Farbgebung von Fachwerkhäusern: Bunt oder nicht?

  • Abend erstmal

    Was haltet ihr von der Farbgebung der Fachwerkhäuser in unserer Zeit?

    Während man in Deutschland ja meist nur die Zwischenräume bunt gestaltet, sind diese im Elsass sehr bunt, was natürlich Touristen anlockt und in meinen Augen auch sehr schön anzusehen ist. Vor allem im südlichen Deutschland werden Fachwerkhäuser ja auch immer öfter bunt.
    Wie denkt ihr darüber? Ist es falsch Fachwerkhäuser so bunt zu gestalten, weil historisch unkorrekt oder kitschig oder ist es gut so?
    Ich habe noch ein paar Bilder verlinkt, da ich selbst nur einmal im Elsass war und die Fotos jetzt nicht parat habe.


    https://images.app.goo.gl/HCkmw3zbcMFeXJRc8



    https://images.app.goo.gl/tFx5kiNRxk2zuABA9

    https://images.app.goo.gl/Bzn4x6QDTE5i6rodA

    Und noch ein Beispiel aus Deutschland:


    https://images.app.goo.gl/n3dBYRiwa7dUdYiG8


    Ich freue mich auf eure Antworten.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Wie denkt ihr darüber? Ist es falsch Fachwerkhäuser so bunt zu gestalten, weil historisch unkorrekt oder kitschig oder ist es gut so?

    Sofern die Häuser unter Denkmalschutz stehen, wird man wahrscheinlich versuchen, die Originalfassung herzustellen. Die Farbigkeit der Gefache (das sind die Zwischenräume, die du meinst) ist von Region zu Region durchaus verschieden. Auch das dortige Material oder die Gewohnheit, die Flächn zu verputzen. In Nordeuropa wirst du es häufig antreffen, dass die Gefache mit Backstein gefüllt und steinsichtig sind.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Sofern die Häuser unter Denkmalschutz stehen, wird man wahrscheinlich versuchen, die Originalfassung herzustellen. Die Farbigkeit der Gefache (das sind die Zwischenräume, die du meinst) ist von Region zu Region durchaus verschieden. Auch das dortige Material oder die Gewohnheit, die Flächn zu verputzen. In Nordeuropa wirst du es häufig antreffen, dass die Gefache mit Backstein gefüllt und steinsichtig sind.

    Vielen Dank für die Antwort, aber ich wage es zu bezweifeln, dass diese starken bunten Farben schon früher im Elsass verwendet wurden. Ich habe dazu leider bisher auch nichts im Internet gefunden.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Vielen Dank für die Antwort, aber ich wage es zu bezweifeln, dass diese starken bunten Farben schon früher im Elsass verwendet wurden.

    Und durch welche belastbaren Untersuchungen oder Analogien lässt sich das belegen?

    Ich habe dazu leider bisher auch nichts im Internet gefunden.

    Ich befürchte, dass eine solch spezielle Problematik nicht wirklich im Internet geklärt werden kann. Hier muss man in die Dokumentationen schauen, die im Idealfall über bestimmte Objekte angefertigt worden sind.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Und durch welche belastbaren Untersuchungen oder Analogien lässt sich das belegen?

    Ich befürchte, dass eine solch spezielle Problematik nicht wirklich im Internet geklärt werden kann. Hier muss man in die Dokumentationen schauen, die im Idealfall über bestimmte Objekte angefertigt worden sind.

    Ich habe nur eine Vermutung Aufgestellt, die sich darauf stützt, dass in meiner Heimat Oberbayern die meisten Häuser in früheren Zeiten weiß, gelb oder grau waren, wobei die Farben auch nicht sonderlich kräftig ausgeführt waren (Lüftlmalerei bildet dabei eine Ausnahme, diese war aber auch auf diesen Farben aufgetragen).Da ich nicht glaube, dass das anderswo im deutschen Sprachraum so extrem anders war, habe ich das einfach mal aufs Elsass übertragen. Aber ich bin bei weitem zu jung um das zu wissen und ich will sie mit all ihrer Erfahrung nicht in Frage stellen. Es ist eben nur eine Vermutung.


