Kriegszerstörungen in Mitteleuropa zwischen 1500 und 1900

  • Der bis dahin zumindest im Westen Europas gute Ruf der Preußen, soll sich erst im Zusammenhang mit der Belagerung von Paris im Jahre 1871 verschlechtert haben.

    Erst ab den drei Kriegen von der Reichsgründung (deutsch-dänisch, deutsch-deutsch, deutsch-französisch) stieg Preußen durch Deutschland zu einer Ernst zu nehmenden, richtigen europäischen Großmacht auf. Kein Wunder, dass diese Konkurrenz "dem Westen" (Frankreich, GB) nicht schmeckte, sich insofern der "gute Ruf" verschlechterte.

  • Ob dies angeordnet oder systematisch war und über das in Kriegen in dieser Zeit "Übliche" hinausging, müssten wir, soweit dies hierweiter diskutiert werden sollte, seriöser weise erst einmal prüfen.

    Das müssen wir nicht diskutieren. Diese Fragen sind in der Geschichtswissenschaft längst geklärt:
    1.) Die Verwüstungen der Pfalz waren von oben angeordnet (was ist der Anweisung Ludwigs XIV. "Brûlez le Palatinat!" mißverständlich?).
    2.) Sie gingen deutlich über das in der damaligen Zeit Übliche hinaus. Plünderungen und Brandschatzungen erfolgten bis dahin im Europa der Frühen Neuzeit weitgehend unsystematisch und ohne übergreifende Planung oder Zielsetzung.
    Das Neue am Pfälzischen Erbfolgekrieg war, dass die Taktik der verbrannten Erde erstmals in einem europäischen Krieg der Frühen Neuzeit planmäßig, gezielt und systematisch angewandt wurde (und wie gesagt: das ist Konsens in der Geschichtswissenschaft).

    Trotzt der Kriege hatte aber während des 18. Jahrhunderts in den Ländern des deutschen Reiches hingegen Frankreich durchaus einen positiven Ruf, auch noch zu Beginn der Revolutionskriege, zumindest bei einem Großteil der Bevölkerung.

    Bei den Fürsten vielleicht, die Frankreich nachzuahmen versuchten. In der (süddeutschen) Bevölkerung sicherlich nicht, wie die bürgerliche Publizistik im Zusammenhang mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg sehr eindrücklich zeigt.

    In nationalstattlichen Kategorien wird bis dahin auch Niemand, zumindest nicht Viele, gedacht haben.

    Auch falsch. Siehe den "Reichspatriotismus" des 17. und 18. Jahrhunderts. Ohne den wäre auch kaum erklärbar, warum die protestantischen Reichsstände dem katholischen Kaiser mit einer großen Armee zu Hilfe kamen und die Pfalz verteidigten. Erst diese Hilfe hat den Krieg zugunsten des Reichs entschieden.

  • Das müssen wir nicht diskutieren. Diese Fragen sind in der Geschichtswissenschaft längst geklä

    Ich hatte damit das Töten von Zivilisten und Vergewaltigungen gemeint. Das war vielleicht etwas missverständlich. Dass die Verwüstungen, insbesondere Brandschatzungen angeordnet und systematisch waren, bedarf in der Tat keiner Diskussion.

    In der (süddeutschen) Bevölkerung sicherlich nicht, wie die bürgerliche Publizistik im Zusammenhang mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg sehr eindrücklich zeigt.

    Da würden mich Quellen interessieren.

    Auch falsch. Siehe den "Reichspatriotismus" des 17. und 18. Jahrhunderts.

    "Reichspatriotismus", ist aus meiner Sicht etwas anders als Denken in Nationalstaatlichen Kategorien.

  • "Reichspatriotismus", ist aus meiner Sicht etwas anders als Denken in Nationalstaatlichen Kategorien.

    Was ist dann deiner Auffassung nach ein "Denken in nationalstaatlichen Kategorien"?

