Eigentlich ist es erstaunlich, dass es hierzulande für einen Großteil des gründerzeitlichen Baubestandes keinerlei Vorgaben für die gestalterische Qualität bei Fassadensanierungen gibt. Obwohl diese Bauten inzwischen mehr als 100 Jahre alt sind, gibt es - um hier beispielsweise für Berlin zu sprechen - für die meisten zwischen 1871 und 1918 erbauten Häuser keine Gestaltungssatzungen und keine Zuordnung zu Denkmalbereichen oder gar eigenen Denkmalschutz.
Bei Gründerzeitlern mit Putzfassade wird etwa alle 25-70 Jahre zwangläufig eine Sanierung fällig - die Hausbesitzer sind also ohnehin in der Situation, Geld für die Überarbeitung der Gebäudefassaden auszugeben. Aber sie erhalten keinerlei Vorgaben, nicht einmal eine Handreichung oder sonstige Hinweise, welches Erscheinungsbild ihrer Immobilie für das Stadtbild passend, historisch angemessen und wünschenswert wäre. Das Ergebnis der Sanierung, die Farbwahl, der Umgang mit der Ornamentik, ist mehr oder weniger Glückssache. Dennoch wird die Mehrheit der Hausbesitzer auf Grund eigener Bildung und Geschmackssicherheit, vielleicht auch dank der Empfehlung der sanierenden Firma eine irgendwie passende Gestaltung für ihr Objekt finden. Oft genug aber auch nicht. Einzelne traurige, teils niederschmetternde Ergebnisse misslungener Sanierungen sollen in diesem Strang dokumentiert werden - in der vagen Hoffnung, diese Beklagung möge nicht vergebens sein. Aber dazu ein andernmal mehr.
Beginnen möchte ich mit Berlin-Kreuzberg, weil dort der Kontrast zwischen den perfekt sanierten gründerzeitlichen Altbauten im Denkmalbereich rund um den Chamissoplatz (Denkmalkarte) südlich der Bergmannstraße, und den nicht minder wertvollen, aber völlig ungeschützten benachbarten Straßenzügen um die Solms- und Zossener Straße nördlich der Bergmannstraße geradezu schmerzlich ins Auge fällt.
Zossener- Ecke Bergmannstraße, am Marheinekeplatz ... eines weiteren Kommentars bedarf es wohl nicht:
Zur Bergmannstraße hin ist bei diesem Gründerzeitler sogar noch teilweise der Stuck vorhanden. Eine Beratung bei der Farbauswahl unter Berücksichtigung des umgebenden Baubestandes scheint es für diesen Hausbesitzer nicht gegeben zu haben.