• Die Stadt Diemelstadt ist wahrscheinlich den wenigsten Ortsfremden ein Begriff - allenfalls, wenn man regelmäßig auf der A44 zwischen Kassel und Westfalen unterwegs ist, könnte man den Namen der Ausfahrt kennen. Allzu einprägsam ist der Name auch nicht, für mich steht er etwa auf einer Stufe mit Schwalmstadt und ähnlichen Kreationen der Kreisreform 1970, die auch der Schöpfungsakt für Diemelstadt war. Gleichwohl verbergen sich, wie so oft, hinter dem neuen Namen Ortschaften mit bedeutend längerer Geschichte - einen davon werde ich heute vorstellen.

    Kernort von Diemelstadt ist Rhoden - Neu-Rhoden, um genau zu sein. Rhoden ist ein typisches Waldecker Landstädtchen, eine Gründung des 13. Jahrhunderts mit Burg, Kirche, Resten einer Befestigung und viel Fachwerk, all das strategisch günstig auf einem Hügel in einem südlichen Seitental der später namensgebenden Diemel gelegen. Seit dem 14. Jahrhundert liegt Rhoden ziemlich allein in seinem Tal - die nächstgelegenen Ortschaften sind 3 bzw 4 km entfernt. Das damalige Zusammenspiel von Stadtflucht und Bevölkerungsverlusten durch die Pestepidemie hat allen anderen Orten in der Nähe den Garaus gemacht, unter anderem auch der Vorgängersiedlung Alt-Rhoden.

    Alt-Rhoden, um das es heute gehen soll, war das ursprüngliche Zentrum der Pfarrei Rhoden, die sich in einem weiten Umkreis um Alt- und Neu-Rhoden erstreckte. Die Kirche ist eine Gründung des 9. Jahrhunderts. Ab dem 12. Jahrhunderts entstand eine Hallenkirche westfälischer Bauart von 2 Jochen mit Turm und Chorjoch, die im Spätmittelalter um seitliche Anbauten - evtl ein Querhaus - erweitert wurde. Bis ins 16. Jahrhundert war die Alt-Rhodener Kirche Pfarrkirche und die Stadtkirche Neu-Rhoden deren Filialkirche. Mit der Reformation wurde die Hierarchie umgedreht; die Alt-Rhodener Kirche wurde zur Friedhofskapelle degradiert. Das führte offenbar schnell zum Verfall der nun deutlich überdimensionierten Kirche, denn schon im 17. Jahrhundert wurde der Großteil des Bauwerks abgerissen, sodass nur noch ein Rumpf aus 2 Jochen übrigblieb, der noch bis 1817 als Friedhofskapelle diente. Danach überließ man das Bauwerk endgültig sich selbst, sodass es heute nur noch eine Ruine ist.

    Nun zu den Bildern:

    Zunächst ein Blick durch das von Laubach und vom Rhodenerbach durchflossene Tal mit der kreuzenden Trasse der A44.

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    Ein Schotterweg führt auf die Kirchenruine zu, die sich in der Baumgruppe im Hintergrund verbirgt. Direkt dahinter führt die A44 vorbei.

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    Durch das erhaltene gotische Tor betritt man den Kirchhof auf der Ostseite. Der kleine kubische Bau in der Achse des Tors ist vermutlich ein Mausoleum, genau habe ich es nicht herausfinden können.

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    Die Kirchenruine liegt an der Spitze des kleinen Hügels. Die Ostwand des Chors wurde 1858 / 60 vermutlich aufgrund von Einsturzgefahr abgetragen. Eine Apsis besaß die Kirche anscheinend nie.

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    Da sich auch die Nordwand des Chors in Folge fehlender Abstützung bedenklich nach außen neigte, behalf man sich zur Sicherung großer Zuganker aus Stahl, die ihren Zweck zwar wunderbar erfüllen, aber der Atmosphäre des Ortes nicht gerade zuträglich sind. Davon unabhängig kann man hier schön den Restbau der Friedhofskapelle mit den zwei erhaltenen Jochen der alten Kirche überblicken.

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    Weiter gehts in Teil 2.

