Potsdam - Neubauquartier IV am Alten Markt

  • Wieso die Ecklösung nicht verstanden!? Ich würde eher sagen, sie wurde abgewandelt. Hildebrandt hat sich die Freiheit genommen KEINE REINE Kopie zu liefern, sondern eigene architektonische Lösungen einzufügen. Einige Zeit nach Palladio sollten die Architekten sich schon eine gewisse Virtuosität im Umgang mit dem antiken Formengut entwickelt haben. Palladios Ecklösung finde ich sogar sehr unbeholfen. Wirkt wie 2 Tonwürste die zusammen geknetet wurden. Solche Lösungen habe ich in manchen Kirchen an der Vierung gesehen, fand das aber nie befriedigend. Die Potsdamer Lösung läßt die Eckkante des Baukubus sichtbar, die Säulenstellungen rücken jeweils auseinander. Dafür erhalten sie allerdings eine Art vorne hingestellt-sein und verschmelzen nicht mit der Wand. Im ersten OG keine Säulen wirkt leichter, nicht so schwer lastend wie bei Palladio. Leichte Pilaster wären allerdings sehr apart. Von wegen sparen: in Potsdam leistete man sich sogar eine Reihe Balustradenfiguren samt Vasen. Also schöpferische Freiheit im hohen Norden ist das Motto! Da braucht es auch keine Balkonaustritte, da reichen bei dem rauhen Klima Balustraden vor de Fenster, newoar! :daumenhoch:

    Kommen für die Reko die angedeuteten Figurengruppen wieder? Entsprechen diese dann den auf der historischen Aufnahme zu sehenden?

  • Hier sie man, dass Hildebrandt bei der Nachempfinden erstens die Ecklösung nicht nachvollziehen konnte (hier halten nur die Hoflieferantenzeichen das Säulenpaar zusammen, während es bei Palladio ⅔-Säulen sind) ...

    Ist es verbürgt, dass er hier einen Fehler gemacht hat, oder hat er nicht vielleicht ganz absichtlich eine Abwandlung geschaffen? Denn, ganz ehrlich, die sich derart überschneidenden Säulen des Originals sehen seltsam aus. Eine solche Überschneidung wurde auch kaum mehr (gar nicht mehr?) in der Architekturgeschichte nachgeahmt. Meiner Meinung nach aus gutem Grund.

  • Mir fällt gerade auf dem Foto aus Vicenza das Plakat rechts an der Wand auf: Compagna Italiana, Caffe Malto, Kneipp (mit seinem Konterfei) und noch Piu Sano. Worum geht es da? Pfarrer Kneipp in Italien oder einfach um Malzkaffee, von Kneipp empfohlen ... ? (So am Rande mal beobachtet, was so in alten Zeiten im Schwange war, von uns Deutschen!?)

  • Ist es verbürgt, dass er hier einen Fehler gemacht hat, oder hat er nicht vielleicht ganz absichtlich eine Abwandlung geschaffen? Denn, ganz ehrlich, die sich derart überschneidenden Säulen des Originals sehen seltsam aus. Eine solche Überschneidung wurde auch kaum mehr (gar nicht mehr?) in der Architekturgeschichte nachgeahmt. Meiner Meinung nach aus gutem Grund.

    Da gibt es keinen Fehler, weil Hildebrandt nicht in Italien und die Fotografie noch nicht erfunden war. Der Architekt hat von seinem König diese Skizze bekommen, die im übrigen den Urheber, Andrea Palladio, verschleierte. In zeitgenössischen Quellen heisst es "nach einem Entwurf des Königs". Diese Fassade sollte Hildebrandt ohne Kenntnis des Originals um die Ecke spiegeln ("facade de la rue d'église egale à cella lá"). Ich weiss aus dem Kopf nicht, ob in der venezianischen Ausgabe des Palladio, die Friedrich hatte, mehr drin ist.

    Sternemannsches-Haus-Barberan-da-Porto-Skizze-Friedrich.jpg


    P.S. Ein Original des Hoflieferantenabzeichen ist im Potsdam-Museum in Bronze vorhanden. Da kann man Abgüsse machen.

  • Würde dann nur sicher statt mit dem Adler ne Club Mate zu sehen sein, zwei Wappenhalterinnen und...Für die Krone fällt mir grad nichts ein.

  • Der Palazzo Barbaran da Porto wurde von Andrea Palladio 1569 für den vicentinischen Adligen Montano Barbarano entworfen und 1570-1575 errichtet.

    Auch am Palazzo Barbarano wird ein Prinzip deutlich, gegen das kaum je verstoßen wurde: die Superposition der Säulen. Dem Thema von Tragen und Lasten gemäß, werden die Säulen grundsätzlich in lotrechter Achse übereinander angeordnet. Das Erdgeschoß und piano nobile verfügen über eigene Ordnungen; auf der Ionika unten fußt hier eine korinthische Ordnung. Dabei werden die Säulenordnungen grundsätzlich von unten nach oben ihrer Wertigkeit entsprechend gesteigert, so daß man unten die männlichen, schweren Ordnungen antrifft und darüber die leichteren und prächtigeren.

