Flusshochwasser in Westdeutschland im Juli 2021

  • Danke. Traurig.

    Die Straßen dürfte man recht schnell gesäubert und repariert haben. Sie sind in dem Film noch etwas verschlammt. Auch die Grünflächen werden sich rasch regenerieren. Die Brücken allerdings sind hinüber. Ebenso die Häuser nahe am Wasser. Da sollte generell mal überlegt werden, ob die Siedlungsflächen nicht mehr in Distanz zu solchen Flüssen ausgeschrieben werden. Das "Wohnen am Wasser" ist zwar derzeit trendy, birgt aber auch Risiken. Oder man muss höhere Deiche entlang der Flüsse bauen, wenn dort unbedingt ein Wohngebiet stehen muss.

  • Danke für das interessante Video Ostwestfale . Wirklich dramatisch!

    Habe es mir mehrmals auch in verringerter Geschwindigkeit angeschaut. Auf dem ersten Blick wirklich furchtbar wie viel Häuser schon abgetragen wurden oder stark beschädigt waren. Das "_Vorher" Video ist aber auch schon einige Jahre alt. Einige hässliche Neubauten im Schuhkarton-Stil sind danach entstanden leider haben viele davon es überstanden (min 6:04 links der schwarze Anbau, 7:38 wurde ein angepasster 90er Jahre Bau grundlos abgerissen, etc...) . Insgesamt sind einige Häuser älter (Kern Gründerzeit und noch mehr...)wurden aber vor allem in den Wirtschaftswunderjahren stark verhunzt (entstuckt, Glasbausteine, stark vereinfacht die Fenster, typisch westdeutsches Phänomen...). Die wenigsten davon stehen deshalb auch unter Denkmalschutz (die Listen sind sehr karg auf Wiki). Der Tourismus hat dann noch dazu viele Wintergärten und Cafés, Schilderwälder, dazugeklatscht die aber alle durch die Flut zerstört wurden da sehr fragil. Man könnte daher diese Katastrophe als Chance sehen, einige dieser noch erhaltenen Altbauten wieder ursprünglicher herzurichten. Ich fürchte aber eher, man bleibt beim eingeschlagenen Kubismus, der das Landschaftsbild ruinieren wird,...

    Interessant wäre ein Video über den aktuellen Stand (dieses hier ist ja noch vom Sommer 21 kurz nach der Katastrophe). Wie viel von den damaligen Ruinen noch steht?

  • Ich habe in einem der Videos über die Aufräumarbeiten die Theorie gehört, die auch UrPotsdamer geäußert hat, dass diese historischen Bogenbrücken eine fatale Wirkung bei der Flut entwickelt hätten: Dort hätten sich die ganzen entwurzelten Bäume und das Treibgut verfangen und den Fluss aufgestaut, sodass die Flutwelle erst so groß werden konnte.

    Ich vermute, dass ist auch der Grund, wieso man diese Brücke jetzt abreißt, wo ja nur einer der Bögen zerstört worden scheint.

    Also dann, Weg frei für schöne gerade Betonbrücken ohne Stützpfeiler im oder neben dem Fluss. Keine Ahnung, ich bin da ratlos und traurig. Die Befürchtung, dass das Ahrtal in Zukunft deutlich hässlicher aussehen wird als es vorher war, scheint sich zu bewahrheiten.

  • Ich habe gehört (aber aus unbestätigter Quelle), dass aus Naturschutzgründen schon länger keine Bäume mehr in den flussnahen Wäldern im Ahrtal entfernt werden durften, weshalb es so viel Treibgut gegeben hat. Natürlich sind Bogenbrücken da gefährlicher, aber wenn jetzt sämtliche historischen Bogenbrücken im Ahrtal abgerissen und durch Stahl- und Betonbrücken mit großer Spannweite ersetzt werden, dann kann man sich eine Reise ins Ahrtal vielleicht demnächst sparen und besser Ortschaften aufsuchen, wo noch historische Ortsbilder vorherrschen. Ich hätte erwartet, dass aus Tourismusgründen beim Wiederaufbau wert auf den weitgehend Erhalt des historischen Bauwerke gelegt wird.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Es bestünde sicherlich die Möglichkeit neue Brücken mit modernen Konstruktionen zu bauen, diese aber möglichst traditionell zu verkleiden. Das ging ja z.B auch in Berlin mit der Monbijou- und der Friedrichsbrücke. Mal sehen ob man im Ahrtal so viel Voraussicht und Feingefühl besitzt. Es ist immerhin eine Gegend die vor allem vom Tourismus lebt, weil alles so schön romantisch und urig ist.

