Sanierung und Neubauten an der Komischen Oper Berlin

  • Ehrlich gesagt bin ich davon ausgegangen, dass dieses Thema hier schon sehr kontrovers diskutiert wird - Die Komische Oper in Berlin soll ab 2023 für eine dreistellige Millionensumme saniert und erweitert werden.

    Ob ihrer exponierten und wichtigen Lage im Berliner Stadtbild (erste Parallelstraße zu Unter den Linden) eigentlich ein Fall für eine besonders sensible Integration in die Umgebung, wenn auch von der einstigen Pracht nicht mehr viel übrig ist.

    Das Problem: Es wird schlimmer. Sehr viel schlimmer. Ich habe erst einmal eine Nacht darüber geschlafen, um etwas runterzukommen. Grundsätzlich stehe ich moderner Architektur deutlich weniger kritisch gegenüber also noch vor ein paar Jahren und ich akzeptiere auch in bestimmten Situationen einen bewussten Bruch, wenn damit eine wichtige Identitätsbildung bzw. ein Impuls für die Umgebung ausgeht. Aber hier, im Herzen Berlins, an der vielleicht bekanntesten Straße Deutschlands, finde ich die Entscheidung wirklich in jeglicher Hinsicht fatal:

    https://www.baunetz.de/meldungen/Meld…en_7456734.html

    Künftiger Blick von Unter den Linden in der Fotostrecke übrigens Bild 7.

    Unter dem Link sind auch die weiteren Plätze zu finden, die es um ehrlich zu sein nicht besser machen. Am besten, ihr macht euch selbst ein Bild davon. Ich will den Entwurf gar nicht beschreiben, ich hoffe nur eins: Ich erlebe es noch, dass man das Ding in 30 oder 40 Jahren wieder abreißt und als die größte Bausünde der 2020er Jahre in Berlin bezeichnet. Den Titel hat sich der Umbau schon jetzt verdient.

  • So außergewöhnlich finde ich den Entwurf nicht. Zum Glück auch nicht übertrieben monströs. So etwas kommt einfach heraus, wenn sich Architekten, Kulturdezernenten und Theatermacher der Gegenwart etwas wünschen. Viel Glas, etwas Beton, irgendetwas freischwebendes (am besten die Treppe oder eine Galerie), dazu eine moderne Lichtinstallation. Es ist davon auszugehen, dass etwas sehr ähnliches in Frankfurt gebaut wird, falls die Initiative zur Rekonstruktion des dortigen Schauspielhauses scheitern sollte.

    Architekturwettbewerb in Berlin entschieden

    Komische Oper soll große Glasfassade bekommen

    https://www.rbb24.de/kultur/beitrag…rlin-mitte.html

    Siegerentwurf steht fest

    So soll der Umbau der Komischen Oper in Berlin aussehen

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/siegere…n/26312506.html

  • Ich gebe dir Recht, der Entwurf als solcher ist nicht ungewöhnlich, es ist für mich nur die Lage:

    https://www.google.de/maps/@52.51864…t/data=!3m1!1e3

    Hiermit wird für lange Zeit der schrecklichste Teil der Straße Unter den Linden für Jahrzehnte in seinem Zustand zementiert - Die Südseite zwischen Friedrichstraße und Wilhelmstraße bzw. das Pendant zwischen WIlhelmstraße und Neustädtische Krichstraße, mit Ausnahme der russischen Botschaft.

    Westlich und östlich davon atmet der Boulevard noch den alten Glanz, aber gerade an diesem neuralgischen Punkt, umgeben von großmaßstäblichen, sich über mehrere (ehemalige) Parzellen erstreckende Rasterfassaden, wird nun die allerletzte Freifläche mit einem funktionalistischen und pseudoavantgardistischen Großbau (auch und gerade in der Höhe!) bebaut und zudem noch der östlich angrenzende DDR-Plattenbau freigestellt erhalten.

