Alles anzeigenIch lese Du siehst es als legitime Gegenrede, dagegen hätte ich dann doch einige Argumente.
Zersiedelung führt zu:
- Reduzierung der Nahrungsmittelanbauflächen
- Dauerhafte Zerstörung einer über hunderte+ Jahre aufbauenden Humusschichtung und damit keine einfache Rückabwicklung
- Erhöhte Versiegelung, damit einhergehend stärkere Erwärmung auch nachts
- Kumulierende Wassersammlung, die statt dem Grundwasser den Oberflächengewässern zugeführt wird und deren Hochwasserspitzen verschärft
- Erhöhter Aufwand von deutlich längerer Infrastruktur besonders im Unterhalt, der dann später erst die Budgets belastet
- Lichtverschmutzung
- Lange Wege, die nicht mehr mit klimaschonenden Verkehrsträgern zurückgelegt werden können, da auch kein ÖPNV sich bei dünner Siedlungsdichte lohnt, auch steigen die Kosten, weil jede Woche z.B. die Müllabführ weiter fahren muss und es gibt längere Pendelwege
- Zerschneidung von Lebensräumen von Tieren, was direkt mit dem Artensterben in Verbindung gebracht wird
- Erhöhter Ressourcenverbrauch
- Verlust optisch ansprechender Kulturlandschaft
- Schlechtere Ausnutzung von lokaler Infrastruktur, da kaum synergetische Effekte
Du hast in allem Recht, ich habe den Advocatus diaboli gespielt. Ich finde das Thema sehr interessant und bin froh, dass es hier mal angesprochen wurde, es hat nämlich (indirekt) auch mit unserem Herzensanliegen, der Bewahrung alter Stadt- und Dorfkerne zu tun. Diese bluten nämlich u.a. durch die unkritische Ausweisung immer neuer Einfamilienhausgebiete aus.
Und vor diesem Hintergrund kann ich nur meine Verwunderung über die in diesen Thread eingebrachte Polemik äußern. Wir heißen ja aus gutem Grund Stadtbild-Forum und nicht Blaudachdoppelgaragensiedlungs-Forum. Aber bevor man über Rezepte zur Lösung sprechen kann, braucht es eine Problemanalyse. Und wenn sich hier zurecht Sorgen über die Zersiedlung unserer Natur- und Kulturlandschaften gemacht wird, muss auch über unsere Form der Stadt- und Ortserweiterungen gesprochen werden.
Es ist zudem ein uraltes Recht von Kommunen und allgemein dem Staat, Vorgaben zur Form der Bebauung zu machen. Genau dies wird im Hinblick auf den Städtebau hier auch immer wieder zurecht gefordert. Es ist auch in den kapitalistischstmöglichen oder meinetwegen libertärsten (weil das online irgendwie gerade so "in" zu sein scheint) Ländern der Welt so, dass es eine Raumordnung gibt und man nicht einfach überall bauen kann, wie man will. Umgekehrt sieht man die Abwesenheit einer Raumordnung Ländern auch häufig an, denn diese hinterlässt zurecht häufig einen Eindruck "wie in der dritten Welt". Somit weiß ich gar nicht genau, warum hier über Selbstverständlichkeiten diskutiert werden muss.
Auch der Bezug zum Sozialismus will sich mir da einfach nicht erschließen, bzw. wirkt er mir wie ein inhaltsleerer Kampfbegriff, der die Debatte polemisieren soll. Komischerweise sprechen wir über viel größere Eingriffe ins Eigentumsrecht, wenn wir über Denkmalschutz und Sanierungsauflagen reden, denn hier geht es um den Bestand und bereits bestehendes Eigentum und nicht mögliches Eigentum bei Neubauplanungen. Wäre das dann also der berühmte "Kulturmarxismus"?
Zum Thema: Volle Zustimmung. Unser Raum ist endlich. Es ist z.B. gut, dass mittlerweile über dieses Problem geredet wird. Es geht auch gar nicht um irgendwelche sofortigen und radikalen Lösungen. Es sind eben Zielkonflikte, Interessenskonflikte, und diese muss die Politik soweit wie möglich lösen, dafür ist sie da. Die angedeutete Konstruktion einer irgendwie gearteten Verschwörung gegen den ehrlichen Einfamilienhausbesitzer durch linksgrüne Siffis in ihren urbanen Barista- und Hipsterfilterblasen ist vollkommener Quatsch. Auch auf dem Land sieht man den Handlungsbedarf und es gibt parteiübergreifenden Widerstand gegen die Ausweisung immer neuer Baugebiete. In strukturschwachen ländlichen Regionen kann es z.B. vollkommen in Ordnung bleiben, Einfamilienhausgebiete zuzulassen, um Einwohner zu halten oder anzulocken. In den Zuzugs- und Ballungsräumen sollte man aber doch akzeptieren, dass diese Form der unendlichen und ineffizienten Siedlungserweiterung nur die Preise treibt, die Wege verlängert und nebenbei Versiegelung und Flächenfraß bedeutet.