Esslingen am Neckar (Galerie)

  • Nachtrag zur Datierung des von mir weiter oben (siehe unter Nr. 58) eingestellten Ölgemäldes von Esslingen am Neckar:

    Die rechts weiter im Hintergrund des Bildes zu sehende Kirche mit den Doppeltürmen ist die Esslinger Stadtkirche St. Dionys. Auf dem Bild hat sie zwei Brücken, die die beiden Chortürme mit einander verbinden. Gegen 1650 wurden diese beiden Holzbrücken geschaffen, um ein weiteres Auseinanderweichen der Türme zu verhindern. 1859 wurde die untere Brücke zwischen den Kirchtürmen wieder abgebrochen.

    Da mein Ölbild eindeutig noch beide Brücken zwischen den Kirchtürmen von St. Dionys aufweist, spricht dies dafür, dass das Gemälde spätestens 1859, im Jahr des Abbruchs der unteren Turmbrücke, oder früher entstanden sein dürfte. Dabei gehe ich davon aus, dass das Bild zwischen etwa 1840 und 1859 gemalt worden sein dürfte. Auch der im äußeren Bereich und in den Ecken sehr prachtvoll gestaltete Goldstuckrahmen, den ich nicht oder nur jedenfalls nur ganz minimal angeschnitten fotografiert habe, ist stilistisch eindeutig in die Zeit des späten Biedermeier bzw. im Übergang zum 2. Barock einzuordnen, was gleichfalls für die genannte Entstehungszeit (1840-1859) spricht.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (28. März 2019 um 17:03)

  • Der von mir schon verlinkte Stich https://bit.ly/2WvUmam ist 1840 im zweiten Band der "Original-Ansichten der historisch merkwürdigsten Städte in Deutschland" erschienen, "nach der Natur gezeichnet von H. Schönfeld":

    https://bit.ly/2HLAZqS

    Der Stich ist Deinem Bild wirklich sehr ähnlich, aber in den Details, soweit ich das nachprüfen kann, genauer (oder jedenfalls weniger ungenau). Vgl. z.B. die Darstellung der Stadtmauer mit dem daran gebauten Haus, von dem man von der Feldseite her nur das Dach und den kleinen Erker sieht. Darum vermute ich, dass Dein Bild nicht vor Ort, sondern nach dem Stich als Vorlage entstanden ist.


    Michael Neher 001 [Public domain], via Wikimedia Commons

  • Lieber Tübinger,

    das kann alles so sein, wie du das darlegst. Das von dir nun eingestellte Bild ist ja äußerst genau. Handelt es sich dabei um ein Gemälde? Stiche sind oft sehr genau, das hatte ich schon früher oft festgestellt. Beim Maler spielt ja auch immer die "künstlerische Freiheit" mit rein. Es könnte aber vielleicht auch sein, dass, als mein Bild gemalt wurde, die Stadtmauer in dem Bereich bereits angerissen war. Dann würde es vielleicht besser übereinstimmen. Wie dem auch immer sei, alll diese Darstellungen zeigen uns die schöne ehemals alte Freie Reichsstadt Esslingen a. N. Durch die Nordumgehung, eine brutale Schneiße, sind viele alte Bauten leider verloren gegangen und die Frauenkirche wurde dadurch leider vom Bereich um den Marktplatz abgetrennt.

  • Das ist ein Gemälde von Michael Neher und das Bild soll von 1847 sein:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Neher

    Ich halte Nehers Gemälde für zuverlässig, was das auffällige Haus mit dem Erker betrifft. Domenico Quaglio hat es 1818 ganz ähnlich dargestellt:

    http://dfg-viewer.de/show/?set[mets]=http://digital.wlb-stuttgart.de/mets/urn:nbn:de:bsz:24-digibib-bsz3462987845/urn:nbn:de:bsz:24-digibib-bsz3462987845.xml

    Vgl. auch diese Photographie - auf ihr ist das Haus mit dem Erker schon verschwunden, aber Haus rechts daneben sieht exakt so aus wie auf Nehers Bild:

    https://media.gettyimages.com/photos/essling…ure-id558234045

    Es könnte aber vielleicht auch sein, dass, als mein Bild gemalt wurde, die Stadtmauer in dem Bereich bereits angerissen war.

    Vielleicht. Mir fällt halt auf, dass Dein Bild in der ganzen Komposition weitgehend mit dem Stich übereinstimmt. Vgl. z.B. die Stützmauer vorne links oder die ungeschickte Weise, in der die "Burg" links ins Bild gebracht wird und überhaupt die Übertreibungen in der Vertikalen. Insgesamt wirkt Dein Bild aber ungenauer und daher halte ich es, ohne dies beschwören zu wollen, für eine Nachahmung des Stiches.

    Einmal editiert, zuletzt von Tübinger (28. März 2019 um 20:30)

  • Ich habe aber Schwierigkeiten, das Motiv genau zu lokalisieren [...]. Die Gebäude müssten an der Mettinger Straße gelegen sein. Dort befand sich ca. 300 Meter vor dem Mettinger Tor die heute verschwundene Spitalmühle, um die es sich hier handeln könnte. Leider habe ich keine Ansicht von ihr finden können.

    Nun habe ich doch eine Ansicht gefunden:

    https://pixels.com/featured/essli…-braungart.html

    Damit ist festgestellt, dass Villas Bild tatsächlich die Mühle vor dem Mettinger Tor zeigt, wenn auch sehr frei.

  • Lieber Tübinger,

    danke für deine Recherche. Ja, das sieht sehr danach aus, dass das große Haus in meinem Bild die Spitalmühle sein dürfte.

    Mein Ölbildchen hängt sehr hoch und ich komme nicht ran, mein Neffe hatte das Foto aufgenommen. Das Originalbild ist sehr klein, geschätzt ohne den Rahmen vielleicht 22 cm hoch und 16 bis 18 cm breit. Von daher kann es, mit Ölfarben und Pinsel geschaffen, schon nicht gar so detailgetreu sein. Hinzu kommt noch, dass die Maler der Romantik gerne Dächer und auch Berge überhöht gemalt haben. Wenn man dann noch die künstlerische, schöpferische Freiheit veranschlagt, dann kommt es so denke ich schon hin. Die Bilder der Romantik sollten in erster Linie romantisch wirken, man kann auch sagen die Vergangenheit verklären und zusätzlich durch die Wahl und Abstimmung der Farben eine romantische Stimmung erzeugen. Dennoch sollte eine Stadtansicht als solche identifizierbar und erkennbar sein. Dies ist bei meinem Bildchen zumindest der Fall, denn dass es Esslingen darstellen soll, steht m. E. außer Zweifel.

    Es gab damals, in den 1850er Jahren bereits die Konkurrenz der noch ganz jungen Fotografie zur Malerei. Die Stmmung eines Ölgemäldes die ein Romantiker herüberbringt, kann eine zwar äußerst genaue, sehr viel günstigere, damals aber nur schwarz/weiße allenfalls Sepia braune 1:1 Fotografie, nicht leisten. Um Rekonstruktionen durchführen zu können, sind allerdings genaue Fotogrfien wertvoller als romantische, aber leider oftmals etwas ungenaue Ölbilder.

    Das von dir eingestellte Bild mit der Spitalmühle ist sehr fein gemalt und wunderschön. Darf ich fragen, ob es ein Ölbild oder ein Aquarell ist?

  • Das Bild ist von Johannes Braungart, Öl auf Holz, 27 x 40 cm. Publiziert im Ausstellungskatalog: "Johannes Braungart 1803-1849. Ein Maler in Esslingen", Stadtmuseum Esslingen, 1999, als Kat. Nr. 1, abgebildet auf S. 33.

    (Manchmal hilft einem ein glücklicher Zufall weiter. Heute morgen kam mir auf dem Flohmarkt in Tübingen dieser Katalog in die Hände. 50 Cent sollte er kosten, da konnte ich nicht nein sagen. So habe ich das Bild der Mühle entdeckt.)
    Braungart hat noch weitere schöne Ansichten von Esslingen hinterlassen:

    https://bawue.museum-digital.de/index.php?t=li…e=grid&oges=950

    Zum Beispiel diese Darstellung der Stadtmauer vor der Frauenkirche:

    https://bawue.museum-digital.de/data/bawue/ima…06162327771.jpg

  • Aus der Architektonischen Rundschau 1904: Die Villa des Herrn Ernst Schimpf in Esslingen am Neckar teilweise mit bemerkenswertem alemannischen Fachwerk errichtet.


    Die Halle in der Villa des Herrn Ernst Schimpf in Esslingen.

  • Laut dem Wiki-Artikel zur Villa Schimpf wurde beim Bau der Villa 1905 ein älteres Fachwerkhaus in der Mettinger Straße mittels Schienenbahn auf das nächste Grundstück verschoben. Die Villa selbst wurde 1952 verkauft und 1956 abgerissen.

  • Zur Villa Schimpf eine kleine Bemerkung: Sie gehörte den Vorfahren von Rolf Schimpf, den viele aus der Krimiserie "Der Alte" kennen, in der er von 1986 bis 2007 die Titelrolle des Hauptkommissars Leo Kress spielte. Der gebürtige Berliner wuchs in Esslingen auf und machte eine Lehre bei Hengstenberg, bevor er sich für den Beruf des Schauspielers entschied. Er ist heute 96 Jahre alt und lebt in München.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Schimpf

    In dubio pro reko

  • Architektonische Rundschau 1886.


    Esslingen am Neckar, Röhrenbrunnen aus dem 17. Jahrhundert, aufgenommen von Prof. C. Dollinger, Stuttgart: