• @ Herr Herrmann,

    nach meinem persönlichen Empfinden gibt es in Forst (Lausitz) viele schöne Gebäude und auch schöne Ecken. Von manchen der leer stehenden Villen oder Ruinen habe ich jeweils mehrere, teils auch viele Aufnahmen eingestellt. Dies mag für mache Betrachter dann zu dem Eindruck geführt haben von "sehr , sehr vielen Ruinen". Ganz so viele sind es also wirklich nicht.

    Die Gründe, welche zu den Ruinen geführt haben, sollten eigentlich jedem leicht ersichtlich sein. Schwere Zerstörungen im II. Weltkrieg und durch die Kampfhandlungen um die Lausitzer Neiße 1945, große Abrisse in der Zeit der DDR, Zusammenbruch der Industrie nach der Wende und starke Abwanderung der damals jüngeren Generation in den Westen. Hinzu kommt noch die abgelegene Grenzlage zu Polen. Überalterung und rückläufige Einwohnerzahl. Trotzdem, ich muss mich wiederholen, es werden auch immer wieder Gebäude renoviert und erhalten.

    Ob die Stadt Forst (Lausitz) keinen Tagestripp wert ist, kann man m. E. nicht pauschal behaupten, solange man nicht selbst dort war. Und selbst dann, würde es wohl manchen gefallen, anderen nicht. Falls jemand mal Forst besuchen möchte, um sich ein eigenes Bild zu machen, würde ich den Monat Juni empfehlen, wenn die Rosen im Ostdeutschen Rosengarten in voller Blüte stehen. Wegen dieser Gartenanlage wird Forst auch "Rosenstadt" genannt. Der Rosengarten wurde 1913 eröffnet und hat aus dem Jugendstil noch schöne Statuen, Brunnen und Gartenarchitekturen aufzuweisen.

  • Villa1895

    Schon eigenartig, deine vier letzten Bilder zeigen ein Haus, das mich an eine Ruine in Nürnberg erinnert, und wir haben etwa zeitgleich die Bilder davon eingestellt. Auch wenn es unterschiedliche Materialien sind, aber die Balkonveranda und die terrakotta-artigen Fensterbrüstungen und Friese unterhalb der Dachuntersicht sind irgendwie ähnlich. Siehe hier.

  • Da mag eine Gegend noch so abgelegen und dünn besiedelt sein. Es finden sich immer ein paar Hohlköpfe, die Fenster einschmeissen und Graffiti an die Wände schmieren. - Eine Villa, die gerade renoviert wurde und als Jugendzentrum genutzt werden soll, wird eben von diesen Jugendlichen angezündet? Die treiben sich scheinbar lieber auf der Straße herum und zerstören historische Bauwerke.

    Die schönen Villen und Fabrikgebäude haben leider das Pech, daß sie in der falschen Stadt stehen. Anderswo hätte man sie schon längst zu beliebten Wohnimmobilien umgebaut. Sehr schade.

  • WEITERFAHRTOb die Stadt Forst (Lausitz) keinen Tagestripp wert ist, kann man m. E. nicht pauschal behaupten, solange man nicht selbst dort war.

    Dies mag für mache Betrachter dann zu dem Eindruck geführt haben von "sehr , sehr vielen Ruinen". Ganz so viele sind es also wirklich nicht

    Vor einigen Tagen bin ich durch Forst gefahren und dabei auch im Textilviertel an der Neiße rumgekurvt. Ich fand das noch deprimierender als es Deine Fotos zeigen und konnte mich nicht entschließen anzuhalten oder gar auszusteigen.

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    Forst (Lausitz) Markt

    Hans G. Oberlack, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons


    Die WEITERFAHRT nach Guben und Eisenhüttenstadt hat mich aber auch nicht aufgebaut.

  • Auf dem Foto sieht man, das an der Stadtkirche mitten in der Innenstadt nach Abriss von Plattenbauten an deren Stelle seit Jahren keine weitergehende städtebauliche Entwicklung stattfindet.Ich finde, Forst lohnt nicht ,hier weiter zu vertiefen.

  • Wegen der vielen positiven Rückmeldungen, für die ich herzlich danke, habe ich mich entschlossen, noch einige Bilder von Forst einzustellen. Den wenigen aber, welche ihr Missfallen zum Ausdruck gebracht haben, schlage ich vor: einfach weiterklicken und meine Bilder gar nicht erst anschauen.

    Hier nochmals einige Fotos der erst kürzlich fast vollständig renovierten Villa Cattien, erbaut 1875/77:



    Die alten Originalfenster wurden weitgehend erhalten. Auch die Haustüre haben wir letztes Jahr noch gesehen. Vielleicht wird diese derzeit noch aufgearbeitet:


    Die schmiedeeiserne Einfriedung an der Parkstraße:




    Rechts der Anbau von 1895, im dem sich der Musiksaal mit schönem Stuck erhalten hat:


    Detailaufnahmen vom Anbau:


  • Hier nun die einstige Fabrik Cattien, nahe bei der Villa Cattien gelegen. Heute befindet sich das Landratsamt Spree-Neiße in dem Komplex. Das Innenleben, Raumaufteilung etc. ist alles neu, aber die Fassade befindet sich in einem schön renovierten Zustand. Selbst Fabriken hatten in der Gründerzeit, wie man an diesem Beispiel sieht, eine wohl proportionierte und gegliederte Fassade:


    Ein gut bürgerliches, schön renoviertes Wohnhaus im Jugendstil um 1900 errichtet, unweit des Stadtparks gelegen:



    Die Steinpfosten eines Gartenzauns weisen im oberen Bereich Elemente des Jugendstils auf: Kastanienblätter und Kastanien. Vermutlich gab es dazu auchmal eine Villa. Im Hintergrund ist ein Fabrikgebäude aus rotem Backstein zu erkennen:


    Das nachfolgende Haus ist noch vollständig bewohnt. Wenn es renoviert würde, könnte es ein recht schmuckes Gebäude sein. Hoffen wir, dass die Renovierung möglichst bald angegangen wird:



    Wieder eine der vielen alten Tuchfabriken, die leider ungenutzt zerfallen. Der Eckbereich erinnert mit Zinnen und Türmchen ein wenig an eine Burg:


    Diese Villa mit den dorischen Säulen könnte zumindest partiell klassizistisch sein. Vermutlich wurde aber auch hier der Stuck leider abgeschlagen.


    Ein Gründerzeitvilla am Neißedamm/Kegeldamm.


    Diese hübsche Villa von 1907 steht am Stadtpark:

  • Eine Haustüre aus der Gründerzeit, vielleicht noch aus den 1870er Jahre:


    Das Gebäude, zu welchem die soeben vorgestellte Haustüre gehört. Sie ist hier nur undeztlich zu erkennen, da die Haustüre wegen der Eingangsdifferenz Treppe weit zurück versetzt ist.


    Ein Wohnhaus mit einem Erker, zwar aus dem Jugendstil, aber auch mit barocken Formen:


    Ein sehr repräsentatives Haus, Neobarock, vielleicht um 1910, sogar mit einem Ehrenhof und an diesem eine schmiedeeiserene Einfriedung zur Straße hin:


    Das Kreuz über der Haustüre könnte auf eine kirchliche Einrichtung als Bauherrn verweisen. Das Drillingsfenster über dem Kreuz ist mit einem gesprengten Dreiecksgiebel geziert, in welchem eine Wappenkartusche prangt, mit dem Forster Stadtwappen, den Hirschstangen der Grafen von Bieberstein:


    Quasi als Kapitelle sind an den die Haustüre flankierenden Säulen Köpfchen von Kleinkindern im Jugendstil dargestellt. Das ist sicherlich kein Zufall, doch ist mir die Bedeutung nicht bekannt. Vielleicht war das Haus ja mal nach seiner Errichtung zunächst als Kinderkrankenhaus genutzt worden?


