Moritzburg bei Dresden

  • In diesem Strang geht es um die Gemeinde Moritzburg im Landkreis Meißen sowie um das gleichnamige Schloss- und Parkensemble. Kultur und Natur gehen hier eine besonders schöne Verbindung ein. Moritzburg ist nicht nur ein Schauplatz barocker Prachtentfaltung, sondern auch des expressionistischen Aufbruchs in der deutschen Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hier fanden einst große Hirschjagden statt und werden heute noch Pferde und Karpfen gezüchtet. Moritzburg ist mit so illustren Persönlichkeiten wie August dem Starken, Aschenbrödel und Käthe Kollwitz verbunden. Die gesamte Vielfalt wird unter dem Begriff Moritzburger Kulturlandschaft zusammengefasst.

    Reizvoll ist schon die Anreise. Wer nicht in der Nähe wohnt, hat im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Er kann ab Radebeul-Ost die Schmalspurbahn nehmen oder am Bahnhof Dresden-Neustadt in den Bus einsteigen. Der Bus hat drei Vorteile: Er ist in den Verkehrsverbund Oberelbe integriert und damit kostengünstiger als die Lößnitzgrundbahn. Er hält in Moritzburg näher am Schloss, und er bietet während der Fahrt schöne Aussichten in die liebliche Landschaft. Einen Eindruck davon vermittelt das folgende Bild:

    Blick auf Moritzburg, zwischen den Bäumen die Dorfkirche (Foto: Cherubino, Oktober 2014, CC-BY-SA-4.0)

    Eisenbahnnostalgiker werden natürlich der Schmalspurbahn den Vorzug geben. Der "Lößnitzdackel" dackelt den überwiegenden Teil der Fahrt gemütlich durch den Lößnitzgrund.

    Lößnitzgrundbahn ("Lößnitzdackel" genannt) während der Fahrt durch den Lößnitzgrund (Foto: Rolf-Dresden, September 2006, CC-BY-SA-3.0)

    Fahrt durch den Lößnitzgrund (Foto: Dr. Bernd Gross, Juni 2014, CC-BY-SA-3.0)

    Den überwiegenden Teil der Fahrt begleiten uns schöner Laubwald und ein munteres Bächlein, der Lößnitzbach.

    Blick aus dem Zug während der Fahrt durch den Lößnitzgrund (Foto: Dr. Bernd Gross, Juni 2014, CC-BY-SA-3.0)

    Blick aus dem Zug während der Fahrt durch den Lößnitzgrund (Foto: Dr. Bernd Gross, Juni 2014, CC-BY-SA-3.0)

    Es muss nicht immer Architektur sein. So ein Blick ins Grüne, gelegentlich garniert durch einen Felsen, hat ja auch was.

    Blick aus dem Zug während der Fahrt durch den Lößnitzgrund (Foto: Dr. Bernd Gross, Juni 2014, CC-BY-SA-3.0)

    Fahrt durch den Lößnitzgrund (Foto: Dr. Bernd Gross, Juni 2014, CC-BY-SA-3.0)

    Kurz vor Moritzburg ändert sich dann das Landschaftsbild. Doch dazu mehr im nächsten Beitrag.

  • Rastrelli

    Jö, auf den Strang freue ich mich schon! Mit etwas Glück bekommen wir auch ein paar Bilder von meinem geliebten Fasanenschlößchen!

    Auf dem örtlichen Friedhof in Moritzburg ist einer der bedeutendsten Marinemaler des alten Österreich-Ungarn begraben. Ich habe vor langer Zeit einmal sein Grab besucht, da ich selbst ein Bild von ihm zu Hause habe. Vielleicht inspiriert mich dieser Strang dann auch dazu, einen Konnex zwischen Moritzburg und der alten österreichischen Riviera herzustellen, wo besagter Marinemaler aus Triest dann mit seinen Bildern vorkommt.

    Freue mich schon auf Bilder vom Jagdschloß et cetera. Ein wunderbarer Ort. Ach ja, ehe ich es vergesse. Man kann seit einiger Zeit auch in den Pavillons direkt am Teich und auf dem Schlossareal übernachten! Nur als Tipp, falls jemand einmal dieses wunderbare Fleckchen besuchen möchte:

    https://www.schloss-moritzburg.de/de/uebernachten/

  • Die von Rastrelli schon so schön eingeführte Moritzburger Kulturlandschaft wird geomorphologisch als Moritzburger Kleinkuppenlandschaft bezeichnet.
    Es handelt sich um eine

    - seltene,

    - kleinteilige und

    - wegen der unterschiedlichen Standortverhältnisse besonders artenreiche Kulturlandschaft mit vielen wertvollen Lebensräumen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinkuppenlandschaft

    Vereinfacht erläutert, war die Moritzburger Landschaft von den Endausläufern einer Gletscherzunge in einer Eiszeit abgehobelt worden. Dabei wurden Granitberge der Lausitzer Platte zu perfekt geformten abgerundeten Hügeln geformt, während die "Zwischenräume" durch Endmoränenschutt und abgehobelten Abraum gefüllt wurden.

    Um das Jahr 15oo zeigte sich die Landschaft um das heutige Schloss Moritzburg (nörd-, öst- und westlich = Friedewald) noch weitgehend ursprünglich. Es gab

    - felsige Kuppen mit Kiefern und Eichen,

    - zwischenliegend Buchenwälder auf mittleren Standorten oder

    - Bruchwälder und Sümpfe auf abflusslosen Senken.

    Der Friedewald war seit der deutschen Landnahme im Mittelalter Jagdwald der Landesfürsten und somit an vielen Stellen intakter natürlicher Laubwald, während umliegend durch den Raubbau am Wald Heiden entstanden und die agrarische Landnahme übliche Dorffluren entwickelten.

    1501 wurde der erste von heute ca. 2 Dutzend großen Teichen angelegt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Moritzburger_Teiche

    Der erste Kurfürst albertinischer Linie: Moritz (https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_(Sachsen) - für mich der bedeutendste sächsische Fürst neben August dem Starken - ließ in den Jahren 1542 bis 1546 nördlich des Örtchens Eisenberg am Randes des fürstlichen Jagdgebietes Friedewald auf einer kleinen Felskuppe in einem Sumpf ein Renaissance-Jagdschloss errichten.

    Es handelte sich dabei um ein zentrales rechteckiges Jagdhaus mit seitlichem Wendelstein.

    Dieses zentrale Haus war allseits von einem mit hoher Mauer umfriedeten weitläufigen Hof umgeben.
    Die Ecken der Einfassungsmauer waren durch 4 runde Ecktürme bastionsartig und regelmäßig betont. (oben links)

    Königliches Schloß Moritzburg (Grundrisse, Situationsplan), Blatt 1

    Renaissance Jagdschloss Moritzburg um 1550

    Leider konnte ich keine besseren Bilder im Netz finden. (Wer hilft?)

    (Ich finde es ist nicht zu fassen, dass es im Netz nicht ein brauchbares Bild des Renaissance-Schlosses oder einen Grundriss zu geben scheint. Zudem ist die Wikipedia-Seite zu Moritzburg lückenhaft bis falsch. Was macht Schlösserland Sachsen eigentlich seitens PR? Denken die noch weiter als bis Aschenbrödel?????)

    Bevor es zu den grandiosen Baumaßnahmen unter August dem Starken und seinem Sohn Friedrich August II kam und die heute gemeinhin bekannte barocke Schloss-Anlage entstand, wurde noch eine frühbarocke (zunächst) evangelische Schlosskapelle am alten Nukleus des Moritz´chen Moritzburgs (außerhalb der alten Einfassungsmauer) 1661 - 72 angebaut.

    Diese Kapelle kann als einer der frühesten bedeutenderen Barockbauten im albertinischen Sachsen gelten.

    Ihre schwere teigige Stuck-Deko hat sich erhalten.

    Die evangelische Kapelle wurde 1699 durch Änderung des Altars und andere Kleinigkeiten zur katholischen umgebaut.

    Dies war nötig, weil August der Starke seit 1697 katholisch ward, um polnischer König sein zu können, seine Sachsen ihn aber im Heimatland der Reformation keinen katholischen Gottesdienst feiern lassen wollten. So musste der Landesherr also tatsächlich für Gottesdienste Sonntags von Dresden nach Moritzburg reisen, weil man ihm in seiner Residenz unversöhnlich gegenüberstand*.

    Und Moritzburg bekam so die erste und zunächst einzige katholische Kirche Sachsens nach der Reformation.

    -----

    * Wir sehen also,

    - Buhrufe für die Queen vor der Kreuzkirche in 1992 wegen eines damals gerade neu errichteten Denkmals für "Bomber-Harris",

    - oder selbige unflätige Entäußerungen gegenüber Frau Merkel

    stehen in einer langen Tradition des zänkischen Bergvolkes im Südosten gegenüber Monarchen ;)

  • Ab 1703 ließ August der Starke durch den Zwingerbaumeister Pöppelmann einen grandiosen barocken Umbau Moritzburgs planen, das bis dahin nur sparsamst innerlich renoviert worden war. Nordischer Krieg und Fürstenhochzeit (mit Projekten v.a. in Dresden und Elbnähe) verunmöglichten aber zunächst Baumaßnahmen hier.

    August hatte somit bis in die 1720-er Jahre mit dem

    - bis dahin bestehenden alten Schloss Moritzburg,

    - Augustusburg bei Chemnitz,

    - Colditz

    - Zschopau

    - Wermsdorf

    - und zahlreichen weiteren ererbten Renaissance-Jagdschlössern

    lediglich Unmengen alte Kästen, aber nix modernes für die Jagd zu bieten...

    Das musste sich ändern!

    Ab 1721 wurde zunächst unweit des Renaissance-Jagdschlosses in Wermsdorf mit dem kompletten Neubau des (ersten) Jagdschlosses Hubertusburg begonnen. Nutzer dieser barocken repräsentativen Dreiflügelanlage waren jedoch der hiermit beschenkte Kurprinz und die kaiserliche Schwiegertochter. 1724 war es bezugsfertig und nutzbar.

    Somit musste August der Starke für sich nun mit Moritzburg nachziehen und von 1723 bis 1733 kam es zu den bedeutenden Baumaßnahmen am Schloss dort.

    1.

    Zuerst wurde einmal der die Granitkuppe mit Jagdhaus umgebende Sumpf in einen veritablen Teich verwandelt.

    2.

    Für den Bau des neuen barocken Schlosses Moritzburg entschied der sparsame August, für sein Projekt vorhandene Bausubstanz nach zu nutzen.

    Es wurde festgelegt, dass

    - die Kapelle erhalten bleiben müsse (im Grundriss links, daher nicht ganz achsial-symmetrisch),

    - die Mauern der südlichen Rundtürme komplett zu erhalten sind. (Sie wurden bedeutend aufgestockt),

    - die Umfassungsmauern des alten Jagdhauses und die Erdgeschoss-Gewölbe im mittleren Gebäudeteil zu erhalten seien.

    So kam es zum Bau des barocken Jagdschlosses Moritzburg mit seinem eigentümlichen und doch originellen Grundriss.


    Floor plan and elevation of Moritzburg Castle, near Dresden ...

    3.

    Leider starb August der Starke etwas zu zeitig...

    Sein phlegmatischer Sohn ließ mit seiner Inthronisierung als erstes das gerade fertig gestellte hochmodernen dreiflügelige barocke Jagdschloss Hubertusburg (1) abreißen und durch eine doppelt so große 4-Flügelanlage mit umgebenden weiteren Nebengebäuden (Hubertusburg 2) ersetzen.

    Außerdem wurde mit der Katholischen Hofkapelle in Dresden der größte Kirchenbau Sachens errichtet um im Sinne der Gegenreformation den Katholizismus gegen die Evangelisch-Protestantische Weltanschauung der Sachsen zu erhöhen und "Bigotterie" gegen die Strömung der Aufklärung zu zelebrieren*.

    In Anbetracht seiner beiden sehr teuren Prestige-Projekte schaffte es der "schwache" August natürlich nicht, das innen halbfertige Japanischen Palais seines Vaters (man vergleiche Dr. Hertzigs geniale Monographie zu diesem Bauwerk) fertig zu stellen. Dessen Ausstattung wurde im Wesentlichen vernichtet. Nur das Federzimmer und die Porzellane überlebten - über viele Jahrzehnte weitgehend unbeachtet - die Zeiten.

    Und auch in Moritzburg wurde v.a. im Steinsaal und Speisesaal nicht mehr fertig gestellt, was geplant war. Somit fehlen dort heute konzipierte Emporen; und eine hochwertige Wandgestaltung sowieso.

    Anders verhält es sich bei den unter August dem Starken fertiggestellten Räumen im Schloss Moritzburg.
    Er hatte in einer bahnbrechenden Konzeption für (ich glaube) 24 Schlösser

    - Ausstattungsstil und

    - Nutzung

    thematisch und systematisch strukturiert festgelegt.
    Während manche Schlösser oder Palais "Türckisch", "Indianisch", "Japonisch" oder sonstwie ausgestattet werden sollten, entschied man sich für das in DIANANBURG umzubenennende Schloss Moritzburg für das Thema Jagd und eine "altmodische" Ausstattung alla Sonnenkönig mit Goldleder-Tapeten.

    Heute findet sich in Moritzburg die größte Ausstattung mit barocken Goldleder-Tapeten weltweit (obwohl unsere "lieben" Wettiner nach der Fürstenabfindung - neben einer polnischen Königskrone - auch eine große Menge Goldleder nach Krakau verkauften. Beides findet sich heute im Wawel.)

    4.

    Und da unser starker August ja irgendwie fast alles sammelte und damit barocke Alleinstellungsmerkmale zu erreichen suchte, beschied er, dass neben:

    - Grünem Gewölbe als größter Pretiosen-Sammlung (Residenzschloss),

    - Gewehrgalerie als größter Handfeuerwaffen-Sammlung (Residenzschloss),

    - weltgrößter Porzellan-Sammlung (Jap. Palais),

    - diversen hochbedeutenden Naturalienkabinetten (Zwinger),

    - Mathematisch-Physikalischem Salon (Zwinger),

    - Bibliothek (Zwinger) und

    - dem ersten Jüdischen Museum (Zwinger)

    in Moritzburg die bestehende Trophäensammlung in ihrer Bedeutung zu steigern sei.

    + Alle großen und schönen Geweihe aus sächsischen Jagdschlössern wurden nach Moritzburg zusammengezogen.

    + Die Hirsche im bestehenden Moritzburger Gehege wurden so sehr gemästet, dass sie die größten Körpergewichte und Geweihe "ever" erreichten.

    + Gigantische fossile Geweihe eiszeitliche Riesenhirsche wurden gekauft und

    + monströse (also verwachsene und mit möglichst vielen Geweih-Enden versehene Geweihe ) zusammengesammelt.

    Heute findet sich in Moritzburg die bedeutedste Geweihsammlung der Welt mit den schwersten und größten Rothirsch-Trophäen "unter der Sonne". Sie werden nach einem internationalen Punkte-Schema bewertet und sind seit fast 300 Jahren unübertroffen.


    5.

    Was unser "schwacher" Friedrich August II noch im Sinne seines "starken" Vaters weitgehend fertigstellte, war die Terrasse des Schlosses Moritzburg.

    Wie weiter oben beschrieben, war das barocke Moritzburg auf den Grundmauern einer Renaissance-Anlage auf einer Granitkuppe entstanden.

    Es war einfacher, bestehenden Felsen durch die großzügige Terrasse abzudecken, statt ihn zu beseitigen. Hier wurden Ställe, Remisen, Küchen-Nebenräume etc. angelegt.

    Auch ein Bassin für die königlich-kurfürstlichen Schwäne war und ist vorhanden! (Heute im Bereich Restaurant)


    Königliches Schloß Moritzburg (Situationsplan der Schloßinsel), Blatt 2


    Auf der Balustrade der Schloss-Terrasse wurden Unmengen Sandsteinskulpturen aufgestellt.

    Thematik, Geschichte und Rekonstruktion dieser Skulpturen muss hier ein eigener Beitrag gewidmet werden. Wer hat Lust und macht ein paar Fotos?

    Das Thema der Jagd in allen ihren Facetten von

    - Hoch- und

    - Niederwild,
    - diverse Vogeljagden

    wird gekonnt dargestellt.

    Daneben finden sich

    - Fischerei
    - Waffen-Herstellung und -Benutzung

    - Feste, Musik,

    - Maskeraden, Jahreszeiten und Kontinente aber auch

    - einige zotige Scherze.


    ----

    * Hier wiederum untersagten es aber die "zänkischen" Landeskinder ihrem Herrn, ein Geläut in den Kapellen-Turm zu hängen, denn man verbot alle nicht-evangelischen Religionshandlungen in der Öffentlichkeit per städtischer Verordnung**.

    Auch wurde es verboten, Marienbildnisse zu errichten, weshalb man zwar heute wie damals Unmengen Heilige an den Balustraden und Fassaden der Hofkirche findet, aber eine Maria per Verordnung damals von den Bürgern verhindert wurde.

    Und weil man auch gleich noch katholische Prozessionen in der Stadt Dresden verboten hatte, musste der Chef sich einen Prozessionsumgang in der Kath. Hofkirche errichtet lassen, um "richtig" katholisch sein zu können.

    ** Erst mit den Religions-Reformen unter Napoleon wurden dann die unterdrückten Katholiken in Sachsen befreit, wie auch wenig später die israelitischen Gläubigen.

    Und auch erst dann wurde das größte religiöse Bauwerk Sachsens mit der Weihe ihres Geläuts von einer Kapelle zur größten Kirche in Sachsen erhoben.

    Heute ist sie Kathedrale des Bistums.

    Ohne bauliche Veränderung von einer Kapelle bis zur Kathedrale... Das gibt's wohl nur hier...

  • Danke für das RenaissanceModell liebe BautzenFan.

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    Unter dem Enkel des "schwachen" August musste man in Sachsen nach dem verlorenen 7-jährigen Krieg (1756 bis 1763) seine Wunden lecken.

    Während Friedrich II in Potsdam aus den sächsischen Kontributionszahlungen das Neue Palais als "Fanfaronade" (wie er selbst bezeugte) errichten ließ und die in Sachsen erbeuteten Kunstschätze auch dort unterbrachte, musste es in Moritzburg recht bescheiden weiter gehen.


    Fasanenschlösschen

    In der Quer-Achse des Schlosses Moritzburg wurde ein älteres unbedeutendes Jagdhäuschen (auf einer kleinen Granitkuppe an einem Teich gelegen) durch das kleinste Schloss Sachsens (winzige Ausmaße - ca. 14*14m Grundfläche) - das Fasanenschlösschen - ersetzt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Fasanenschlösschen_(Moritzburg)

    1769 bis 82 wurde diese "Spielerei" für den (nach 6-jähriger Regierung unter Vormundschaft) nun gerade souverän regierenden neuen sächischen Kurfürsten errichtet. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_I._(Sachsen)

    Die hochfeine Ausstattung macht das Fasanenschlösschen mit Folies in Nymphenburg oder Versailles kunstgeschichtlich vergleichbar.

    + Die wandfeste Ausstattung im Schlösschen blieb bis heute weitgehend erhalten (durch die Nutzung als ornitologisches Museum in den Jahren der DDR, teilweise hinter Einbauten verborgen) und wurde nach schleichendem Verfall nach der Wende mustergültig restauriert.