    Und zu den Dokus: da müsste ich wirklich einmal schauen wo sich sowas finden lässt. Vielen Dank.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Ein schoenes Wilkommen VonSalza!

    Hier ein Standartwerk fuer Bayern, kann teilweise auf ganz Europa dere damaligen Zeit uebertragen werden.

    Experte Dieter Wieland erklaert das Thema Farbe im Hausbau ganz genau.

    Sehr kurzweiliger Film,

    Dieter Wieland`s Topographie "Die Farbe:"

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  • Also stimmst du mir zu, dass diese Häuser früher eher nicht so aussahen?

    Bestimmt sahen die Häuser im Elsass früher so nicht aus! Colmar und Straßburg und viele andere Orte des Elsass kenne ich recht gut. Da gibt es diese schreiende Farbigkeit nicht. Ich nehme an, dass die angebotenen Links meist zu kolorierten Postkartenbildern gehen - hier wird Touristenwerbung betrieben! Man findet diese knallbunten Fachwerkhäuser in solcher Werbung oft. Wobei zu beachten ist, dass die Farbigkeit nie vom Gebälk ausgeht, sondern vom Verputz der Häuser, vor allem der Häuser ohne Fachwerk, die auf solchen buntfarbigen Bildern großflächig den Ton angeben.

    Allerdings muss man vorsichtig sein: Im 19. Jhdt. kamen vor allem an Bauerhäusern die neuerfundenen billigen Anilinfarben mit allerlei grünen, blauen, rosa, gelben, türkisen und anderen Hausanstrichen in Mode. An diesen grellbunten Farben orientieren sich diese Werbeansichten von bunten Straßen, die es möglicherweise aber in manchen Gegenden, wenn auch nicht so ganz grell tatsächlich in größerem Ausmaße aus der Zeit des 19. Jhdt. gegeben hat. Ja, manchmal werden in Süddeutschland immer wieder gerade in Dörfern heute frisch restaurierte Häuser wieder so gestrichen und stechen dann aus der Farbgebung der umgebenden Häuser oft recht unangenehm heraus, sind aber als Mode des 19. Jhdt. durchaus als historisch gegeben zu nehmen und stehen für diese Zeit: Die Anilinfarben konnte sich jeder leisten und sie befriedigten das Bedürfnis nach Farbigkeit, zudem durften sie als fortschrittlich gesehen werden.

    Dass sich nun das Elsass hier besonders hervorgetan hat, glaube ich nicht. Die Anilinfarben sind auch eher in ländlichen Gebieten verbreitet gewesen, nicht in den herrlichen Fachwerkstädten des Elsass.

    In Deutschland und damit auch in der deutschen Zeit des Elsass wurde im 19. Jhdt. die Farbe Braun typisch für den Anstrich des Fachwerk-Gebälks. Das ist heute gerade in Straßburg und Colmar noch gut zu erkennen. Das französische Fachwerk in Städten wie Rouen oder Dijon war meist schwarz gefasst.

    Die Farbe Braun ist im Fachwerk keine historisch getreue Farbe. Dazu und zur historischen Farbigkeit des Fachwerks in Deutschland, die regional und zeitlich sehr große Unterschiede aufweist, nächstens mehr.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Bestimmt sahen die Häuser im Elsass früher so nicht aus! Colmar und Straßburg und viele andere Orte des Elsass kenne ich recht gut. Da gibt es diese schreiende Farbigkeit nicht. Ich nehme an, dass die angebotenen Links meist zu kolorierten Postkartenbildern gehen - hier wird Touristenwerbung betrieben! Man findet diese knallbunten Fachwerkhäuser in solcher Werbung oft. Wobei zu beachten ist, dass die Farbigkeit nie vom Gebälk ausgeht, sondern vom Verputz der Häuser, vor allem der Häuser ohne Fachwerk, die auf solchen buntfarbigen Bildern großflächig den Ton angeben.