    Bürgerliche Wohn- und Geschäftshäuser. Das linke Haus ist im rechten Giebel mit 1899 bezeichnet:


    Um 1900 waren auch Loggien an bürgerlichen Wohnhäusern beliebt. wo man vor rauhem Wind und Regen besser geschützt war, als auf einem Balkon. Im obersten Giebelabschnitt über den Loggien ist eines der Lieblingsmotive des Jugendstils, eine strahlende Sonne bzw. Sonnenstrahlen dargestellt:


    In unmittelbarer Nachbrschaft das gleichfalls mit deutlichen Einflüssen des Jugendstils versehene Ev. Gemeindehaus, das wohl auch um 1900 errichtet worden sein dürfte:


    Ein Gebäude, das als Turnhalle erbaut worden war, wie an den "vier F" des Turnvaters Jahn (frisch, fromm, fröhlich, frei) im Giebel zu erkennen ist:

  • Interessant ist dieser reich verzierte Gründerzeitler an den in geschlossener Bebaung links eine Fachwerkscheune anschließt, die wohl noch aus der Zeit vor der Industrialisierung stammen dürfte, als es in Forst nach Ackerbürger gab.


    Ein bürgerliches Wohnhaus aus der zeit um 1910., das sowohl Erker als auch Balkone und einen hohen Giebel besitzt:


    Ein Wohnhaus um 1900, mit gelben und roten Kinkern. Eine Kombination, die in der Lausitz sehr beliebt war:


    Hier ein Jugendstilgebäude, das durch Klinkersteine gegliedert und geschmückt wird:


    Ein bürgerliches Wohnhaus, das im Parterre und im I. Stock an den Scheitelsteinen der Fenster Köpfe von hübschen Jünglingen oder jungen Männern aufweist, an denen man offensichtlich den Jugendstil erkennen kann:


    Hier in Nahaufnahme:




    Wieder ein schönes Haus aus dem Jugendstil, leider hat man bei derRenovierung nicht überall Sprossenfenster eingebaut


    Eine einstige Fabrikantenvilla, die vielleicht noch kurz vor dem I. Weltkrieg errichtet wurde, oder aber aus den 1920er Jahren stammen könnte:

  • Tolle Häuser. :daumenoben:

    Ein Wohnhaus mit einem Erker, zwar aus dem Jugendstil, aber auch mit barocken Formen:

    Ist das grüne Haus daneben ein Kriegsschaden? Oder hatten die da einen Eingeschosser hingestellt, der auf dem Dach eine Terrasse mit Pergola hat?

    Nun, vermutlich ist das nur noch durch die Bewohner beantwortbar. Ich wollte aber mal darauf hinweisen.

  • Lieber Heimdall,

    es freut mich, dass dir die Fotos gefallen, es gibt eben in Forst (Lausitz) nicht nur Zerfall, sondern auch viel Schönes.

    Nun zu deiner Frage bezüglich des grünen Hauses. Zunächst muss ich gestehen, dass ich nicht weiß, ob dieses grüne Haus ein Kriegsschaden ist, oder ab es von Anfang an mit einer Terrasse nebst Pergula errichtet wurde. Allerdings sehe ich Indizien, die für die letztere Annahme sprechen:

    1.)Der sichtbare Klinkersockel wird bei dem grünen Haus genauso hoch weitergeführt, wie links davon, bei dem weiß-gelben
    Haus.

    2.) Die Zwillingsfenster find gleich hoch und gleich breit.
    3.) Die Stockwerkshöhen sind offensichtlich gleich hoch.

    Das große Tor, das ganz rechts zu sehen ist, stellt vermutlich eine Einfahrt zum Innenhof dar. Die Fläche über dem
    Erdgeschoss dieses Gebäudeteils bot sich für eine Terrasse an, vielleicht als Ersatz für einen hinter dem Gebäude
    nicht vorhandenen, aber schmerzlich vermissten Garten.

  • Lieber Neußer,

    es freut mich, dass dir die Fotos gefallen. Ich habe die Hoffnung, dass noch viele Gebäude gerettet werden. Erst neulich, als wir die obigen Fotos am 21.11. 2020 aufgenommen haben, sah ich drei Häuser aus der Zeit um 1900, davon ein besonder schönes, die derzeit renoviert werden. Das macht doch Hoffnung, so finde ich.