    Zitat:

    "Ohne Zweifel ist Mélac der am meisten genannte und beschriebene Akteur in den Flugschriften zur ersten Zerstörung Heidelbergs. Er verkörpert für die Zeitgenossen alles Böse und Grausame. Das heißt allerdings nicht, dass er allein für die Grausamkeiten der französischen Truppen verantwortlich gemacht wird – schließlich ist es stets nicht nur der französische Offizier, sondern er „samt seiner verfluchten Französischen Rott", der Heidelberg und das Umland terrorisiert; nicht nur ein einziger Offizier fällt über die Pfalz her, sondern „Die Barbarischen und Tyrannischen Franzosen“. Der Brigadier wird jedoch stets aus dieser anonymen Masse herausgehoben als Exempel französischer Grausamkeit. Er bildet gewissermaßen das personalisierte Feindbild." (Quelle: Bothe, Jan Philipp: Von Mordbrennern und Feuer-Hunden. Heidelbergs Zerstörungen im Neunjährigen Krieg als frühneuzeitliche Medienereignisse, S. 24)
    Ist das kein "Denken in nationalstaatlichen Kategorien"?

  • Weitere Belege bei Stolleis, Michael: Reichspublizistik und Reichspatriotismus vom 16. zum 18. Jahrhundert. In: Aufklärung, Vol. 4, Nr. 2 (1991), S. 7-23. Insbesondere S. 16 f.

  • Eigentlich nicht. Dass es französische Truppen waren, die die Pfalz verwüstet haben, ist ja unbestritten und haben selbstverständlich auch die Zeitgenossen so gesehen. Ob sie dies auch als "Erbfeindschaft" oder aucz nur grundsätzliche Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich gesehen haben, bezweifle ich.

    Eine Quelle die meine These bezüglich der Bewertung Frankreichs in den Ländern des Deutschen Reiched m 18 Jahrhundert ist dies das von dir zitiert Werk auf den ersten Blick auch nicht. Ich werde das aber noch genauer nachlesen, nur heute nicht nicht mehr.

  • Ob sie dies auch als "Erbfeindschaft" oder aucz nur grundsätzliche Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich gesehen haben

    Ich habe nicht behauptet, dass die Zeitgenossen das als Erbfeindschaft gesehen haben, sondern dass die gegen Deutschland gerichteten französischen Eroberungskriege des 17. und 18. Jahrhunderts die Wurzel dessen waren, was später "Erbfeindschaft" genannt wurde.

  • Deutschland als Nebenkriegsschauplatz im 30jährigen Krieg zu begreifen, entbehrt meiner Auffassung nach nicht einer gehörigen Portion Zynismus

    Da haben wir gründlich aneinander vorbeigeredet :D Deutschland war zunächst ein Nebenkriegsschauplatz für die Franzosen im Kampf gegen Spanien, die beide ihren Hegemonialkampf vor allem in Flandern, Norditalien und in Katalonien austrugen. Ein kleines Vorspiel dazu war der Mantuanische Erbfolgekrieg, bei dem Spanier und Franzosen sich im Piemont bekämpften, während die Kaiserlichen bewusst den Franzosen aus dem Weg gingen und stattdessen Mantua belagerten, das nach der Eroberung 1630 schwer geplündert wurde. Die kaiserlichen Generäle nahmen unzählige Kunstschätze mit sich, einer dieser Generäle war Piccolomini, der als großer Kunstliebhaber später mehrere seiner Schlachten von Pieter Snayers auf Leinwand bringen ließ (z. B. die Einnahme von Neunburg vorm Wald in der Oberpfalz im Jahr 1641).