    Allerdings muss man vorsichtig sein: Im 19. Jhdt. kamen vor allem an Bauerhäusern die neuerfundenen billigen Anilinfarben mit allerlei grünen, blauen, rosa, gelben, türkisen und anderen Hausanstrichen in Mode. An diesen grellbunten Farben orientieren sich diese Werbeansichten von bunten Straßen, die es möglicherweise aber in manchen Gegenden, wenn auch nicht so ganz grell tatsächlich in größerem Ausmaße aus der Zeit des 19. Jhdt. gegeben hat. Ja, manchmal werden in Süddeutschland immer wieder gerade in Dörfern heute frisch restaurierte Häuser wieder so gestrichen und stechen dann aus der Farbgebung der umgebenden Häuser oft recht unangenehm heraus, sind aber als Mode des 19. Jhdt. durchaus als historisch gegeben zu nehmen und stehen für diese Zeit: Die Anilinfarben konnte sich jeder leisten und sie befriedigten das Bedürfnis nach Farbigkeit, zudem durften sie als fortschrittlich gesehen werden.

    Dass sich nun das Elsass hier besonders hervorgetan hat, glaube ich nicht. Die Anilinfarben sind auch eher in ländlichen Gebieten verbreitet gewesen, nicht in den herrlichen Fachwerkstädten des Elsass.

    In Deutschland und damit auch in der deutschen Zeit des Elsass wurde im 19. Jhdt. die Farbe Braun typisch für den Anstrich des Fachwerk-Gebälks. Das ist heute gerade in Straßburg und Colmar noch gut zu erkennen. Das französische Fachwerk in Städten wie Rouen oder Dijon war meist schwarz gefasst.

    Die Farbe Braun ist im Fachwerk keine historisch getreue Farbe. Dazu und zur historischen Farbigkeit des Fachwerks in Deutschland, die regional und zeitlich sehr große Unterschiede aufweist, nächstens mehr.

    Ihr wissen begeistert mich.
    Das ist wirklich sehr interessant, vielen Dank für die Mühe.

    Woher haben sie solch spezielles Wissen? Durch ihre Besuche angeeignet?

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Vielen Dank, ich bin froh dabei zu sein.

    Den Film kenne ich glaube ich tatsächlich schon, aber ich schaue ihn gerne wieder an. Dieter Wieland ist immer interessant.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Zur Farbigkeit des Fachwerks muss man einige Dinge unterscheiden:

    Die Zeit der Fassung - man findet auf dem Gebälk oft mehrere verschiedene Farbschichten, die Mode wechselte.

    Die Landschaft oder Region, in der das Fachwerk errichtet und mit Farbe versehen worden ist. Hier haben wir konstruktive und ornamentale Unterschiede als Grundlage der Farbigkeit.

    Unterscheiden müssen wir die Farben auf den Hölzern von denen in den Gefachen.

    Zudem müssen wir Außen- und Innenbemalung unterscheiden.

    Dies alles umfassend allein für Deutschland darzustellen, ergäbe ein umfangreiches Werk. Ich gebe hier also nur einen ganz kurzen und sehr groben Überblick.

    Zunächst Süddeutschland:

    Bis auf Beilarbeiten an Knaggen und sonstigen meist sehr einfachen geschnitzten Verzierungen ist das Gebälk meist in einheitlicher Farbe bemalt. Die Pigmente waren sehr oft Ockererden, das ergibt die Farben rot oder gelb. Rot wird oft als Ochsenblut bezeichnet. Aber Blut als Anstrich würde rasch schwarz werden, möglicherweise wurde Plasma von Tierblut als Konservierungsanstrich benützt. Dazu kommt die Farbe grau, die seit dem späten 16. Jhdt. modisch auftritt; es handelt sich um eine Mischung aus Kalk und Kohle. An Bauernhäusern oder Scheunen wurde bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg oft gekälkt, das ergibt eine weißliche Farbe, die sich vom Kalkanstrich der Gefache kaum abhob.


