Warum sind die Burgen und Schlösser in Österreich und Südtirol so gut erhalten?

  • Ich denke, dass den meisten hier bekannt ist, wie viele sehr gut erhaltene Burgen es in Österreich und Süstirol gibt. Um nur ein paar zu nennen: Runkelstein, Hohensalzburg, Hohenwerfen, Kufstein, Hochosterwitz, Churburg etc. Für die vergleichsweise geringe Größe dieses Gebietes ist das schon sehr außergewöhnlich, finde ich. Ich bin mir nicht mal sicher ob Deutschland über die selbe Menge an gut erhaltenen Burgen verfügt, so sind z. B. Burg Eltz oder auch Burghausen eher Ausnahmen. Liegt das an den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in Deutschland, die es meist nicht bis nach Österreich schaffen?

    (Pfälzischer Erfolgekrieg , usw.) ? Oder spielen auch andere Gründe mit rein?

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Trifft das auch wirklich zu? Haben wir so gut erhaltene Burgen?

    Und Kriege hatte wir genug, vor allem der Süden war stets von Türkennot bedroht.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Trifft das auch wirklich zu?

    Sehr schwer zu sagen. In Südtirol war auch ich von der großen Zahl der erhaltenen Burgen beeindruckt. Andererseits findet man auch in Deutschland Regionen mit vielen erhaltenen Anlagen, z. B. die Gegend südlich vom Nördlinger Ries. Dort stehen recht nahe beieinander:

    Die Harburg:


    Harburg luft
    El-mejor, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

    Schloss Baldern:


    Schloss Baldern 140707
    Bernd Haynold, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

    Die Kapfenburg:


    Kapfenburg von Lauchheim
    Memorino, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

    Katzenstein:


    Burg Katzenstein 140707
    Bernd Haynold, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

  • Eventuell ein Erklärungsversuch:

    Vielleicht liegt es daran, dass in Ö und in Südtirol viele Burgen sich noch in Familienbesitz befinden. Burg Eltz befindet sich ja auch noch im Familienbesitz.

    Während in D der Adel nach außen hin durch die Beibehaltung der Adelsbezeichnungen nicht abgeschafft wurde, aber aufgrund der Bodenreformen nach die wirtschaftliche Nährboden entzogen wurde, ist es in Österreich genau anders herum verblieben. Hier wurde der Adel nach außen hin mit dem Verbot der (offíziellen) Titelführung abgeschafft, aber nicht die Besitzverhältnisse (Forst und Landwirtschaft) und somit die wirtschaftliche Grundlage für die Erhaltung der Liegenschaften erhalten geblieben. Das ist mitunter vielleicht auch schon die Antwort auf Deine Frage. Die Ausnahme bestätigt auch hier wieder die Regel.

  • was D wohl fehlt, sind Riesenfestungen wie Riegersburg und Hochosterwitz, die angelegt wurden, um Bevölkerungsmassen aufzunehmen. Der Süden unseres Landes litt gut 200 Jahre massiv unter dem Dschihad. Wer will, wird darüber was finden, ich verlinke hier nichts. Sicher wird dies auch für einige burgenländische Anlagen gelten - Güssing und Forchtenstein. Auch Hohensalzburg wurde in jener Zeit sicherheitshalber ausgebaut. Damals wurde in Kärnten jede geeignete Kirche zur Wehranlage ausgebaut, gleiches findet sich auch in der Oststeiermark bzw der südlichen Buckligen Welt in NÖ, die nach Mohács ans Ende der Welt gerückt waren.

    Die eigentlichen Ritterburgen sind eher kein besonderes aufregendes Phänomen bei uns und überdies auch nur oft als Ruinen erhalten. Clam und Rappottenstein wären zu nennen, aber da gibt es in D doch Besseres, oder? Sehr beachtlich erscheint mir Heidenreichstein.

    Ein anderer Punkt wäre die Grenzlage unseres Landes gegen Norden, Böhmen/Mähren also. Dies führte zu mehreren Burgenketten entlang der Flüsse Kamp und Thaya, die heute eher ruinös sind.

    Dass unsere Burgen überdurchschnittlich erhalten sind, trifft wohl kaum zu. Sowohl Schweden als auch Franzosen haben dem Bestand sehr zugesetzt. Napoleon hat nicht nur Graz und Dürnstein ausgelöscht. Graz könnte heute noch von einer Burg wie Salzburg bekrönt sein:

    Zitat von wiki

    Die Burg ist im Guinness-Buch der Rekorde als stärkste Festung aller Zeiten verzeichnet.

    Auch Napoleon konnte sie Anfang des 19. Jahrhunderts nicht erobern. Erst als er 1809 Wien besetzte und mit der Zerstörung der Hauptstadt drohte, ergab sich das erpresste Graz, und es wurden fast alle Festungsanlagen geschleift. Lediglich der Glockenturm und der Uhrturm blieben erhalten,[Anm. 2] da sie von den Grazer Bürgern freigekauft und somit vor der Zerstörung bewahrt werden konnten.

    So könnte es noch heute aussehen:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_am_G…az_vor_1809.png

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Burg Eltz

    Die wird immer wieder als Beispiel für eine "original erhaltene Burg aus dem Mittelalter" genannt. In Wirklichkeit wurde die Burg Eltz 1920 durch einen Brand stark zerstört. Die Eltz ist daher keine gut erhaltene, sondern eine gut restaurierte Burg.

    https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/burgwart21/0040

    https://static2.akpool.de/images/cards/1009/10092289.jpg

    Die Familie Eltz behandelt das anscheinend als eine Art Staatsgeheimnis. Auf der Burghomepage schreiben sie sophistisch: "Burg Eltz ist anders. Sie überstand alle Kriege unbeschadet." Und in der recht ausführlichen Übersicht zur Geschichte der Burg erwähnen sie den Brand mit keinem Wort: https://burg-eltz.de/de/burg-eltz-d…geschichte.html

  • Die großflächige Zerstörung von Burgen in Deutschland begann ja schon mit dem Deutschen Bauernkrieg 1524/25. War Österreich hiervon weniger betroffen? Eine Karte auf Wikipedia sieht den Schwerpunkt der bewaffneten Unruhen jedenfalls im Süden und der Mitte Deutschlands, auch wenn es in Tirol und Salzburg ebenfalls zu Aufständen unter dem Bauernführer Michael Gaismair kam. Insgesamt ist von "etwa 1000" zerstörten Burgen und Klöstern die Rede, vor allem in Franken und Thüringen.

    Der Dreißigjährige Krieg hat Österreich größtenteils ausgespart. Nur in Niederösterreich nördlich der Donau gab es zu Anfang und zu Ende schwerere Kämpfe. So gut sind in Deutschland nur Bayern südlich des Inns und die neutrale Grafschaft Oldenburg durch den Krieg gekommen. Das Hochstift Salzburg blieb während des Krieges ebenfalls neutral und baute seine Festung in der Zwischenzeit zu einer der stärksten Europas aus.

    Mit der Nutzung muss es aber auch zu tun haben. Schon im Bauernkrieg waren klassische "Ritterburgen" keine zuverlässige Verteidigungsanlage mehr. Manche Burgen wurden danach zur Abwehr zeitgemäßer Waffentechnik aufgerüstet, der Rest meist aufgegeben. Genauso Burgen, die durch Erbfall an Geschlechter kamen, die bereits woanders ihren Stammsitz hatten, oder wenn eine der in Deutschland häufigen Ganerbenburgen an zu viele Anteilseigner gleichzeitig fiel, die irgendwann das Interesse an der Instandhaltung verloren oder denen das Geld dazu ausging.

    Weiterhin militärisch genutzte Burgen wurden in späteren Kriegen ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Nicht nur bei der Einnahme oder beim Abzug. Manchmal haben die Besatzer sie auch ohne Zerstörungsabsicht durch reine Unachtsamkeit in Brand gesetzt, wie die Kaiserlichen 1635 bei Burg Gräfenstein in der Pfalz, oder die Franzosen 1692 bei Burg Landshut an der Mosel. Andere Burgen wurden von den Landesherrn selbst geschleift, damit durchziehende Kriegsparteien sie nicht mehr besetzten, z. B. der Drachenfels bei Bonn 1634 durch den Kölner Kurfürst. Deutschlandweit fand das so aber nur im Dreißigjährigen Krieg statt, die französischen Reunionskriege betrafen im Wesentlichen nur den Südwesten - Hessen, Franken oder Sachsen dagegen nicht.

    Am Ende wurden die Burgen nicht mehr aufgebaut oder aufgegeben, weil man sie nicht mehr brauchte. Fürsten ließen lieber repräsentative und bequeme Schlösser errichten, meist ohne Verteidigungsanlagen. Zur Verteidigung unterhielt man nur noch wenige Landesfestungen wie das hessische Ziegenhain. Oder man umwallte und bastionierte die Residenzstadt selbst. Burgen hatten da nicht mehr viel Nutzen, manche wurden als Landesgefängnis erhalten wie der württembergische Hohenasperg oder die hessen-darmstädtische Marksburg. Andere dienten noch als lokale Amtssitze. Gab es in Österreich hierzu wesentliche Unterschiede? Gab es z. B. mehr Burgherrn, die kein Residenzschloss errichten ließen (aus Geld- oder Platzmangel, etc.), sondern ihre Stammsitze zu Burgschlössern ausbauten?

    Insgesamt würde ich sagen, dass Teile Österreichs und Südtirol eine erstaunlich hohe Burgendichte aufweisen, Teile Deutschlands können aber durchaus damit mithalten. Z. B. die münsterländischen Wasserburgen oder die fränkischen Festungen (Rosenberg, Forchheim, Plassenburg, Lichtenau). Vielleicht doch eher von der Region abhängig.

  • Kurpfalz hat es bereits gesagt, neben vereinzelten Abgängen im Bauernkrieg ist der Dreißigjähriger Krieg ein wichtiger Faktor. Im Hegau wurden ca. 15 Burgen zerstört und davon nur 3 wiederaufgebaut (von denen 2 im 18/19. Jahrhundert wieder abgegangen). Von den wehrhaften Schlössern blieb nur eines erhalten, der Hohentwiel. Weitgehend unversehrt blieben 3-4 Burgen bzw. Schlösser ohne Wehrcharakter.

    Im Bereich des Oberrheingrabens wurden praktisch alle Burgen durch die Franzosen bei ihrer Expansionspolitik im 18. Jahrhundert zerstört. Dort gibt es glaub ich keine einzige erhaltene Anlage mehr.

    In der Region Basel wurden die meisten Burgen während der Helvetischen Revolution 1789 zerstört. In der restlichen Schweiz sind hingegen deutlich mehr Burgen überkommen.

  • Und selbst der Hohentwiel ist nur noch eine Ruine...

    Wäre das Schloss erhalten, wäre es sicher eine der beeindruckendsten Festungen, vielleicht sogar von ähnlichem Kaliber wie Hohensalzburg, aber sich größer als Hohenwerfen, Königstein oder Hochosterwitz.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Im Bereich des Oberrheingrabens wurden praktisch alle Burgen durch die Franzosen bei ihrer Expansionspolitik im 18. Jahrhundert zerstört. Dort gibt es glaub ich keine einzige erhaltene Anlage mehr.

    Interessante Beobachtung. In der Rheinebene lässt sich wirklich keine einzige erhaltene Burg mehr finden. Bei Bruchsal gibt es die Burg Obergrombach, ein Schlossbau der 1720er-Jahre zwischen den Mauern einer wohl im Pfälzischen Erbfolgekrieg von den Franzosen zerstörten Burg, seit 1885 im Besitz der Familie von Bohlen und Halbach. Also immerhin wiederaufgebaut und bis heute unterhalten.

    Nicht zerstört haben die Franzosen die Starkenburg an der Bergstraße, die zwei oder drei Angriffe im Pfälzischen Krieg erfolgreich abwehren konnte. Allerdings wurde sie 1765 vom kurmainzischen Landesherrn aufgegeben und ist danach stark verfallen. Trotz erster Sicherungsmaßnahmen Ende des 19. Jahrhunderts musste 1924 der Bergfried aufgrund von Baufälligkeit gesprengt werden und wurde danach an weit versetzter Position wiederaufgebaut. Eine recht wüste Behandlung für so ein Baudenkmal. Und ein Beispiel, dass eine Burg nicht aus dem Schneider war, wenn sie die Zeit der schwersten kriegerischen Verheerungen überstanden hatte. Der Zahn der Zeit (und die beliebte Nutzung als Steinbruch) kriegt sie auch von alleine klein.

  • Witziger Weise habe ich Burg Starkenburg erst gestern auf Google Earth entdeckt und habe mich über den eigenartigen Turm gewundert, danke für die Informationen.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Kein Problem :thumbup: Eine nie aufgegebene, in den entsprechenden Kriegen nicht vollständig zerstörte Burg am Rande der Rheinebene habe ich doch noch über Google Maps gefunden, die Burg Staufenberg bei Offenburg, baulich überwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert umgebaut. Heute ein Weingut in Besitz der ehemaligen Markgrafen von Baden. Auch das dürfte bei entsprechender Lage und Klima eine gut tragfähige Nutzung sein, mit der sich so ein Gemäuer langfristig unterhalten lässt.

    Aber auch hier kein ganz unzerstörter Bau, Zerstörungen erfolgten 1329 und 1350 durch Fehden erst mit der Stadt und dann mit dem Bischof von Straßburg, später erfolgten Beschädigungen durch Schweden und Franzosen, die entstandenen Schäden wurden aber stets repariert.