Ausstellungen im Humboldt-Forum Berlin

  • Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mir die bisher eröffneten Bereiche des Ethnologischen Museums im Humboldtforum anzusehen. Hierzu möchte ich ein paar Anmerkungen machen. Zunächst aber: es war eine Freude, all die wunderbaren Kunstwerke aus vielen fernen Kulturen nach vielen Jahren wiederzusehen und zu bestaunen. Vieles fehlt noch, etwa die amerikanischen Sammlungen, aber das was bisher ausgestellt ist, ist doch für sich genommen schon sehr inhaltsreich, voller kaum bekannter Geschichten, exotischer Schönheit, zum weiteren Erkunden anregend.

    Die Räume sind, wie bereits beschrieben, anders als noch in Dahlem recht nüchtern und hell gestaltet, was wohl bereits der Einstellung zuzurechnen ist, man möge es sich mit seinen geraubten Exponaten nicht auch noch allzu gemütlich machen, gar herablassend "Exotik" evozieren. Nun ja.

    Vor dem Eingang war bereits an den Erklärschildern der dort im Flur aufgestellten Kurfürstenstatuen aus dem Stadtschloss erkennbar, dass die Kuratoren offenbar vor lauter irgendwie eigenartigen, von Schuldgefühlen geprägten Gedanken und Erwägungen kaum noch in der Lage waren, ihre Kunstwerke ganzheitlich in ihrer Qualität zu würdigen. Ein Textbeispiel zu drei zusammen hingestellten Kurfürstenstatuen von Bartholomeus Eggers aus dem 17. Jhd: "Diese drei Kurfürsten regierten im 16. und 17. Jahrhundert. Zu der Statuen-Serie gehörten ursprünglich noch zwei weitere Hohenzollern: Joachim Friedrich und (...). Sie sind seit 1945 verschollen. Statuen der Kurfürstinnen wurden hingegen nie in Auftrag gegeben. Dabei ist der Aufstieg der Hohenzollern ohne sie nicht denkbar. Sie brachten Erbansprüche und das Prestige ihrer Familien mit in die Ehe. Als Landes- und Hausherrinnen haben auch sie diesen Ort über Jahrhunderte geprägt."

    Nichts gegen die Kurfürstinnen - aber bei diesen Statuen handelt es sich nun mal um die Kurfürsten, über die man hier nichts erfährt, ebenso wenig über die Kunstgeschichte dieser Statuen. Stattdessen beschäftigt sich rund die Hälfte des Erklärtextes damit, sich dafür zu entschuldigen, dass hier bei den Statuen keine Geschlechterparität herrscht, und erzählt von Personen, die hier aus naheliegenden historischen Gründen überhaupt nicht dargestellt werden.

    (Fortsetzung folgt)

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Nichts gegen die Kurfürstinnen - aber bei diesen Statuen handelt es sich nun mal um die Kurfürsten, über die man hier nichts erfährt, ebenso wenig über die Kunstgeschichte dieser Statuen. Stattdessen beschäftigt sich rund die Hälfte des Erklärtextes damit, sich dafür zu entschuldigen, dass hier bei den Statuen keine Geschlechterparität herrscht, und erzählt von Personen, die hier aus naheliegenden historischen Gründen überhaupt nicht dargestellt werden.

    Ich halte den Vermittlungsansatz in diesem Fall für gründlich misslungen, weil auf die falschen Schwerpunkte gesetzt wurde. Solche Erläuterungen gehören meiner Ansicht nach nicht unmittelbar zum Objekt, sondern wären in Begleittexten, die das Kunstwerk in einen größeren gesellschaftlichen Kontext einbinden, besser aufgehoben. Dass das 16. und 17. wie auch die Zeit davor patriarchalisch geprägte waren, ist sicher auch keine neue Erkenntnis. Dass darf und soll man gerne aufarbeiten und erforschen, nur sollte dies an gegebener Stelle geschehen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Hinzu kommt, dass die Statuen regierenden Personen gewidmet waren, es ging um eine Herrschergenealogie. Und da es in Brandenburg keine regierenden Kurfürstinnen gab, gab es auch keine entsprechenden Statuen. Insofern beruht der ganze Ansatz auf einer falschen Prämisse.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Im ethnologischen Museum nehmen die hohen Vitrinen der "Schaumagazine" einen recht großen Teil ein - darin werden in schwarzen Glasschränken ein Großteil der Ausstellungsstücke gezeigt. Die Vitrinen sind mit zunächst schwer verständlich erscheinenden "Titeln" wie "Krieger & Menzel, Ghana, 1962", "Visser, geteiltes Kongo, 1882-1904" oder "Koloss, Kamerun, 1993-1999" beschriftet - anscheinend handelt es sich um die Mitbringsel der genannten Sammler aus den genannten afrikanischen Ländern zu den jeweiligen Zeiten. Über die ausgestellten Stücke ist allerdings beim Blick in die Vitrinen nichts zu erfahren. Sie wirken wie lieblos und beliebig zusammengewürfelt - Musikgeräte, Figuren, Alltagsgegenstände, Schmuck, deren einziges gemeinsames Merkmal anscheinend das Mitgebrachtwordensein von den genannten Expeditionen ist. Bei einigen Schauvitrinen fand sich an der Seite ein Touchscreen, und man konnte die Beschreibungen der Kunstgegenstände dort suchen, hatte allerdings das Problem, dass es ohne unmittelbaren visuellen Abgleich mit den Objekten recht umständlich war, diese herauszusuchen.

    Diese Art der Präsentation wirkte auf mich "rassistisch" und lieblos, fast rüde, verglichen mit der Präsentation in Dahlem, wo die Kunstgegenstände einzeln gezeigt, angemessen beleuchtet und durchgehend auf kleinen Erklärtafeln Beschreibungen von Herkunft, Entstehungszeit und weiteren Hintergrundinformationen unmittelbar erhältlich waren - so, wie man es in einem Museum erwartet, das alle Gegenstände gleichwertig nach ihrer künstlerischen und historischen Bedeutung präsentiert und dem Besucher ein möglichst unmittelbares ästhetisches und inhaltliches Kunsterlebnis bieten möchte. Stattdessen wirkten die Gegenstände wie frisch aus der Expeditionskiste entnommen und in die Vitrinen geknallt - lieblos, namenlos, ohne Information, Würdigung, künstlerische und historische Einordnung. Und das ist das Ergebnis von 10 Jahren Planungs- und Vorbereitungszeit?

    Sehr viel besser erschien mir hingegen die Ausstellung zur Kunst des indischen Subkontinents, wo die meisten Ausstellungsgegenstände angemessen präsentiert und erklärt wurden. Da ich nicht alleine unterwegs war und nicht allzu viel Zeit hatte, konnte ich nicht alles im Detail ansehen und schildere hier nur meinen ersten Eindruck. Etwas enttäuschend fand ich, dass der wunderschöne chinesische Kaiserthron mit Paravent aus der Qing-Dynastie praktisch im Schatten stand, so dass die wunderbaren Perlmutteinlagen kaum glänzen konnten, so wie früher in Dahlem. Aber vielleicht war an dem Tag ja auch die Beleuchtung defekt.

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  • Und das ist das Ergebnis von 10 Jahren Planungs- und Vorbereitungszeit?

    Ich kann mich des Eindrucks als Außenstehender, dem nur die Zeitungsartikel und die Berichte hier im Forum vorliegen, nicht erwehren, dass hier einfach nicht richtig gearbeitet wurde. Viel oberflächliches Wischiwaschi und Brimborium mit entsprechend hohen Kosten.

  • Ich hab mir die Ausstellung jetzt letzte Woche auch endlich mal anschauen können. Es ist leider wahr: Gebäude und Ausstellungsstücke an sich sind grandios und für sich genommen eindeutig schon eine Berlin-Reise wert – aber die Form der der Präsentation ist außerordentlich schwach – v.a. die 2-3 Räume, in denen die afrikanischen Kunstobjekte präsentiert werden. Aktuell werden die Objekte in dieser Raumfolge als eine Art Beigabe zu einem Museum über deutsche Kolonialverbrechen missbraucht. Dabei kommt keiner auf seine Kosten. Menschen, die die Stücke in ihrer Kunstfertigkeit auf sich wirken lassen wollen, fühlen sich durch diese komischen „Beute-Schaukästen“ und die allgemein lieblose Darstellung irritiert. Menschen, die was über die Hintergründe, die echte Bedeutung des Gezeigten, ihre Einbettung in die Kultur der Herkunftsgesellschaften erfahren wollen, finden dazu wenig bis nix – sofern sie nicht gründlich danach suchen (wer macht das schon?). Und diejenigen, denen noch nicht ausreichend darauf hingewiesen wird, dass das ihrer Einschätzung nach das alles doch ohnehin widerrechtlich ausgestellt, da zusammengeraubt sei, kann man es ohnehin nie recht machen … Unterm Strich: Ich seh’s mal positiv: Da haben die Humboldt-Leute noch riesige Chancen auf Optimierung …und ich zähl einfach darauf, dass sie das in den kommenden Jahren auch noch hinkriegen. Denn so wie es jetzt gemacht ist, ist es so offensichtlicher Krampf, dass sich Verbesserungen geradezu aufdrängen. Die erste Gelegenheit dazu bietet sich, wenn der ganze Ost-Teil des Schlosses ins Museum integriert wird …

    Um es klar zu sagen: Dieser Krampf ist bestimmt nicht deswegen entstanden, weil da „dumme“ Leute am Werk sind … Es ist sicherlich auch dem eigentlich braven Impuls geschuldet, es allen Recht machen zu wollen. Und der durch feuilletonischten Dauerbeschuss ausgelösten enormen Unsicherheit der Museumsmacher, die dort allerorten fühlbar ist … Ich denke, die müssen vielleicht erstmal ein Stückweit zu sich selbst finden, Versagensängste abbauen und eine eigene selbstbewusste Philosophie entwickeln, die sie dann aber auch durchziehen sollten …

  • Unterm Strich blieb von der Ausstellung der afrikanischen Sammlungen für mich der Eindruck, dass das Endergebnis nach all den antirassistischen Verrenkungen der Museumskuratoren wesentlich "rassistischer" geworden ist als je zuvor oder anderswo. In anderen Ländern werden in den ethnologischen Museen die Objekte verschiedener Kontinente gleichwertig und respektvoll präsentiert, ein Bezug zur Herkunftskultur, dem Künstler und seiner Zeit direkt am Ausstellungsstück hergestellt und ein kurzer Hinweis zur Provenienz gegeben. Das ist es doch wohl auch, was Besucher aus anderen Ländern von der Präsentation der Kunstgegenstände ihrer Herkunftskultur erwarten: optimale Darstellung, Anerkennung der Kulturleistung, Respekt. Nicht jedoch jämmerliche vorauseilende Entschuldigungen priviligierter weißer Menschen, denen darüber auch noch völlig der liebevolle Blick auf ihre Kunstgegenstände abhanden gekommen ist.

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  • Hier herrscht wohl ein Missverständnis vor, was ein Schaudepot leisten soll. Im Gegensatz zu einer Ausstellung, die kuratiert ist, d.h. deren Exponate ausgewählt, in Kontext gesetzt und interpretiert werden, werden in einem Depot ohne Unterschied alle Objekte aufbewahrt (und sind in der Regel auch nicht zugänglich). Das Schaudepot präsentiert nun die nichtkuratierte Aufbewahrungssituation für die Öffentlichkeit. Ziel ist hier eben nicht, die Objekte in Beziehung zueinander zu setzen, sondern die Fülle der Objekte zu zeigen. Eine Einordnung dieser Objekte geschieht nicht im Rahmen der Ausstellung, sondern allenfalls durch Gästeführungen. Es ist quasi ein Blick hinter die Kulissen.

    Wenn aber nun Besucher mit den falschen Erwartungen ein solches Schaudepot besichtigen - nämlich eine kuratierte Ausstellung erwarten -, dann kann es leider zu solch krassen Missverständnissen kommen wie dem, es handle sich hier um Rassismus. Wenn dieses Missverständnis in breiten Bevölkerungsschichten vorherrscht, kann man seitens der Museen wohl nur die Konsequenz ziehen, die Idee des Schaudepots wieder zu begraben. Schade!