  • Ich finde mich bei diesen Entwürfen bestärkt, der Höhepunkt der Menschheit in Architektur, Malerei, Bildhauerei usw. war vor 300- 500 Jahren. Seit dem geht es kontinuierlich bergab !:kopfwand:

  • Der Ortsverbands Berlin hat einen Offenen Brief zum geplanten Erweiterungsbau der Komischen Oper geschrieben. Der Brief an die Senatsbaudirektorin ging parallel an Lokalmedien, Denkmalbehörden, die Bezirksverordneten von Mitte, Bezirksbürgermeister und Baustadtrat, das Architekturbüro Kadawittfeldarchitektur und weitere Empfänger. Mal sehen, ob es was nützt...

    "Sehr geehrte Frau Senatsbaudirektorin,

    nach der kürzlich getroffenen Entscheidung zum Realisierungswettbewerb für die Erweiterung und Erneuerung der Komischen Oper stehen nun die Abstimmungen mit dem 1. Preisträger Kadawittfeldarchitektur zur Ausführungsplanung an. Die jetzt veröffentlichten Pläne lassen befürchten, dass mit dem Erweiterungsbau an der Glinkastraße bereits bestehende städtebauliche Probleme an diesem sensiblen und bedeutenden Ort im historischen Zentrum Berlins noch verstärkt und auf lange Zeit zementiert werden. Der Ortsverband Berlin des bundesweit tätigen Vereins Stadtbild Deutschland e.V. möchte hiermit Vorschläge zur Überarbeitung des Entwurfs mit dem Ziel einer besseren städtebaulichen Verträglichkeit des Erweiterungsbaus machen.

    Die Hauptfassade des geplanten Erweiterungsbaus richtet sich nach Westen zu einer erst 1961 über Trümmergrundstücken geschaffenen Straßendurchfahrt zwischen Behrenstraße und Unter den Linden, der Glinkastraße. Somit existiert an dieser Stelle kein historischer Straßenverlauf, der Grundlage einer Wiederherstellung des stadträumlich-baulichen Maßstabs sein könnte. Dennoch weist die bauliche Umgebung, obwohl im Verlauf von Jahrhunderten entstanden, vorbildhafte ortstypische Merkmale auf: eine ablesbare Horizontalgliederung der Geschosse; eine vollständige Traufhöhenbebauung entlang der Grundrisslinien, auch an den Straßenecken; eine einheitliche und durchgehende, an die Umgebung angepasste Gebäudehöhe; ein charakeristischer Fassadenstil im Hinblick auf Materialität und Gliederung. Die naheliegende Vorstellung, dass die genannten Baumerkmale auch bei Neubauten im Denkmalbereich Unter den Linden Berücksichtigung finden sollten, führte seit den 1990er Jahren zur Entwicklung von Gestaltungssatzungen für dieses Gebiet.

    Unserer Ansicht nach ist es gerade hier, im Denkmalbereich Unter den Linden, wichtig, dass ein Neubau diese baulichen Charakteristika respektvoll aufnimmt und in eigener Formensprache widerspiegelt - nicht jedoch mit seiner Kubatur den städtebaulichen Maßstab sprengt, ein ungleichmäßiges, teils ungegliedertes Fassadenbild zeigt, und für die Fassade gänzlich ortsuntypische Materialien verwendet. Die zur Glinkastraße hin versetzt angeordneten, teilweise vorspringenden, mehrere Geschosse umfassenden rechteckigen Fassadenelemente des geplanten Erweiterungsbaus würden keine einheitliche Raumkante ausbilden und zeigen ganz unterschiedliche Oberflächen wie Metall-Mesh, Stahlstreben, Glas und Keramik. Die Straßenecken zu Unter den Linden und Behrenstraße weisen durch den zurückgesetzten und deutlich überhöhten, die Höhenlinien der Umgebungsbebauung ignorierenden Glas-Stahl-Aufbau eine dominant wirkende, gänzlich ortsuntypische Stufenbildung auf, die insbesondere aus der Fernsicht aus Richtung Pariser Platz das Gesamtbild unnötig stört.

