Landhäuser und Villen aus der Gründerzeit

  • Die nachfolgenden Beispiele von tatsächlich errichteten Landhäusern und Villen sind einer Mappe dieses Namens entnommen, die als Einzelausgabe zur "Architektonischen Rundschau" erschienen ist. Das Jahr des Erscheinens ist zwar nicht angegeben, es dürfte aber in den 1890 er Jahren liegen. Der Reichtum der Formen solcher Landhäuser und Villen hat mir schon als Kind gefallen. Hier die erste Lieferung von Bildern. Dass die Blätter mitunter etwas vergilbt sind, bitte ich entschuldigen zu wollen, da sollte man halt auch das Alter zugute halten. Viel Freude beim Betrachten:


    Herr Wilhelm Spemann war ein äußerst erfolgreicher Verleger (z. B. der Zeitschrift "Über Land und Meer".) Da er aus Nordeutschland stammte, wünschte er sich eine Villa im Stil der Norddeutschen bzw. Niederländischen Renaissance. Das Mauerwerk der Außenwände war roter Klinker, der Sockel, die Tür- und Fenstergewände sowie der sonstige Zierrat, z. B. an den Giebeln bestand aus hellem Naturstein. Die Villa Spemann galt als eine der schönsten, größten und prächtigsten ihrer Art und befand sich an der Südseite der Karlshöhe, auf einem großen Hanggrundstück an der Hohenzollernstraße, in einer damals sehr vornehmen Gegend.

    Die Villa Speemann in Stuttgart hatte dem II. Weltkrieg unbeschädigt überstanden, wurde aber um 1970 abgerissen und durch ein riesiges brutalistisches Betonungetüm ersetzt, das ein Altenheim beherbergt:









  • Hier noch weitere Landhäuser und Villen um 1890:

    Die nachfolgende Villa dürfte noch existieren, zumindest 2012 stand sie noch und zwar auf einem spitz zulaufenden Grundstück zwischen Hohenzollernstr. und Mörickestraße. Auf derZeichnung (siehe unten) ist in der Breitseite die Ansicht von der Mörikestraße aus zu wieder gegeben. An der Schmalseite des Hauses befindet sich ein "Lustgarten", der konisch, wie ein Tortenstück mit der Spitze zur Gabelung von Hohenzollernstraße und Mörickestraße zuläuft. Seit Jahrzehnten befindet sich in der Villa ein Architekturbüro. Leider wurde das Dach und wohl auch die Giebel und Zwerchgiebel im Krieg zerstört. Als ich 2012 aus Stuttgart weg zog, hatte die Villa ein Nachkriegsdach mit nur ganz geringer Dachneigung. Eine Rekonstruktion des ursprünglichen Daches könnte die Villa deutlich aufwerten.










  • Die Villa Glaser in Wien dürfte vermutlich nicht mehr existieren, aber die Villa Schrötter am Traunsee existiert nicht nur sogar noch, man kann die Villa mit direktem Seezugang sogar als Ferienhaus mieten:

    https://www.booking.com/hotel/at/traun…ezugang.de.html

    Auch die Villa Schuster am Millstädter See existiert noch und dürfte heute als Hotel geführt werden:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Mil…Verdin_2006.jpg

    Die Villa Wendt im Musiviertel in Leipzig von Arwed Rossbach wurde leider im Krieg durch einen Bombenangriff zerstört:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Arwed_Ro%C3%9Fbach

    Die Villa Benger in Stuttgart wurde leider ebenfalls im Krieg zerstört...:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Benger

  • In Freising wurden in den letzten Jahren 3 solcher Villen abgerissen. Ich nehme an deren Grundriss ist zu kompliziert, um sie effizient auf Energiestandards zu bringen und gleichzeitig die Fassadenelemente zu erhalten, aber genau weiß ich es nicht. Kann auch sein, dass sie einfach zu lange unsaniert blieben. Heute stehen da jedenfalls Wohnblocks in allen drei Fällen.

  • In Freising wurden in den letzten Jahren 3 solcher Villen abgerissen. Ich nehme an deren Grundriss ist zu kompliziert, um sie effizient auf Energiestandards zu bringen und gleichzeitig die Fassadenelemente zu erhalten, aber genau weiß ich es nicht. Kann auch sein, dass sie einfach zu lange unsaniert blieben. Heute stehen da jedenfalls Wohnblocks in allen drei Fällen.

    Das ist extrem schade! Wer so eine Villa zum Wohnen erwirbt, für den spielen in der Regel Energiekennzahlen vermutlich nicht wirklich eine Rolle - hier geht es in erster Linie um das stilvolle Wohnerlebnis. Deshalb braucht man (zumindest in Österreich) für die Vermietung oder Verkauf von solcherart Bauten auch keinen sogenannten Energieausweis. Man weiß, dass man etwas mehr heizen muss, aber hat dafür auch keine bauphysikalischen Probleme wie im Neubau und lebt auch ökologisch viel gesünder, naja und artgerechter sowieso!

    In Wien werden leider auch immer wieder solche Villen abgerissen, was mich jedes Mal schmerzt! Das grundlegende Problem hier ist, das die Preise für solche Immobilien so immens hoch sind, dass sich die wenigsten heute diese Villen als Wohnhaus leisten können. Daher kaufen Bauträger diese Villen, reißen sie ab und stellen fast ausschließlich mehrgeschoßige Wohnungseigentumsanlagen auf die ehemaligen Villengrundstücke und überbauen auch noch fast komplett die ehemaligen parkartig gestalteten Gartenbereiche. Anders sind die zu bezahlenden Kaufpreise leider nicht zu refinanzieren. Ehemalige Villenviertel verlieren dadurch ihr Flair und obendrein ihre ehemals wunderbare Durchgrünung.

    Um den Verlust dieser Villen Einhalt gebieten zu können, müssten sie vermutlich allesamt unter Denkmalschutz gestellt werden. Erst vor ein paar Jahren wurde auf diese Art eine einzigartige Villa der Architekten Helmer und Fellner auf der Hohen Warte quasi gerettet. Durch den Denkmlaschutz der hier auch auf das Innere der Villa übetragen wurde, konnte der Bauträger auch nicht einmal mehr Wohungseigentum begründen. Der Verkäufer war froh, dass er zumindest über den Einstandspreis veräußern konnte. Gekauft hat die Villa ein wohlhabender Kaufmann für sich und seine Familie, der zusammen mit dem Bundesdenkmalamt die Villa wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzte! Ein Glückstreffer - so etwas wünschte ich allen alten Villen!

  • Deshalb braucht man (zumindest in Österreich) für die Vermietung oder Verkauf von solcherart Bauten auch keinen sogenannten Energieausweis.

    Daher kaufen Bauträger diese Villen, reißen sie ab und stellen fast ausschließlich mehrgeschoßige Wohnungseigentumsanlagen auf die ehemaligen Villengrundstücke und überbauen auch noch fast komplett die ehemaligen parkartig gestalteten Gartenbereiche. Ehemalige Villenviertel verlieren dadurch ihr Flair und obendrein ihre ehemals wunderbare Durchgrünung.

    Leider sind in Deutschland lediglich Denkmalgebäude (das sind überraschend wenige), Kirchen und nicht dauerhaft bewohnte Gebäude ausgenommen. Da ist Österreich also dann wohl besser aufgestellt.

    Du triffst den Nagel auf den Kopf, genau so ist es dort verlaufen! Bei einer war der Abriss nicht genehmigt, aber der Bauträger hat lieber die Strafe bezahlt.

  • Ich muss meinen Beitrag von vorhin leider verbessern. Leider gibt es die Vollausnahme vom Energieausweis in Österreich auch nur bei denkmalgeschützen Objekten. Ich habe noch einmal im Gesetz nachgelesen. Die Villen an die ich dachte, standen zum Glück unter Denkmalschutz, aber die die nicht denkmalgeschützt sind, die fallen leider viel zu oft dem schnellen Profit einzelner Bauträger zum Opfer! Leider geht das nicht nur vielen alten Villen so, sondern auch jedes Jahr einer beträchtlichen Anzahl von teils wunderbaren Mehrfamileinhäusern von vor 1945.

    Leider versteht das unser Staat auch in Österreich nicht, dass es hier auch an unsere kulturelle Substanz geht! Die Touristen und vielen Studenten aus aller Welt kommen vor allem wegen dem historischen Flair nach Wien. Aber vielleicht ändert sich das nun durch Corona ohnedies nun alles! Wenn dei Nachfrage wegfällt, dann fallen die Preise und dann wird es vielleicht acuh wieder möglich sein, sich selbst so eine Villa einmal zu gönnen. Wenn das der Preis ist, warum nicht ;)

  • Wow, super Entwürfe! Waren diese Zeichenfähigkeiten damals Standart unter Architekten? Insbesondere die 3D Zeichnungen sind der Wahnsinn. Wer brauch da noch (fake) Renderings. Oder sind dies besonders herausragende Zeichnungen?

    Hallo Sir Moc,

    ja, diese exakten Zeichnungen waren bei den Archtekten damals Standart. Die hatten ihr Handwerkszeug wirklich gründlich gelernt. Da musste alles stimmen, selbst der Schattenwurf der Fassaden. Was man bei den zumeist in schwarz-weiß von mir eingestellten Bildern und Plänen leider nicht sehen kann, ist die Tatsache, dass die Architekten die mit Tusche gezeichneten Fassaden sogar noch von Hand koloriert hatten und zwar entsprechend der Farben des verwendeten Baumaterials. Übrigens haben diese Architekten oft und gerne auch zusätzlich noch Personen mit dargestellt um damit die Größenwirkung des Bauwerks im Verhältnis zur Größe eines Menschen aufzuzeigen.

  • Hier noch einige Bilder und Pläne zu tatsächlich errichteten Landhäusern und Villen aus der Gründerzeit um 1890:





    Zumindest bia 2012 stand die nachfolgend vorgestellte Villa an der Hohenheimer Straße in Stuttgart noch, dort wo diese auf die Grünanlage Bopser trifft. Vielleicht existiert die Villa heute immer noch. Allerdings war zu meiner Stuttgarter Zeit der frühere Park/Garten bereits damals nahezu vollständig mit modernen Nachkriegsbauten geopfert worden . Dadurch ist die Villa in ihrer Wirkung deutlich beeeinträchtigt.






  • Schön wäre es, wenn Forumkollegen vor Ort recherchieren könnten, welche dieser Villen noch existieren. Und eventuell Fotos liefern könnten. :zwinkern:

  • "My home is my castle" passt bei den meisten der gezeigten Häusern wie die Faust aufs Auge. ^^

    Hallo miro,

    viele dieser Häuser, insbesondere jene, welche einen Turm oder malerische Giebel und/oder Erker aufweisen, erinnern einem tatsächlich an ein "festes Haus" oder um es mit Luther zu sagen an "ein' feste Burg". Diese Gebäude strahlen Solidität, Gediegenheit, Nachhaltigkeit und Beständigkeit aus. Allerdings benötigte man, um ein großes Haus zu betreiben, Personal. Als nach dem I. Weltkrieg die Wirtschaft am Boden lag, konnten sich die Eigentümer, da oft selbst nahezu mittellos, kein Personal mehr leisten. Der laufende Unterhalt dieser Häuser war relativ hoch. Die Steuern und Abgaben stiegen auf Grund der hohen Reparationszahlungen stark an. Viele Eigentümer sahen schließlich nur den Ausweg, ihr Anwesen zu verkaufen, meist an die Städte und sehr oft weit unter dem tatsächlichen Wert der Immobilie.

    Ein Beispiel: Die große Villa Siegle in Stuttgart, erbaut um 1870 (hiervon habe ich derzeit kein Bild), ging vom Eigentümer auf diese Weise nach dem I. Weltkrieg an die Stadt Stuttgart. Diese nutzte das große Haus als Altersheim. Dieses brannte im II. Weltkrieg aus. Die danach stehen gebliebenen, massiven Außenwände der Villa Siegle wurden, soviel ich weiß, in den 1950 er Jahren gesprengt, um einem Neubauklotz einer großen deutschen Versicherung Platz zu machen.

  • Schön wäre es, wenn Forumkollegen vor Ort recherchieren könnten, welche dieser Villen noch existieren. Und eventuell Fotos liefern könnten. :zwinkern:

    Hallo Heimdall,

    da sprichst du eine gute Idee aus. Es würde bestimmt viele Foristen interessieren, was aus den alten Gründerzeitvillen geworden ist. Wenn Eis und Schnee und möglichst auch Corona überstanden sind, könnten in der Umgegend dieser Villen wohnende, interessierte Forumsteilnehmer hierzu Fotos und vielleicht auch Informationen über das Schicksal dieser Villen beisteuern.

  • Da ich mich mit Villen und Landhäusern ziemlich intensiv beschäftige, kann ich hier vielleicht etwas beitragen.

    Die hier dankenswerterweise von Villa1895 eingestellten Bilder wurden meist in Büchern bzw. Fachzeitungen abgebildet. Teilweise wurde die Gebäude auch im Detail, nebst Außenanlagen beschrieben. Quasi wie die "Super-Illu" für Architekten und Bauherren. Es gab Verlage welche sich nur darauf spezialisiert hatten.

    Das größte Problem für die meisten Villen war die Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren. Viele Villen wurden an die Stadt oder öffentliche Einrichtungen verkauft. Aufgrund der wahrscheinlich sehr hohen Grundsteuer wurden einige gar abgetragen, wie eine der wunderschönen Henschelvillen in Kassel.

    https://regiowiki.hna.de/Henschelvilla

    Das Hauspersonal war nicht teuer, zu kostenloser Kost/Logis kam nur ein wenig Handgeld. Ein Kutscher/Fahrer, Gärtner sowie ein Hausmädchen waren der untere Standard. Oft noch Kindermädchen/Lehrer sowie weitere Angestellte im Haus. Untergebrachte wurde das Gesinde in der Remise im Souterrain oder unter dem Dach.

    Personal war nicht nur in Villen üblich sondern auch in größeren Wohnungen. Die jungen Mädchen kamen meist vom Land.

    Bis ca. 1900 war die Küche meist im Souterrain untergebracht und die Speisen wurden mit Aufzügen nach oben gebracht.

    Das wohnen im Souterrain war nur unter Holzdecken erlaubt und nicht unter Gewölbe -> das habe ich mal gehört, weiß ich nicht 100%ig.

    Die Behanldung des Gesindes war in der Gesindeordnung geregelt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Gesindeordnung