  • ^

    Genau das war auch mein Gedanke. Brücken kann man so bauen, daß sie ins Orts- und Landschaftsbild passen und dennoch kein Hindernis für Treibgut darstellen. Mit einem einzigen steinernen Bogen von Ufer zu Ufer.

    https://d2exd72xrrp1s7.cloudfront.net/www/000/1k4/13…t=576&crop=true

    Stahlbeton mit Sandsteinverkleidung, oder so. Doch ich gehe mal davon aus, daß eher modern neu gebaut wird. Mit farbiger Stahlkonstruktion oder eben möglichst kostengünstig.

  • Die Ahrbrücke in Rech wird wegen Flutschäden abgerissen

    Nicht so schnell!

    Hier gibt es eine Petition zum Erhalt der Ahrbrücke von Rech (der ältesten Brücke dort, sie stammt aus dem 18. Jh.):

    Jetzt unterschreiben: Revidierung der Entscheidung zum Abriss des Kulturdenkmals "Nepomukbrücke"
    2.625 haben unterschrieben. Nächstes Ziel: 5.000

    1280px-Br%C3%BCcke_Rech_nach_Flutkatastrophe_2021.jpg

    Fckmarcsaar, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons | teilzerstörte Brücke im August 2021

    1280px-Rech_1900.jpg

    Gemeinfrei | um 1900. Photochromdruck

    Die Brücke wurde übrigens erst 2008 aufwändig saniert.

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  • Ich war gestern vor Ort in Odendorf und habe den ganzen Tag beim Aufräumen geholfen.

    Es ist zwar schon etwas her, aber ich bin bisher nicht dazu gekommen, es hier einzustellen. Ich habe im Juni diesen Jahres erneut in Odendorf vorbeigeschaut, um zu sehen, wie der Ort mittlerweile aussieht und was aus den teilzerstörten Häusern geworden ist. Und da ich ja immer so für Vergleichsfotos zu haben bin, habe ich die Motive noch einmal nachfotografiert.

    Der Orbach, der so viel Zerstörung über den Ort gebracht hat, war bei meinem zweiten Besuch ironischerweise ausgetrocknet:

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    Dieses Fachwerkhaus ist weg:

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    Genauso wie dieses:

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    Die Halle wurde, wohl verkürzt, wieder zugemacht:

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    Dieses Fachwerkhaus steht noch, aber viel passiert scheint an der Lücke noch nicht viel:

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    Erfreuliche Nachrichten gibt es von diesem Haus: Hier scheint von einem Abriss keine Rede mehr zu sein, es gibt jedenfalls keine Markierung mehr und ich habe von Anwohnern gehört, dass diese Markierungen bei einigen Häusern zurückgenommen wurden.

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    Das Loch in der Straße davor wurde auch schon geflickt, wenn auch mit nicht besonders schönen Betonsteinen, weiter hinten liegt ja noch altes Kopfsteinpflaster:

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    Insgesamt also das, was man befürchtet hatte. Viele unscheinbare Fachwerkhäuser, welche die Historie der Orte gezeigt haben, haben die Flutkatastrophe nicht überlebt und werden wohl den üblichen Neubauten weichen. Vermutlich wäre in vielen Fällen eine Rettung möglich, aber zu teuer gewesen. Und am Ende ist eben alles auch eine Frage des Geldes, und was die Versicherung bezahlt.

  • Auch in Rech (wo die Brücke abgerissen werden soll) hatte ich im Januar noch ein paar mehr Bilder vom Ort gemacht, die ich hier noch einstellen möchte:

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    Wie man sieht, aufgeräumt ist mittlerweile alles, davon abgesehen sieht die Lage in den Ufernahen Bereichen aber nach wie vor verheerend aus. Es wird wohl noch viele Jahre brauchen, bis man das alles wieder in Ordnung gebracht hat.