    Leider wird dieser gravierende Bruch mit der ortstypischen Baucharakteristik keineswegs durch eine besondere Originalität oder Modernität des Entwurfs ausgeglichen. Im Gegenteil wirkt die Formgebung des Erweiterungsbaus wie ein Zitat von Bauformen der 1960er und 70er Jahre, deren Ausprägungen, beispielsweise in der Kaufhausarchitektur, heute schon vielerorts zurück- und umgebaut werden.

    Aus diesen Gründen möchten wir anregen, den vorgelegten Entwurf des Erweiterungsbaus von Kadawittfeldarchitektur mit dem Ziel der Ausbildung einer einheitlichen Höhenlinie zur Glinkastraße hin, die die Straßenecken einschließt, weiterzuentwickeln. Die Einbettung in den umgebenden Denkmalbereich Unter den Linden sollte auch in Materialität, Rhythmus und Gliederung der Fassade ihren Ausdruck finden. In diesem bedeutenden, von Sichtachsen geprägten, in Jahrhunderten gewachsenen Teil Berlins sollte ein Neubau das Stadtbild nicht unnötig stören, sondern sich zurückhaltend und sensibel in den stadträumlich-baulichen Maßstab des Umfelds einfügen.

    Mit freundlichen Grüßen,

    (4 Unterzeichner für den Ortsverband)"

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Unser Eindruck war: hier wird eine gravierende Bausünde auf den Weg gebracht - und die kritische Resonanz in der Öffentlichkeit bleibt leider bisher aus. Das sollte sich ändern, bevor es zu spät ist und die Bauarbeiten beginnen.

    Mancher wird sich vielleicht noch an einen vergleichbaren Vorgang erinnern, nämlich die breite öffentliche Kritik am ersten Entwurf für die James-Simon-Galerie von Chipperfield - hier eine Visualisierung. 2007 wurde der Entwurf vom Büro Chipperfield dann komplett überarbeitet - mit dem Ergebnis eines quasi vollkommen anderen, wesentlich verbesserten Gebäudes - so wie es dann schließlich gebaut wurde.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Warum entwerfen diese Architektendarsteller immer solche Abrisskandidaten?

    Die Komische Oper verdient etwas Schönes, aber das war erst gar nicht im Wettbewerb.

  • Ich finde das inhaltlich einen tollen Brief. Ihr hättet ihn aber besser gliedern und mit Untertiteln versehen sollen. Ich spreche da aus Erfahrung, weil ich seit sehr vielen Jahren für unsere regionale Heimatschutzvereinigung Einsprachen (Widerspruch) formuliere (solange wir von Gesetzes wegen noch einspracheberechtigt waren. In ein paar wenigen Kantonen in der Schweiz gibt es dieses Recht nicht mehr; seither verfassen wir wenigstens Stellungnahmen, die oft auch Beachtung finden).

    Denn wenn man mit einem Brief etwas erreichen möchte, sollte sich der Adressat auch damit auseinandersetzen und mit diversen Personen darüber sprechen. Wenn man aber wegen fehlender Gliederung jedesmal die Schlagworte und Aussagen zusammensuchen muss, vergeht einem die Lust und der Brief bleibt eher auf der Seite liegen. Macht es wie die Journalisten, die ihre Artikel auch gliedern und die Schlagworte hervorheben. Man kann nicht verlangen oder hoffen, dass der Adressat mit gelbem Leuchtstift die relevantesten Stellen hervorhebt. Das müsst ihr selber tun! So werden die Erfolgschancen grösser!

    Ich gliederte meine Beiträge im APH, in denen ich jeweils ein Haus baugeschichtlich untersuchte und beschrieb, auch mit Untertiteln und Abschnitten. Zwischen den Abschnitten beliess ich jeweils mehr als eine Leerzeile, damit das Auge unbewusst mal ausruhen konnte. Siehe zum Beispiel hier.

    Ihr könnt das im Nachhinein mit euerem Brief für euch auch machen, und dann die beiden Versionen andern Personen vorlegen und sie urteilen lassen. Ihr werdet den Unterschied sehen.