  • Ein Wohnhaus mit feinem floralem Stuck:

    Eine der vielen verlassenen Tuchfabriken:


    Ein gründerzeitliches Wohnhaus mit einem laubenartigen Windfang vor der Haustüre:

    In Nahaufnahme gewahrt man die filigranen Sägearbeiten des Windfangs:


    Die sog. "kleine Kirche":


    Ein schönes Wohnhaus aus der Gründerzeit:


    Ein Schulhaus von ca. 1880 (Rückseite):


    Die Fassade der Schule zum Schulhof hin:


    Das Schulgebäude hat tatsächlich noch die ursprüngliche Haustüre aus der Erbauungszeit:

  • Auch dieses Foto zeigt eine einstige Fabrikantenvilla:

    Am Schwebegiebel befinden sich Merkmale des Jugendstils:


    Die einstige Bedeutung bzw. Nutzung dieses Hauses ist mir soeben dank Mantikor bekannt geworden. Es handelt sich um ein Volkswannen- und Brausebad, das 1910/11 vom Fabrikanten Hermann Bergami errichtet wurde. Auch hier erkennt man Elemente des Jugendstils:


    Bürgerliche Wohnhäuser:


    Ein prachtvolles Gebäude mit Erkern und Balkonen. Auch hier ist wiederum die originale Haustüre noch vorhanden:


    Ein besonderes Schmankerl ist dieses villenartige Wohnhaus. Vor wenigen Jahren befand es sich noch in einem beklagenswerten Zustand. Doch nun ist es, wie einst Phönix aus der Asche empor stieg, wieder erstanden. Das kann man m. E. als musterültige Renovierung bezeichnen:

    Das Haus wirkt auf mich irgendwie italienisch.


  • Bürgerliche Wohnhäuser mit prächtigen Fassaden:


    Ein Eckhaus von 1911:


    Inschrift unterhalb der Brüstung des Eckfensters im I. Stock:

    Die Inschrift als Nahaufnahme:


    Ein Jugendstilwohnhaus mit Fachwerkgiebel und daneben zusätzlich noch eine welsche Haube wie eine Zipfelmütze:

  • Schöne, ausführliche Serie! :thumbup:

    Das Kreuz über der Haustüre könnte auf eine kirchliche Einrichtung als Bauherrn verweisen. [...]

    Vielleicht war das Haus ja mal nach seiner Errichtung zunächst als Kinderkrankenhaus genutzt worden?

    ==>Pfarr- und Gemeindehaus (auch Konfirmandenhaus genannt)

    Die einstige Bedeutung bzw. Nutzung dieses Hauses ist mir leider nicht bekannt.

    ==>Wannen- und Brausebad (Volksbrausebad II)


    Die Stadt muss zu Glanzzeiten recht nobel gewirkt haben. Auf jeden Fall sollte ich mir Forst auch mal anschauen...

    Falls Du noch (nach)stöbern magst: Viele Bilder aus Forst (Lausitz) in der Deutschen Fotothek

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Lieber Mantikor,

    ganz herzlichen Dank für deine Recherche und die Mitteilung der Ergebnisse.

    Durch dich habe ich nun erfahren, dass es sich um das Pfarr- und Gemeindehaus (gen. Konfirmandenhaus) handelt und dass es 1908/09 vom Maurermeister Bodo Hammer errichtet wurde, der in Forst so viele schöne Häuser erbaut hat, auch seine eigene Villa in der Rüdigerstraße 10 (die ich ja schon vorgestellt hatte).

    Ferner hast du dankenswerter Weise herausgefunden, dass das Gebäude Gubener Str. 30 A ein Volkswannen- und Brausebad war, das von einem Forster Fabrikanten, Herrn Hermann Bergami, 1910/11 für die Allgemeinheit erbaut worden war.

    Falls du mal nach Forst (Lausitz) reisen möchtest, um die Stadt zu erkunden, kannst du dich zuvor bei mir melden. Wenn es sich machen lässt, würde ich dir dann, sofern du es magst, die interessantesten Gebäude zeigen.

    Vielen Dank auch für deinen Hinweis auf die Deutsche Fotothek, das klingt interessant, diese Möglichkeit werde ich mit Interesse nutzen.