  • UrPotsdamer, mir ist schon klar was ein Schaudepot ist. Das Problem bei der Ausstellung dort ist nur, dass die Schauvitrinen einen sehr dominanten Platz direkt in den ersten Räumen einnehmen und eigentlich das hervorstechende Präsentationsmerkmal der Afrika-Ausstellung sind. Dass das Verständnis der Inhalte der Schaumagazine dann nur geführten Besuchern erschlossen werden soll, macht doch überhaupt keinen Sinn, denn es dürften keine 3% der Besucher sein, die im Rahmen von Führungen in dieses Museum kommen. Hinzu kommt: in anderen Museen sind auch die Inhalte von Schaudepots mit Erklärschildern versehen, die zumindest Künstler und Entstehungszeit nennen - als Beispiel seien hier nur die Schaudepots im Albertinum in Dresden erwähnt, wo praktisch alle Objekte bezeichnet sind.

    Gerade bei teilweise aus kulturellen Gründen schwer verständlichen Kunstobjekten wie in ethnologischen Sammlungen sollte man meines Erachtens die Objekte nicht einfach ohne Erklärschild in die Glasvitrinen stellen. Das erzeugt doch nur Frustration bei den Besuchern, denen sich der Sinn und Zweck, die Einordnung der gezeigten Gegenstände nicht erschließt.

    Ich würde ja auch Fotos einstellen, um meine Einschätzung zu illustrieren, aber meines Wissens erlauben das die staatlichen Museen nicht.

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  • dann kann es leider zu solch krassen Missverständnissen kommen wie dem, es handle sich hier um Rassismus

    Nein, es ist leider kein Missverständnis. Man hört immer wieder Äußerungen von People of Colour, dass ihnen offen rassistische Menschen als Gegenüber fast lieber sind als solche, die nur beflissen herumdrucksen, wie antirassistisch sie seien, und deren ganze Energie sich darin verliert, dem anderen zu beweisen, wie "gut" sie eigentlich sind. Beim (biodeutschen) Antisemitismus gibt es ja ähnliche Phänomene. Auch die Medien sind durchdrungen von dieser eigentlich verlogenen Beflissenheit, die es den wirklich benachteiligten Menschen schwer macht, überhaupt ein Gespräch auf Augenhöhe mit den "Antirassisten" zu führen. Denn diese sind auf eine fast narzisstische Weise so sehr mit der eigenen Reinwaschung beschäftigt, dass sie - wie im Fall unseres Humboldtforums - völlig einen angemessenen Bezug zu den ihnen zur würdevollen Präsentation anvertrauten Kunstobjekte verloren haben. Die Tiefenpsychologie ist voll mit Beschreibungen dieser Art von neurotischer Abwehr von inakzeptablen eigenen Anteilen - nämlich dem leider völlig normalen, ubiquitären Überlegenheitsdünkel weißer Menschen. Tatsächlich ist es auch so, dass diesen beflissenen "Antirassisten" und Antisemiten dann groteske, aber bezeichnende, verräterische Fehlleistungen unterlaufen, als die ich auch diese namenlosen Schaudepots der Afrikaausstellung im Humboldtforum ansehen würde.

    Die Medien berichten eigentlich gerne über solche Fehlleistungen (zum Beispiel verunglückte Ansprachen wie in den 1980er Jahren vom Bundestagspräsidenten Jenninger, der den Nationalsozialismus als "Faszinosum" bezeichnete und dann zurücktreten musste) - im Fall des Humboldtforums jedoch natürlich überhaupt nicht, da die Autoren der Kulturseiten unserer Medien eben selbst mit diesem "Ein-guter-Mensch-sein-müssen" zu kämpfen haben. Stattdessen fällt auf, dass in den Medien fast nur der deutsche Schuldkomplex (früher mehr Nazizeit, heute eher Kolonialismus) thematisiert wird, über die eigentlichen Kunstobjekte in den Ethnologischen Sammlungen jedoch fast überhaupt nicht berichtet wird, oder wenn, dann nur in einem Schuldkontext (zB Luf-Boot) ohne wirkliche Würdigung des Kunstwerks und seiner Herkunftskultur. Das ist in anderen Ländern anders. In Frankreich und der angelsächsischen Welt sind die Museen voll mit Schulklassen, auch zB das ja wirklich multiethnische British Museum. Es ist berührend zu sehen, wie die Schulkinder vieler Herkunftsländer und Ethnizitäten sich dort voller Ernst und Respekt mit der Betrachtung von und dem Lernen über Kunstwerke aus aller Welt befassen. Dort entsteht auch unschuldiger, nichtnationalistischer Stolz auf die eigenen Herkunftskulturen und deren Kunstleistungen, was zur Identitätsbildung und zum Respekt für andere Kulturen und Länder beiträgt. Wir in Deutschland interessieren uns weniger für so etwas und beschäftigen uns lieber in verstiegener Erwachsenenmanier mit unseren Schuldideen.

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  • Wir in Deutschland interessieren uns weniger für so etwas und beschäftigen uns lieber in verstiegener Erwachsenenmanier mit unseren Schuldideen.

    Wir in Deutschland, dh. alle Deutschen die ich kenne und die sich für Kultur interessieren, beschäftigen sich in erster Linie mit der den Kunstwerken als solche und haben Respekt vor denjenigen die diese geschaffen haben und der kulturellen Identität die dahinter steht. Das dabei auch die unschönen Seiten der Geschichte nicht ausgeblendet werden versteht sich doch von selbst, schmälert aber die Freude am Kunstwerk nicht. Das irgendjemand "Schuldkult" betreibt, habe ich persönlich noch nie erlebt und es wird auch meines Wissens von "Schuld" in erster Linie von denen gesprochen, die meinen man betreibe einen "Schuldkult".

    Ich finde es mittlerweile ziemlich nervig bis unverschämt, dass man denjenigen die einen differenzierten Blick auf die Geschichte der Menschheit haben, vorwirft sie betrieben irgendeinen Kult.

  • Andreas - der von Ihnen so bezeichnete differenzierte Blick ist auf dem linken Auge blind.

    Das sehe ich nicht so. Mein Blick ist sehr wohl differenziert.

    Wenn ich allerdings sehe, wer auf meinen Beitrag mit Verärgerung reagiert hat, scheint mir das eher der Club der Einäugigen zu sein.

  • Das irgendjemand "Schuldkult" betreibt, habe ich persönlich noch nie erlebt

    Schön für dich. Das heißt aber noch lange nicht, dass die vielen, die das anders sehen als du im Unrecht sind oder eine gestörte Wahrnehmung hätten. Ich zitiere Wilhelm von Boddien aus dem Vorwort des letzten Extrablatts, der die Dinge sehr ähnlich sieht wie viele von uns Forumern.

    Lamentieren, Hypermoralisieren, Selbsthass und Schuldkult statt sich über das wohl großartigste Reko- und Kulturprojekt der letzten Jahre einfach nur zu freuen. Das ist in der Tat das deutsche Problem!

    Und mal ehrlich. Ich brauche im Humboldtforum keine belehrenden Infotafeln über den Kolonialismus, und schon gar nicht - auf Kosten der Ausstellungsfläche - in dem Umfang, der hier von Vorschreiber geschildert wurde. Wenn ich gegenüber im Alten Museum die Abteilung zur Römischen Kunst besuche, werde ich auch nicht mit großen Infotafeln über die Grausamkeit der Gladiatorenspiele, über die elende Rolle der Sklaven oder andere Schattenseiten der Römischen Gesellschaft traktiert. Für so etwas gibt es Geschichtsbücher. Nein, es sollte die Schönheit und kunsthistorische Herausstellung der Objekte im Vordergrund stehen! Dafür geht man doch wohl ins Museum, oder nicht?! eye:)

  • Dafür geht man doch wohl ins Museum, oder nicht?!