  • Durch die schönsten Landschaften muss natürlich so eine Autobahn führen...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die Südseite zeigt in etwa das gleiche Bild, mit dem romanischen Chorjoch, dessen Mauerkrone wohl wiederhergestellt wurde (jedenfalls fehlen jegliche Spuren einer Verankerung des Gewölbeschildbogens oberhalb des erhaltenen Rests). Das Korbbogenportal im hinteren Joch entstammt der Verkleinerungsphase.

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    Noch einmal das romanische Nordfenster des Chors. Laut Infotafel soll der Chorraum frühromanisch sein, was ich aufgrund stilistischer Erwägungen zumindest für den oberen Teil des aufgehenden Mauerwerks aber bezweifle. Was ich sehe, sieht eher nach der Zeit um 1200 aus und wäre mit anderen Kirchen der Region vergleichbar (Brilon-Thülen, Wormbach bei Schmallenberg). Unterhalb des Fensters befindet sich die älteste Grabplatte, die ich finden konnte, mit einer fragmentarisch erhaltenen Inschrift aus dem frühen 16. Jahrhundert ( m ° ccccc ° [...] ).

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    Die übrigen Begräbnisse sind allesamt nach der Reformation entstanden und deren Grabplatten weisen meist Renaissance- oder barocke Dekorationen auf. Dabei wurden die älteren und wertvolleren Platten zum Schutz vor Verwitterung größtenteils entlang der Innenwände der Kirchenruine aufgestellt.

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    In den mittleren nördlichen Gewölbepfeiler ist eine recht große Nische eingelassen, deren Funktion mir nicht bekannt ist. Sakramentsnischen sind eher in der Nordwand des Chors angesiedelt, und eine Nische für einen Seitenaltar würde man auch eher im Seitenschiff unterbringen. Die Balkenlöcher in der barocken Nordwand des Westjochs sind vermutlich Überreste einer Empore - die geringe Höhe deutet darauf hin, dass das damalige Bodenniveau erheblich tiefer lag, was auch die sehr gedrungenen Proportionen der mittelalterlichen Bauteile erklären würde.

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    Die Kämpfer der romanischen Gewölbe weisen als einzige Elemente des Innenraums Verzierungen auf. Der recht einfache Flechtbandfries passt gut ins Bild einer spätromanischen Landkirche.

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    Im großen und ganzen wird die Kirche recht schlicht gewesen sein, innen wie außen. Einzig ein romanisches Tympanon, dass man im barocken Südportal wiederverwendet hat, weicht ab von der gestalterischen Strenge und ist aufgrund seiner archaisch anmutenden Gestaltung vermutlich Hauptursache für die erstaunlich frühe Datierung der Kirche in den Quellen. Vergleichsbeispiele für derartige Tympana sind mir leider nicht bekannt.

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    Noch einmal die gesamt Südseite der Kirche mit dem barocken Korbbogenfenster links, dem romanischen Chorfenster sowie dem barocken Portal mit dem zweitverwendeten Tympanon. Zwischen den beiden Jochen sieht man noch den Ansatz des ehemaligen Seitenschiffs. Die vordere Ecke wurde beim barocken Umbau mit einer mächtigen Verstärkung versehen, um den Gewölbeschub der verbleibenden Joche abzufangen.

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    Parallel dazu die Nordseite - man sieht den vermauerten Arkadenbogen. Außerdem fällt die Baunaht zwischen Chorjoch und verleibendem Langhausjoch auf, die aber durch die Ausbesserung des Mauerwerks im Bereich der ehemaligen Seitenschiffwand durch Steinaustausch stark überbetont ist.

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    Zuletzt noch die schlecht erhaltene Westfassade mit einem vermauerten Rundbogenportal, das entweder romanisch ist und versetzt wurde oder erst im Barock so geschaffen wurde. Dass die Kirche ehemals länger war, wird hier durch den an der Außenseite liegenden Gewölbekämpfer an der rechten Ecke deutlich.

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    Damit wäre der der baugeschichtliche Teil der Galerie fertig. Da aber die Atmosphäre vor Ort sehr schön war und ich noch eine ganze Reihe weiterer Bilder hab, werde ich diese einfach unkommentiert anhängen.

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    Als letztes Bild habe ich noch den Blick auf die neue Stadt Rhoden mit Schloss und Pfarrkirche.

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