Das Kaiserreich im Rückblick

  • Ich will keineswegs Napoleon verteidigen - weder den 1. noch den 3. des Namens. Aber die "olle Kamelle" von der Erbfeindschaft ist nun wirklich totgeritten und widerlegt. Ja, Frankreich hat seit Ludwig XIV. auf Kosten der deutschen Staaten expandiert - aber das geschah nicht aufgrund eines besonders ausgeprägten Hasses auf alles Deutsche, sondern weil die schwachen Territorien im Westen des Reiches nun einmal einfache Ziele und leichte Opfer darstellten. Eine "permanente Aggression und Unterdrückungswut gegen Deutschland" hat das nationalselige 19. Jahrhundert darin sehen wollen. Wie gesagt - wir waren schon einmal weiter.

  • Nicht vergessen sollte man zudem, dass er bei seinem Vorgehen gegen das Reich tatkräftig unterstützt wurde von zahlreichen Gliedstaaten dieses Reiches, die sich im Rheinbund zusammengeschlossen hatten.

    Es juckt mich, noch zu ergänzen: Richtig, man sollte nicht vergessen, dass er im Zuge seiner Eroberungen die deutschen Gebiete zu neuen Staaten zusammengezimmert hat. Manche deutschen Gebiete traten aus opportunistischen Gründen oder gezwungener Maßen ein und unterwarfen sich der Hegemonialmacht Frankreich. Zitat Wikepedia: "Die Mitglieder des Rheinbundes waren in hohem Maße abhängig vom Willen Napoleons. Insgesamt war der Rheinbund ein an Frankreich gekettetes Militärbündnis. Die Stellung des Bundesprotektors war in der Rheinbundakte nur vage formuliert. Gleichwohl bestimmte Napoleon weitgehend die Geschicke des Bundes. So räumte ihm die Rheinbundakte die Entscheidung über den militärischen Bündnisfall ein."

    Ja, Frankreich hat seit Ludwig XIV. auf Kosten der deutschen Staaten expandiert - aber das geschah nicht aufgrund eines besonders ausgeprägten Hasses auf alles Deutsche, sondern weil die schwachen Territorien im Westen des Reiches nun einmal einfache Ziele und leichte Opfer darstellten. Eine "permanente Aggression und Unterdrückungswut gegen Deutschland" hat das nationalselige 19. Jahrhundert darin sehen wollen. Wie gesagt - wir waren schon einmal weiter.

    Natürlich war es Aggression. Aber Unterdrückungswut und Hass sind Ihre Worte, nicht meine.

    Es war die permanent berechnende Eroberungspolitik einer Hegemonialmacht. Vorausgegangen waren die rücksichtslose Macht- und Eroberungspolitik von Philippe IV (14. Jhd.), von Henri II , dessen Truppen im Reich marodierten,(16. Jhd.), von Louis XIII, mit Kriegserklärung und vielen Plünderungen im 30j. Krieg,(17. Jhd.), von Louis XIV, seinen Raubkriegen und Annexionen im Elsass, schlimmer noch die fatalen Reunionskriege, in deren Verlauf Heidelberg und fast alle Burgen am Rhein zerstört wurden. (17. Jhd.)

    Ich will beileibe nicht jetzt die D-F-Partnerschaft torpedieren. Es geht nur darum, wenigstens das Phantom des Nationaldenkmals in die damalige historische Erinnerung des 19. Jhds. und in die Wahrnehmung der damaligen Zeitgenossen einzuordnen.

    Einmal editiert, zuletzt von Bauaesthet (10. September 2020 um 20:15)

  • Und ich bestreite weiterhin, dass diese Aggressionen gegen das Reich geschahen, weil es Deutschland traf. Es traf an Frankreich angrenzende Territorien, die deutlich schwächer waren als das früh zentralisierte Frankreich und daher ein lohnendes Ziel abgaben. Diese Territorien waren zufällig (zum Teil) deutschsprachig. Auch da gibt es bemerkenswerte Ausnahmen - große Teile Lothringens waren in der gesamten Neuzeit niemals deutschsprachig, dasselbe gilt für Mömpelgard oder das Franche-Comté (die Freigrafschaft Burgund, die lange zum Reich gehörte).

