Bremen - Bahnhofsvorstadt

  • Eine - seltener zu sehende - Ansicht von drei Häusern des mittleren Bereichs der Ostseite der Georgstraße. Die Gebäuderückseiten im Hintergrund gehören schon zur Contrescarpe.

    Lage der drei Häuser auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

  • Die "Neuordnung des Ganzen" (Hans Högg), Beispiel Breitenweg

    Pagentorn, der Breitenweg und der Bau der Hochstraße ist natürlich schon eine Hausnummer, auf die man eingehen müsste. Wenn wir von der Bahnhofsvorstadt sprechen, dann wäre auch das Areal rund um das Siemenshochhaus interessant. Wie viele Gebäude und auch welche, sind im Zuge der modernen Neugestaltung hier gefallen? Der Bau der Hochstraße ist ja ein Ergebnis der Umsetzungsbemühungen der autogerechten Stadt im gesamten innenstadtnahen Bereich, die von Senatsbaudirektor Frank Rosenberg und seiner Mannschaft in den 60er-Jahren vorangetrieben wurde. Alternativ wurde damals auch schon über einen Tunnel - sicherlich die bessere Lösung, die auch Hamburg vor seinem Hauptbahnhof bevorzugte, diskutiert. Als die Hochstraße dann fertig war - der Breitenweg bestand nun oben aus 4, ebenerdig aus 6 Fahrspuren, insgesamt also 10 - fuhr der Hochstraßendurchsetzer Rosenberg über die dieselbe - und war total enttäuscht.

    Rosenberg: "Trotzdem war ich entsetzt, als ich die Hochstraße zum ersten Male befuhr, denn von einem Raumerlebnis konnte keine Rede sein, weder für den Autofahrer oben auf der Hochstraße, noch für die Verkehrsteilnehmer auf dem Straßenniveau des Breitenweges. Es war ein schmerzhafter Mißerfolg, und es gab keine Entschuldigung, ich hatte mich vollkommen getäuscht, und daß ich mich in guter und zahlreicher Gesellschaft befunden hatte, war kein Trost."

    In den letzten Jahren wurde immer wieder mal ein Abriss - aus städtebaulichen Gründen - diskutiert , die Unterstützer sitzen eigentlich in allen Parteien, aber leider hat Bremen nicht mal das Geld, um diese Hochstraße zu entfernen und die Umwandlung des Breitenweg in einen Boulevard voranzutreiben. Hier fehlt´s eben an allem. Vielleicht hilft ja wieder ein Investor aus - ich glaube, Zechbau würde dann Zollgebühren nehmen.

  • Pallas Athene, die Schutzgöttin der Kunsthandwerker


    Mein lieber Herr Gesangsverein, die Themen sprudeln und purzeln hier ja nur so fröhlich durcheinander, daß man gar nicht mehr hinterherkommt…!
    Ich möchte daher um Verzeihung bitten, wenn ich ein Thema von weiter oben nochmals aufgreifen und eine bestimmte These zu der Deutung von Schmuckelementen an der Südfassade der Kunstgewerbeschule zur Diskussion stellen möchte:

    An den beiden Flanken des oberhalb des Hauptgesims gelegenen Geschosses befindet sich jeweils ein Rundmedaillon aus dem halbplastisch ein Männer- bzw. ein Frauenkopf herausragt – inklusive kleiner Nebenfiguren.


    Lage der beiden Medaillons an der Fassade (rot eingekreist).

    Westliches Medaillon.

    Östliches Medaillon.


    Ausgehend von der Tatsache, daß Pallas Athene in der griechischen Mythologie auch als Patronin der Kunsthandwerker gilt, wage ich die Behauptung, daß hier zweimal die Schutzherrin Athens zu sehen ist.

    Es gibt archaische Darstellungen von Göttervater Zeus, die ein ähnlich kronenartiges Diadem auf dem Haupte tragen wie die Männerfigur in dem westlichen Medaillon.


    Auch existieren antike Vasen-Bilder der ‚Kopfgeburt’ der Athene aus dem Schädel des Zeus heraus. Und scheint es auf dem Medaillon nicht tatsächlich so, als wäre der Putto rechts von dem Männerkopf gerade diesem entstiegen (die Flamme auf dessen Haupt mag ja sogar noch aus dem Spalt herausschlagen,aus dem der Putto emporgekommen ist) ?

    Zudem trägt der Putto eine Kugel in der Hand, die man auch bei Athene-Abbildungen findet, wobei bei der erwachsenen Athene dann noch zusätzlich eine Nike auf dieser Kugel steht.

    All diese Parallelen mögen die Annahme stützen, daß hier die berühmte Kopfgeburt und damit die blutjunge Athene neben dem Haupt ihrer Vaters zu erblicken ist.

    Dies vorausgesetzt erschließt sich der Frauenkopf im östlichen Medaillon dann ganz automatisch: Dort ist konsequenterweise die erwachsene Pallas Athene mit ihrem Symbol, der Eule, dargestellt. Zudem blickt Sie zu ihrem Vater auf dem anderen Medaillon herüber.

    P.S.: Woher diese seltsame schwarze Schliere stammt, die ausschließlich in den beiden Mediallons auftritt und die übrige Fassade sonst nicht verunstaltet, ist mir ein Rätsel. Oder sollte es so zielgenau werfende 'Autonome' geben ? Schon befremdlich und traurig !

    (alle aktuellen Fotos von mir am 29.12.2019 aufgenommen)

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (31. Dezember 2019 um 10:18)

  • Osterhase ?


    Im dem dem Fenstergiebel mit dem Christkind direkt östlich benachbarten Fenstergiebel befindet sich ein langohriger Hase, der ein stilisiertes Blatt derart über die Schulter geworfen hat, daß man es auch als Kiepe deuten könnte. Der Hase blickt zudem in Richtung des benachbarten Christkinds. Die Deutung als 'Osterhase' liegt somit nahe.

    Möglicherweise sollen diese zwei Fenstergiebel gemeinsam darauf hindeuten, daß die beiden christlichen Hochfeste reichlich Arbeit für Kunsthandwerker bieten...

    Lage des 'Hasen-Fenstergiebels' an der Südfassade zum Wandrahm.


    Der Osterhase.



    (Fotos von mir am 29.12.2019 aufgenommen)

  • Gesamtes Bildprogramm der Südfassade der Kunstgewerbeschule

    Für die weitere Deutung der Ikonographie der Fassade wird es hilfreich sein, wenn die lieben Mitforisten sich ein Bild vom gesamten Bildprogramm werden machen können. Ich stelle daher die von mir am 29.12.19 erstellten Fotos in der Folge in serieller Weise hier ein und zwar in dieser Reihenfolge: 1. Geschoß über Hauptgesims, 2. Erstes Obergeschoß, 3. Sockelgeschoß. Dabei wird jeweils von West nach Ost vorangeschritten.

    1.Geschoß über Hauptgesims

  • Städtisches Lyzeum an der ‚Kleinen Helle’


    Anbei einige Impressionen des von 1914 bis 1916 nach Plänen von Hugo Weber und Hans Ohnesorge an der Straße ‚Kleine Helle’ errichteten städtischen Lyzeums. Seit 1987 wird das Gebäude vom 1528 gegründeten ‚Alten Gymnasium’ der ältesten bestehenden Schule Bremens genutzt – vergleichbar mit dem Lübecker Katharineum – welches seinen seit 1875 bestehenden Standort an der altstädtischen Dechanantstraße seinerzeit aufgeben mußte.

    Lage des Lyzeums auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Engere Umgebung des Lyzeums.

    Luftbild aus Richtung Westen aufgenommen.

    Fast eine Totale der Westfassade an der Straße 'Kleine Helle' mit dem Hauptportal.

    Die zwei Mädchenfiguren am Portal, die noch auf den Charakter des Gebäudes als höhere Lehranstalt für Mädchen hinweisen.


    Dazwischen befindet sich der Bremer Schlüssel, welcher als Hoheitszeichen der Beleg dafür ist, daß es sich bei dem Lyzeum um eine staatliche Einrichtung handelte.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (31. Dezember 2019 um 15:25)

  • Einer der drei steinernen, mit Früchten und Blattwerk gefüllten Schalen auf der Balustrade oberhalb des Eingangsbereichs.

    Pittoresker Schwibbogen zwischen Lyzeum und Kunstgewerbeschule.

    Beim Betrachten der Portalzone fiel mir noch das folgende ‚Duett’ auf: Eine heute an vielen Schulen in Deutschland vom Zeitgeist geforderte Inschrift kontrastiert da mit einer verkleinerten Replik des 1562 geschaffenen Wappensteins vom im frühen 19. Jahrhundert abgebrochenen Wall-Tor des Herdentores. Dessen Umschrift lautet u.a.: „BREMEN WES GHEDECHTICH/ LATE NEICT MER IN/ DV BEIST ÖHRER MECHTICH.“ Dies soll sinngemäß heißen: „Bremen, sei Dir bewußt, nie mehr Auswärtige aufzunehmen, als es für den Erhalt Deines bisherigen Charakters verträglich ist !“ Nun ja, die Alten lagen mit Ihren Weisheiten und Warnungen ja wohl nicht immer vollkommen falsch, oder ? Für ein Stadttor ein jedenfalls sehr sinniger Spruch, der auch die Wachtposten (die Grenzer) stets an ihre Aufgabe erinnerte...

    (Hier noch ein ‚Link’ zu Interpretationsvarianten des Spruchs:
    https://wkgeschichte.weser-kurier.de/ein-raetselhafter-wappenstein/)



    (Fotos von mir am 29.12.2019 aufgenommen)

    In diesem Sinne wünschen ich allen lieben Forumsfreunden eine ruhige Silvesternacht 2019 und einen guten Übergang in das neue Jahr und Jahrzehnt !

  • Die 'geerdeten' Reformatoren von der Michaelskirche

    Als Nachtrag zu meinem Beitrag über die Michaelskirche vom 27. Dezember 2018 auf dem Themenstrang 'Bremen - Innenstadt' (an die Moderation: letzteren 'Gemischtwarenladen' sollten wir bitte bei Gelegenheit auf die zugehörigen neuen Themenstränge verteilen) hier noch zwei Bilder von den Statuen Luthers und Zwinglis, die gleich der Metallplastik des Heiligen Michaels den unnötigen Abbruch der wunderschönen Neugotischen Kirche überlebten und nun vor dem zeltartigen Neubau stehen.

    Ursprüngliche Position der beiden Statuen an der neugotischen Kirche (rot umrandet).


    Standort vor der neuen Kirche. Die Reformatoren wurden sozusagen 'geerdet'.


    Zwingli.


    Luther.


    (Aktuelle Fotos: Eigene Aufnahmen von mir vom 29.12.2019)


  • Hier noch mal ein Bild der Michaeliskirche, Zustand 1950er-Jahre. Man sieht hier sehr schön, wie gut erhalten die Kirche noch war. Die Kriegszerstörungen betrafen nur den Dachbereich, sie war lediglich ausgebrannt. Aber der Scan ist irgendwie schief gegangen, keine Ahnung warum. Ich hoffe, der Erhaltungszustand kommt trotdem rüber.
    Quelle: N. Aschenbeck, Bremen, Der Wiederaufbau, 1945 - 1960.

  • Vorbild Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ?

    Na da schau her ! Sollte sich etwa Baurat Jürgen Kröger aus Berlin für den Entwurf seiner 1898 bis 1901 erbauten Bremer Michaeliskirche Anregungen bei der 1891 bis 1895 in Charlottenburg nach Plänen von Franz Schwechten erbauten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche geholt haben ? Die Ähnlichkeit der Portalzonen deutet zumindest darauf hin...


    (links: Gedächtniskirche Berlin, rechts: Michaeliskirche Bremen)

  • Wenn eine Kirche optisch noch so gut erhalten war wie die Michaeliskirche (und auch andere im Bremer Stadtgebiet), frage ich mich natürlich: Warum dann der Abriss. Da wäre zum einen wieder mal die "autogerechte Stadt" zu nennen. Dazu fällt mir nur die Verbreiterung des Doventorsteinwegs als eine Ursache ein. Der rückwärtig gelegene Nordwestknoten, nach dem Krieg erbaut, scheint mir zu weit entfernt zu sein, um einen Abriss zu verursachen. Zweitens wäre dann noch die Geringschätzung der modernen Stadtplaner und Architekten für den Historismus zu sein. Weg mit dem Schrott.
    Weitere Interpretationen?

  • St. Raphaelskapelle – A.D. 1900


    „1868 wurde der ‚St.Raphael-Verein zum Schutze katholischer Auswanderer’ gegründet. 1872 wurde er in Bremen tätig; ein Jahr später kam der Prediger Peter Schlösser aus Düren nach Bremen und war den katholischen Auswanderern auf vielfältige Weise behilflich. 1890 kam der Wiener Geistliche Franz Prochar [erratum: es muß ‚Prachar’ heißen] und betreute auch durchreisende Katholiken. Nachdem er zunächst seine Station in der Lindenstraße beim Herdentorsteinweg, dann Außer der Schleifmühle Nr. 66 gehabt hatte, enstand 1900 ein Auswandererbüro mit der Raphaelskapelle in der Falkenstraße Nr. 66. [erratum: es muß '48' heißen]. Hier fanden regelmäßig Gottesdienste statt. Diese Einrichtung wurde 1944 zerstört, das Raphaelswerk nach dem Kriege neu gegründet. […]“ (Schwarzwälder, Herbert: Das Große Bremen-Lexikon, Band 2, L-Z. 2. aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Bremen, 2003: Edition Temmen, S. 699 – Artikel: ‚St.Raphaelskapelle’. Bildquelle der obigen Abbildung: dito.)

    Lage der St. Raphaelskapelle auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Engere Umgebung der St. Raphaelskapelle.

    Innenansicht der Kapelle. Blick zur Apsis.

    Nordfassade von Vereinshaus (links) und Kapelle (rechts) zur Falkenstraße
    (Hoerder, Dirk / Knauf, Diethelm [Hrsg.]: Aufbruch in die Fremde. Europäische Auswanderung nach Übersee. Bremen, 1992: Edition Temmen, S.117.)

    Foto der Ruine ab 1945 mit Blickrichtung nach Westen(von BremerMann freundlicherweise eingestellt).


    Foto der Ruine 1944. Blickrichtung nach Osten auf die Apsis. (Foto der Reichsschadensstelle – Privatbesitz Pagentorn).


    Werbeanzeige des Raphaels-Vereins.


    Luftbild der gegenwärtigen Häuserzeile zwischen Bornstraße (links) und Ellhornstraße (rechts). Das ehemalige Areal der St. Raphaelskapelle ist rot eingekastelt.

    Die vorkragenden Erker des Gebäudes zur Linken könnten eventuell an den Giebel des alten Vereinshauses erinnern – aber ob das dem Architekten bewußt war und er dieses intendierte bleibt ungewiß.

  • Katholisch-Apostolische Kapelle - Die ‚große Unbekannte’ in der westlichen Bahnhofsvorstadt


    Die seit 1874 auch in Bremen ansässige Katholisch-Apostolische Gemeinde (Teil einer sich um 1840 in Großbritannien aus verschiedenen endzeitlichen Erweckungsbewegungen herausbildenden kirchlichen Gemeinschaft, aus der ihrerseits später – durch Abspaltung- die Neuapostolische Kirche hervorging), erbaute sich am Doventorsdeich, gegenüber von der Michaelisschule, eine Kapelle, die am 7. Dezember 1893 eingeweiht wurde. 1939 war die Gemeinde dort noch im Adressbuch gelistet, sodaß anzunehmen ist, daß sie bis zur Zerstörung des Gotteshauses im Bombenkrieg hier ansässig war. Leider ist es mir bisher trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, Bildmaterial zu dieser Kapelle aufzutreiben. Auch eine Kontaktaufnahme zu diesem Zweck zur gegenwärtig an der Kirchbachstraße Nr. 221 in Schwachhausen – in erstaunlicher trauter Nachbarschaft zur dortigen Alt-Katholischen Kirche (einer Abspaltung von Rom nach dem 1. Vaticanum) – angesiedelten, nur noch gut drei Duzend Mitglieder zählenden Gemeinde blieb bisher leider erfolglos. Bedauerlicherweise reiht sich die Kapelle damit in den Kreis von Doventorsdeich und weiterer westlicher Bahnhofsvorstadt ein, die ebenfalls höchst selten ihren Weg vor die Kameralinse fanden; so ist z.B. bis heute keine brauchbare Vorkriegs-Luftaufnahme dieses Areals aufgetaucht.

    Hinweise und Einstellungen von Bildmaterial zu der Kapelle sind nach allem sehr willkommen !

    Lage der Katholisch-Apostolischen Kapelle auf der Stadtkarte von 1938.

    Engere Umgebung der Kapelle (Adresse sowohl 1914 als auch1939: Doventorsdeich Nr. 25)



    Nachkriegs-Luftaufnahme des Gebiets um die Straße ‚Doventorsdeich’. Die rote Umrandung zeigt die ungefähre Lage der ehemaligen Kapelle an.

  • Den Vorkriegszustand habe ich auch nicht, aber ein Luftbild des Areals vom 12. Mai 1945.

    Ist übrigens ein Ausschnitt eines Luftbilds der `Trolley-Mission´ einer Serie von Luftbildern der US-Air-Force.
    Zu finden unter http://www.trolley-mission.de. Hier ist unter `Bremen´ auch ein Film von einem Überflug über die Stadt zu finden. Sehr sehenswert.