  • Die Komische Oper selbst ist begeistert von dem Siegerentwurf.

    komische-oper-berlin.de/entdecken/sanierung-ab-2023/

    aber gerade an diesem neuralgischen Punkt, umgeben von großmaßstäblichen, sich über mehrere (ehemalige) Parzellen erstreckende Rasterfassaden, wird nun die allerletzte Freifläche mit einem funktionalistischen und pseudoavantgardistischen Großbau (auch und gerade in der Höhe!) bebaut und zudem noch der östlich angrenzende DDR-Plattenbau freigestellt erhalten.

    Was denn nun? Funktionalistisch oder pseudoavantgardistisch? Funktionalistisch finde ich ihn nicht. "Funktionalismus" ist insbesondere die Stilbezeichnung für die moderne Architektur der Zwischenkriegszeit in der Tschechoslowakei und Polen. Diese Bauten kommen oft recht nüchtern, aber nicht unelegant daher. Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur hat mir zu viel Firlefanz. Eine stärkere Orientierung an der klassischen Moderne, der seine beiden Nachbarn Unter den Linden zuzurechnen sind, hätte an der Stelle gut getan. Mir gefällt der Entwurf von JSWD besser (Proportionen und Fassade). Auch gmp hätten sicherlich etwas Brauchbares hingestellt.

    Der östliche Nachbar ist kein Plattenbau. Das ist eigentlich ganz leicht zu erkennen. Plattenbauten haben tragende Wände. Hier haben wir aber eine Vorhangfassade aus Aluminium und Glas.

    Unter den Linden 41, Appartementhaus, erbaut 1961-1964 von Emil Schmidt und Heinz Dübel (Foto: Jörg Zägel, 30. März 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Links hinten sehen wir übrigens einen Fassadenübergang mit schönen Betonstrukturelementen. Schauen wir uns das mal näher an!

    Unter den Linden 37-39, Appartementhaus, erbaut 1963-1966 von Emil Schmidt und Heinz Dübel (Foto: Jörg Zägel, 25. April 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Auch das ist übrigens kein Plattenbau. Die Fensterflächen sind so groß, dass die Fasssade keine tragende Funktion haben kann. Weil das zarte Frühlingsgrün so schön ist, hier nochmal das anschließende Haus 41:

    Unter den Linden 41 (Foto: Jörg Zägel, 25. April 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Jenseits der Glinkastraße folgt dann Unter den Linden das "Aeroflot-Haus".

    Unter den Linden 51-53, Russische Handelsvertretung, erbaut 1968, ganz links die Komische Oper in der Glinkastraße

    (Foto: Jörg Zägel, 25. März 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Dieses Gebäude gefällt mir ausnehmend gut. Der Schriftzug "Aeroflot", die weiß-blaue Fassadengestaltung, die insgesamt guten Proportionen und der Übergang aus Betonstrukturelementen zum Botschaftsgebäude - das hat was. Der anschließende Block in der Glinkastraße fällt dagegen deutlich ab. Der Erweiterungsbau der Komischen Oper hat also in der Glinkastraße ein schwaches Gegenüber. Seine Stirnseite Unter den Linden sollte sich gut in das Ensemble eleganter Sechzigerjahrebauten zwischen russischer Botschaft und Grandhotel an der Friedrichstraße einfügen.

    Die Ecke Glinkastraße / Unter den Linden mit der russischen Handelsvertretung (Foto: Taxiarchos228, 3. Mai 2013, FAL)

    Der Entwurf für den Erweiterungsbau der Komischen Oper erscheint mir unausgewogen. Insbesondere der Bürocontainer, den sie noch oben draufgesetzt haben, sagt mir nicht zu. An der Behrenstraße erscheint der Bau besonders hoch, da das Gebäude der Komischen Oper niedriger ist als die Bauten der Umgebung. Wie man an der anderen Seite, Unter den Linden, sieht, überschreitet der Erweiterungsbau die Berliner Traufhöhe wohl nur gering. Der Bürocontainer ist dort auch noch etwas von der Straße zurückgesetzt. Die Baumassenverteilung überzeugt mich aber insgesamt nicht so recht. Details und Materialität der Fassaden lassen sich kaum beurteilen.

  • Wer ist unserer? Hilfe? Mit dem Entwurf ist doch weitestgehend alles klar.Was soll unsere Hilfe dann da noch die Linden verschönern?Die Linden zwischen Friedrichstraße und Pariser Platz da gibt es nix mehr zu verschönern.Das haben die Modernisten seit den 60ern bis heute schon auf ihre architektonische Weise längst getan.Und werden es weiterhin tun.:sad:

  • Die Architekten, die den Umbau der Komischen Oper planen haben laut Tagesspiegel zum Dialog aufgerufen. Sie möchten mit unserer Hilfe das Stadtbild verschönern. Sie sind dafür auch bei Facebook zu finden: https://www.facebook.com/kadawittfeldarchitektur.

    Ein Teil des neuen Gebäudes steht Unter den Linden.

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/neue-pr…s/26673168.html

    Ja, zum Dialog - mit den Mitarbeitern der Komischen Oper, nicht jedoch, wie es vielleicht angemessen wäre, auch mit der Öffentlichkeit.

    Zitat aus dem Artikel: "Wir bilden uns nicht ein, alles besser zu wissen als diejenigen, die dort täglich arbeiten. Wir werden Workshops veranstalten und haben vor, mal einen Tag lang mit den Mitarbeitern mitzulaufen, damit wir sehen, wie die üblichen Wege durchs Haus verlaufen. Wir sammeln Ideen und schlagen dann zwei, drei Lösungen vor. Am Ende aber entscheiden die Nutzer, was sie am meisten überzeugt."

    Überhaupt bleibt der Artikel gänzlich unkritisch bezüglich der Frage, wie eine solche monströse Bausünde wie der Erweiterungsbau sich wohl in den Denkmalbereich Unter den Linden einfügt. An dieser Stelle wäre Zurückhaltung und Respekt vor dem Bestehenden geboten, nicht jedoch Hochmut: "Außerdem wollen wir mit dem Neubau eine optische Alternative bieten zum steinernen, gerasterten Umfeld".

    "Trotz einer Höhe von gut 26 Metern (...) soll nach dem Willen der Architekten der 'menschliche Maßstab' gewahrt bleiben" - dadurch, dass man eine Fassade aus gestapelt versetzten, flächigen, geschlossenen Baukörpern entwirft, die jeweils über 2-3 Geschosshöhen reichen?

    Auch die folgende Aussage sollte einen skeptisch stimmen: "Ganze 250 qm Außenfläche sind für das Dach-Restaurant vorgesehen. (...) ein auch tagsüber zugängliches Panorama-Plateau in luftiger Höhe mit Rundumblick über die ganze Berliner Mitte." Was dabei herauskommt, zeigt das Dachrestaurant auf dem Stadtschloss: schön für diejenigen, die dort oben stehen und in die Ferne gucken. Nicht schön, sondern störend und unpassend für die weitaus größere Zahl an Menschen, die von außen auf den hochragenden Aufbau blicken müssen.

    Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: dieses klotzige, brutale Gebäude mit überhöhtem Stahl-Glas-Aufbau entsteht nicht irgendwo weitab des Zentrums, sondern im Denkmalbereich an der Straße Unter den Linden, nur wenige 100 m vom Brandenburger Tor entfernt. Die Berliner Kulturredaktionen fühlen sich nicht bemüßigt, sich hierüber kritisch zu äußern. Stattdessen erscheinen anbiedernde Artikel, die eigentlich nur aus einer Wiedergabe der blumig-zuckrigen Allgemeinplätze der Architekten bestehen. Bald drei Jahrzehnte lang haben sich die Kulturredaktionen des Landes befleißigt, hundertfach und vielstimmig gegen die Barockfassaden des Stadtschlosses zu ätzen. Und zu dieser absehbaren Bausünde fällt ihnen nichts ein außer Lobhudeleien.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Bei der "steinernen, gerasterten Umgebung" handelt es sich in der Tat um den heikelsten, baulich heterogensten Bereich Unter den Linden. Hier waren die Kriegszerstörungen am stärksten. Die nördliche Glinkastraße als Verbindung zwischen Behrenstraße und den Linden wurde erst in den 1960er Jahren über Ruinengrundstücken geschaffen.