    Aus Palladios Zeichnung heraus ist die Eckgestaltung der Säulen nicht genau erkennbar. FdG hat dann einen runden Fenstergiebel mit liegenden Figürchen übernommen und die Ornamente neben den Fenstern, aber auch die wurden am Bau wegrationalisiertet. Es ist auch nicht genau klar, wie stark die Beschädigung im Brand von 1795 an diesem Haus war.

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    Quelle: https://archive.org/details/iquatt…e/n145/mode/2up

    Architektur in Renaissance und Barock

  • Danke! Die Ausführung durch Hildebrandt hat sich nach der Skizze des Königs gerichtet und nicht nach dem Palladio-Stich. Man hat den Eindruck, dass Hildebrandt etwas hilflos war.

    Die Frage ob und welceh Beschädigungen das Haus beim Brand der Nikolaikirche genommen hat ist interessant, immerhin hatte ja die ganze Westseite des Marktes an der Ecke zur Schwertfegerstraße gelitten, das Hellmund-Piernsche Haus wurde neu gebaut.

    Im Reiseführer von Friedrich Nikolai von 1789 ist zu lesen: "Bom alten Markte und der Schwerbtfegergaſie. Das Sternemannſche Haus an der Ecke linker Hand iſt nach Palladio ſchön gebauet. Das erfte Geſchoß bat joniſche Drenviertelsäulen, das zweyte Geſchoß hat korinthiſche Säulen und über den Fenſtern Frontons , mit Fruchtgehängen. In der Attika, worauf Figuren leben, ift das dritte Geſchoß. Die ganze Straße beſteht aus ſchönen neugebauten Häuſern."

    Der Palast firmierte als "Sternemannsches Haus. da Friedrich den Bau dem Ratsherrn Wilhelm Sternemann schenkte.

    Das entspricht, vor allem bzgl. der Fruchtgehänge, diesem Aufmaß aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (sog. Ziller-Mappe, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/MVN2IIKLC…&hitNumber=6017)

    Schwerfegerstrase-1-Kaiserstrase-Palazzo-Barbaran-da-Porto-n.png

  • Ist eigentlich der Wiederaufbau mit den breiten Ladenfenstern im Erdgeschoss gesetzt? In meinen Augen sehr unglücklich, da die Beletage nun auf dünnen Stelzen zu ruhen wirkt.

  • Die Frage der Schaufenster ist ja seit der Kaiserzeit immer mal wieder strittig. Im Bauliberalismus der Kaiserzeit sind viele historische Gebäude mit breiten Ladenfronten versehen worden. Die Fotos des Potsdamer Barberan da Porto belegen das. Beim Noackschen Haus hatten wir vor dem Baubeginn 2013 die gleiche Debatte. Hier hatte sich die Stadt gegen die Schaufenster entschieden und die EG-Flächen sind in der Vermietung eher ein Sorgenkind, die Einheiten hatten schon viele Mieter. Nach diesen Erfahrungen wird man wohl die großen Fenster zulassen.

    Ich fände es wichtig, wenn die Details wie die Gehänge an der Fassade wieder dazukämen. Der Bau lebt von seiner Detailliertheit. Und die Attikafiguren und - Vasen sind wichtig.

  • Hat jemand aktuelle Baustellenfotos? Das letzte Update vom Barbaran ist auch schon wieder 2 Wochen alt. 😊

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • Viele Potsdambesucher die an dieser Baustelle vorbeigehen wüssten sicherlich gern, wie es aussieht was dort gebaut wird. Ein Bauschild mit Abbildung wäre ganz gut.

  • Ich denke,die wenigen Potsdamer die sich wirklich für das Baugeschehen in ihrer Stadt interessieren wissen schon was in der Mitte passiert.

    Im Digitalen Zeitalter informiert man sich nicht nur über Infoflyer.

    Ein interessierter z.B. Münchner, kann mehr über die Potsdamer Mitte bescheid wissen als ein gleichgültiger Potsdamer.

  • Welcher Infoflyer ist denn gemeint? Die Jährliche Infobroschüre habe ich erst vor ein paar Wochen wie jedes Jahr in der Touristeninfo holen können. Ist die große A4 Broschüre gemeint? Die letzte war von ca. 2015, das wäre natürlich sehr schade, die fand ich sehr gut und hätte mich sehr über eine neue Auflage gefreut.

  • Ich denke,die wenigen Potsdamer die sich wirklich für das Baugeschehen in ihrer Stadt interessieren wissen schon was in der Mitte passiert.

    Im Digitalen Zeitalter informiert man sich nicht nur über Infoflyer.

    Ein interessierter z.B. Münchner, kann mehr über die Potsdamer Mitte bescheid wissen als ein gleichgültiger Potsdamer.

    Na, dann ist ja alles prima und ich kenne nur die paar hundert Ausnahmen in Potsdam, aus denen sich nichts verallgemeinern lässt. Die Infoseite der Stadt, die eine weitere Infoquellen sein könnte muss man als Auswärtiger auch erstmal finden und verstehen: https://potsdamermitte.de/.