Braunkohletagebau

  • Hab im Netz diese interessante Fotostrecke gefunden:

    http://www.cohn-music.de/Tagebau-Inden-…ltdorf-Pier.htm

    Was haltet ihr vom Braunkohletagebau? Notwendig oder nicht?

    In meinen Augen eine große Landschaftszerstörung, abgesehen davon hat Braunkohle nur einen niedrigen Energiewert. Steinkohle ist da besser.

    ... aber es entstehen auch neue, schöne Landschaften.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Also bei [lexicon='Leipzig'][/lexicon] gibt es einen ähnlichen Fall. Der Ort Heuersdorf soll der Braunkohle Platz machen, die Bewohner wehren sich seit Jahren.

    Ich finde die Energiegewinnung durch Braunkohle schon seit Jahren überholt und steht in keinem Verhältnis zu den massiv eintretenden Landschaftszerstörungen. Braunkohle wird zwar nicht -im Gegensatz zur Steinkohle- subventioniert, aber auch hier wird auf Krampf, u.a. aufgrund der Arbeitsplatzerhaltung, an einer rückständigen Energiegewinnung festgehalten. Auf Kosten der Natur und der Lebensqualität ...

  • Einerseits ist es wirtschaftlich äußerst fragwürdige Landschafts- und Kulturzerstörung. Ebenso im bereich der Lausitz, in der die Braunkohle das sorbische Siedlungsgebiet bereits stark betroffen und zum sorbischen Idenditätsverlust beigetragen hat(Mitt unseres jahrhunderts dürfte es keine sorbische Kultur mehr geben, abgesehen von sinnbefreiter Folklore
    :(). Andererseits sind diese Gegenden auch ohne Brankohletagebau vom Phänomen der "neuen Wüstungen" betroffen, bis zu ihrer völligen Auflösung. Viele hundert bis tausend Dörfer werden in den nächsten jahrzehnten in Ost- und Mitteldeutschland von der Landkarte verschwinden, völlig ohne Braunkohle. Die Folgeerscheinungen dieser, neue Seen- und Erholungsgebiete, werten die Wirtschaftskraft und Attraktivität ansonsten darniederliegender, häßlicher Regionen auf. Insbesondere Leipzigs Umland war seit jeher von Industrie und Landwirtschaft geprägt; flaches, verstandraubendes Land, ebenso wie die noch ödere Magdeburger Börde.

    Nein, die werden gedünstet

  • Mit der Landwirtschaft ist's schon schade... ich hoffe, dass sie irgendwann auch wieder ohne Subventionen rentabel wird.

    Aber was die ostdeutschen Dörfer angeht hast du recht, die haben wirklich derbe Probleme, zu überleben.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Sind wirklich tragische Schicksale dabei, ich selbst stamme aus der Region Kerpen/Hürth. Ich wohne zum Bsp on dem letzten Überbeibsel meines Dorfes der rest wurde ab 1960 abgebaggert. darunter auch eine gotische Kriche.

  • http://www.mdr.de/nah_dran/1202518.html

    Horno, das soweit ich weiß einzige im Kern denkmalgeschütze Dorf Deutschlands, musste 2003 auch dem Braunkohletagebau weichen... schon krass, was diese überholte Energiegewinnung an kulturellen Zeugnissen fordert...

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • ich finde, der ganzen thematik sollte ein viel
    größeres gewicht beigemessen werden.
    ich finde entsetzlich, was da durch den kohle-
    abbau in ost- und west passiert ist. wo waren
    und sind da die denkmalschützer und architekten,
    um aufzuschreien? verhaltene kritische stellungnahme
    in den architekturzeitschriften sind das höchste, wenn
    überhaupt. was für ein armutszeugnis! denn diese sind es,
    die mit aller vehemenz massiv gegen rekonstruktion
    und die rückgewinnung von gebauter identität wettern,
    weil die menschen mit ihren modernistischen silos,
    auch nach über 80 jahren, nichts anzufangen wissen,
    die 'dummen'.

  • Ich finde es ziemlig entsetzlich, dass Menschen ihre Heimat für ein bisschen Braunkohle verlieren.

    Braunkohle als Energie ist eines der höchsten Umweltverschmutzenden Energieträger. Es ist zu unserer Zeit nicht mehr rentabel.
    Obwohl ich gegen Atomkraft bin, sollte man dann trotzdem weiter Atomkraft einsetzt als dafür Dörfer zu zerstören.

    Dann kommt noch hinzu, dass die Dörfer nicht einmal original getreu wieder aufgebaut werden. Für die Menschen in den "Neuen" Dörfern wird es doch niemals "Ihr Dorf" sein. Es erinnert doch nichts mehr an die gewöhnte Umgebung. Vor allem für die älteren Menschen ist es doch sehr tragisch.

    Als ich das Bild vom Abriss der Kirche gesehen habe war ich sehr geschockt. So schöne alte Gebäude verschwinden für so einen unsinnigen Grund. Und was bleibt?

    Eine Wüste, die später geflutet wird... Dann sollte man wenigstens die Gruben zuschütten und die Dörfer wieder an alter stelle errichten, sobald dort nicht mehr gebaggert wird. Dafür sollte dann wenigstens Geld reserviert werden, auch wenn es unmöglich umzusetzten sein wird... Ein "Dorf" nur aus Neubauten gleicht doch eher einer Neubauwohnsiedlung als einem Dorf....

  • Auch wenn ich weiß, dass sich gleich manche ganz furchtbar erregen werden:

    Besiedlung ist doch keine Einbahnstraße. Dörfer kommen, Dörfer gehen.

    Und die Gruben wieder zuschütten? Also ganz ehrlich: z.B. diese Seenlandschaft nahe [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ist einfach nur klasse; das sorgt für Lebensqualität - allein der Gedanke, stattdessen ein paar wiedererrichtete 08/15-Dörfer zu haben, klingt in meinen Ohren absurd.

    Über Sinn und Unsinn des Abbaus kann man streiten. Will man ihn, sollte er an winzigen Dörfern nicht scheitern. Und hat man ihn gehabt, sind z.B. Seen eine super Lösung.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Wie schon im anderen (jetzt dichten) Thread angesprochen, nichts kann historisch gewachsene Städte oder auch nur Dörfer ersetzen. Ein Blick auf die Bilder der "Ersatzstädte" reicht ja um zu sehen, dass diese auf dem Reißbrett entworfen und in typischer postmoderner Betonklotz-Architektur in die Landschaft gezimmert sind. Wie soll man hierfür eine Identität entwickeln? Für eine Stadt ohne Geschichte?

    Ganz zu schweigen von den Baudenkmälern, und seien es nur historistische Kleinstadtkirchen - auch der Historismus ist ein Bestandteil der deutschen Geschichte, für ein jedes Bauwerk das verschwindet, bleibt weniger, das der Nachwelt von dieser Geschichte vor Augen geführt werden kann. Beim Tagebau ist das meiner Meinung nach besonders schlimme daran, dass hier ja nicht nur einzelne Städte, sondern meist ganze Landstriche verschwinden, die eventuell einzigartige, so nie wieder auffindbare Kulturmerkmale aufweisen.

    Wie immer kann ich hier nur kopfschüttelnd fragen: haben die Bomben nicht genug vernichtet?

  • Zitat von "RMA"

    Wie schon im anderen (jetzt dichten) Thread angesprochen, nichts kann historisch gewachsene Städte oder auch nur Dörfer ersetzen. Ein Blick auf die Bilder der "Ersatzstädte" reicht ja um zu sehen, dass diese auf dem Reißbrett entworfen und in typischer postmoderner Betonklotz-Architektur in die Landschaft gezimmert sind. Wie soll man hierfür eine Identität entwickeln? Für eine Stadt ohne Geschichte?