  • Bentele hat völlig recht, natürlich war es ein Denkmal zum Anfassen. Über die seitlichen Stufen gelangte man problemlos auf die etwas höhere Plattform, wo die Reichsinsignien abgelegt waren, als wären sie Requisiten aus dem Theaterfundus - völlig anders als beispielsweise in den offiziellen Staatsgemälden, wo sie schön arrangiert auf einem Tisch liegen.

    Wilhelm II gefiel das Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz viel besser. Man vergleiche nur die jeweilige Aufmachung Ws I. In Koblenz Helm mit Federbusch und Hermelinmantel, auf einem Ross mit flatternder Mähne, in Berlin einfache Pickelhaube, einfacher Mantel auf einem Pferd, dessen Mähne vom Regen durchnässt erscheint. Auch der Palmzweig der Berliner Viktoria wirkte nicht gerade erhaben. In Koblenz reitet der Kaiser selbst, in Berlin wurde er am Zügel geführt (das besonders missfiel W II). Die Koblenzer Viktoria trägt die Kaiserkrone, in Berlin lag sie, wie gesagt, am Boden zusammen mit anderen, eher lieblos abgestellten oder gar hingeworfenen Objekten. Kurzum: das Berliner Denkmal war voller ironischer Brechungen, sehr geistreich, und eben nicht Ausdruck von Hurra-Patriotismus. Und gerade die Reliefs waren von höchster künstlerischer Qualität (wobei das Friedensrelief an der ikonographisch prominenteren Südseite angebracht war). Aber das den heutigen Politikern zu vermitteln, ist fast aussichtslos, sie sind ideologisch zu sehr mit Scheuklappen behaftet, um es mal höflich auszudrücken.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ein erhellender Vergleich ist übrigens auch das Nationaldenkmal für Viktor Emanuel I. in Rom. Ähnliche Elemente (Reiterstandbild, Quadrigen, Viktorien, Kolonnaden) aber im Unterschied zu Berlin nicht der städtebaulichen Situation geschickt angepasst, sondern in seiner Gigantomanie den Stadtraum zerstörend. Eigenartigerweise regt sich darüber niemand so recht auf.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Und ich bestreite weiterhin, dass diese Aggressionen gegen das Reich geschahen, weil es Deutschland traf.

    Sie haben recht. Von "Deutschland" habe ich auch nicht geschrieben. Der Begriff wurde erst nach den Befreiungskriegen (Hambacher Fest, Wartburgfest 48er Revolution ein "nationales" Thema.

  • aber das geschah nicht aufgrund eines besonders ausgeprägten Hasses auf alles Deutsche, sondern weil die schwachen Territorien im Westen des Reiches nun einmal einfache Ziele und leichte Opfer darstellten. Eine "permanente Aggression und Unterdrückungswut gegen Deutschland" hat das nationalselige 19. Jahrhundert darin sehen wollen. Wie gesagt - wir waren schon einmal weiter.

    Also, waren die Deutschen gewissermassen selber Schuld, weil sie schlicht zu schwach waren und allzu einfache Ziele darstellten.

    Und damit nicht genug: erst stellen sie sich selbst so dermassen schwach auf und dann wollen sie auch noch jammern, dass die Franzosen ihnen konsequent zeigen was Sache ist? ts, ts


    Auf die Schnelle, einige geschichtliche Eckpunkte zum französisch-deutschen Verhältnis:

    - der 30jährige Krieg hätte bereits zur Häfte beendet sein können und wurde erst durch das Eingreifen Frankreichs auf Seiten des protestantischen Schwedens zu diesem alles verheerenden Krieg auf 30 Jahre ausgedehnt.

    - 1648 "Westphälischer Frieden": als Kriegsbeute sicherte sich Frankreich weite Teile des Elsass. Strassburg blieb deutsch.

    - Als sich um 1680 das Reich auf einen Ansturm der Türken vorbereitete, fasste Frankreich die Gelegengheit beim Schopfe und belagerte Strassburg. Nach der Einnahme der Stadt wurde sogleich die Brücke über den Rhein gesprengt.

    - 1683 bei der 2. Türkenbelagerung Wiens standen französiche Sprengmeister im Dienste der Osmanen

    - 1688/89: "Brûlez le Palatinat!"

    Mit Heilbronn als Basis verwüstete er mit seinen Truppen die umliegenden Gebiete, einschließlich der Reichsstadt Donauwörth, Marbach am Neckar und Schorndorf. Gegen Ende des Jahres griff er Heidelberg, die Hauptstadt der Kurpfalz, und viele Dörfer entlang des Neckars und der Bergstraße an, darunter auch Ladenburg. [...]

    Am 8. März [Anm.: 1689] wurde Mannheim in Brand gesteckt, später wurden Frankenthal, Worms, Speyer und zahlreiche Dörfer auf der Westseite des Rheins verwüstet. Am 31. Mai folgte die totale Zerstörung der Burg Landskron und der Stadt Oppenheim. Auf der Ostseite des Rheins erlitten Bretten, Knittlingen, Maulbronn, Pforzheim, Baden-Baden und zahlreiche andere Städte und Dörfer das gleiche Schicksal

    - 1806: Napoleon zerschlägt das HRRDN und gliedert sämtliche deutschen Gebiete links des Rheins nach Frankreich ein. Die Quadriga am Brandenburger Tor wird abmontiert uns als Kriegströphäe nach Paris verbracht. Der Kölner Dom wird zum Pferderstall zweckentfremdet.

    - 1859:

    „Sire, ich bin ein deutscher Fürst!“

    nach dem Waffenstillstand vom 8. Juli 1859 bei den darauffolgenden Verhandlungen in Villafranca zu Napoléon III., als dieser versuchte, Österreich für ein Bündnis gegen Preußen zu gewinnen und die Preisgabe des Rheinlandes zu erreichen.

    - 1914 anti-deutsches Bündnis mit Russland (und auch England) bildet Grundstein zum 1. WK:

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    (Quelle: C. Clark - "Schlafwandler", TEIL II EIN GETEILTER KONTINENT – Kapitel 3 Die Polarisierung Europas 1887 – 1907)


    - 1919

    "Der Fehler der Deutschen ist, dass es 20 Millionen zu viel von ihnen gibt."

    (Quelle: Spiegel.de, 22.03.2004)

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr das Thema hier nicht mehr mit sachfremden Beiträgen zumüllen würdet...und dem Moderator wäre ich sehr dankbar, den Müll zu entfernen.

    Die Beiträge deiner Forumskollegen als "Müll" zu bezeichnen finde ich reichlich daneben. Die Diskussion hier ist interessant und ergiebig, auch wenn wir vom Thema abgekommen sind. Allerdings wäre eine Verschiebung sinnvoll, vielleicht in einen neuen Strang, z.B. "Diskussion um wilhelminische Nationaldenkmäler".

  • Peinlich ist es, ständig absolut themenfemde Beiträge zu verfassen und langatmige Diskussionen zu beginnen. Wenn man dies in diesem Architekturforum immer und immer wieder macht - anstatt einfach in einem entsprechenden Geschichts- und Politikforum - dann ist dies eben vollkommen daneben und eine Respektlosigkeit gegenüber den anderen Forenmitgliedern.

    Eine Löschung sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

    Vielleicht tun dies manche hier auch, weil diese Beiträge mit ihrem einseitigen Geschichtsbild in den dafür vorgesehen Fach-Foren kein so naives Echo finden.

  • Werte Diskussionsteilnehmer,

    aus Sicht der Moderation gibt es gegen sachliche Exkurse um das Thema Nationaldenkmal keine Einwände, sofern es nicht komplett den Rahmen sprengt.

    Bitte daher nicht zu sehr abschweifen und den gegenseitigen Respekt wahren.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Sie haben recht. Von "Deutschland" habe ich auch nicht geschrieben. Der Begriff wurde erst nach den Befreiungskriegen (Hambacher Fest, Wartburgfest 48er Revolution ein "nationales" Thema.

    Ganz kurz. Ich weiß nicht, was mit "nationales Thema" gemeint ist, aber der Begriff "Deutschland" war auch schon im 18. Jahrhundert gebräuchlich. Ich habe z.B. ein altes Buch aus diesem Jahrhundert, wo er mehrfach auftaucht.

  • Noch eine kleine Anmerkung zu den deutsch-franzöischen Kriegen. Diese haben mehrere Wurzeln. Zwei sind die fränkische Reichsteilung und das französische Trauma, dass die Kaiserwürde an die Ostfranken (= Deutschen) ging. Franz I und Ludwig XIV haben sich bekanntlich vergebens um die Kaiserwürde bemüht, Napoleon I und III haben sich dann entsprechende Surrogate geschaffen. Zugleich verfolgten die französischen Könige die Kompensationsstrategie, ihre Monarchie als heiliger und höherwertig darzustellen. Ein Argument war, dass das französische Königtum keine Wahl-, sondern eine Erbmonarchie (und folglich die einzig wahre Form von Monarchie) sei (Mémoires de Louis XIV pour l'instruction du Dauphin). Eine weitere Rolle spielten Reliquien wie die Dornenkrone Christi als des Königs der Könige (ursprünglich Saint-Chapelle), während die Deutschen (Köln) die Gebeine der Heiligen Drei Könige, also der ersten Herrscher, die Christus huldigten, besaßen. Der Bau des Kölner Doms war also auch eine baupolitische Antwort auf die französische Kathedralgotik, insbesondere auf Amiens, als einer Repräsentationsarchitektur der französischen Krone. Ebenso antwortete der gotische Chor des Aachener Münsters auf die Saint Chapelle, die ihrerseits eine Replik auf die Palastkapelle des byzantinischen Kaisers war und damit gleichfalls eine imperiale Konnotation besaß.

    Ausdruck dieses Rangstreits war ferner, dass Ludwig XIV. die Kaisergräber im Speyer Dom zerstören und schänden ließ.

    Selbst die französische Expansion nach Westen (unter Missbrauch von Frankreichs Rolle als Garantiemacht der ständischen Freiheiten nach 1648) war nicht nur machtpolitisch und militärstrategisch begründet, sondern auch ideologisch überhöht: "Wiederherstellung" der Rheingrenze wie zu Zeiten des Imperium Romanum.

    Nicht zuletzt sollten die beiden Rheinbünde des 17. und 19. Jh. aus französischer Sicht dazu dienen, den französischen König bzw. den Kaiser von Frankreich zum Herrscher über deutsche Territorien zu machen.

    Vor diesem Hintergrund feierte das Nationaldenkmal die Etablierung eines (hohenzollernschen) Erbkaisertums, die Aufhebung der Rheingrenze (Rückführung von Elsaß und Lothringen) sowie die Überwindung der seit den Rheinbünden bestehenden Uneinigkeit deutscher Fürsten und ihrer Opposition gegen den Kaiser. Der französische Kaiser war gefangengenommen worden und hatte abgedankt, Deutschland hingegen erhielt einen einen neuen Kaiser. Die Ereignisse von 1804 und 1806 wurden also geradezu umgekehrt.

    Letztlich reichten die historischen Bezüge des Berliner Nationaldenkmals also in der Tat bis zu Napoleon I und darüber hinaus bis zu Ludwig XIV. zurück. Nicht zu vergessen auch, dass Wilhelms Mutter, Königin Luise, von Napoleon gedemütigt, gleichsam im Exil gestorben war. Diese Ereignisse hatten Wilhelm stark geprägt. Nicht von ungefähr hatte er vor seinem Aufbruch in den Frankreichfeldzug die Gräber seiner Eltern in Charlottenburg aufgesucht.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Lieber Seinsheim,

    vielen Dank für diese glänzende Darstellung der geistigen Hintergründe der deutsch-französischen Auseinandersetzungen.

    Ich möchte noch einen politisch-strategischen Hintergrund ergänzen.

    Seit Philipp dem Schönen 1504 herrschten in Spanien die Habsburger. Die spanische Königsfamilie und die Habsburgische Kaiserfamilie hatten ihre Kinder untereinander verheiratet als Ergebnis eines Bündnisses Habsburgs und Spaniens im Italienischen Krieg (1494-1559) um die Vorherrschaft in Oberitalien. Teilnehmende Großmächte waren außer Spanien und Habsburg Frankreich, England, Venedig und einige Päpste.

    1504 wurde der Habsburger Philipp der Schöne König von Spanien. Im Heiligen Römischen Reich herrschte sein Vater Kaiser Maximilian I. Frankreich war zwischen den beiden Großmächten eingekesselt, und beide waren in der Hand einer Familie - gewissermaßen die Urkatastrophe für Frankreich!

    Als Maximilian 1519 starb, bemühte sich Franz I. von Frankreich um die Nachfolge als Kaiser des Heiligen Römisch Reiches, um die Einkreisung Frankreichs zu beenden. Gewählt zum Kaiser wurde aber der Sohn Philipps des Schönen und Enkel Maximilians Kaiser Karl V., in dessen Reich in Europa, Amerika und Asien, wie er sagen konnte, die Sonne nicht unterging. Und eingekreist von diesem größten Reich aller Zeiten war Frankreich!

    Der Schock der Franzosen wurde noch vertieft, als Franz I. von Frankreich in der Schlacht von Pavia 1525 von Karl V. gefangen genommen wurde. Als „Lösegeld“ bezahlte Franz mit Burgund, gewann es aber wieder zurück. Burgund war eigentlich habsburgisches Erbe, da Maximilians erste Frau Maria von Burgund, die Mutter Philipps des Schönen, die Erbin von Burgund war.

    Der Schock lebte weiter. Ziel aller Politik Frankreichs wurde seitdem zunächst die Befreiung von der Umklammerung und dann als Vorsorge die Schwächung Deutschlands, sei es als Heiliges Römisches Reich, als Reich der Hohenzollern oder als Drittes Reich.

    Das erklärt die französische Politik, entschuldigt sie aber nur zum Teil, an die Stelle des Ziels einer strategisch günstigen Lage trat seit Ludwig XIV. rücksichtsloser Hegemonie-Anspruch.

    Heute sind beide Mächte aufeinander angewiesen: Adenauer und de Gaulle haben Großartiges geleistet. Ich war damals im Hof des Ludwigsburger Schlosses dabei, als de Gaulle ein Hoch auf die große deutsche Nation ausbrachte - ein weltpolitisch bis dahin unvorstellbares Ereignis.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Der übersteigerte Nationalismus, der hier als hermeneutischer Schlüssel der Interpretation von Geschichte dient, ist ein Kind des 19. Jahrhunderts, vorbereitet durch die Aufklärung rousseau'scher und voltaire'scher Prägung. Er hat spätestens in den 1960er und 1970er Jahren jegliche Glaubwürdigkeit verloren, und zwar nicht weil die Mode sich geändert hat, sondern weil er als tendenziöses und damit untaugliches Interpretament erkannt wurde. Dem unbedarften Leser erscheint diese Deutung schlüssig und logisch; Fachleute schlagen die Hände über dem Kopf zusammen ob der altmodischen und überholten Argumentation.

    Ludwigs XIV. Ziel war es keineswegs, sich zum Herrscher über deutsche Territorien zu machen. Er wollte natürliche, leicht zu verteidigende Grenzen und erkannte im Rheinstrom eine solche. Alles andere waren Strohmannargumente, die dieses kaltem Machtkalkül geschuldete Ziel verbrämen sollten. Die Schwäche des Reiches und seiner Glieder spielte ihm in die Hände. Ein französischer Hass auf alles Deutsche, der hier von mehreren insinuiert oder sogar explizit behauptet wird, spielte dabei gar keine Rolle.

    Die Expansion des revolutionären Frankreich nach 1789 geschah wiederum aus anderen Motiven, die aber ebenfalls nicht - oder nur in geringem Maße - nationalistisch waren. Die "französische Revolution" verstand sich ja als universalistisch. Hier hatte angeblich die Vernunft über die rückschrittlichen Institutionen Monarchie, Kirche etc. gesiegt, und dieser Sieg sollte nicht nur die Franzosen, sondern die ganze Welt aus der Knechtschaft in die Freiheit führen. Dass die anderen Völker diese Freiheit à la francaise nicht durchweg annehmen wollten, war nur noch mehr Ansporn.

    Nach dem blutigen Chaos der Republik war klar geworden, dass nur eine starke Hand die universellen Werte von Freiheit und Gleichheit (die Brüderlichkeit gesellte sich erst später dazu) in der Welt verbreiten konnte. Der charismatische junge Offizier aus Korsika füllte diese Rolle aus. Napoleon schwang sich zwar zum Kaiser der Franzosen auf, nahm diesen Titel aber vor allem an, um die Diskontinuität mit den Bourbonen deutlich zu machen. Es war eben keine Restauration des Ancien Régime, sondern etwas Neues. Und da der ranghöchste Monarch in Europa der Römisch-Deutsche Kaiser war, musste der französische Herrscher, wenn er auf Augenhöhe mit diesem verhandeln wollte, eben auch mindestens ein Kaiser sein. Einen Wunsch Napoleons, deutsche Territorien zu beherrschen (weil es deutsche Territorien waren), vermag ich - egal wie oft es behauptet wird - nicht zu erkennen.

