• Ich frage mich einfach, was die Produktionsbedingungen dieser Zeit waren. Warum in dieser Zeit so viel mit traditionellen und klassischen Architekturmotiven "gespielt" wurde - und was dann daraus wurde.

    Ich habe mich dem Thema mal versucht anzunähern, indem ich mir angeschaut habe, wie das Design damals sich entwickelt und vor allem verändert hat, hierzu eine entsprechende Replik:

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  • Das Wissenschaftszentrum Berlin, 1979-88 von dem britischen Architekten James Stirling. Den hinter dem Altbau des ehemaligen Reichsversicherungsamts von Alfred Busse (1891-94) gelegenen postmodernen Bau am Reichpietschufer - nahe dem Landwehrkanal im Bezirk Mitte/Tiergarten - kann man meines Erachtens zu den wenigen Beispielen rechnen, bei denen "mutige Architektur" = schöne Architektur:

    Von der Neuen Nationalgalerie aus gesehen:

    Von Coenen - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6754164

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Kleine Nebenbemerkung, etwas off-topic:

    Beim Altbau des Reichsversicherungsamtes fällt mir mal wieder die Berliner Manie negativ auf, Kriegsschäden bewusst zu konservieren bzw. unausgebessert zu lassen. Ich frage mich: Ist das nur Faulheit oder Geiz? Oder schon ein verinnerlichtes Verhaltensmuster? Bei wie vielen Gebäuden in Berlin sollen nun eigentlich banale Einschusslöcher gezeigt werden? Wird es denen überhaupt nicht langweilig?

  • Im zu West-Berlin gehörenden Bereich Lützow-/Pohlstraße wurden schon in den 1980er Jahren im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1987 Stadtreparatur-Bauten im postmodernen Stil errichtet.

    Hier immerhin mit klassischer Dreiteilung der Fassade und geteilten Fenstern, damals nach den "Exzessen" der 1970er Jahre ein von vielen als wohltuend empfundener Rückgriff auf Motive der klassischen Architektur. Nur die Farbe Grau wirkt nicht gerade erheiternd:

    Es wurden auch "antike" gusseiserne Säulen in den Bau integriert, womöglich handelt es sich um frühere Eisenbahnbrücken-Träger:

    Die schwungvollen Bauten von Hinrich und Inken Baller haben einen hohen Wiedererkennungswert (Pohl- Ecke Potsdamer Straße, 1982-85):

    Ein weiteres im Kontext der IBA 1987 errichtetes Eckhaus, ganz gelungen wie ich finde:

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  • Die lustigerweise "Baller-Stil" genannte Bauweise hat übrigens an verschiedenen markanten Stellen in Berlin über 100 interessante Bauten hervorgebracht. Ich empfinde sie oft als kreatives Einsprengsel und Wohltat gegenüber dem drögen Berliner Einerlei aus Nachkriegsmoderne und entstuckten Altbauten.

    "Zwischen Gaudí und Hundertwasser" beschreibt die Gestaltungsphilosophie durchaus treffend.

  • Lässt sich die Europäische Stadt in einem Stück reproduzieren, quasi aus der Retorte? Rob Krier und Christoph Kohl haben es Mitte der 1990er Jahre in Potsdam Drewitz, im Kirchsteigfeld versucht. Hier möchte ich Euch die Eindrücke von einem kleinen Rundgang durch die im Stil der Postmoderne 1993-97 quasi auf der grünen Wiese erbaute Wohnsiedlung zeigen.

    Überblick bei Google Maps

    Etwas unscheinbar am Rand der Siedlung steht diese Skulptur:

    Mit einer Übersicht - die eigentliche Wohnsiedlung befindet sich auf der rechten Seite:

    ... und der Unterschrift von Rob Krier:

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  • Krier und Kohl waren für die Gesamtplanung und wohl einzelne Gebäude verantwortlich, vor einigen Häusern standen auch kleine Schilder mit den entwerfenden Architekten, unter anderem Burelli + Gennaro (Venedig/Udine), Krüger Schuberth Vandreike (Berlin), Nielebock & Partner (Berlin).

    Ich war an einem Wochentag vormittags dort. Bis auf eine Handvoll Mütter mit Kinderwagen war kaum jemand auf den Straßen zu sehen, auch nicht auf dem zentralen Platz mit der Kirche. Auf den durchaus zahlreichen Bänken auf den Plätzen und entlang des Hirtengrabens saß niemand, was aber natürlich auch damit zusammenhängen mag, dass dem durchschnittlichen Brandenburger das Sitzen auf öffentlichen Bänken, gar verbunden mit dem Betreiben von Konversation, schlicht wesensfremd ist. Generell war die Sauberkeit in der Siedlung gut, die Wohnqualität anscheinend hoch. Ich fand es schön dort.

    Zur Architektur wäre zu sagen, dass es sich vorwiegend um blockartig gruppierte Einzelhäuser mit Vorgärten handelt, "Gassen" oder eine wirkliche Blockrandbebauung gibt es nicht im Kirchsteigfeld. Die 1990er Jahre waren die erste Hochphase der Putz-auf-Polystyrol-Fassaden, die in der Siedlung Kirchsteigfeld das Bild bestimmen. Dies ist meines Erachtens zugleich auch der größte ästhetische Schwachpunkt der Siedlung, denn diese Fassaden-Bauart lässt wegen ihrer unzureichenden Festigkeit nur eine relativ grobe Ausdifferenzierung der gestalterischen Elemente zu. Das dadurch bedingte weitgehende Fehlen von Gesimsen und Fensterverdachungen lässt viele Fassaden etwas plump wirken. Ein weiteres gravierendes Problem stellt die nach nunmehr 25 Jahren offensichtliche schlechte Alterung von WDVS-Fassaden und Beton-Kunststein dar.

    Die 1997 fertiggestellte Versöhnungskirche am Hauptplatz von Augusto Burelli:

    Weitere Bauten am Platz:

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  • Der Hirtengraben mit Bankreihe:

    Schmierereien konzentrieren sich hier auf die Werksteingeländer der Brücken:

    Die aufgemalten Rustizierungen und Gesimse sollen zur Differenzierung der Fassaden beitragen:

    In einigen Fällen wurden diese auch plastisch ausgeführt:

    Die Siedlung Kirchsteigfeld ist an das Potsdamer Straßenbahnnetz angeschlossen.

    Das Bemühen um eine abwechslungsreiche Gestaltung innerhalb des weitgehend einheitlichen Maßstabs ist erkennbar:

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  • Stürzt das Foto oder ist der Turm tatsächlich schief ?

    Leider bin ich kein Meister im Kamera-Geradehalten, auch die Bildverzerrung mag ihren Teil zur Schiefheit beitragen - aber der Turm und alle übrigen Bauten dort standen "in Wirklichkeit" kerzengerade...

    Weitere Eindrücke:

    Eine Schule:

    Diese "verspielten", eher funktionslosen Bauteile, Bögen und Vorblendungen sind typische Gestaltungen der Postmoderne:

    Das solide Fassadenmaterial der Sockelzone und die leicht zurückgesetzte Dachzone wirken sich gleich positiv auf den Gesamteindruck aus:

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  • Ein durchaus schön angelegter Stadtplatz mitten in der Siedlung:

    Bank aus Betonwerkstein:

    Das Straßenbild ist vielerorts durchaus abwechslungsreich und differenziert:

    Brücke über den Hirtengraben:

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  • Im nordwestlichen Berliner Ortsteil Tegel sind in Wasserlage zum Tegeler See bis 1987 einige beachtliche Bauten der Postmoderne entstanden. Einige Fotoimpressionen hatte bereits Mantikor in diesem Beitrag gezeigt.

    Demonstrationsziele

    Das Ziel für das Demonstrationsgebiet Tegeler Hafen war die Neuordnung des Hafenbereichs als Wohnort, nachdem der Hafen seine gewerbliche Bedeutung nach dem Zweiten Weltkrieg verloren hatte. Seit den 1970er Jahren bestand das Hafengebiet größtenteils nur noch aus Brachflächen, Kleingärten und Parkplätzen. Tegel sollte zur Stadtgrenze nicht mehr wie eine zerklüftete Hinterhauslandschaft wirken und sich in Zukunft als geschlossener, attraktiver Stadtteil präsentieren.

    Planungsgeschichte

    Der Gesamtentwurf für das Demonstrationsgebiet am Tegeler Hafen stammt von den amerikanischen Architekten Charles W. Moore, John Ruble und Buzz Yudell, welche den 1. Preis im Internationalen engeren Wettbewerb der Bauausstellung Berlin GmbH in Abstimmung mit dem Senator für Bau- und Wohnungswesen 1980 gewannen.

    Es handelt sich ganz überwiegend um sozialen Wohnungsbau. Bemerkenswert fand ich die schöne Lage auf einer aufgeschütteten Insel im Tegeler Hafengebiet, die Ruhe und Gepflegtheit der Siedlung und die allgemein angenehme Wirkung der fantasievoll gestalteten Bauten der US-amerikanischen Architekten Moore, Ruble und Yudell sowie weiterer Planer:

    Torbögen:

    Innenhofbereich der Wohnanlage:

    Gut gefallen haben mir die plastisch mittels Pilastern und Gesimsen gegliederten Fassaden und die insgesamt stimmigen Proportionen der Gebäude. Nicht ganz so gelungen erschienen mir die oberen Gaubenabschlüsse der vertikalen Fensterbänder, die teilweise leicht ins Banal-disneyhafte gehen (das Problem der stilsicheren Gestaltung von Fenstererkern und Gauben scheint mir überhaupt das größte ästhetische Problem der postmodernen Architektur der 1980er und 1990er Jahre zu sein). Aber angesichts des sehr positiven Gesamteindrucks der Anlage fällt das kaum ins Gewicht.

    Blick zum Wasserbereich:

    Der Klopftest zeigte: solides Material, vermutlich eingefärbter Betonwerkstein:

    Bei den Bauten der Postmoderne wurde für die Dächer öfters Zinkblech verwendet, womöglich inspiriert von den Pariser Dachlandschaften:

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  • Dies ist meines Erachtens zugleich auch der größte ästhetische Schwachpunkt der Siedlung

    Ja, die Gestaltung der Fassaden am Kirchsteigfeld ist unbefriedigend. Aus meiner Sicht fängt das Problem dieses Ortes aber schon beim Städtebau an: dieser ist suburban und autozentriert, es gibt keinerlei Blockrand, Sichtachsen und Platzformationen sind nicht wirklich durchdacht.

    Krier und Kohl haben in den Niederlanden (u.a. Brandevoort) gezeigt, dass sie es deutlich besser können. Daher frage ich mich, warum sie hier so viel unteres Mittelmaß abgeliefert haben. Ob es an deutschen Regularien oder ambitionslosen Bauherren lag?

  • Arcades du Lac - Départment Yvelines (F), errichtet 1978-1982.

    Abwechslungsreiche Fertigbauweise wie bei manchen späten DDR-Platten, aber dennoch irgendwie einschüchternd, abweisend.

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    Bildquelle: Wikimedia, Urheber: 'Fred Romero from Paris, France', CC BY-SA 2.0

    Les Arcades du Lac de Montigny - French Vadrouilleur

    Les Arcades du Lac. Le Viaduc – Ricardo Bofill Taller de Arquitectura

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Recht maliziös. Aber bei näherer Betrachtung irgendwie dann doch daneben.

    Warum den Arbeiterstand derart abwerten? Und KANN JEDER in einem Renaissanceschloss wohnen? Ist jeder, der das nicht schafft, gleich eine "Arbeitsameise"?

    Abgesehen davon, dass etliche von einem Wohnen in dieser Lage nur träumen können.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.