    Genau das denke ich auch; in den neuen Dörfern gibt es nix historisches. So eine Umsiedlung verstößt für mich auf das Recht der Heimat. Es ist ja nicht so, dass diese Menschen ihr Dorf wiedersehen. Es wird zerstört und was bleibt sind die Erinnerungen und Fotos... Zerstört wurden ja nicht "nur" Gebäude, sondern Jahrhunderte alte Geschichte, die den Krieg überwunden hat...
    Antiquitus:

    Du hast recht, dass die Seen die Gegend aufwertet, aber man hätte dieses Problem auch anders lösen können. Man muss nicht unbedingt ganze Landstriche vernichten um die Gegend attraktiv zu machen...Die Menschen aus den zerstörten Dörfern hätten zumindest das Recht auf eine Wiedererrichtung ihrer Dörfer. Wenn man sich in ihre Lage hineinversetzt, dann denke ich würde ich auch den Wiederaufbau meines Dorfes fordern und wünschen.

  • Wie ich schon weiter oben schrieb, steht der Abbau der endlichen Ressource Kohle in keinem Verhältnis zu den massiven Landschaftszerstörungen (inkl. Gemeinden) sowie den immensen Luftverschmutzungen der Kohlekraftwerke. Ich bin wirklich erstaunt, dass man hier nach wie vor an einer überholten und ineffizienten Energiegewinnung festhält.

    Zitat

    Obwohl ich gegen Atomkraft bin, sollte man dann trotzdem weiter Atomkraft einsetzt als dafür Dörfer zu zerstören.

    Na, das ist ja nicht gerade aussagekräftig. Will man den stetig steigenden Energiebedarf der Erde auch in Zukunft decken, führt kein Weg an der Atomkraft vorbei. Das Problem, das im Moment noch besteht, ist die unglückliche Endlagerung von Atommüll. Eine Lösung dafür könnte die Kernfusion bringen, wobei die Anti-Atom-Lobby in unserem Land schon dafür gesorgt hat, dass der Zug dahingehend mal wieder ohne Deutschland abfährt. Eine saubere und effizientere Alternative gibt es derzeit nicht. Regenerative Energie ist gut, aber nicht ausreichend.

  • Andererseits bringen die Arbeitsplätze im Kraftwerk dutzende Dörfer in der Umgebung zum Blühen, die ansonsten durch Abwanderung und Vergreisung in ihrem Bestand bedroht sind.

  • @ Spacecowboy: Hab mich auf der diesjährigen HannoverMesse mal über Kernfusion informiert, das Ganze scheint wirklich langsam ins Rollen zu kommen. Leider ist das auch nicht so ungefährlich wie ich erst dachte, die Dinger sind in etwa so gefährlich wie Atomkraftwerke. Der Vorteil ist jedoch, dass die Altlasten schon nach 100 Jahren wieder recycelt werden können.
    Aber in so einer Umgebung wohnen möchte ich auch nicht. Dennoch ist es besser als Braunkohle... Kernenergie ist in meinen Augen genauso fatal.

    Am effektivsten ist es aber immer noch, Energie zu sparen wo es nur geht. Vielleicht kann man dann irgendwann wirklich ganz Deutschland regenerativ beheizen.

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • OFFTOPIC: M.W. kann bei der Kernfusion nichts schmelzen oder durchbrennen und damit ist es wesentlich sicherer, oder?

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Stimmt schon, Booni, derzeit geht man bei der Kernfusion von 100 Jahren Endlagerung aus. Und noch ist ja nichts ausgereift, sodass man schwer abschätzen kann, wie sicher Fusionskraftwerke sein werden. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Energiebedarf wird gedeckt sein und endlos zur Verfügung stehen (wenn bis 2090 die Weltbevölkerung bei geschätzten 9 Milliarden Menschen liegt, derzeit 6 Milliarden, kann man noch so sehr Energie sparen, der Bedarf steigt trotzdem), keine klimaschädigende, treibhausfördernde oder gesundheitsschädigende Ausstoße, keine sonstigen Umweltzerstörungen, geringe Endlagerungszeit. Nachteil: Sicherheit (weiß man noch nicht) und Atombomben können wesentlich verherrender und vor allem schneller gebaut werden.

    Zitat

    Also ganz ehrlich: z.B. diese Seenlandschaft nahe [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ist einfach nur klasse; das sorgt für Lebensqualität - allein der Gedanke, stattdessen ein paar wiedererrichtete 08/15-Dörfer zu haben, klingt in meinen Ohren absurd.


    Das ist ja richtig, aber bei Kohleabbau geht es ja in erster Linie um (Kultur)Landschaftszerstörung. Wenn ich bedenke, dass der Südraum [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ein einzigartiges tlw. urwaldartiges und sehr wasserreiches Sumpf- und Auewaldgebiet hatte, wo jetzt vertrocknete und staubige Mondlandschaften einen in den Wahnsinn treiben können, dann ist die geplante Seenplatte, so sehr ich sie auch befürworte, kein angemessener Ausgleich. Vor mehr als 30 Jahren war der Abbau von Kohle bestimmt sinnvoll gewesen, aber seitdem nicht mehr. Und der Südraum-Bagger fraß sich bis an die Leipziger Stadtgrenze vor und die DDR wollte 1989 noch Teile des Auewaldgebietes im Stadtgebiet und die südwestlichen Stadtteile der Braunkohle opfern.

    In der Lausitz, im brandenburgisch-sächsischem Grenzgebiet, entsteht ja jetzt eine ähnliche Seenplatte, nur noch größer, glaub' ich. Wie sieht's eigentlich im Ruhrgebiet mit Flutungen aus?

    Anbei noch einmal das von mir vor einem Jahr bereits gezeigte Bild vom Südraum [lexicon='Leipzig'][/lexicon], diesmal in der größten Auflösung (damits mehr gruselt). Zu sehen ist die Flutung des Zwenkauer Sees, der 2011 zugleich der größte See in "Neuseenland" sein wird.

    Bild (danach noch einmal auf Bild klicken, um die größte Auflösung zu sehen)

  • Also ich finde das schon ziemlig traurig. Vorher war dort warscheinlich eine fruchtbare Ackerlandschaft mit gemütlichen Dörfern... Sowas einfach wegzubagger, wobei soetwas wie auf dem Bild bei herauskommt ist einfach nicht richtig.

  • @ Antiquitus: Der Super-Gau bei einer Kernfusion (Explosion und offenliegender Reaktor) hätte eine ähnlich verheerende Wirkung wie Tschernobyl. Ich weiß nicht mehr genau was es war aber die Dame von der Forschungsgesellschaft hat eingestanden, dass es im Worst Case nicht wirklich ungefährlicher ist.
    Unsere Atomkraftwerke sind ja auch eigentlich so sicher, dass nie etwas passieren wird. Aber das hat man bei der Titanic auch gesagt....


    spacecowboy: Im Ruhrgebiet hat es nie Braunkohleabbau gegeben, nur im Rheinland zwischen Köln und Aachen, bei Düren, Jülich die Ecke.
    Dort stehen jetzt postmoderne Kleinstädte aber es gibt auch Seen.
    Allerdings waren die Dörfer im Rheinland nie so reizvoll wie die sächsischen (z.B. Horno)

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ich meinte ja auch Flutungen resultierend aus dem Abbau von Steinkohle, dabei lassen sich aber glaube ich keine Seen hinterher machen.

  • Nee... die wurden teilweise gestopft mit Abraum und großen Steinen, teilweise sind die aber einfach offen. Ab und an kommt es mal zu Bergsenkungen aber Häuser stürzen da äußerst selten bei ein.

    Karstadt begründet den Abriß des historischen Kaufhausgebäudes in Essen nächstes Jahr u.a. damit, dass sioch das Gebäude in den letzten 100 Jahren um über 1 Meter gesenkt hätte.
    ... erklärt aber nicht, warum man die Fassade nicht rekonstruieren kann sondern eine Alu-Plastik-Glasfassade hermuss beim Neubau.

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    Karl Kraus (1874-1936)