  • Moderationshinweis: ---Bezieht sich auf deaktivierten Beitrag---

    Ich kann natürlich verstehen, dass sich einige Foristen an solchen Abschweifungen stören. Korrekterweise gehörten sie eigentlich in einen eigenen Strang, z.B. mit dem Namen "Berliner Stadtschloss und sein Umfeld - historische und politische Aspekte seiner Entwicklung". Allerdings störe ich mich in diesem Zusammenhang etwas an dem Begriff.

    anöden

    Ich bitte das nicht persönlich zu nehmen. Das klingt für mich begrifflich etwas nach "Generation Smartphone". Diese will oft mit schönen bunten Bildchen berieselt werden, sich aber möglichst nicht in Hintergründe vertiefen. Vor vielen Jahren habe ich mal einem Mädchen Nachhilfe in Geschichte gegeben, die die Frage in den Raum stellte, wofür sie das brauche. Ich sagte ihr, vermutlich recht unpädagogisch: "Wenn Du aus dem Fenster Deines Zimmers schaust, siehst Du den Frankfurter Dom. Da stellt sich vielleicht die Frage, warum dieser Dom dort steht und welche Funktion er hatte." Sie antwortete sinngemäß: "Interessiert mich net." Sie hätte auch "ödet mich an" sagen können...

    Ich will damit sagen, dass ich die Diskussion eigentlich ganz interessant fand, und sie fand auch ohne Beschimpfungen oder Herabsetzungen der Diskussionspartner statt.

    Mich persönlich öden da eher die immer gleichen Beiträge an, die sich zum tausendsten Mal über "die Wippe" aufregen. Oder die fragen, warum ein Schräubchen an der Schlossbalustrade in einem leicht anderen gelb-ocker Ton als die übrigen Schrauben gestrichen worden ist. Oder die nur die aktuellen Webcam-Bilder vom Abbau irgendeines Gerüsts oder WC-Häuschens posten, die ich mir auch ohne Forum angucken könnte.

    Aber, ich rege mich nicht darüber auf, sondern blättere/klicke einfach weiter.

  • Deswegen noch einmal meine Bitte an die Moderation, diese ganzen themenfremden historischen und politischen Beiträge zu löschen.

    Ist das hier themenfremd?

    Wir arbeiten an der Deutung des leider verlorenen Nationaldenkmals vor dem Berliner Schloss. Ist nicht einer der wesentlichen Werte eines Denkmals, dass es zum Denken anregt und damit zur Diskussion? Solange diese sachlich verläuft, ist sie im Sinne des Denkmals und damit nicht themenfremd. Ich stimme newly zu, wenn die Sachlichkeit und der Bezug zu Fakten verlassen wird, wenn sich Ideologien einmischen und Politik „gemacht“ wird. Ich aber habe mich um Sachlichkeit und historische Fakten bemüht, und andere auch.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Denkmäler sind Zeugnisse von Ideengeschichte. Man kann die Geschichte und erst recht die Kunstgeschichte nicht begreifen, wenn man alles nur unter macht-, sozial- oder wirtschaftsgeschichtlichen Aspekten betrachtet. Das Berliner Nationaldenkmal hat einen ereignisgeschichtlichen, aber auch einen ideengeschichtlichen Vorlauf, der eben wirklich mehrere Jahrhunderte zurückreicht und ohne die besondere Rivalität von Frankreich und Deutschland - samt den jeweiligen Befindlichkeiten - nicht zu verstehen ist. Wieso die Erörterung dieser Aspekte hier fehl am Platz sein soll, erschließt sich mir nicht. Glaubt man wirklich, Denkmäler entstünden in einem geistigen Vakuum, die Form wäre nicht Ausdruck von Ideen und Mentalitäten?

    Und dass man diese Mentalitätsgeschichte für überholt erklärt, halte ich für besonders abwegig. Sie ist vielmehr eine große Errungenschaft der moderneren Geschichtsforschung. Man sehe sich allein das Bildprogramm im Spiegelsaal von Versailles an oder das ehem. Denkmal von Martin Desjardins auf der Place Victoire in Paris an, man befasse sich einmal mit der komplexen politischen Ikonographie des Wiener Hofes unter Karl VI., der Grafen von Schönborn oder König Friedrichs I. in Preußen - und man wird sehr rasch begreifen, dass es stets um viel mehr ging als um Gebietsarrondierungen, um Prestigestreitigkeiten und dergleichen. Es ging um Identitäten und Identitätsstiftung, ganz gleich, ob unter dynastischen, konfessionellen oder nationalen Vorzeichen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.