Lustwandeln in Ludwigslust

  • Ein mecklenburgischer Bauer soll in einen Buchladen gegangen sein, um nach einem Globus zu fragen. Man zeigte ihm den teuersten und besten. "Nein", sagte er, "den kann ich nicht brauchen. Ich hätte gern den kleinen von Mecklenburg!"

    Was der Bauer sagte, zeigte am Ende nicht anderes als das jahrhundertlange Weltbild der Herzöge. Als Christian Ludwigs Sohn Friedrich 1756 das Herzogtum übernahm, hatte er Großes im Sinn - Versailles schwebte ihm vor. Dazu plante er eine Stadt, geradlinig und klar. Diese Residenz erlebte zwar nur 80 Jahr höfischen Lebens; (dann zogen die Herzöge wieder nach Schwerin). Zurück blieb aber eine spätbarocke Stadtanlage, wie man sie selten findet.

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Beauty matters!

  • Um 1765 begann man das heruntergewirtschaftete Dörfchen Klenow umzugestalten; den neuen Namen Ludwigslust steuerte das 1724 errichtete herzogliche Jagdhaus bei. Erhalten blieb eine der wertvollsten Stadtanlagen Norddeutschland.

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Ludwigslust

    Fortsetzung folgt...

    Beauty matters!

  • Was hats mit dieser holden, in korrekt- züchtigem Damensitz dahintrabenden Maid auf sich, die wohl (laut Stadtplan) Alexandrine heißt?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das ist das Denkmal der Großherzogin Alexandrine (1803-1892). Sie war eine Tochter der berühmten preußischen Königin Luise und wurde nach Mecklenburg verheiratet. Von 1822-1837 lebte sie zusammen mit ihrem Gemahl Paul Friedrich in Ludwigslust. Nach dem Regierungsantritt verlegte das Paar jedoch seine Residenz nach Schwerin.

    Ludwigslust, Alexandrinenplatz, "Reitende Alexandrine", Denkmal der Großherzogin Alexandrine (Foto: Ruchhöft-Plau, 2011, CC-BY-SA-3.0)

    Alexandrinenplatz, "Reitende Alexandrine", Denkmal der Großherzogin Alexandrine (Foto: Ruchhöft-Plau, 2011, CC-BY-SA-3.0)

    Das Reiterstandbild wurde 2003 von Andreas Krämmer geschaffen. Krämmer war einige Jahre bei Jürgen Weber in Braunschweig, dem wohl profiliertesten Vertreter der realistischen Richtung unter den Bildhauern Westdeutschlands. Künstlerisch stand Weber der Halleschen Bildhauerschule nahe. Auch bei Krämmer sind Bezüge zur Halleschen Schule, namentlich zu Bernd Göbel, nicht zu übersehen. Göbel zog dann gewissermaßen 2017 mit seinem Denkmal der Herzogin Luise Dorothea in Gotha nach.

    Das Pferd der Alexandrine erinnert mich an Redefin, das ja nicht weit von Ludwigslust entfernt ist. Dort befindet sich das mecklenburgische Landgestüt. (Der Name Redefin wird übrigens auf der ersten Silbe betont. Leute, die nicht aus der Region sind, betonen die Ortsnamen oft falsch.)

  • Bei aller Schönheit der Architektur: Ich war ein paar mal in Ludwigslust, und konnte mit der gradlinigen, "künstlichen" Stadtstruktur nicht warm werden.

    Die Geradlinigkeit und Übersichtlichkeit ist für mich einer der entscheidenden Mängel der Moderne. Ansätze dazu gab es, wie am Beispiel Ludwigslust zu sehen, schon lange vor 1918.

    M. m. n. kein Wunder, dass man Schwerin später wieder den Vorzug gab, und das liegt IMHO nicht nur an der naturräumlich phantastischen Lage.

  • Wobei mir das, wenn ich mir den Stadtplan anschaue, gar nicht mal nur so geradlinig vorkommt. Ich war unlängst wieder in Mannheim, dessen Innenstadt ja wirklich eine fast komplett geradlinig strukturierte barocke Stadtanlage bildet. Dort aber fällt es mir teils gar nicht so auf. Ob das an der großenteils modernen Architektur, den von der Architektur weglenkenden Geschäften und Werbetafeln liegt, weiß ich nicht. Barocke Städte wie Mannheim oder Karlsruhe (fächerförmig "gerade") bilden da so eine Vorstufe zu modernen Stadtanlagen a la New York. In Ludwigslust mag die Geradlinigkeit womöglich besonders auffallen, weil da nicht so viel ist, das von der städtebaulichen Grundstruktur ablenkt. Aber das ist nur meine Vermutung, denn ich war noch nicht dort.

  • Zurück zum Schloss

    Hier die Rückansicht. Ein Engländer besuchte den Ort 1766, als es vom Schloss erst einen Plan gab, aber die Gartenanlage schon fertig war. Der Reisende schwärmt: "Niemand als Homer könnte es unternehmen, einen solchen Park zu schildern"

    Mehr Fotos von der Parkanlage folgen noch nach.

    Beauty matters!

  • Im Knaurs Kulturführer DDR steht, dass Ludwigslust beträchtlich zerstört wurde und von jüngeren DDR-Umgestaltungen weitgehend seines Reizes beraubt worden ist. Das scheint lt diesen Bildern nicht zuzutreffen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Im Knaurs Kulturführer DDR steht, dass Ludwigslust beträchtlich zerstört wurde und von jüngeren DDR-Umgestaltungen weitgehend seines Reizes beraubt worden ist. Das scheint lt diesen Bildern nicht zuzutreffen.