    Sowohl Richelieu als auch der Kaiser zögerten lange, ob sie in einen direkten Krieg gegeneinander treten sollten. Richelieu wollte weder protestantisch dominiertes Kaiserreich noch einen uneingeschränkten habsburgischen Universalmonarchen. Nach der schwedischen Niederlage bei Nördlingen 1634 war erstere Gefahr gebannt, letztere dagegen wurde immer akuter. Richelieu ist bekannt als zynischer Machtpolitiker, dem jedes Mittel Recht war, um Frankreich zu stärken und die Habsburger zu schwächen. Die Hauptlast des Krieges gegen die Kaiserlichen (die "Drecksarbeit") lag aber stets bei den Schweden. Bis zum Sieg bei Rocroi gegen die Spanier 1643 haben die Franzosen nur die von einst von Bernhard von Sachsen-Weimar aufgestellten protestantischen Söldner in Deutschland kämpfen lassen, eigene Truppen standen dafür nicht zur Verfügung. Und erst beim Bayernfeldzug 1646 drangen die Franzosen weit in Deutschland vor. Dabei und nochmal 1648 wurde Bayern verheert, um dem Kaiser seinen letzten Verbündeten im Reich (und im Grunde genommen auch der einzige Verbündete im Reich, der den Kaiserlichen in diesem Krieg jemals wirklich militärisch von Nutzen war) zu nehmen. Das Plündern überließen die Franzosen wieder weitestgehend den Schweden, weil sie die Bayern langfristig als Verbündete gegen die Habsburger sahen. Trotzdem haben sie zynischerweise die Plünderung Bayerns erst möglich gemacht. Ob die Schweden dabei größere Beute gemacht haben als ihre Truppen zu ernähren, ist mir nicht genauer bekannt. Bis auf Landshut haben sie 1646/48 keine größere bayrische Stadt eingenommen. Ein enormer finanzieller Gewinn für die Schweden und ein enormer kultureller Verlust für die habsburgischen Erblande war dagegen die Plünderung der Prager Kleinseite 1648, der sogenannte Prager Kunstraub (siehe dazu auch diesen interessanten Text aus schwedischer Sicht) .

    Insgesamt waren die französischen Feldzüge im Dreißigjährigen Krieg weder auffällig zerstörerisch noch auffällig "schonend". Und was ich wiederum für zynisch halte, ist der Titel des zitierten Welt-Artikels "Mit diesem Vertrag begann die Verwüstung Deutschlands". War vorher nur die Aufwärmrunde? Das Qualifiying für die beste Startposition bei der Verwüstung unseres Landes? Klar, ich verstehe schon, was damit gemeint sein soll, die zweite Kriegshälfte wird generell als die verheerendere beschrieben (durch die Erschöpfung aller Seiten konnte man nicht mehr viel gewinnen, nur noch die Ressourcen der Gegenseite schwächen) - und Frankreich trug politisch eine entscheidende Verantwortung dafür. Die muss man sicher nicht der heutigen Freundschaft wegen unter den Teppich kehren. Ein bisschen Differenzierung schadet aber auch nicht. Die Mordbrennerei eines General Mélacs und seiner Kollegen war schon ein recht singuläres Ereignis. Bei späteren Kriegen wurde auch gezielt zerstört, das beschränkte sich aber meist auf militärische Bauwerke. 1734 sprengten die Franzosen die Grevenburg an der Mosel nach erfolgreicher Belagerung, in den Revolutionskriegen machten sie das Gleiche mit Rheinfels und Ehrenbreitstein, nachdem sie letzteren zum ersten Mal bezwingen konnten. Während der Revolution kam dafür der Furor gegen Schlösser und Kirchen dazu, im Inland wie im Ausland. - Pagentorn hatte schon das Homburger Schloss Karlsberg angekündigt, aber ich hoffe, es wird auch noch vom Pirmasenser Schloss die Rede sein, dessen absurde und leider zu kurze Geschichte an dieser Stelle vielleicht etwas gewürdigt werden kann ;)

  • Trotzt der Kriege hatte aber während des 18. Jahrhunderts in den Ländern des deutschen Reiches hingegen Frankreich durchaus einen positiven Ruf, auch noch zu Beginn der Revolutionskriege, zumindest bei einem Großteil der Bevölkerung.

    Da würden mich Quellen interessieren.

    In der Tat, da würden mich in diesem Fall auch Quellen interessieren, dass das Bild der Franzosen im genannten Zeitraum in den deutschen Landen (insbesondere im Südwesten) im Volk - nicht unter Adel und "Großbürgertum" - durchaus positiv war.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Ich habe nicht behauptet, dass die Zeitgenossen das als Erbfeindschaft gesehen haben, sondern dass die gegen Deutschland gerichteten französischen Eroberungskriege des 17. und 18. Jahrhunderts die Wurzel dessen waren, was später "Erbfeindschaft" genannt wurde.

    Wenn Du das so formulierst, kann ich mich der Aussage anschließen.

  • Architektonische Rundschau 1908.

    Tönning, Johann Adolf Straße 29, Haus aus der Zopfzeit bzw. dem Frühklassizismus:


    Tönning, Herrengraben 2, Haustüre aus der Zopfzeit bzw. dem Frühklassizismus: