Bremen - Altstadt - Steffensstadt

  • (Ausschnitt aus dem Braun / Hogenberg Plan der Bremer Altstadt von 1588/89, der die Steffensstadt umfaßt.)

    Der westlichste Teil der Bremer Altstadt, der erst später in die Stadtmauer einbezogen wurde, war lange Zeit als die 'Steffensstadt' bekannt. Alles was in diesem heute 'Stephani-Viertel' genannten Bereich zwischen Natel, Brill und Schwanengatt einerseits und dem 'Bräutigam' andererseit in baulicher Hinsicht von Interesse ist, soll in diesem Themenstrang erörtert werden.

  • Zur Übersicht hier noch die Stadtkarte von 1938, in der in roter Farbe die historische Grenze der Steffensstadt eingetragen ist. Daß an der Straße 'Am Wall' nur die stadteinwärts weisenden Haushälften mit umfaßt sind, hat schon seine Richtigkeit. Denn bei der Auflassung der Befestigungsanlagen Anfang des 19. Jahrhunderts wurden nämlich die dort neu enstehenden Gebäude mittig über dem Verlauf der mittelalterlichen Stadtmauer errichtet. Die beiden verschiedenen Flächenfärbungen beziehen sich auf die alte Binneneinteilung der Steffensstadt: Der blaue Bereich kennzeichnet die sogenannte 'Waterside', der grüne die sogenannte 'Landside'.


    Aktuelles Luftbild der Steffensstadt.

    Und nun genug der Einleitung ! Freuen wir uns auf die Beiträge von findorffer.

    Lieber findorffer, der neue Themenstrang wartet darauf, mit Inhalt gefüllt zu werden...

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (21. November 2019 um 07:43)

  • Ob das so erfreulich ist, Pagentorn, wage ich zu bezweifeln.

    Im Weser-Kurier war kürzlich ein Neubauprojekt meines "Lieblingsarchitekten" in Bremen (Jo Meyer, siehe auch Mühlenviertel) in der Neuenstraße im Stephaniviertel abgebildet. Dort wachsen die Gebäude geradezu in den Himmel bei gleichzeitig engen Straßen, deren Breite noch an die alten, viel niedrigeren Traufhöhen der Vorkriegszeit erinnert. Aber schauen wir mal, was Jo Meyer, der Investor und natürlich die Baubehörde hier wieder verbockt haben (auch auf die Gefahr hin, dass es wieder heißt: Wieso, ich kenne viel schrecklichere Gebäude).

    Der Neubau:


    Nachfolgende Überschrift schmückte die Abbildung:

    Wir sehen hier wieder mal, wie verkaufsfördernd offensichtlich der Bezug auf die historische Bebauung ist, man selbst aber ein Gebäude liefert, das die historische Anmutung durch seine Höhe und seinen 70er-Jahre.Baustil geradezu konterkariert. Auch das Stephaniviertel gehörte einst zur historischen Mitte und wurde durch die Neubauten, die hier seit der Nachkriegszeit bis heute entstanden sind, nach den Kriegszerstörungen ein zweites Mal vernichtet.
    Wohnt also die anspruchsvolle Klientel (richtet sich wahrscheinlich an die gut betuchten Radio-Bremen-Mitarbeiter, der Sender ist ja nur einen Steinwurf entfernt) im Stephaniviertel noch in Bremens historischer Mitte? Ist es anspruchsvoll, in so einem Gebäude zu wohnen? Einige lassen sich bestimmt von den Schlüsselwörtern "historisch" und "anspruchsvoll" ködern! Sieben Etagen und Tiefgarage im schönsten 70er-Jahre-Look. Der Beweis für den Niedergang der Architektur.

    Das oben abgebildete Foto jetzt noch mal mit einem Auszug aus dem Begleittext, der den aufmerksamen Leser mindestens genau so viel Aufregung beschert wie das Gebäude.

