis des Übergangs von der Hoch- zur Spätrenaissance, des ganzen Palladianismus und damit auch der europäischen Architekturgeschichte überhaupt (ich weiß, die Frage ist rein theoretisch, aber eure Meinung würde mich einfach interessieren).

  • Ich habe zwei Bücher über die Landshuter Residenz, dessen "italianità" mich schon früh faszinierte, dort könnten Abbildungen drin sein. Ich werde aber erst wieder nächste Woche Zugriff auf dies Bücher haben und dir Bescheid geben können. Vielleicht findet ja jemand bereits vorher was in den Weiten des Netzes...

    Edit: Beitragsüberschneidung, Majorhantines hat schon was gefunden...

  • Die klassizistische Umgestaltung der Fassade betraf aber doch wohl nur den sog. "Deutschen Bau", nicht den "Italienischen Bau" der Stadtresidenz.

    Der Deutsche Bau ist hier auf diesem Luftbild im Vordergrund zu sehen, der Italienische Bau im Hintergrund.

    https://www.stbala.bayern.de/hochbau/projek…200.04.T600.jpg

    Hier Blick aus der Gegenrichtung:

    https://www.nuernbergluftbild.de/images/luftbild/K0525021d.jpg

  • Befassen Sie sich mit dem Palazzo del Te in Mantua. Er war die Inspirationsquelle für den Bau in Landshut. Die These zur Landshuter Residenz als Vorbild für das Schaffen Palladios halte ich allerdings für falsch. Vorbild waren Bauten in Rom.

  • Ich habe mir die Villen Palladios angeschaut und es muss wohl wirklich die rückwärtige Fassade des ,,Italienischen Baus" gemeint sein, die nicht auf dem Kupferstich abgebildet ist, jedoch sehr Palladios Villen bis ca. 1550 ähnelt. Insofern ist es aber auch tatsächlich wahrscheinlich, dass nur der ,,Deutsche Bau" eine Fassadenänderung bekam. 1537 bis 1541 wurde am ,,Italienischen Bau" gearbeitet. Ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass ein aus Italien stilistisch importierter Palast dann wiederum als Inspiration für Bauwerke in Italien dienen sollte. Dort wird es ja wohl an ursprünglichen Vorbildern nicht gemangelt haben dieses Stils.

    Wer einen ganz groben Überblick über die Anlage erhalten will, hier klicken und dann auf das Bild klicken. Die Fotogalerie zeigt die Gliederung der Bauten.

  • Vielen Dank für die vielen hilfreichen Beiträge in so kurzer Zeit, insbesondere an Majorhantines für das Auffinden des Kupferstichs aus dem 17. Jahrhundert (dazu im nächsten Beitrag mehr)

    Zitat von etinarcadiameo

    Ich versuche sie mal einen nach dem anderen zu beantworten: Die klassizistische Umgestaltung der Fassade betraf aber doch wohl nur den sog. "Deutschen Bau", nicht den "Italienischen Bau" der Stadtresidenz.

    Ja, das hatte ich auch gelesen. Mir war nur nicht klar, was das für die Palladio-Frage bedeutet, weil ich keine Vorstellung davon hatte, wie die Fassade vor der Umgestaltung ausgesehen hat.

    Befassen Sie sich mit dem Palazzo del Te in Mantua. Er war die Inspirationsquelle für den Bau in Landshut.

    Ja, das weiß ich und ich kenne den Palazzo auch sehr gut (ich habe ihn mindestens schon dreimal besichtigt).

    Ich habe mir die Villen Palladios angeschaut und es muss wohl wirklich die rückwärtige Fassade des ,,Italienischen Baus" gemeint sein, die nicht auf dem Kupferstich abgebildet ist, jedoch sehr Palladios Villen bis ca. 1550 ähnelt.

    Ja, das scheint mir auch so, nachdem ich jetzt den Kupferstich gesehen habe. Die Fassade des "Deutschen Baus", die man dort sieht, ist für die italienische Renaissance doch relativ konventionell (für Deutschland allerdings schon was Besonderes). Von daher dürften die entsprechenden Aussagen tatsächlich den "Italienischen Bau" meinen.

    Dort wird es ja wohl an ursprünglichen Vorbildern nicht gemangelt haben dieses Stils.

    Da bin ich mir wirklich nicht so sicher. Der Palazzo del Té, der ja wiederum die Residenz beeinflusst hat, ist schon ein ziemliches Unikum (und Giulio Romano war offenbar ein ziemlich verrückter Hund ...).

    Spontan fällt mir jedenfalls kein Bauwerk in Italien ein, das dessen Ideen so konsequent aufgegriffen und weiterentwickelt hätte wie die Landshuter Residenz.

  • Ich hätte einen Kupferstich von M. Wening vom frühen 17. Jahrhundert anzubieten:

    s-l9999.jpg

    Irgendwas stimmt an dem Stich doch nicht. Das Verhältnis Länge zu Breite ist ein ganz anderes als bei der Residenz, so wie sie noch heute da steht:
    1024px-Landshut_-_Stadtresidenz_Landshut.jpg

    Ich hatte erst gedacht, der Unterschied könnte an einer späteren Aufstockung liegen, aber dann müsste die Residenz im heutigen Zustand ein Stockwerk mehr haben. Das kann also nicht sein.

    Mir scheint, dass auf dem Kupferstich einfach die Abstände zwischen den Fensterachsen zu breit dargestellt sind. Kann das sein?

    Und was ist eigentlich im Zuge der Umgestaltung aus den Statuen geworden, die offenbar im zweiten und dritten Stock angebracht waren (und für die der Platz wiederum fast zu klein erscheint)? Alles sehr merkwürdig.

    Jedenfalls scheint die Originalfassade deutlich lebendiger und spannender gewesen zu sein als die klassizistische es ist.

  • Ich habe ein wenig experimentiert und bin zur Überzeugung gelangt, dass der Zeichner genau die gleiche Fassadengliederung vor sich hatte, jedoch die Maßstäblichkeit völlig verletzte. Das wird erkennbar, wenn man versucht, die Zeichnung durch Streckung auf das Original zu legen. Es misslingt, egal was man tut. Das bedeutet, dass die Fensterabstände nicht konsistent sind, weder im Verhältnis zum Portal, noch zum Gebäude, so entstehen die großen Wandflächen. Der Zeichner hat seine Zeichnung mehr in relativer Akuratesse angelegt, die glaubhaft vermittelt, dass die meisten Fenster nicht in der Größe verändert wurden, außer jenen Fenstern, welche nicht die Standardbreite aufwiesen. Dies erscheint wahrscheinlich, weil so hauptsächlich Fenster etwas verkleinert wurden, und nur ein Fenster neu hineingebrochen werden musste. Wie das mit den Figuren funktioniert hat, erschließt sich mir jedoch auch nicht. Aufgrund des begrenzten Platzes sind es eventuell nur Wandmalereien gewesen? Eine Statue stelle ich mir sonst sehr in der Wirkung eingeschränkt vor so dazwischengeklemmt als weiteres dreidimensionales Element.