Flusshochwasser in Westdeutschland im Juli 2021

  • Ich bin eigentlich kein Freund von zu viel Moral oder sich im Lichte des vermeintlich Guten sonnen, aber im Moment wird eine vierstellige (!) Zahl an Menschen vermisst, manche warten vielleicht verzweifelt darauf gerettet zu werden bzw. ihre Angehörigen wieder in die Arme schließen zu dürfen - Nicht zu sprechen von hunderten zerstörten Haushalten und auch beruflichen Existenzen, gerade in/nach der Pandemie. Mir sind ausnahmsweise die Denkmale gerade total egal. Kann sein, dass sich das in ein paar Wochen wieder legt und man dann über einen hoffentlich sinnvollen (d.h. mit Maß, vernünftigen Abflüssen und weniger Versiegelung) Wiederaufbau unterhalten kann.

    Bis dahin hoffe ich, dass jeder Euro, der für die Gebäude gespendet wird, in der gleichen Höhe auch für die Bedürftigen ausgegeben wird.

  • Das Eine schließt das Andere doch nicht aus. Selbstverständlich fühlt man mit den Menschen und ihren Existenzen, kann aber zugleich auch Sorge um die Beschädigung historischer Denkmäler haben. Da sich dieses Forum mit Architektur beschäftigt, liegt das Interesse nun einmal auch stark an diesem Thema. In einem Tierforum würde auch nach den betroffenen Haus- oder Nutztieren gefragt werden. Ohne deshalb die Menschen zu vergessen. Also ich hoffe, dass die meisten Bauschäden reparabel sind.

    Wirklich schlimm ist übrigens zudem, dass einige Leute die Katastrophe offenbar zu Plünderungen nutzen:

    https://www1.wdr.de/nachrichten/rh…nsberg-100.html

  • Snork 16. Juli 2021 um 07:04

    Hat den Titel des Themas von „Sturmfluten Juli 2021“ zu „Regenunwetter in Westdeutschland im Juli 2021“ geändert.
  • Wir wohnen an einem Standort (Hamburg-Finkenwerder), der selbst einmal von einer Flutkatastrophe betroffen war. Die Sturmflut von 1962 hat hier und im benachbarten Wilhelmsburg fast 400 Menschenleben gekostet.

    Nach der 62er Flut gab es großzügige Wiederaufbauhilfen. Für das Ortsbild waren diese Hilfen schädlicher als die Flut selbst, zahlreiche ortstypische Finkenwerder Fischerhäuser wurden bis zur Unkenntlichkeit verschandelt.

    Es wäre notwendig, die Hilfen an Auflagen zu binden. Nicht nur offiziell denkmalgeschützte, sondern alle für das Ortsbild relevanten Gebäude müssten behutsam wiederaufgebaut werden.

  • Ich bin eigentlich kein Freund von zu viel Moral oder sich im Lichte des vermeintlich Guten sonnen, aber im Moment wird eine vierstellige (!) Zahl an Menschen vermisst, manche warten vielleicht verzweifelt darauf gerettet zu werden bzw. ihre Angehörigen wieder in die Arme schließen zu dürfen - Nicht zu sprechen von hunderten zerstörten Haushalten und auch beruflichen Existenzen, gerade in/nach der Pandemie. Mir sind ausnahmsweise die Denkmale gerade total egal. Kann sein, dass sich das in ein paar Wochen wieder legt und man dann über einen hoffentlich sinnvollen (d.h. mit Maß, vernünftigen Abflüssen und weniger Versiegelung) Wiederaufbau unterhalten kann.

    Bis dahin hoffe ich, dass jeder Euro, der für die Gebäude gespendet wird, in der gleichen Höhe auch für die Bedürftigen ausgegeben wird.

    Und wie sieht es mit den Verursachern aus? Starkregen gab es schon immer. Aber noch nie eine derartige Versiegelung der bisher wasseraufnehmenden und abflussverzögernden Grünflächen. Zudem werden immer mehr Flächen in tief liegenden flussnahen Bereichen bebaut. Beim letzten großen Elbe - Mulde- Hochwasser war man sehr erstaunt, dass das Wasser sich einen Weg mitten durch dichte Bebauung gesucht hatte. Bis man sich erinnerte, dass vor Jahrhunderten dort einmal ein Flussarm war.

  • ^

    Absolut. Eine menschenwürdige Architektur geht auch nur mit einem der natursensiblen Städtebau einher. Weniger biotopzerschneidende Straßen, generell weniger Beton, mehr Versickerungsflächen und auch eine Anpassung der Gebäudetechnik, ohne alles mit PV-Anlagen und Dämmung zuzukleistern.

  • Hier eine ganz interessante Beobachtung zum Thema sichere Baugrundstücke:

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  • Bis man sich erinnerte, dass vor Jahrhunderten dort einmal ein Flussarm war.

    Woher hätte man es wissen sollen, wenn nie etwas passiert ist? Der Weißeritzknick in Dresden, der durch die Verlegung des Flusses entstanden war, wurde seitdem "entschärft" - sowas ist teuer und von vielen vorhergehenden Gutachten und Simulationen abhängig. Die Ausbauarbeiten sind erst kürzlich beendet worden, also fast 20 Jahre nach dem Hochwasser 2002, bei dem der Fluss sich sein "altes Bett" gesucht hatte.

    Im jetzt stark betroffenen Ahrtal wurde der Rekordpegel von 3,75 Meter (gemessen 2016) fast um 100% übertroffen, es wird von ca. sieben Metern ausgegangen. So ein Ereignis gab es dort einfach noch nie. Starke Versiegelung findet man in der Umgebung auch nicht und wenn hunderte Jahre alte Gebäude und Brücken weggeschwemmt werden, kann man sich denken, dass dieses Ereignis in dieser Stärke zum ersten Mal auftrat.

    Bei solchen Ereignissen lässt sich zudem schwer ein konkreter Schuldiger ermitteln. Man kann nur aus ihnen lernen und für die Zukunft vorsorgen. Verhindern wird man sie nicht können, nur deren Auswirkungen abschwächen; und natürlich Zerstörtes wieder aufbauen.

    Anders als z.B. an den Sächsischen Gebirgsflüssen gibt es in Rheinland-Pfalz kaum Talsperren, mit denen man solche Ereignisse etwas regulieren könnte. Das große, unbewegliche und wasserreiche Tief traf auf gesättigte Böden und steile Lagen, zur Erklärung z.B. siehe dieses Interview.

    Wasserbau war außerdem schon immer schwierig zu vermitteln, auch die Rheinbegradigung durch Tulla in Baden (die sich später teilweise als ökologischer Fehler herausgestellt hat) traf auf Skepsis, v.a. bzgl. der Finanzierung. Meistens gibt es erst Geld und Zustimmung, nachdem etwas passiert ist, und selbst dann muss diskutiert werden, ob die möglichen Maßnahmen sinnvoll sind. In Dresden-Laubegast wird z.B. immer noch gestritten, ob das Elbufer gesichert oder in seinem historischem Bestand erhalten werden soll.

    Und natürlich steht bei Betroffenen, die viel oder alles verloren haben, bei einem Neuanfang verständlicherweise nicht immer der Denkmalschutz oder das Stadtbild im Vordergrund. Auflagen sind also nur bei zusätzlich für genau diesen Zweck bereitgestellten Geldern vermittelbar, wenn es keine Debatte über fehlende Solidarität geben soll. Vielleicht kann über den Verein eine eigene Spendenaktion oder Beteiligung an derjenigen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gestartet werden, um den Wiederaufbau zerstörter Stadt-/Ortsbilder zu fördern ...?

  • Hier noch zwei Videos aus Bad Münstereifel - es ist einfach unfassbar, was hier passiert ist, ich weiß gar nicht was ich sagen soll.

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    Richtig fatal sieht es in Erftstadt-Blessem aus. Dem ganzen Ort inkl. der Jahrhunderte alten Burg droht der Untergang.

  • Bei Blessem ist das Problem, dass der Ort sehr dicht neben einer Kiesgrube liegt. Die Erft fließt in ihrem Kanal nur wenige Meter neben dieser Kiesgrube. Bei einem Hochwasser konnte das nur schief gehen.

  • Bei Blessem ist das Problem, dass der Ort sehr dicht neben einer Kiesgrube liegt. Die Erft fließt in ihrem Kanal nur wenige Meter neben dieser Kiesgrube. Bei einem Hochwasser konnte das nur schief gehen.

    stadtbild-deutschland.org/foru…dex.php?attachment/39903/

    Das muss nicht unbedingt negativ ausgehen. Beim Muldehochwasser wurden die Tagebaurestlöcher (Goitsche) bei Bitterfeld geflutet und reduzierten somit den Zufluss in die Elbe und deren Pegel um einige Meter. Aber jetzt ist alles voll. Und das nächste Hochwasser kommt irgendwann.

  • Hier eine ganz interessante Beobachtung zum Thema sichere Baugrundstücke:

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    Mit Mönchen hat die Kapelle nichts zu tun. Sie stammt aus den Jahren 1958 bis 1962: https://www.aw-wiki.de/index.php/St.-…pelle_Altenburg

    Auch dort zu lesen: "In Altenburg wurden im Laufe der Zeit mindestens fünf Kapellen gebaut – einmal, weil eine Vorgängerin baufällig geworden war, ein anderes mal, weil eine Kapelle von einem Ahr-Hochwasser fortgespült worden war"...

  • Starke Versiegelung findet man in der Umgebung auch nicht und wenn hunderte Jahre alte Gebäude und Brücken weggeschwemmt werden, kann man sich denken, dass dieses Ereignis in dieser Stärke zum ersten Mal auftrat.

    Bei solchen Ereignissen lässt sich zudem schwer ein konkreter Schuldiger ermitteln. Man kann nur aus ihnen lernen und für die Zukunft vorsorgen. Verhindern wird man sie nicht können, nur deren Auswirkungen abschwächen; und natürlich Zerstörtes wieder aufbauen.

    In solchen Fällen muss der gesamte Flusslauf betrachtet werden. Auf das Verhalten benachbarter Staaten, die natürlich ihr Wasser (Elbe) los werden wollen, hat man kaum einen Einfluss. Aber das Lernen kann darin bestehen, zu Entsiegeln und in Kanälen Rückhaltebecken zu installieren.

  • Bei Blessem ist das Problem, dass der Ort sehr dicht neben einer Kiesgrube liegt. Die Erft fließt in ihrem Kanal nur wenige Meter neben dieser Kiesgrube. Bei einem Hochwasser konnte das nur schief gehen.

    Solche kanalisierten Flüsse sind doch auch Teil des Problems… natürliche Auenlandschaften nehmen richtig Geschwindigkeit aus der Flut und entsprechend auch einiges an Wasser auf. Wobei dies eher generell gilt - im Falle der Erft ist das Problem wohl die Kiesgrube. Schön sind so kanalisierte Flüsse auch nicht.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Man sehe sich einmal dieses grauenhafte Luftbild an - sehr viel Sickerflächen gibt es da nicht mehr. Die Ackerböden werden auch entsprechend verdichtet sein. Letztlich eine "Landschaft" des Grauens.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.