    Die Baustelle an der Neuenstraße:


    Die Häuser im Hintergrund gehören zur Wallbebauung. Man sieht, wie die Rückseite der Gebäude bereits durch die links stehende Baureihe verschattet ist, nach Meyers Bau werden die Bewohner dort keine Sonne mehr sehen. Die Baubehörde hat´s genehmigt. Gibt es nicht so was wie Bestandschutz. Die Meyerbewohner wollen doch auch auf dem Balkon sitzen und die Sonne genießen, das ist ja Bestandteil der versprochenen Hochwertigkeit (anspruchsvoll). Und nehmen anderen das Licht weg. Aber, schauen wir uns in diesem Zusammenhang weiter um im Viertel. Gleich daneben ist dies entstanden. Ein Bau des Überseestadtbezwingers Justus Grosse, 7 Etagen reinste Freude:


    Hier sieht man sehr schön die Verschattungsleistung dieses Gebäudes:

    2 Mal editiert, zuletzt von findorffer (21. November 2019 um 17:38)

  • Wahnsinn. Wenn Du nicht geschrieben hättest, dass das Neubauten sind, hätte ich die Häuser für schlecht eingepasste Billigblocks von 1970 gehalten. 50 Jahre geistiger und ästhetischer Stillstand. Was für ein Mief.

  • Nein, bei diesem Klotz gibt es nichts zu beschönigen. Das ist die Art Architektur, für die ich meine Wut aufbewahre: der letzte, einfallslose und billige Müll, pardon my French. Schon deshalb ist differenzieren so wichtig, denn das und der Grosse-Kram daneben ist qualitativ um Welten schlechter als die Teerhofbebauung, auch wenn ich Deinen Groll da jetzt besser verstehen kann in Kenntnis der Entstehungsgeschichte.

    Trotzdem: Das ist das erste Mal, dass ich eine Visualisierung dieses Neubaus sehe. Es könnte fast nicht schlimmer sein. Für mich auf einem Niveau mit diesem Klotz an der Ecke Schlachte/Bürgermeister-Smidt-Brücke stadtauswärts rechts/Richtung Stephaniviertel von geschätzt 2004(?). Fürchterliche, elende Gestaltungsverweigerung. Große Teile der Überseestadt haben bessere Architektur.

  • Ich will jetzt weiter fortfahren. Mein letztes Bild war ja die Rückseite der Wallbebauung. Schauen wir uns das Ganze mal von vorne an:

    Hier gab es mal eine hochwertige Bebauung, Walllage eben. Heute wirkt alles heruntergekommen und ärmlich. Durch die Verschattung wird sich die Sozalstruktur hier noch mehr ändern. Nach vorne zwar Wallblick, aber eben auch 3 Fahrspuren. Die rückwärtigen hohen Bauten verschärfen die Situation. Vielleicht hat Pagentorn noch einige historische Bilder.
    Aber weiter mit der Neuenstraße, Blickrichtung Wall, im Vordergrund die Neuenstraße:


    Gegenüber dieser Städtebauliche Eindruck mit Blickrichtung Faulenstraße. Bei dem Glashäuschen rechts handelt es sich um eine Kabine, die ausschließlich von Rauchern genutzt werden darf.

    Rechts sieht man schon einen Teil der Rückseite des "Bamberger", ich glaube, das ist schon mal an anderer Stelle im Forum eingestellt worden. Sonst zur Erinnerung der einzige Lichtblick:

    Nahaufnahme:

    Bewegen wir uns nun zur anderen Seite, in die Ölmühlenstraße. Hier stehen noch Rudimente des alten Stephaniviertels:

    Die Gebäude verfallen und nur Liebhaber wie wir hier im Forum können diese Schätze noch identifizieren. Zwei Nahaufnahmen:

    Das rechte Haus sah nach Rotlicht aus......(heißt: der Abriss ist schon geplant)

    Davor steht dieses attraktive Gebäude:

    Und gegenüber dieses:

    4 Mal editiert, zuletzt von findorffer (21. November 2019 um 22:35)

  • Zur stadträumlichen Einordnung des bereits stehenden, der beiden von findorffer vorgestellten Gebäude anbei die folgenden Luftbilder:

    Wie man sehen kann, rückt dieser Bau dem einzigen an der Neuenstraße erhaltenen Relikt aus Vorkriegszeiten, dem - selbst arg geschundenen - historischen Fernsprechamt 'Roland' (dem Backsteinbau mit den kurzen Seitenflügeln), arg auf die Pelle.

    Ebenfalls wird auf diesem Luftbild mehr als deutlich, daß sich innerhalb der weiteren alten 'Landside' nur noch das Fernsprechamt, die Drogerie Zinke und - in Teilen - das Bamberger Haus bis heute retten konnten. Eine furchtbare Bilanz der Zerstörung !

  • Die lf. Nr. 3, 6 und 8 hier im Strang gehören zusammen.

    Und weiter geht´s in der Ölmühlenstraße, wohl noch ein Gebäude aus der Vorkriegszeit mit Charme, daneben der Parkplatz: immer noch eine Kriegsbrache:

    Kriegsbrache auch gegenüber, 74 Jahre nach Kriegsende:

    Die Drogerie Zinke, eine der wenigen Überbleibsel vergangener Zeiten in der Faulenstraße:

    So, einer geht noch an der Faulenstraße, Historismus?

    So, das war´s erst mal. Schockstarre.........

    4 Mal editiert, zuletzt von findorffer (22. November 2019 um 12:15)

  • Die Neuenstraße



    (Die Neuenstraße auf dem Braun/Hogenberg Plan von 1588/89)


    Die Neuenstraße wurde auf Land angelegt, welches die Stephanigemeinde im Jahre 1518 an die Stadt Bremen verkauft hatte. Ob ihr Name auf den ‚Neuen Weg’- einen am Brill zur Verbindung zwischen engerer Altstadt und Steffensstadt in die älteste Stadtmauer gebrochenen Durchgang - zurückgeht, ist unklar. Die Bebauung war schon im 16. Jahrhundert weitestgehend lückenlos abgeschlossen wie der Braun / Hogenberg Plan von 1588/89 beweist. Gemeinsam mit dem wesentlich kürzeren ‚Altenweg’ war sie die Erschließungsstraße im Binnenberich der Landside, von der alle Querstraßen abgingen. Sie stand jedoch immer im Schatten der großen Durchgangsmagistralen ‚Faulenstraße’ und ‚Am Wall’, die die äußeren Grenzen der Landside bildeten. Im Vergleich zur Waterside und deren pittoresken Straßen, waren Neuenstraße und Landside immer etwas randständig und verträumt. Auch das Aufblühen der bremischen Wirtschaft nach der Reichsgründung, welches in anderen Bereichen der Altstadt zu großflächigen Neubauten führte, tangierte die Neuenstraße kaum. Lediglich das Lagerhaus der Firma Eggers & Franke, das Fernsprechamt Roland und das Kaufhaus von Julius Bamberger waren bauliche Veränderungen in der ansonsten noch weitgehend von kleinteiligen Häusern des 16. bis frühen 18. Jahrhunderts geprägten Straße (allerdings gab es in einigen Fällen durchaus Aufstockungen und Adaptierungen von Fassaden an den jeweiligen Zeitgeschmack). Auch wenn sie niemals einen ‚Stern’ im Baedeker hatte und auswärtige Gäste – sofern sie keine Geschäftspartner von Eggers & Franke waren – nur höchst selten den Weg zu ihr fanden, wäre die Neuenstraße heute ein Touristenmagnet, der die Straße ‚Schnoor’ im Südosten der Altstadt in den Schatten stellen würde. Der Bombenkrieg hat dann aber von diesem – schon zur Jahrhundertwende so bezeichneten – Stück ‚Alt-Bremen’ nichts übrig gelassen. Bis auf Fernsprechamt und Bamberger zerfiel alles zu Asche und Trümmern. Der Wiederaufbau der 50er und 60er Jahre war zweckmäßig und nicht am historischen Erscheinungsbild orientiert. Es entstand eine von Gewerbenutzung geprägte Architektur die in jedem x-beliebigen vorstädtischen Quartier angesiedelt hätte sein können. Von Altstadt-Charakter keine Spur. Dank findorffers Fotos wissen wir jetzt, daß in Gestalt der in jüngster Zeit entstandenen und immer noch weiter entstehenden maßstabslosen Wohnsilos eine weitere Zerstörung der Neuenstraße von statten geht.Vor diesem Hintergrund muß man mit Bedauern feststellen: Wanderer kommst Du nach Bremen, vermeide es tunlichst die Neuenstraße zu besuchen, denn Du wirst dort nichts Schönes finden. Du verpaßt dort nichts ! Ich sage das mit Bedauern, denn ich habe direkte Vorfahren, die Anfang des 19. Jahrhunderts in dieser- damals noch schönen - Straße gelebt haben.

