• Was waren denn damals die größten Hürden bei der Rettung der Altstadt?

    In aller Kürze:

    Der erste Akt des Abbruchs der Altstadt war die Festlegung eines Südrings um die Altstadt. Mit der Hilfe eines neugewählten OB Manfred List anlässlich der Einheit von Bietigheim mit dem benachbarten Bissingen gelang es als erstes, den Südring, der auf 16 m hohen Stelzen die herrliche Südfront der Altstadt zerstört hätte, auf den Boden herunterzubringen, wo er später den Ersatz für die neugeschaffene Fußgängerzone bildete.

    Mein Ziel für eine funktionierende Altstadt waren drei Punkte: Wirtschaftliche und verkehrsgerechte Qualität müssen in eins gehen mit der historischen Aussage der Stadt!

    Hausbesetzungen waren nach 1968 üblich. Ich habe vom ersten Tag an gesagt: Ohne mich! Denn jede unbürgerliche Vorgehensweise wäre der sofortige Tod der Altstadt gewesen! Die Altstadt war verkommen, zugebaut und von Verkehr überfrachtet - der Abbruch war von den meisten Bürgern anfänglich tatsächlich so gewollt.

    Mein Anliegen bestand von Anfang an darin, den Bürgern den jetzt noch verborgenen Wert der Altstadt zu zeigen. Vorträge, regelmäßige Zeitungsartikel, Interviews im Rundfunk und schließlich Führungen durch die herabgekommene Altstadt waren die Grundlage ihrer Rettung. Dazu war harte Archivarbeit notwenig. Dem ersten Hinweis auf eine Führung durch die Altstadt folgten zu meinem großen Erstaunen an einem Sonntagmorgen fast hundert Menschen.

    Unser zweites Anliegen war, als Beispiel für die ganze Altstadt, die Rettung des völlig verkommenen Hornmoldhauses. Hornmold war als erster Direktor des Kirchenrates der wichtigste Mann der Reformation in Württemberg. Der große Durchbruch gelang mir mit der Entdeckung der umfangreichen Malereien im Hornmoldhaus - meist aus der Renaissance. Sie waren ausnahmslos unter abgehängten Decken, Tapeten, Ölschichten, Lochmalereien und spärlichen Übermalungen erhalten geblieben.

    Mit der Rettung und der Erneuerung des Hornmoldhauses war die Schlacht um die Altstadt gewonnen. Überall wurde entkernt, ausgeräumt, Fachwerkfassaden freigelegt, und Bietigheim hat heute über das Hornmoldhaus hinaus eine sehenswerte Altstadt.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ich habe darüber schoneinmal einen Zeitungsartikel gelesen und nie gedacht, dass Der Herr Bentele hier im Forum vertreten ist:)

    Unglaubliches haben sie geleistet und diese Altstadt vor Größen und Profitwahn gerettet!!

    Wenn ich die großflächige Vernichtung heute in vielen Kleinstädten und Dörfern sehe, wünschte ich es gäbe mehr dieser erfreulichen Glücksfälle.💍

    Schon unglaublich, dass in einem ,,grünen,, Bundesland immer noch so viel abgerissen und neu gebaut wird.

  • Und da Herr Bentele maßgeblich an der Bewahrung der Altstadt von Bietigheim beteiligt war, sollten diese interessanten und wichtigen Ausführungen sicher auch nicht beim Thema 'Bönnigheimer Stelzenhaus' stehen.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)