    Auch zu DDR-Zeiten hat man hier im Großen und Ganzen darauf geachtet, dass die Neubauten im Umfeld die Höhe und Geschossablesbarkeit der noch bestehenden Häuser der Umgebung respektieren. Mit dem benachbart gelegenen Grandhotel Ecke Friedrichstraße hat man sich noch in den späten Jahren der DDR bemüht, die Bauformen der Vorkriegszeit aufzunehmen und einen gut eingefügten Neubau geschaffen. Die Bauverantwortlichen hatten zweifellos verstanden, was diese baulich recht zerzauste Umgebung am meisten braucht: Stadtreparatur und Kontinuität. Auch die nach der Wende dort erbauten Häuser haben sich im Wesentlichen zurückhaltend in den Bestand eingefügt.

    Blick von der Kreuzung Friedrichstraße Richtung Brandenburger Tor - links hinter dem Aufzug erkennt man den Dachbereich des Bestandsbaus der Komischen Oper Unter den Linden:

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Entgegengesetzte Blickrichtung Höhe Glinkastraße Richtung Schloss - rechts der DDR-Bau der Komischen Oper: keine Schönheit, aber immerhin mit ruhigem, horizontal gegliederten Fassadenbild in Berliner Traufhöhe.

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Etwa gleicher Standpunkt mit Blick nach Süden zur Glinkastraße, links der Komische-Oper-Komplex, rechts das Aeroflot-Gebäude. Hinten die Südseite der Behrenstraße mit Deutsche-Bank-Komplex (rechts) und gründerzeitlichem Eckbau links gegenüber:

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Die Hauptvisualisierung von Kadawittfeldarchitektur hat etwa die gleiche Blickperspektive.

    Gleiche Blickrichtung von etwas weiter weg:

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Blick auf den Aeroflot-Riegel von der Ecke Glinka- Behrenstraße:

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Sicherlich haben viele nach 1945 errichtete Bauten in dieser Gegend deutliche Schwächen in der Gestaltung. Dennoch ist die Ablesbarkeit der Geschossigkeit durchgehend vorhanden, die Materialien und Farben im Wesentlichen ortstypisch.

    Behrenstraße: der Neubau der Komischen Oper aus den 1960er Jahren. Etwas plump und eher keine Preziose der Baukunst - aber gut, man kann verstehen, dass der Bau seine Erhaltungsberechtigung hat. Hinten benachbart das Grand-Hotel aus den 1980er Jahren:

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Unter den Linden Komische Oper 5.12.2020

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Die komische Oper ist ja gar nicht mal ein reiner Neubau! Hinter der 60er Jahre Fassade und dem Foyer im gleichen Baustil befindet sich der komplett original erhaltene neobarocke Spielsaal samt Haupttreppenhaus aus dem Jahr 1892. Welche sanierungsbedürftig sind und hoffentlich im Aussehen so erhalten bleiben.

    Hier war im Krieg nur die Fassade beschädigt worden. Der Kontrast außen und innen ist sehr überraschend, und irgendwie hat es auch was. Die Außenfassade ist trotzdem in ihrer Blockhaftigkeit nicht sehr anziehend, nur der Glasrisalit ist ganz passabel. Und ausgerechnet das Blockhafte wollen die Architekten fortschreiben ...

  • Die komische Oper ist ja gar nicht mal ein reiner Neubau! Hinter der 60er Jahre Fassade und dem Foyer im gleichen Baustil befindet sich der komplett original erhaltene neobarocke Spielsaal samt Haupttreppenhaus aus dem Jahr 1892.

    Natürlich nicht. Es handelt sich dabei um das Metropol-Theater, das jahrzehntelang im Admiralspalast beheimatet war und den Freunden der Operette und des klassischen Musicals lieb und wichtig war. Zwei Musiktheatergattungen, die im heutigen Berlin keine Chance mehr haben. :crying::crying::crying: