• In den 1950er Jahren endeten bekanntlich die letzten Ausläufer der neoklassischen Architektur mit den Großbauten in der DDR und beim westdeutschen Wiederaufbau. Danach folgte wohl das Jahrzehnt der unangefochtenen Moderne, welche in den 70er und vor allem 80er Jahren Konkurrenz bekam durch postmodernen Eklektizismus und historisierende Architektur. In diesem Faden sollen die historisierenden Bauwerke dieser Epoche gesammelt werden.

    Beispiel Nummero Uno, der Friedrichstadt-Palast in Ost-Berlin aus dem Jahr 1984 wurde im August 2020 unter Denkmalschutz gestellt. Ein Skelettbau mit Sichtbetonfassade (Brutalismus?) mit historisierenden, eklektizistischen Formen. Architekt war Manfred Prasser.

    Bildbeschreibung: Berlin, Friedrichstadtpalast
    ADN-ZB Junge 26.4.84 Berlin: Zur Eröffnung des Friedrichstadtpalastes - Die Fassade des neuen Friedrichstadtpalastes in der Friedrichstrasse 107, ist als geschlossener Baukörper aus Sichtbeton gestaltet. Es wurden geschoßliche Stahlbetonelemente entwickelt und in Betonmatritzen gefertigt. Außerdem sind in die Fassade Betonglaselemente eingebaut, durch die abend das Licht nach außen dringt.

    Bundesarchiv_Bild_183-1984-0426-033%2C_Berlin%2C_Friedrichstadtpalast.jpg

    1024px-Berlin_-_Friedrichstadt_Palast3.jpg

    Assoziationen zu Kirchenfenstern? Wobei hier das Licht von innen nach außen strahlt.

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    Im Inneren postmodern historisierend.

    1024px-Friedrichstadt-Palast_Foyer.jpg

  • Im Westen nichts Neues?

    In Hamburg wurde das historisierende Hanse-Viertel 1980 eröffnet, geplant von den Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg und Partner. Durchaus eine Bereicherung für diesen Standort, wenn man bedenkt was da sonst hätte kommen können. Nur die zurückgezogene Eingangs-Ecke hätte mehr Gestaltungswillen verdient.

    Zitat

    Die Architektur orientiert sich an der Backsteintradition Hamburgs und im Gegensatz zu anderen modernen Einkaufszentren an klassischen Geschäfts- und Passagenhäusern wie der Mellinpassage in den Alsterarkaden. Seit Januar 2018 steht das Hanse-Viertel unter Denkmalschutz.

    Der Haupteingang liegt an den Straßen Poststraße und Große Bleichen unter einer nach innen gewölbten Konstruktion aus Rotklinkern und Backsteinen, die durch ein Glockenspiel mit 23 Glocken aus Bronze ergänzt wird.

    Im November 2017 wurde bekannt, dass das Hanse-Viertel innerhalb der nächsten Jahre abgerissen werden soll, da es sich wirtschaftlich nicht mehr trage. Geplant wurde ein weit höherer Komplex mit Geschäften, Büros und etwa 100 Wohnungseinheiten, davon ca. 30 Sozialwohnungen. Der Denkmalstatus kann jedoch den Abriss verhindern.

    Gmaps

    Rundgang, Beginn ab 1:10

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    Das Glockspiel

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    1002px-Hanse_Viertel_-_panoramio_%281%29.jpg

    800px-Ladenzeile_im_Hanse-Viertel_Hamburg.jpg?uselang=de

  • Eines der letzten Bauwerke der DDR, das bekannte Interhotel Domhotel, heute Hilton. Wohl 1989 begonnen und 1990 fertiggestellt (das wäre dann aber sehr schnell gewesen). Über den Architekten konnte ich nichts finden. Stilistisch postmodern historisierend im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung des Gendarmenmarktes als seine Südseite.

    GMaps

    Konferenzsaal

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    931px-Hilton_Berlin.JPG

    Das originale Foyer 2007 mit der Wasserspielanlage

    1024px-Foyer_im_Hilton_Berlin.JPG

  • In Hamburg stehen neben dem erwähnten Hanse-Viertel die Bleichenhof-Passagen. Ich vermute die historisierenden Elemente kamen durch den Umbau Ende der 80er Jahre.

    "Bleichenhof, Büro- und Geschäftshaus in der Hamburger Neustadt. Ein von Sprotte & Neve erbautes Parkhaus aus dem Jahr 1956 wurde zwischen 1987-90 nach Plänen von Nietz, Prasch, Sigl Architekten (nps) mit Bürotrakten und ergänzenden Ladenlokalen umbaut."https://www.architektur-bildarchiv.de/image/Bleichen…burg-31620.html

    GMaps

    683px-Hamburg%2C_entrance_to_the_Bleichenhof-Passage.jpg

  • Ein weiterer Hotelbau der späten DDR: das Interhotel Grand Hotel Berlin, heute Westin Grand Hotel.

    Das ursprüngliche Interhotel Grand Hotel Berlin wurde als repräsentativer Bau im klassizistischen Stil konzipiert und von der Kajima Corporation unter Leitung von Erhardt Gißke projektiert. Der Bau soll umgerechnet rund 100 Millionen Euro gekostet haben... Die Eingangshalle – das sogenannte „Oktogon“ – und der Eingang orientieren sich an der Gestaltung der Kaisergalerie. Zugelassen waren ausschließlich ausländische Gäste, akzeptierte Währung war u. a. die westdeutsche D-Mark, die Währung der DDR war als Zahlungsmittel nicht möglich.https://de.wikipedia.org/wiki/The_Westin_Grand_Berlin

    Auch lustig:

    Die Firma Jehmlich Orgelbau Dresden hatte in das „Jagdzimmer“ des Hotels eine Orgel installiert. Das Westin Grand Hotel war damit das einzige Hotel Europas mit einer eigenen Hotelorgel.

    Beeindruckend ist das Große Foyer, welches sich bis zum Dach öffnet. Heute wäre so eine "Platzverschwendung" kaum noch möglich. Ich war dort mal auf einer Konferenz.

    360 Foyer


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    Vor dem Krieg stand dort die Kaisergalerie, welche das Vorbild für den historisierenden Neubau war.

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    Die Seite zu UdL ist anders gestaltet und wurde wohl erst später dem Hotel zugeschlagen, wie ich mal gelesen habe.

  • Wien Innere Stadt:

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    Bundesministerium für Inneres (Minoritenplatz 9)

    Typische Lückenschließungs- bzw Anpassungsarchitektur. Kein sehr schöner, aber ein ungemein wichtiger Bau, weil er einem wichtigen Altstadtplatz die Fassung wiedergibt. Schon damals war man bestrebt, ohne traditionelle Ornamentik auszukommen. Trotz aller kühlen Moderne steht der Bau hoch über dem heutigen Standard.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Bibliothek der Technischen Universität Wien am Karlsplatz, Mitte 70erJahre:

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    Na ja, man lebt....

    Dafür findet sich in der unweiten Favoritenstraße dies:

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    Wien 4 (Wieden), Favoritenstraße Nr 7, historisierende Fassade an einem Neubau anstelle eines kriegszerstörten Palais, von dem noch der Innenhof steht:

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    Mit Reko hat die Fassade nix zu tun, das alte, noch barocke Palais sah ganz anders aus. Es handelt sich um eine historisierende Neuschöpfung aus jüngerer Zeit. Über die Proportionalität lässt sich streiten, dieses Projekt ist auch entsprechend heftig beschimpft worden. Jedoch ist es für das Stadtbild an dieser Stelle sehr wichtig. Ich glaub, der Exilwiener weiß hier mehr, vielleicht schreibt er was dazu.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
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  • Diese Kaisergalerie wurde in den 1930ern jedoch „entschandelt“.

  • Stuttgart Rotebühlstraße 81

    Ein postmodernes Gebäude in der Tradition Stuttgarter Gründerzeithäuser, mit erkennbarem Bezug zum historischen Nachbarhaus. Ganz im Gegensatz zu der Bebauung rechts davon.

    Link

    In dubio pro reko

  • Die kleine Waldviertler Bezirksstadt Horn verfügt, wie in diesem Landstrich üblich, über einen recht hübschen Hauptplatz, in dessen Umfeld 80% der Denkmäler versammelt sind. Leider hat der Platz durch diverse Abrisse in der frühen Nachkriegszeit sehr gelitten, von denen sich bis heute ein in meinen Augen schlimme Bausünde erhalten hat. Andere Platzhalter wurden abgerissen und durch höherwertige Neubauten ersetzt. Im Bild ganz rechts ein etwas zu überdimensioniertes Doppelgiebelhaus in gediegenen traditionellen Formen, das das Platzbild etwas aufwertet (ca 70/80er Jahre).

    Pfarrkirche, Innenstadt von Horn, Waldviertel, Niederösterreich, Österreich Stockfoto

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  • Im Ausland gab es natürlich auch einige solcher Versuche. Ein gutes Beispiel ist das Dowgate Hill House von Hamilton Associates Architekten in London, erbaut 1987-89. Eine Mischung aus Sichtbeton-Brutalismus mit historisierenden Formen und postmodernen Ornamenten.

    Gmaps

    Stock photo

    Eventuell fallen diese beiden Häuser nebenan auch in dieselbe Kategorie.

  • Ist das schon historisierend oder nur postmodern? No 1 Poultry in London.

    Es ist das letzte vom Architekten James Stirling entworfene Gebäude [in 1988] und wurde 1998, sechs Jahre nach dessen Tod, von seinem Partner Michael Wilford vollendet. Zuvor stand an dieser Stelle das neugotische Geschäftshaus des Juwelierunternehmens Mappin and Webb, dessen Abriss im Jahr 1994 eine heftige Kontroverse auslöste.

    1_Poultry.jpg

    1024px-London_-_No_1_Poultry.jpg


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    Der Vorgängerbau in den frühen 90er Jahren

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  • Der Stadtteil Antigone in Montpellier entworfen in den 1970/80er Jahren durch den spanischen Architekten Ricardo Bofill.

    Der Sozialist Georges Frêche wurde 1977 zum Bürgermeister gewählt. Unter seiner Leitung änderte sich das Stadtbild rapide. In seiner Amtszeit wurde u. a. das Antigone gebaut, eine Sozialbau-Siedlung im postmodernen „römischen Stil“ im Osten des Stadtzentrums.

    Esplanade de l'Europe

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    Sogar einen Triumphbogen gibt es.

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  • Erinnert mich eher an Bath bzw an sowjetischen Realismus als an "Rom".

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.