    Gerade die notdürftig mit Planen gesicherten Fachwerkhäuser machen einem Sorgen.

    Aber zum Glück fand ich auch etwas positives, Richtung Kirche war ein Fachwerkhaus frisch mit neuem Lehm ausgefacht:

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  • Verstört mich etwas, dass dieser Zustand nun nach bald zwei Jahren immer noch sich so darstellt. Selbst wenn man von wenig finanziellen Mitteln ausgeht, so sieht es doch erstaunlich ähnlich, wie kurz nach der Katastrophe aus:

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  • In der Tat hat man den Eindruck, dass vielfach nach dem Aufräumen nicht mehr viel passiert ist. Viele Gebäude sind im Rohbauzustand, manche haben lediglich neue Fenster drin, andere nicht mal das. In Ahrweiler bot sich ein Bild, das praktisch die Hälfte der Geschäfte leer stehen.

    So wie ich das einschätze, fehlt es an Geld und an Handwerkern. Die gestiegenen Baukosten kommen erschwerend hinzu. Wieso hier der Staat nicht großzügig aushilft, erschließt sich mir nicht. Unsere Politik hat ein so großes Herz und einen noch größeren Geldbeutel für so viele Dinge, aber die eigenen Bürger in einer Ausnahmesituation dürfen sich mit den Versicherungen herumschlagen oder ihr Erspartes, sofern vorhanden, für den Wiederaufbau opfern. Na gut, wir wollen hier keine Diskussion über die Politik anfangen.

    Was ich auch erstaunlich finde ist, wie teilweise die Straßen in den Dörfern aussehen. Hier muss sich noch extrem viel tun, vermutlich wird es auch den Kommunen an Geld mangeln.

    Für mich ist das, was man im Ahrtal zu sehen bekommt, irgendwie symptomatisch für unsere Zeit.

  • ...ich finde den Artikel nicht mehr, aber der GA hat dazu gerade vor ein paar Tagen erst etwas geschrieben.

    Demnach ist nicht mangelndes Geld das Hauptproblem, sondern die deutsche Bürokratie. Gerade für öffentliche Vorhaben muss für alles und jedes ein Gutachten von Ingenieurbüros vorgelegt werden. Beispiel: Ein Spielplatz soll wieder aufgebaut werden. Er stand vorher schon da. Jetzt braucht es aber erst ein Gutachten, damit wieder aufgebaut werden kann. Sonst gibts keine Fördergelder. So viele Gutachter gibt es dann aber auch wieder nicht, und das alles muss von meist ehrenamtlichen Bürgermeistern in den kleineren Orten erledigt werden, die damit heillos überfordert sind. Ehrenamtliche Bürgermeister, die Vollzeitjobs und Familien haben, müssen plötzlich dutzende Gutachten einholen und sich mit komplexen Förderanträgen beschäftigen, nur um das wieder aufzubauen, was vorher auch schon da war. Es wurde zwar "unbürokratische" Hilfe versprochen, unbürokratisch scheint aber gar nichts daran zu sein.

    Bei den Privatleuten hapert es laut dem Artikel zum Teil daran, dass alle Handwerkerrechnungen vorgestreckt werden müssen, und man das Geld dann erst im Nachhinein bekommt. Macher Hauseigentümer kann sich das nicht, oder aufgrund der Verluste nicht mehr leisten.

  • ...ich finde den Artikel nicht mehr, aber der GA hat dazu gerade vor ein paar Tagen erst etwas geschrieben.

    Tagesschau.de hatte am 28. März einen Artikel mit dem von dir referierten Inhalt:

    Wiederaufbau im Ahrtal: Warum die Milliarden nicht ankommen

    Außerdem habe ich noch einen Beitrag von tagesschau.de vom 15. Januar 2023:

    Brücken im Ahrtal: Zwischen Neubau und Denkmalschutz

    Ich beobachte die Hochwasserregion ja nur aus der Ferne, ohne besondere Kompetenz für sie zu haben. Ehrlich gesagt bin ich doch etwas überrascht, dass der Wiederaufbau so schleppend vorangeht und überregional wenig Beachtung findet. Der ländliche Raum hat es offensichtlich auch ganz im Westen der Republik sehr schwer. Vielen Dank an die Mitforisten, die über das Geschehen dort berichten!

  • Diese Überbürokratisierung in Deutschland ist einfach nur schrecklich.

    Ganz anderes Beispiel: Eine Freundin wollte für das Pferd einen bereits in ihrem Garten bestehenden, aber zu niedrigen Unterstand im Dachbereich erhöhen. Sie musste dafür lange auf eine Baugenehmigung warten. Wenn schon solcher pille-palle ewig dauert, wie sieht es dann erst bei größeren Projekten aus?

  • Es gibt ein positives Beispiel, das ist die Ahrtalbahn. Da muss man wirklich sagen, die Bahn klotzt richtig ran. Der Wiederaufbau läuft bereits und soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein (einschließlich Elektrifizierung, teilweise zweigleisigem Ausbau und Umrüstung auf ein elektronisches Stellwerk). Das geht nur, weil auf ein Planfeststellungsverfahren in diesem Falle verzichtet wurde.

    Ansonsten wird viel blockiert. Das betrifft Campingplätze, Sportanlagen, den Radweg entlang der Ahr usw. und damit auch wichtige touristische Infrastruktur. Selbst der provisorische Wiederaufbau ist nicht möglich. Alles muss neu geplant und gedacht, mit Gutachten belegt werden. Bürokratie und verkopftes Denken überall. Jeder will mitreden (und mitverdienen). Das Tal wird meiner Meinung nach total kaputt geplant. Die historische Kulturlandschaft und Bausubstanz bleiben dabei auf der Strecke.

    Ein Beispiel: der Fußballplatz in Dernau direkt an der Ahr könnte längst wiederaufgebaut sein. Wird er aber nicht, weil nach neuer Definition bei einer künftigen Überflutung keine Mittel zur Instandsetzung fließen würden. Also wurde ein neuer Standort gesucht: nach mehreren Anläufen hat man jetzt einen Standort in den Hängen oberhalb von Marienthal gefunden. Jeder, der die Gegend kennt, weiß: dort gibt es nur Wein und Wald. Für die Kulturlandschaft eine Katastrophe. Und bis wieder Fußball gespielt werden kann, dauert es wohl noch Jahre (auf dem alten Fußballplatz entsteht übrigens ein Kleinspielfeld). Weil aber z.B. die Campingplätze oder die private Tennisanlage in Altenahr nicht einfach in die Berge verlegt werden können, sieht es mit dem Wiederaufbau düster aus. Und dieses Problem betrifft jede öffentliche und private Infrastruktur am Flußlauf.

    Das Ergebnis ist, dass Gastronomiebetriebe bereits schließen, weil sich der Betrieb aufgrund ausbleibender Gäste nicht lohnt. Urlauber kommen nur noch für zwei Tage, statt wie früher für eine Woche oder länger, weil alles kaputt ist und die Infrastruktur fehlt. Tagesgäste bleiben wegen hoher Spritpreise und Inflation fern. Insgesamt kein guter Ausblick für die Ahr.

  • Diese Überbürokratisierung in Deutschland ist einfach nur schrecklich.

    Überbürokratisierung ist eins, aber im Ahrtal schlägt noch die deutsche Vollkaskomentalität voll durch. Alles muss jetzt zu hundert Prozent flutsicher gebaut werden. Neue Brücken (z.B. in Laach, Reimerzhoven) werden mit einer Höhe von 6,50m über dem Fluss geplant, so dass sie auch die am Fluss verlaufende Bundesstraße überspannen müssen. Diese Brücken würden einer vergleichbaren Flut standhalten, dass das Tal bei einer neuerlichen Flut vergleichbaren Ausmaßes trotzdem total am A... wäre, bleibt vollkommen unberücksichtigt.

  • Ich werde es hier nicht verlinken, weil es mit der Architektur direkt nichts zu tun hat. Aber der SWR hat auf seinem Youtube Kanal SWR Doku ein Update hochgeladen zur Flutkatastrophe. Ich kann nur meine Empfehlung dafür aussprechen.