    Also ich gehe ins Museum, um etwas zu lernen - idealerweise etwas, was ich vorher nicht wusste. Das kann u.U. auch bedeuten, mich herausfordern zu lassen und liebgewonnene Gewissheiten in Frage zu stellen. Nur ins Museum zu gehen, um schöne Dinge zu sehen, das finde ich viel zu kurz gesprungen.

  • Ob hier ernsthaftes „Lernen“ gemeint ist oder eher, sich in seiner Linksaußen-Weltsicht bestätigen zu lassen, bleibt die Frage. Aber du hast recht: man geht (auch) ins Museum, um Gewissheiten zu hinterfragen. Man kann aber auch aus dem Museum gehen und ein Ausstellungskonzept, das die Besucher in Rassisten und Antirassisten unterteilt (je nachdem, wie sehr sie sich zu „hinterfragen“ bereit sind), in Frage stellen. Beides ist zulässig.

  • Schön für dich. Das heißt aber noch lange nicht, dass die vielen, die das anders sehen als du im Unrecht sind oder eine gestörte Wahrnehmung hätten. Ich zitiere Wilhelm von Boddien aus dem Vorwort des letzten Extrablatts, der die Dinge sehr ähnlich sieht wie viele von uns Forumern.

    Lamentieren, Hypermoralisieren, Selbsthass und Schuldkult statt sich über das wohl großartigste Reko- und Kulturprojekt der letzten Jahre einfach nur zu freuen. Das ist in der Tat das deutsche Problem!

    Nein. Schuldkult ist ein Kampfbegriff der Neuen Rechten, der jeder Grundlage entbehrt. Das ist zumindest meine Meinung zum Thema. Anstatt jetzt einfach mal die Zeit vergehen zu lassen, die die Dinge ganz natürlich wieder normalisieren wird, muss permanent die Erregung hochgehalten werden. Ich kann nur sagen, dass mit den Kindern der Jahrtausendwende nun endgültig eine Generation heranwächst, für die die erste Hälfte des 20 Jhdts. Geschichte ist. Und genauso wird auch der Umgang mit dem Nationalsozialismus langsam Geschichte werden.

    Dass nach solchen Taten wie dem industrialisierten Massenmord in Ostmitteleuropa die Reaktionen erstmal heftiger, und ja, vielleicht auch mal übertriebener sind und dass so etwas vielleicht auch einfach ein paar Generationen braucht, um sich wieder einzurenken, kommt Euch gar nicht in den Sinn.

    Und bzgl. des "wohl großartigsten Reko- und Kulturprojekts der letzten Jahre" (hierzu im Übrigen absolute Zustimmung) muss man nur mal hier in den Threads lesen, um zu sehen, dass dass Problem des "Lamentierens" leider kein exklusiv Linkes ist. Die meiste Kritik am Projekt kam hier von den, ich nenne sie mal, Rekofundamentalisten, die eher selten politisch links ticken. Nachgerade wirkten manche Diskussionen hier vollkommen absurd in ihrer Kleinlichkeit und Negativität gegenüber dem Humboldtforum.

  • Moralisch überheblich belehren soll mich ein Museum jedenfalls nicht. Es darf gern interessante Fragen aufwerfen, zum nachdenken anregen, ruhig auch mal Kontroversen und Ambivalenzen aufdecken. Das muss dann aber in der Erzählung wirklich gut kuratiert sein und einen mitnehmen, wie ein vielschichtiger Film oder ein Theaterstück, sonst wird's schnell zur Farce. Und Storytelling ist leider die letzten Jahrzehnte nicht die allergrößte deutsche Stärke.

    Insofern scheint mir, das Humboldt-Forum konstruiert in den Ausstellungen aktuell etwas, das wenig Edutainment-Qualitäten und Nachvollziehbarkeit hat. Wenn selbst internationale Medien geradezu spotten. Ich war jetzt schon mehrfach im Gebäude, aber eher zu kurzen Treffen und um bestimmte Teile des Schlosses zu sehen. Für die Ausstellung nehme ich mir demnächst mal extra Zeit.


    Heinzer: schreib mir mal eine PN, ich kann dir keine schicken. Danke!