    + höchst wertvolle und teils unikale Tapeten aus Seide, Stroh mit Perlenstickerei, Federn etc. waren wohl eingelagert und wurden in den letzten Jahren für seeeeehr viel Geld (aus Spenden und Stiftungsgeldern) aufwändigst restauriert und rekonstruiert. (Wer stellt dieses Projekt hier mal vor?)

    + Die mobile Ausstattung des Schlösschens ging leider Ende Mai 1945 zu großen Teilen in den Besitz von Familien der umliegenden Dörfer über... Sie wird heute schwer vermisst, teilweise durch Zukäufe aus dem Kunsthandel ersetzt, teilweise wurden Dinge freiwillig zurück gegeben.

    Andere Möbel sind zwar inoffiziell als Diebesgut im Besitz von Bürgern bekannt; jedoch scheut man sich offiziell die Rückgabe zu forcieren.

    Königliches Schloß Moritzburg (Grundrisse, Situationsplan der Fasanerie), Blatt 3


    Hameau mit Leuchtturm

    Um das Fasanenschlösschen entstand ganz im Geschmack der Zeit (und als Vorgriff auf Großtante Marie Antoinettes "hameau de la reine" https://de.wikipedia.org/wiki/Hameau_de_la_Reine (dieses 1783 bis 85) beim Versailler Petit Trianon) eine artifizielle dörfliche Anlage mit Staffage-Bauten und einem Leuchtturm (um 1780) https://de.wikipedia.org/wiki/Leuchtturm_Moritzburg.

    Alle Gebäude sind noch vorhanden und bilden ein liebliches Ensemble des späten Rokoko, in dem man Watteau-Szenen lebendig werden lassen könnte.

    Auf dem See wurden Schlachten abgehalten und mehrere Galeerenboote und Gondeln fuhren auf...


    Tiergarten / Wildgehege

    In die Gestaltung des Hameau wurden ältere Teile des seit der Renaissance-Zeit bestehenden fürstlichen Tiergartens einbezogen. Seine Mauern sind - teilweise nur noch stark verfallen, teilweise schon in den letzten Jahren durch den staatlichen Forstbetrieb mustergültig saniert und erneuert - komplett erhalten.

    Das Herz des historischen Tiergartens - die Menagerie - wird heute als Wildgehege genutzt. Eine (kunst)-historische Untersuchung der Anlage ist längst überfällig. Es muss neben den heimischen Wildtieren auch viele Exoten gegeben haben, die in Juwelenkunst (Straußenpokal) oder Kändlers Meißner Porzellan-Tieren unsterblich wurden.


    Hellhaus

    Im Zentrum eines barocken Parforce-Jagdsterns (1725 angelegt, wiederum auf einer Granitkuppe kulminierend) wurde 1782 oder 1787 das Rokoko-Belvedere Hellhaus errichtet. Leider ging es in den 1980-er Jahren in Flammen auf, wird aber endlich restauriert und rekonstruiert.

    https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/1475522

    (ein gesonderter Beitrag von BautzenFan hier später.)


    Marcolini-Haus

    Auch die Restaurierung des historischen Marcolini-Hauses in Verantwortung eines Moritzburger Einwohners bedarf einer gesonderten Würdigung hier zu späterer Zeit.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Marcolinihaus


    Der Kurfürstlichen Waldschänke mit

    - ihrem Lederzimmer,

    - dem historischen Jagd-Fries und

    - der umfangreichen sehr verträglichen Erweiterung zu DDR-Zeiten

    bedürfte es ebenso einer Würdigung hier.


    Neben all diesen Kleinbauten der Moritzburger Kulturlandschaft bedarf es abschließend (aus meiner Sicht) für die Einführung in das Thema Moritzburg auch noch einer Erwähnung des

    Hohburg-Tunnels.

    https://www.sachsenschiene.net/bunker/sns/sns_01.htm

    Wohl um das barocke Schneisen-System nicht von einer Granitkuppe unterbrechen zu lassen, lies bereits August der Starke den Hohburg-Felsen von Freiberger Bergleuten durch einen schnurgeraden Tunnel dem absolutistischen Herrscher gefügig machen...

    Komische Sache. Ich hätte da nen fetten Obelisk auf die geometrisch nahezu perfekt kegelförmig geformte kreisrunde Kleinkuppe drauf gestellt, nen Kreisverkehr außen rum und gesagt: "dat muss so"....

    Aber Freiraumplaner gabs damals noch nicht... :)


    Hier nochmals eine Übersicht zu den Einzelobjekten

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturlandschaft_Moritzburg

  • Eryngium hat mir dem „Friedewald“ das Stichwort geliefert für ein paar Ausführungen zum so genannten Hellhaus.

    Der Friedewald war seit der deutschen Landnahme im Mittelalter Jagdwald der Landesfürsten und somit an vielen Stellen intakter natürlicher Laubwald

    In besagtem Friedewald befindet sich eine kulturhistorische Rarität – die Jagdspinne und das in ihrem Zentrum gelegene Hellhaus. Bei dieser Jagdspinne handelt es sich um eine sternförmige Wegestruktur, bestehend aus 8 Schneisen. Das Hellhaus liegt im Schnittpunkt der Schneisen auf einer Anhöhe. Von hier aus ließ sich das Waldgebiet gut überblicken und es wurde den Jägern durch verschiedene Flaggen die Fluchtrichtung des Wildes angezeigt.

    Von Linear77 - Map based on openstreetmap.org, sights drawn by myself, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19102910

    Warum nun „kulturhistorische Rarität“? Lassen wir dazu die sächsischen Denkmalpfleger zu Wort kommen, nachfolgend ein Auszug aus der Antwort aus einer „Kleinen Anfrage“ eines Landtagsabgeordneten zum Objekt (Juli 2016):

    Quelle: https://kleineanfragen.de/sachsen/6/5518…ndkreis-meissen

    Das Hellhaus entstand etwa 1787 als Jagdresidenz für Kurfürst Friedrich August III. (1750-1827), dem späteren König Friedrich August der Gerechte.