    Die Farben ockergelb, (ocker)rot und grau sind in Süddeutschland die beherrschenden Fachwerkfarben. Hier in der Schieringerstraße in Bietigheim. Die braune Farbe wurde seit dem 19. Jhdt. meist über die Vorgängerschichten drüber gemalt und ist eigentlich ahistorisch

    Seit den Siebzigerjahren sucht man bei der Restaurierung von Fachwerk in der Regel nach der Farbe, die das Holz zur Zeit der Errichtung des Hauses trug.

    Farben an einem Haus in Dürrmenz, Stadtteil von Mühlacker

    Schnitzarbeiten an Häusern in Süddeutschland heben sich farblich vom Gebälk grundsätzlich ab. Spiralstäbe an Eckpfosten oder an Knaggen oder Giebelverzierungen, aber meist in schlichten Formen und Farben.

    Eckständer am Gasthaus zur Peif in Idstein in Hessen

    Je weiter wir nach Norden kommen, desto farbenfreudiger werden die immer reicheren Ornamente gefasst.

    Im norddeutschen Fachwerk haben wir oft die Palmette als Hauptornament, es erschließt sich eine eigene und sehr faszinierende Welt, wenn man den farbigen Fachwerkbau im Norden, in Einbeck, Lemgo, Hameln oder Celle eingehend betrachtet.

    Hier die Tidexerstraße in Einbeck

    Oder die letzte erhaltene Fachwerkzeile von Hildesheim

    Hier sind die Gefache mit geschnitzten Bildwerken gefüllt. Noch weiter im Norden werden oft ornamentale Setzungen von Backsteinen zur Ausfüllung von Gefachen verwendet.

    Ein Höhepunkt der Farbigkeit am Knochenhauer Amtshaus in Hildesheim (Rekonstruktion)

    Im Süden sind es oft nur schlichte farbige, meist aber nur schwarze, rote, gelbe oder graue Begleitlinien innerhalb der Gefache. Füllungen mit gemalten Ornamenten innerhalb der Begleitlinien sind selten, aber doch immer wieder zu finden.

    Hier die Fachwerk-Innenbemalung des Hornmoldhauses erbaut 1536 in Bietigheim, die Bemalung hier um 1575

    Es handelt sich im Innenbereich um Kalk-Kasein-Farben. Die Grundlage der Farben bei der Außenbemalung dürften ähnlich gewesen sein. Vielleicht weiß jemand mehr zur Zusammensetzung der Farben im Außenbereich.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Vielen Dank für die Antwort, aber ich wage es zu bezweifeln, dass diese starken bunten Farben schon früher im Elsass verwendet wurden. Ich habe dazu leider bisher auch nichts im Internet gefunden.

    Ich denke mal Riegel könnte Dir darauf eine fundiertere Antwort geben, als ich es vermag. Ich persönlich glaube nicht, daß die Häuser damals so quietschbunt angepinselt wurden, zumal Farben damals recht teuer waren.

    Auch empfinde ich es persönlich nicht schön (gut, mein 3 Jähriger sieht es etwas anders), es wirkt für mich etwas wie Legoland.

  • Vielen Dank für diesen hoch interessanten Überblick. Und ich dachte immer braun ist für den gesamten Süden traditionell..., zumindest die häufigste Farbe. Vielen Dank, dass sie mich Eines besseren belehrt haben.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • In Franken gibt es auch einige monochromatische Fachwerkgebäude mit teilweise kräftigen Farbfassungen nach Befund:

    Marktbergel Rotes Roß

    Marktbergel Rotes Roß

    Fürth Königstrasse 17

    Fürth Königstr.17

    Häuser mit dieser Farbgebung habe ich noch nie gesehen, mir war nicht bewusst, dass man früher auch beides gleich gestrichen hat, vielen Dank.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Sieht wirklich sehr schön aus.

    Mal abgesehen da von daß es in Heiligenhafen eine saugute Wirtschaft ist, so finden sich da auch noch so einige gut erhaltene Fachwerkhäuser, welche von Farbanstrichen verschont blieben. Die Ziegelbauweise zwischen den Fachwerken ist wohl die klassische, aber es gibt wohl auch verputzte. Das Fachwerkornamente farblich hervorgehoben wurden, ja, das halte ich schon für denkbar. Das man den ganzen Putz überstrichen hat, eher nicht.