    Vergleich der Neuenstraße auf einer aktuellen Luftaufnahme mit ihrer Darstellung auf der Stadtkarte von 1938.



    Vergleich eines aktuellen Luftbildes mit einem solchen aus der Vorkriegszeit.
    (Bildquelle für das historische Foto: Geschichtskontor / Kulturhaus Walle Brodelpott e.V. (Hg.): Das Stephaniviertel – Die westliche Altstadt 1860-1960 – Ein Photographischer Streifzug. Bremen, 2008: Edition Temmen,S.85 m.w.N.)

    Gegenwärtige Luftbilder der Straße aus allen vier Himmelsrichtungen.



    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (23. November 2019 um 01:07)

  • Neuenstraße Nr. 1

    Von der letzten Vorkriegsbebauung der Neuenstraße Nr.1 war mir leider nur ein Bild verfügbar, welches so gerade eben noch den Eck-Erker zur Abbentorstraße zeigt.
    (Wie bei allen folgenden Beiträgen sind die in den zugehörigen Fotos zu sehenden Häuser in der Neuenstraße auf der Stadtkarte von 1938 rot markiert.)

    Blick von der Kreuzung Altenweg, Abbentorstraße, Neuenstraße und Öhlmühlenstraße in die Abbentorstraße. Ganz links im Bild: Der Erker der Neuenstraße Nr. 1.

  • Neuenstraße Nr. 3

    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild, S.327.)


    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild, S.328.)

    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild, S. 326,328.)

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (23. November 2019 um 00:53)

  • Neuenstraße Nr. 7 - 17


    (Geschichtskontor / Kulturhaus Walle Brodelpott e.V. (Hg.): Das Stephaniviertel – Die westliche Altstadt 1860-1960 – Ein Photographischer Streifzug. Bremen, 2008: Edition Temmen, S.92 m.w.N..)

  • Neuenstraße Nr. 14/15

    Links im Bild (angeschnitten) : der Neubau der Nr. 16 von 1905.

    (Geschichtskontor / Kulturhaus Walle Brodelpott e.V. (Hg.): Das Stephaniviertel – Die westliche Altstadt 1860-1960 – Ein Photographischer Streifzug. Bremen, 2008: Edition Temmen, S.93 m.w.N..)

  • Neuenstraße 16-17


    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild‚S.170.)


    An der Unterkante des folgenden Bildes ist der Zierzaun des Fernsprechamtes 'Roland' erkennbar.


    (Meyer, Hans Hermann: Die Bremer Altstadt – Wanderungen in die Vergangenheit. Bremen, 2003: Edition Temmen, S.231.)


    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild‚S.171.)


    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild‚S.172.)

    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild‚S.172-173.)

  • Neuenstraße Nr.41-42

    Die Firma Eggers & Franke ersetzte in den 1860er Jahren die folgenden beiden Giebelhäuser durch - wahrscheinlich - zwei baugleiche große Packhäuser.


    (Eggers & Franke [Hrsg.]: 175 Eggers & Franke 1804-1979. Bremen, 1979: Selbstverlag, S.36.)

  • Neuenstraße Nr. 43-47

    In der Bildmitte des folgenden Fotos: Die Nr. 46.


    (Großherzoglich Oldenburgische Hofbuchdruckerei H.M. Hauschild: Alt Bremen anno Domini 1906, Bremen 1906: H.M. Hauschild, Abb. 35.)

  • Neuenstraße Nr. 46


    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild‚S.334.)

    (Stein, Rudolf: Bremer Barock und Rokoko. Bremen, 1960: Verlag H.M. Hauschild‚S.336.)