    Und nun einige Fotos:

    Vorkriegsaufnahme

    Zustand 1956

    Und dann kam das Jahr 1989 – ein Brand vernichtete den Dachstuhl und führte auch im Inneren zu großen Zerstörungen. Einige Bilder aus den letzten Jahren:

    Von Bürger-falk - Bürger-falk, Copyrighted free use, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33502444

    Von Bybbisch94-Christian Gebhardt - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43527746

    Von Bybbisch94-Christian Gebhardt - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43527744


    Zur Inneneinrichtung habe ich folgende Angaben gefunden:

    Zitat

    Die Farbfassung des Außenputzes war grün. Das Gebäude verfügt über zwei Geschosse, ein ausgebautes Dachgeschoss, sowie eine begehbare Dachplattform, die ursprünglich nur von einer Urnenvase (evangelischer Schornstein?) geschmückt wurde. Die eisernen Brüstungsgitter stammen vermutlich aus der Zeit um 1900. In dieser Zeit muss das Dach verändert worden sein, die ovalen und Ochsenaugenfenster sowie die neuen Schornsteine wurden angelegt.
    Besonders beachtenswert ist die Aufteilung der Grundrisse bei einer Seitenlänge von 11 m im Quadrat, die jedoch durch die abgeschrägten Ecken verkleinert wird. Im Erdgeschoss sind neben dem ovalen Treppenhaus acht winzige Räume mit drei- bzw. viereckigem Grundriss untergebracht. Das erste Obergeschoss verfügte über zwei dreieckige Räume und einen kleinen Saal, in dem das Jagdfrühstück eingenommen wurde. An den Abschrägungen befindet sich je ein Austritt oder Balkon mit filigranem, schmiedeeisernem Gitter. ursprünglich waren die Balkons wohl mit Steinbalustraden versehen. Im Dachgeschoss befanden sich wiederum sieben kleinere Kammern. Die Ausstattung des Hellhauses war sparsam. Im Erdgeschoss gab es vier Zimmer mit Eichenholzparkett, Gipsdecken und Papiertapeten von blauer, grauer, rosa und beiger Farbe. Zwei Zimmer waren gedielt und geweißt und hatten Stuckdecken. Die kleine Küche war sandsteingetäfelt. Im Obergeschoss hatte nur der Saal eine Ausstattung mit einer blauen Papiertapete. Er war mit Parkett ausgelegt und verfügte über einen Ofen mit eisernem Kasten. Die Möblierung bestand in einem ovalen Tisch mit zwölf Rohrlehnstühlen. (Inventar von 1816). Die kleinen Vorzimmer waren gedielt. Die sieben Zimmer im unteren Mansarddach waren durch Scheidewände aus Fachwerk getrennt, gedielt, geweißt und mit Stuckdecken versehen. Eine hölzerne Treppe führte hinauf zur Dachplattform.
    Die Außenanlage bestand in einer gepflasterten Terrasse, die durch die Abflachung des Berges erreicht worden war. Das Hellhaus war mit einer runden, brusthohen Bruchsteinmauer umgeben, die sich schneckenartig von der westlichen Auffahrt her emporzog. Unter der Terrasse verlaufen Luftzüge zum Schutz des Hausfußbodens vor Schwamm. (Margitta Coban-Hensel: Schloss Moritzburg).

    Quelle:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der…en)#cite_note-4

    Ein Dr. Jens Mittelbach (TU Cottbus, Leiter der Universitätsbibliothek) hat zum Hellhaus eine sehr interessante Dokumentation ins Netz gestellt – mit vielen Fotos (auch vom Inneren) und Visualisierungen: Klick

    Seit einigen Monaten ist das Hellhaus vollständig eingerüstet. Vor kurzem wurde durch SIB folgender Auftrag vergeben:

    Zimmererarbeiten Hellhaus Moritzburg, Äußere Sanierung

    Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb (daher sind die veröffentlichten Infos dürftig – aber ich habe Grund zu der Annahme, dass der hölzerne Dachstuhl rekonstruiert wird).

    Wie das Projekt weitergehen wird – jetzt in Corona-Zeiten – muss leider Spekulation bleiben.

  • Historie zum Moritzburger Tiergarten

    https://www.sbs.sachsen.de/historie-wildgehege-7475.html

    Infos zur Parforce-Jagd allgemein:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Parforcejagd

    Parforce-Jagden benötigten Unmengen an Material und waren die teuerste und damit repräsentativste Form der Jagd, die ja ohnehin ein Privileg des Adels war. Die Kosten entstanden, weil man vorhalten musste:

    - Unmengen Hunde und Pferde;

    - zahlreiche Jäger, Heger, Gehilfen etc.

    - Dazu alle notwendige Gebäude zur Unterbringung der Tiere und Menschen

    - hochfeine Jagd-Ausrüstung (Feuerwaffen, Geschirr für Pferde und Hunde, Equipagen etc. pp.

    - ein entsprechendes Gelände mit Alleen.

    Wikipedia vermutet zum Thema nur ca. 10 historische Parforce-Jagden, also Parforce-Anlagen mit aller nötiger Ausrüstung in Deutschland und nennt dabei 5 beim Namen.

    Ich habe mal etwas von 12 gehört für das Deutsche Reich.

    Weil es mich interessiert zähle ich mal durch:

    Wikipedia benennt:

    - Parforceheide bei Potsdam mit dem Jagdschloss Stern (Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. , 1730 - 1732)

    - Schloss Wolfsgarten in Langen (Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, 1722 - 1724)

    - Ludwigslust (Mecklenburgische Herzöge)

    - Tierpark Sababurg (Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel, 1779)

    - ehemaliges Schloss Herzogsfreude in Röttgen ( Kurfürst Clemens August von Köln, 18. Jahrhundert)


    Mir weiterhin als Parforce-Jagden explizit bekannt sind:

    - Moritzburg (August der Starke, 1725 Jagdstern angelegt)

    - Hubertusburg = Wermsdorf 1 und 2 (Friedrich August II, um 1725)

    - Wermsdorf (Egon von Fürstenberg, Statthalter August des Starken, Altes Jagdschloss - somit dort teilweise zeitgleich 2 getrennte Jagdausstattungen parallel)

    - Schloß Pförten / Brody (Minister Brühl, um 1740?)
    - Schloß Clemenswerth (natürlich !)

    - Ettersburg bei Weimar

    - Solitude bei Stuttgart

    - München auf jeden Fall, aber wo? Schleißheim und/oder Nymphenburg (wer kann helfen?)

    - Mannheim, Jagdstern im Käferttaler Wald

    - das Dessauer Luisium soll auf einem barocken Jagdstern errichtet worden sein

    Ich vermute weiterhin:

    - Parforcejagd des Fürsten zu Puttbus auf Rügen

    - Parforcejagd bei Eremitage Waghäusel (Fürstbischof von Speyer)

    Die sächsische Denkmalpflege benennt weiterhin:

    - Hanau Wilhelmsbad

    - Benrath bei Düsseldorf

    Auf Schloss Karlsberg bei Weikersheim dürfte es keine Parforcejagd gegeben haben.

    Sicher gibt es noch mehr in Deutschland. Wer hat sachdienliche Hinweise?


    Interessant ist, dass sich mit dem Hellhaus in Moritzburg dem Schloß Clemenswerth bei Sögel und evtl. Waghäusel nur 2 oder 3 historische zentrale Jagdtürme auf einem Parforce-Stern erhalten haben, soweit ich das jetzt überblicke. Sonst waren die Aussichtstürme zur Anzeige der Jagdrichtung wohl aus Holz oder Fachwerk und haben nicht überlebt.

    Das macht den Wiederaufbau in Moritzburg natürlich um so notwendiger.

    Im Residenzschloss plant Herr Syndram einen ganzen Saal dem Thema Jagd zu widmen.

    Monströse Hundehalsbänder in feiner Goldschmeidearbeit bekam man schon mal auf Sonderausstellungen vorab zu sehen...

    Ich bin gespannt.


  • Veröffentlichung des Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement vom 18.09.2020

    Schloss Moritzburg - Aufsetzen der letzten Skulptur auf die Balustrade zum Abschluss des Skulpturenprogrammes

    Das Schloss Moritzburg markiert das Zentrum einer noch fast vollständigen Barockanlage und wurde seinerzeit der Göttin Diana, der Göttin der Jagd gewidmet. Daher finden sich sowohl bei der Ausstattung im Inneren als auch im Außenbereich zahlreiche Hinweise auf das Thema Jagd. Auch die Figuren auf den Balustraden sind mit jagdlichen Attributen ausgestattet.
    Im Rahmen eines Skulpturenprogramms erfolgte unter Regie der SIB-Niederlassung Dresden I in den letzten vier Jahren eine umfassende Bestandserfassung, gründliche Schadensanalyse und Restaurierung der 110 Skulpturen (6 Großfiguren, 52 Putti und 52 Vasen). Zum Abschluss des Skulpturenprogrammes wurde heute eine der aufwändigsten, aber auch schönsten Vasen – mit Rosenblüten und vier figürlichen Reliefs – versetzt. Die Vase war nur als Torso erhalten, wurde aufgrund historischer Fotos und kunsthistorischer Interpretation ergänzt und anschließend in Cottaer Sandstein kopiert. Die beschädigten vier weiblichen Figuren lassen sich möglicherweise als die vier Tugenden interpretieren.
    Insgesamt wurden in das Skulpturenprogramm 795.000 Euro investiert. Die Maßnahme wurde mitfinanziert durch Steuermittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.

    Während der umfassenden Terrassensanierung wurden alle Skulpturen von den Balustraden herab genommen und für jede Skulptur ein sogenannter Exponatepass entwickelt – jede Figur erhielt eine eigene »Krankenakte«, welche sämtliche Informationen über die Skulptur enthält. Parallel dazu wurde nach einem intensiven Quellenstudium ein ikonografisches Programm zur Aufstellung der Putti und Vasen entwickelt, dem das Thema »Jagd« zu Grunde liegt. So wurden die Skulpturen an Hand ihrer Attribute der Hohen (Südseite) und der Niederen Jagd (Nordseite) zugeordnet. Die Attribute der einzelnen Skulpturen sind beispielsweise dem Fischfang, der Hochwildjagd, der Beizjagd oder der Entenjagd zuzuordnen.

    Hintergrund
    Schloss Moritzburg besitzt heute noch einen großen originalen barocken Bestand an Putti und Vasen. Von den 110 noch vorhanden Skulpturen sind wahrscheinlich noch 32 Originale aus dem 18. Jahrhundert. Allerdings lässt der Zustand einiger Skulpturen es nicht mehr zu, sie im Außenbereich zu zeigen. Diese Figuren wurden kopiert und erfreuen die Besucher nun wieder von der Balustrade. Insgesamt 19 Skulpturen (Putti und Vasen) wurden in dieser Maßnahme kopiert. Für 12 Kopien mussten Modelle geschaffen werden, weil die Originale nur noch Torsi waren. Hierfür wurde zunächst ein kleines, ca. 15 cm hohes Modell, ein sogenannter Bozetto geformt. Nach dessen Bestätigung (durch das Landesamt für Denkmalpflege und dem SIB) wurde die Figur im Maßstab 1:1 in Ton geformt. Anschließend wurde dieses Modell in Gips abgeformt und diente als Vorlage für den Bildhauer, welcher die Figur dann in Sächsischen Sandstein kopierte. Dieser Prozess war aufwendig zu begleiten, da jeder Bildhauer seine eigene Handschrift hat, welche sich allerdings in den gesamten Kontext des Skulpturenprogrammes einfügen muss.

    Über 20 bewährte Restauratoren, Bildhauer und Bildhauerinnen aus der Region wurden mit der Ausführung der bildhauerischen und restauratorischen Leistungen betraut. Ein jährliches Monitoring sorgt nun für die Dauerhaftigkeit des Geschaffenen.

  • Das Moritzburger Skulpturenprogramm

    (Text unter Verwendung der Pressemitteilung)

    Das Land Sachsen arbeitet seit Jahren an der Sanierung des Schlosses Moritzburg. Viele Jahrzehnte des Sanierungs-Staus aus 2 Jahrhunderten wurden in den letzten 30 Jahren aufgeholt. Heute erstrahlt das Schloss nun TATSÄCHLICH noch perfekter, als je zu vor, denn seit wenigen Wochen ist es – entsprechend den Plänen Pöppelmanns – komplett von Skulpturen umgeben; ein Zustand, der in den letzten 300 Jahren nie erreicht werden konnte…

    In den letzten Jahren waren die das Schloss umgebenden Terrassen grundsaniert worden. Man dichtete sie ab und ertüchtigte sie statisch durch umfangreiche bauliche Maßnahmen unter Einsatz hoher finanzieller Mittel. Im Rahmen des eingeschlossenen Skulpturenprogramms wurden während der umfassenden Terrassensanierung alle in Situ erhaltenen Skulpturen von den Balustraden herab genommen und restauriert.

    Für jede Skulptur wurde in diesem Zusammenhang ein sogenannter Exponate-Pass erstellt. Jedes Objekt erhielt eine eigene »Krankenakte«, welche sämtliche Informationen über die Skulptur enthält. Darüber hinaus wurden sämtliche im Lapidarium erhaltenen aber schon länger nicht mehr aufstellbaren Skulpturen sowie Bruchstücke katalogisiert.

    Für jede der vorhandenen Skulpturen und Fragmente (in Summe ca. 100 Putti und Vasen sowie Großfiguren = Hofjäger) wurde die ikonographische Bedeutung ermittelt bzw. vermutet.

    Es ist natürlich allgemein bekannt und sofort sichtbar, dass die Skulpturen auf den Balustraden überwiegend mit jagdlichen Attributen ausgestattet sind.

    Allerdings war nicht klar, was genau dargestellt ist. Und noch weniger war erklärlich, in welcher Art und Weise die Objekte ursprünglich – also mit Abschluss der Steinmetzarbeiten vor ca. 280 Jahren - aufgestellt waren. Klar war nur: über die Jahrhunderte wurde ihre Aufstellung immer wieder verändert.

    Der auf uns überkommene Ausgangszustand auf der Skulpturen-Balustrade vor der Restaurierung war, dass Putten und Vasen

    - auf dem stadtseitigen Teil der Terrasse (Südseite) und

    - einem Teil der West- und Ostseite sowie

    - der stadtseitigen Auffahrt-Rampe (auffälligste Änderung zu jetzt)

    aufgestellt waren, während die komplette nördliche Seite der Schloss-Terrasse (Waldseite) ohne Skulpturen verblieben war.

    An den ost- und westseitigen Treppenläufen (zu den Gondelanlegern) gab es zudem keine Skulpturen.

    Der Zustand der Skulpturen-Balustrade war dabei bis zuletzt insgesamt geprägt von einem wahllosen „Durcheinander“ der Skulpturen, das keine Sinnzusammenhänge und Korrespondenzen der Objekte mehr erkennen lies.

    Ein Kunsthistoriker wurde durch das SIB mit der Erforschung der Ikonographie der Skulpturen und ihrer Katalogisierung beauftragt. Er erarbeitete anschließend – übrigens gegen den Widerstand der alten Schlossdirektorin – ein neues Aufstellungskonzept.


    Wesentliche Grundgedanken dieses Konzeptes sind:

    Durch Studium der Bau-Pläne und Entwürfe Pöppelmanns ist evident, dass „Schloss Dianenburg“ - dem von August dem Starken immer wieder verfolgten Zentralbau-Gedanken entsprechend - KEINE Vorder- und Rückseite aufweisen sollte. Vielmehr sollte es als zentraler Kulminationspunkt eines großartigen Achsensterns nach Norden und Süden (Stadt und Wald) GLEICHWERTIG ausstrahlen. Historische Ansichten zeigen zudem, dass die mit Skulpturen bereicherte Terrasse ursprünglich durch Gitterschranken (also Tore) von den skulpturenlosen Auffahrt-Rampen abgetrennt war (oder werden sollte) und somit ein (gleichwertig das Schloss) umlaufender Bereich besonderer zeremonialer Bedeutung geschaffen wurde.

    Somit wurde also durch wissenschaftliche Untersuchung die auf uns überkommene Betonung der Stadtseite durch Skulpturen entlang der Rampe als nicht dem ursprünglichen Planungsideal gemäß erkannt.

    Durch Interpretation der Objekte und intensives Quellenstudium wurde ein ikonografisches Programm zur Aufstellung der Putti und Vasen neu entwickelt.

    So wurden die Skulpturen an Hand ihrer Attribute

    - der Hohen Jagd (Süd- = Stadtseite - Rot- und Scharzwild, Beizjagd, Reiherjagd) und

    - der Niederen Jagd (Nord- = Waldseite – bspsw. Fischfang, Enten- und Singvogel-Jagd)

    zugeordnet.


    Es gibt aber auch Skulpturen an denen

    - das Schmieden von Waffen,

    - Theater und Musik oder

    - die Jahreszeiten

    - sowie Kontinente

    thematisiert werden.

    In den letzten 4 Jahre wurden

    - die restaurierten Original-Skulpturen (entsprechend des Fortschritts bei der Restaurierung der Einzelobjekte) schrittweise an neue Plätze (entsprechend des neuen Konzeptes) versetzt.

    - Nicht mehr präsentable Objekte wurden durch Kopien ersetzt.

    - Für erhaltene Bruchstücke wurden skulpturale Ergänzungen entwickelt und die Objekte neu gehauen.

    - Es entstanden aber auch auf Grundlage von Analogien einige komplette Neuschöpfung für Fehlstellen, denn es wird vermutet, dass das Moritzburger Skulpturenprogramm nach dem Tod August des Starken (1733) durch seinen Sohn zwar fortgesetzt, aber wohl nicht abgeschlossen wurde.

    Heute sind nun auf der Moritzburger Schloss-Terrasse 110 Skulpturen (6 Großfiguren, 52 Putti und 52 Vasen) zu sehen. Ein Novum!

    Schloss Moritzburg besitzt heute noch einen großen originalen Bestand barocker Putti und Vasen. Wahrscheinlich sind noch 32 Originale aus dem 18. Jahrhundert auf uns überkommen.

    Allerdings lässt der Zustand einiger Skulpturen es nicht mehr zu, sie alle im Außenbereich zu zeigen. Diese Figuren wurden kopiert (insgesamt 19 Skulpturen).

    Für 12 weitere Kopien mussten Modelle geschaffen werden, weil die Originale nur noch Torsi waren. Hierfür wurde zunächst ein kleines, ca. 15 cm hohes Modell, ein sogenannter Bozetto geformt. Nach dessen Bestätigung (durch das Landesamt für Denkmalpflege und dem SIB) wurde die Figur im Maßstab 1:1 in Ton geformt. Anschließend wurde dieses Modell in Gips abgeformt und diente als Vorlage für den Bildhauer, welcher die Figur dann in Sächsischen Sandstein kopierte. Dieser Prozess war aufwendig zu begleiten, da jeder Bildhauer seine eigene Handschrift hat, welche sich allerdings in den gesamten Kontext des Skulpturenprogrammes einfügen muss.Über 20 bewährte Restauratoren, Bildhauer und Bildhauerinnen aus der Region wurden mit der Ausführung der bildhauerischen und restauratorischen Leistungen betraut.

    Nach meiner überschlägigen Einschätzung zeigen sich insgesamt derzeit etwa 55 Figuren als neue noch helle Kopien, 53 Figuren sind als dunkel bis schwarz zu bezeichnen. 2 Figuren sind alt, wurden aber lasiert.

    Das Skulpturenprogramm wurde unter Regie der SIB-Niederlassung Dresden I in den letzten vier Jahren umgesetzt. Insgesamt wurden hierbei 795.000 Euro investiert.


    Ein Schnäppchen wie ich finde…


    Ein jährliches Monitoring sorgt nun für die Dauerhaftigkeit des Geschaffenen.


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    Blasmusiker empfangen den Besucher

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    Wechsel von Putten und Vasen als Grund-Rhythmus

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    Piqueure sichern die Terrasse an allen Ecken.

    Wenn ich mich nicht irre, sind sie 4 Hofjäger, die sogar als echte Personen namentlich und aus anderen Kunstwerken bekannt sind. (Vergleiche Kändler-Porzellane)

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  • An der Westseite wird die Entenjagd (stadtseitige Hälfte) thematisiert.

    Ich möchte an dieser Stelle noch die Unterschiedlichkeit der Skulpturen-Oberflächen ansprechen. Schwarze Patina steht neben heller Kopie.


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    An der nächsten Vase - ein Postament weiter - hat man eine Opferlasur angebracht, wie bei den Skulpturen im Zwinger.

    Ich hoffe , dass man im Sinne einer Vereinheitlichung zukünftig alle schwarzen Skulpturen streichen wird.

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    Kopien ohne Beschichtung

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    Das größte Glück ist für mich die neue phantastische Wirkung der Freitreppen

    Durch die Skulpturen erhalten sie auf einmal eine der "Stillen Musik" in Großsedlitz vergleichbare beeindruckende Wirkung und kunstgeschichtliche Relevanz zurück und lassen die bisher zur Nebenachse degradierte Ost-West-Achse in ihrer Bedeutung deutlich steigen, was dem Zentralbaugedanken Augusts für "Dianenburg" entspricht.


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    Der Schwung der Treppe begeistert mich.

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    Westseite Nördlicher Teil: Hasenjagd

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    Die Vase auf diesem Foto schlägt stilistisch etwas aus der Art. Handel es sich dabei um eine Neuschöpfung?

  • Nordseite

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    An der Rampe stehen keine Hornisten zum Empfang, sonst ist "alles gleich" zur Stadtseite. Neue großartige Wirkung durch die Skulpturen!

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    Einige Zinkguss-Hirschköpfe wurden kürzlich auch restauriert.

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    Ein Königliches Schloss, dass aufgrund seines zentralisierten Grundrisses und der omnipotenten zentralistischen Beherrschung der Landschaft ein baulicher Ausdruck von Absolutismus in der Schloss-Architektur ist, wie es ihn (in seinem Zentralbau-Gedanken) nur selten gibt.

    Was so ein paar Skulpturen doch ausmachen können...

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    Jagd auf Kleinvögel (?) am Wasser (Nordseite West) und Fischfang (Nordseite Ost)

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  • Ostseite.

    Hier ist mir das Skulpturenprogramm nicht ganz klar. Es gibt Wasser, Hochwild u.v.a.

    Sieht für mich aber auch (mit Ausrichtung auf den Fasanengarten) ergänzend nach "nebensächlichen" Lustbarkeiten wie Theater und Musik aus.

    Auch Jahreszeiten und Kontinente... Alles nicht ganz stringent.

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    Vermutlich ist diese Vase gemeint, wenn das SIB in seiner Pressemitteilung vom 19.09.2020 schrieb:

    "Zum Abschluss des Skulpturenprogrammes wurde heute eine der aufwändigsten, aber auch schönsten Vasen – mit Rosenblüten und vier figürlichen Reliefs – versetzt. Die Vase war nur als Torso erhalten, wurde aufgrund historischer Fotos und kunsthistorischer Interpretation ergänzt und anschließend in Cottaer Sandstein kopiert. Die beschädigten vier weiblichen Figuren lassen sich möglicherweise als die vier Tugenden interpretieren."


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    Während man manche Vasen komplett kopierte (und die Original sich im Lapidarium befinden), wurden andere nur teilweise ergänzt.

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    Manche wurden mit Stein-Ergänzungsmasse repariert.

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    Mein Lieblings-Piqueur...

    Ganz herrschaftlich.

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    Unweit vom Hofjäger kämpft Afrika "a La Laokoon" mit einer Schlange und muss ums "Gemächt" fürchten.

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    Beeindruckende Skulpturengalerie.

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  • Auf dem Weg zum Hellhaus kommt man an den "Resten" der Erneuerung vorbei.

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    Am Hellhaus leider noch kein Dachstuhl.

    Aber man arbeitet. Unsere sehr geschätzte Bautzenfan meinte, dass die Dachklempner-Arbeiten FÜR DEZEMBER ausgeschrieben waren.

    Man darf gespannt sein...

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  • Moritzburg ist besonders im Herbst eine Reise wert.

    Das Schloss-Museum mit seinen einzigartigen Gold-Ledertapeten und das Fasanenschlösschen mit seiner delikaten Ausstattung können ohne den ganz großen Touri-Trubel (vor der Winterpause noch) besichtigt werden. (Obwohl gestern Abend wirklich viele Spaziergänger und zudem "Massen" von Fotografen unterwegs waren... Zu Recht.)

    Es wird zeitig dunkel und man kann die unterschiedlichen Stimmungen bei Sonne, Dämmerung und Nacht sehr eindrücklich erleben.

    Die röhrenden Hirsche machen das ganze zu einem außergewöhnlichen Erlebnis.

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    Trotzdem gibt es natürlich immer noch viel zu tun.

    An den vielen Kilometern historischer Tiergarten-Mauern muss dringend weiter saniert werden...

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    Welche Freude, dass 30 Jahre nach der Deutschen Wiedervereinigung solche kulturellen Leistungen möglich sind!

    Danke, dass durch die Wende unsere Kulturbauten vor dem weiteren Verfall bewahrt werden konnten.

    Danke für die Erneuerung sächsischer Identität, durch ganz viel Geld aus dem Westen...

    Kommt am besten alle vorbei und freut Euch mit.

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  • Kleines Baustellen-update zum Sanierungsobjekt Hellhaus(Moritzburger Forst)

    Zunächst zur Erinnerung hier nochmal der Ausgangszustand:

    Von Bürger-falk - Bürger-falk, Copyrighted free use, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33502444

    Zum Vergleich ein Vorkriegsfoto:

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0110213.jpg

    Am 24. September meldete die Firma Natursteinwerk Bischofswerda auf ihrer FB-Seite::

    Zitat

    Unsere Baustelle, Restaurierung Hellhaus Moritzburg, geht voran. Die abgebauten und restaurierten Gesimssteine sind wieder verbaut. Der Zimmermann kann kommen und den Dachstuhl setzen, denn der Winter kommt bestimmt. Die neuen Sandsteinteile wurden von der Firma Schubert gefertigt – eine sehr gute Arbeit.

    In vielleicht einem Jahr sollten wir dann fertig sein.

    Aus dem gleichen FB-Beitrag folgende Fotos: Klick

    Am 14.10. brachte die SäZ einen Artikel über die Zimmererarbeiten (leider hinter Bezahlschranke, ich vermute Anlass war das Richtfest). Aus dem genannten Artikel konnte ich aber 2 Fotos verlinken:

    Foto 1

    Foto 2