    In der Tat ist das nicht zutreffend. Ich empfehle an dieser Stelle zu entsprechender Fachliteratur neueren Datums zu greifen. Die erste Anlaufstelle für den Denkmalbestand und die vorhandene historische Stadtstruktur sollte immer der Dehio sein.

    Ludwigslust hat die Gestalt einer typischen Residenzstadt der Neuzeit, wie man sie im Nordosten auch noch in Neustrelitz und Rheinsberg wiederfindet.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Gut so. Was ich mich erinnere, bezog sich dies auf Straßenmöblierung (Pflaster, Alleebäume). Aber auch das scheint völlig intakt zu sein...

    -Oder sind das relative Neubepflanzungen, und in den 70ern oder 80ern gab es höhere und schattigere Bäume?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Um die Proportionen der Vasen mal in Szene zu setzen. Diese sind aus Zinkguss und haben mich sehr beeindruckt.

    Außerdem ist das Innere, erst zum Theil, sehr hübsch renoviert.

    Ein Barometer im Schlafzimmer

    Präsenztafeln. Originale. Die Diener mussten diese Grüßen. So hielt man wohl das Personal im Training.

    Ein Kronleuchter der dem in pillnitz von der Machart her ähnlich sieht.

    Der große Saal mit einer supraporte.

    Und die sehr interessante stadtkirche über 300 m2 altarbild mit Orgel dahinter. Und Uhr am der Decke.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Präsenztafeln. Originale. Die Diener mussten diese Grüßen.

    Wie oft werdn sie denen die Zunge gezeigt haben?`

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Und die sehr interessante stadtkirche über 300 m2 altarbild mit Orgel dahinter. Und Uhr am der Decke.

    Das Altarbild, das die ganze Apsis ausfüllt, ist der 'Wahnsinn'! Und ich fragte mich gleich, wo denn die Orgel ist. Man sieht wohl einen Ausschnitt eines Orgelprospektes, aber der scheint wie gemalt. Der Wikipedia-Artikel gibt mehr Aufschluss: Was aussieht wie Quadermauerwerk mit direkt darauf gemaltem Gemälde, sind Pappmaché-Vierecke. Diese nehmen etwa zwei Drittel der Apsishöhe ein und sind wie ein Paravent vor die eigentliche Apsis gestellt. Dazwischen sind die Sakristei, Orgel und Sängeremporen angeordnet. Vom Platz her kann ich mir dies allerdings nicht gut vorstellen. Leider konnte ich nirgends einen Grundrissplan der Kirche finden.

  • Präsenztafeln. Originale. Die Diener mussten diese Grüßen. So hielt man wohl das Personal im Training.

    Das höre ich das erste Mal. Wenn das stimmt, ist es ein Beispiel für die gesellschaftlichen Absurditäten, die es auch schon in früheren Jahrhunderten gab. Und ein Beispiel für die Abrichtung und Kleinhaltung von Menschen.

    300 m2 altarbild

    Das Altarbild ist indes sehr beeindruckend.

  • Das höre ich das erste Mal. Wenn das stimmt, ist es ein Beispiel für die gesellschaftlichen Absurditäten, die es auch schon in früheren Jahrhunderten gab. Und ein Beispiel für die Abrichtung und Kleinhaltung von Menschen.

    Das Altarbild ist indes sehr beeindruckend.

    Also das mit dem "im Training bleiben" ist eine Interpretation von mir. Die Tafeln sind aber wirklich eine Kuriosum und wohl nur noch hier erhalten. Auch die Qualität ist beeindruckend.

    Es diente vermutlich eher repräsentativen oder vieleicht auch sentimentalen Zwecken bei Abwesenheit der Person.

    Es soll ja auch damals bestimmt schon Menschen gegeben haben die gerne die Rolle eines Dieners oder einer Magd begleitet haben da die Alternativen auch nicht so dolle waren.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Präsenztafeln. Originale. Die Diener mussten diese Grüßen. So hielt man wohl das Personal im Training.

    Das sind Figurentafeln, die der Hofmaler Georg David Matthieu angefertigt hat. Ich bin skeptisch, dass die wirklich als "Präsenztafeln" mit Grußpflicht dienten sollten, denn Matthieu hat in selbiger Art auch den Kammerdiener Völler verewigt: http://www.kulturstiftung.de/warten-auf-schwerin/

    Und den Hofzwerg Kremer:

    1024px-Figurentafeln_Lulu_4_2013_3.JPG
    Figurentafeln Lulu 4 2013 3 Georg David Matthieu / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

    Edit: Seebastian kam mir mit seiner Antwort zuvor.

  • Das Altarbild, das die ganze Apsis ausfüllt, ist der 'Wahnsinn'! Und ich fragte mich gleich, wo denn die Orgel ist. Man sieht wohl einen Ausschnitt eines Orgelprospektes, aber der scheint wie gemalt. Der Wikipedia-Artikel gibt mehr Aufschluss: Was aussieht wie Quadermauerwerk mit direkt darauf gemaltem Gemälde, sind Pappmaché-Vierecke. Diese nehmen etwa zwei Drittel der Apsishöhe ein und sind wie ein Paravent vor die eigentliche Apsis gestellt. Dazwischen sind die Sakristei, Orgel und Sängeremporen angeordnet. Vom Platz her kann ich mir dies allerdings nicht gut vorstellen. Leider konnte ich nirgends einen Grundrissplan der Kirche finden.

    Es ist ein klassisches Beispiel von Trompe-l’œil-Malerei, die vor allem im Barock ihre Blütezeit besaß: illusionistische Malerei, die Architektur vorspielt. Einer der bekanntesten Künstler auf diesem Gebiet war Andrea Pozzo. Beispiel Jesuitenkirche Wien: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…urch_Vienna.jpg

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    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen