Hamburg - Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz

  • Ein Interview mit dem Initiator der Kampagne "Nein zum Antisemitismus, Ja zur Bornplatzsynagoge".

    (...) Wie wahrscheinlich ist eine exakte Rekonstruktion?

    Die Baupläne für die 1906 gebaute Bornplatzsynagoge liegen im Staatsarchiv. Theoretisch wäre eine exakte Rekonstruktion möglich. Aber das ist nicht sinnvoll. Besonders das Innenleben des Gebäudes ist an den heutigen und zukünftig erwarteten Bedürfnissen der Gemeinde zu orientieren. Es gibt auch die Frage, was mit dem von der Uni genutzten Weltkriegsbunker an der Kopfseite des Joseph-Carlebach-Platzes geschieht. Es gibt Fragen der Statik. Bei der Betrachtung der Architektur darf die bewegende Vergangenheit ebenso wenig vergessen werden wie die Bedürfnisse an ein modernes, jüdisches Gemeindezentrum. (...)

    Ich denke wir können erst sicher sein und uns über eine äußerliche Rekonstruktion freuen, wenn die Baupläne stehen und mit den Bauarbeiten begonnen wird. Bis dahin ist wohl noch gar nichts sicher. - Die bewegende Vergangenheit darf bei der Architektur nicht vergessen werden? Das klingt wieder nach einem störenden Kompromiss, bei dem sich modernistische Architekten austoben könnten.

    Hoffentlich nehmen es Bund und Stadt ernst mit ihrer Zusage, das Geld nur für eine Rekonstruktion locker zu machen.

  • So, ein ganz druckfrischer Artikel aus der Hamburger Morgenpost. Hat doch hier auffallend länger gedauert (vielleicht auch ein gutes Zeichen), dass sich die 7 Zwerg*innen aus der Ecke der Rekonstruktionsgegner der Synagoge nun meldeten:

    https://www.mopo.de/hamburg/geplan…nagoge-37850242

    Die Argumente, die gegen die Rekonstruktion der Synagoge vorgetragen werden wirken aus meiner Sicht her doch gar bemüht und wurden andernorts schon längst widerlegt, aber es können halt nicht immer alle einer Meinung sein. Wie auch immer, ich freue mich schon ganz wahnsinnig auf die rekonstruierte Synagoge - "Das Gebäude des Jahres 202X!"

    Wie unwürdig man der Jüdischen Gemeinde in Potsdam im wahrsten Sinne des Wortes durch die Stadtbeamten und Architekt Habermann "mit dem Arsch ins Gesicht" fuhr, das soll so in HH bitte nicht passieren! Die Jüdische Gemeinde soll man davor unbedingt schützen!!!

    Den Gegner*innen des Synagogenwiederaufbaus sei hiermit der Slogan der Synagogen Homepage hinters Ohr geschrieben ;) :"Nein zu Antisemitismus! Ja zur Bornplatzsynagoge!" Auf der Homepage steht weiter: "Im Februar 2020 stimmte die Hamburger Bürgerschaft einstimmig dafür, den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge zu unterstützen. Jetzt wollen wir, Hamburgerinnen und Hamburger, mit der Kampagne „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge.” Stimmung machen und ein klares Zeichen setzen." Dass die Gegner erst jetzt und nach dem Bekenntnis der Jüdischen Gemeinde zur Rekonstruktion als auch nach dem Beschluss der Stadt Hamburg zur Unterstützung dieser sich melden, ist eine ganz subtile Form des Antisemitismus.

  • Stimmen aus der Bevölkerung.

    (...) Sorgen macht er sich vor allem um eines: „Es gibt jetzt schon so wenig Parkplätze. Die Parkplatzsituation wird dadurch bestimmt noch schlimmer. Ich müsste mir wahrscheinlich einen Tiefgaragenplatz mieten. Das wird teuer“, sagt der Mann. (...)

    Das ist doch ein schlagendes Argument gegen den Wiederaufbau. :lachen:

    Aber es gibt natürlich auch andere Meinungen.

    (...) „Ich finde das gut. So ein schönes Gebäude, wie es die Bornplatzsynagoge war und wird, wertet unser Viertel doch enorm auf“, sagt die 32-jährige Angestellte. (...)

    Und es zeigt sich wieder, daß besonders jüngere Menschen für Rekonstruktionen und die alte Baukunst zu begeistern sind.

  • Das Hauptargument der Gegner, dass die Vernichtung durch den Wiederaufbau quasi ungeschehen gemacht werden würde, ist m. M. n. wirklich völliger Unsinn.

    Wie die allermeisten Hamburger auch, bin ich durch die Pläne zum Wiederaufbau überhaupt erst darauf aufmerksam geworden, dass sich dort am Bornplatz die Hamburger Hauptsynagoge befand. Ich bin mein Leben lang Hamburger, habe an der Hamburger Uni direkt nebenan studiert und es dennoch schlicht nicht gewusst.

    Gerade durch den Wiederaufbau wird erst ein allgemeines Bewusstsein für den Verlust entstehen.

  • Gerade durch den Wiederaufbau wird erst ein allgemeines Bewusstsein für den Verlust entstehen.

    Ein wirklich überzeugendes Argument für eine Rekonstruktion wie ich finde. Das merke ich mir für die ein oder andere Diskussion im Bekanntenkreis. :thumbup:

  • Noch ein schönes Zitat aus dem Mopo-Artikel: "Die Experten betonen auch, dass es nicht allein Sache der Jüdischen Gemeinde sein könne, über die Gestaltung des Bornplatzes zu entscheiden... "

    Doch liebe Experten, wie die Jüdische Gemeinde ihre zerstörte Synagoge wieder aufbaut, entscheidet ganz allein die Jüdische Gemeinde.

    ...

  • Es geht offenbar einfach nur darum, ein traditionelles Bauwerk zu verhindern. Da die Unterstellung nationalsozialistischer Gesinnung diesmal nicht genutzt werden kann, kommt es zu diesen - schon grotesken - argumentativen Verrenkungen.

  • Doch liebe Experten, wie die Jüdische Gemeinde ihre zerstörte Synagoge wieder aufbaut, entscheidet ganz allein die Jüdische Gemeinde.

    Jein. In Deutschland kann man nicht einfach so losbauen, wie man es auf seinem Grundstück für schön befindet. Es bedarf einer Baugenehmigung, die an recht vielen Kriterien bemessen wird. Insofern entscheidet die jüdische Gemeinde nicht allein, wie ihre Synagoge aussehen wird. Sie kann sicherlich eine Wunschvorstellung äußern und einen entsprechenden Bauantrag einreichen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Das langweilige an der Diskussion ist, daß es in der Sache bei den Wiederaufbaugegner keinen gedanklichen Fortschritt gibt. Bei jedem neuen Projekt wir immer zuerst die Korrektur geschehener Geschichte kritisiert (die ihrerseits selbst wieder Geschichte wird), als hätte ein Gesellschaft dazu kein Recht. Daran sieht man im übrigen wie strukturell konservativ die Rekosntruktionsgegner sind.

    Dann kommen stets Randthemen, wie hier das Bodenmosiak - bei der Wippe in Berlin ist das mit der Beseitigung kein Problem, jetzt aber soll das simple Pflasermuster das Evangeliar Heinrichsdes Löwen sein. Das ist schon ziemlich albern.

    Die religiösen und die baurechtlichen Fragen haben schon eine Verbindung: jede anerkannte Religion hat Anspruch auf einen Hochpunkt, der nach § 34 BauGB nicht zulässig wäre. Dies führt in der Regel dazu, daß für solche Bauten ein Bebauungsplan gemacht werden muß, der eine lange Reihe von Beteiligungsmöglichkeiten vorsieht.

    Das Moasaik auf dem Carlebachplatz

  • (...) Prominente Experten wenden sich gegen Wiederaufbau der Synagoge in historischer Form. Sie finden: Es wäre gerade das falsche Zeichen. (...)

    Ein ziemlich nerviger Artikel im Hamburger Abendblatt. Es hat sich mal wieder ein Grüppchen von Nörglern und "Experten" zusammengefunden, um gegen die Rekonstruktion der Synagoge zu ätzen. - Wie mich das immer anwidert!

    (...) „Architektur hat mit Bedeutung zu tun“, sagt der Bauhistoriker Gert Kähler. „Was kann aber der Wiederaufbau eines Baus der Zeit Wilhelms II. bedeuten, der unbestritten Antisemit war?“ (...)

    (...) Der Wiederaufbau des Baus sei ein Stück „Disneyland“, der nicht nach Hamburg passe. Ihr Albtraum: „Wenn dann Touristen zu wiederaufgebauten Synagoge strömen, verstehen sie nicht mehr, was hier passiert ist. Wir können Geschichte nicht heilen“, kritisiert Nümann-Seidewinkel. (...)

    (...) „Der Wiederaufbau stellt Geschichtskulissen auf“, sagt Kähler. (...)

    Kann sich der Verein Stadtbild Deutschland e.V. nicht vielleicht auch in einem offenen Brief zu einer Rekonstruktion positionieren? Man kann doch diese Aktion der Reko-Gegner nicht einfach so unkommentiert lassen.

  • Kann sich der Verein Stadtbild Deutschland e.V. nicht vielleicht auch in einem offenen Brief zu einer Rekonstruktion positionieren? Man kann doch diese Aktion der Reko-Gegner nicht einfach so unkommentiert lassen.

    Das fände ich eine gute Idee, zumal das quasi ein aufgelegter Elfmeter ist, um diese ausgelutschen, schon öfters widerlegten und teilweise an den Haaren herbeigezogenen "Argumente" locker und öffentlichwirksam zu widerlegen und natürlich Stadtbild Deutschland eine öffentliche Plattform zu bieten! Mittlerweile muss ich mitleidig lächeln, wenn ich solche hilflosen Begriffe wie "Disneyland" oder "Kaiser Wilhelm war Antisemit" lesen muss. Wenn hier wirklich jemand und das heutzutage (sic!!!) antisemtisch ist, dann diese glanzlosen Nörgler, die gegen die Jüdische Gemeinde opponieren - schämt Euch, pfui Teufel!

  • (...) „Wenn dann Touristen zu wiederaufgebauten Synagoge strömen, verstehen sie nicht mehr, was hier passiert ist. Wir können Geschichte nicht heilen“, kritisiert Nümann-Seidewinkel. In dem Thesenpapier heißt es: „Eine Rekonstruktion könnte dann schnell kein Zeichen für einen Sieg über den Nationalsozialismus sein, sondern vielmehr die Illusion erzeugen, es sei nie etwas geschehen.“ (...)

    Diese lachhafte Aussage beantworte ich mal mit einem Zitat aus dem APH:

    (...) Wie die allermeisten Hamburger auch, bin ich durch die Pläne zum Wiederaufbau überhaupt erst darauf aufmerksam geworden, dass sich dort am Bornplatz die Hamburger Hauptsynagoge befand. Ich bin mein Leben lang Hamburger, habe an der Hamburger Uni direkt nebenan studiert und es dennoch schlicht nicht gewusst.

    Gerade durch den Wiederaufbau wird erst ein allgemeines Bewusstsein für den Verlust entstehen.

  • Ich hätte auch noch ein Argument pro Wiederaufbau: Wie schon bei der historsichen Rekonstruktion der Frauenkirche in Dresden, bei der sich einen neue, mittkerweile große Kirchegemeide gebildet hat, wird auch bei der Rekonstruktion der Synagoge am Bornplatz sich die Möglichkeit bieten, dass die Jüdische Gemeinde sich hoffentlich ebenfalls entsprechend erfolgreich neu und prosperierend entfalten wird können!

    Das ist eine enorme Chance für Hamburg und überhaupt geht es mittlerweile auch berets darum, diese Mitbürger vor dem immer größer werdenden Auswanderungsdruck aus Deutschland zurückzuhalten! Wenn man der Jüdischen Gemeinde nun auch noch absprechen will, wie DEREN Tempel auszusehen hat, dann ist das leider wieder so ein Zeichen, dass der eine oder andere seine Zelte hier eher abbricht und diesmal für immer auswandert. Das wird und darf diesen subtil verkappten Antisemiten nicht gelingen - wird es auch nicht und das ist gut so.

  • Es wäre mal eine interessante empirische und psychologische Untersuchung wert, woher die Reflexe bei fast jeder Rekonstruktion kommen. Die Argumente sind ja stets die Gleichen. Aber es ist interessant, welche Ängste diesen wirklich zugrunde liegen. Natürlich gibt es die naheliegende Angst vor der sozialen Isolation in einem bestimmten Umfeld aus Kulturjournalisten, Architekten, Kunst- und Architektur-Professoren, wenn man sich gegen den dort üblichen "Konsens" ausspricht. Zumal ist das ein Milieu, dass nach dem "Marsch durch die Institutionen" eine ebensolche geistige Homogenität aufweist, wie zahlreiche andere Milieus (Rundfunkanstalten, Bildungseinrichtungen, Schulen usw.). Es dürften also ohnehin Gleichgesinnte, Sympathisanten oder zumindest Konditionierte dort ihre Pöstchen haben, insofern ein geringes Abweichungspotenzial aufweisen. Den Rest besorgt aber die soziale Isolationsangst. Nun könnte man aber trotzdem wenigstens seine Klappe halten und nicht aktiv mitpfeifen. Insofern müssen da also noch weit tieferliegende Ängste vorherrschen. Möglichenfalls, dass eine Rekonstruktion dazu beitragen könnte, das eigene Geschichtsbild, die eigene Identität in Frage zu stelllen und eventuell auch die eigene soziale Position zu gefährden. Ein sehr spannendes Thema, wie so viele in der BRD, die eigentlich auf der Straße liegen für diejenigen Gesellschaftswissenschaftler, die sich mit ihrer Arbeit keinen kurzfristigen Ruhm erhoffen, sondern bereit sind, dafür negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen.

  • Orte, welche durch Gewaltherrschaft beseitigt wurden, können nicht einfach am gleichen Standort geschichtsvergessen aufgebaut werden. Zudem ist Schönheit ein wichtiges Element dabei. Beides vermögen die Kritiker aber nicht zu leisten, denn sie sind der architektonischen Schönheit unfähig und der Geschichte überdrüssig. Stattdessen merken Sie, dass ihre Konzepte nicht mehr gefragt sind.

    Und das ist das Beste daran.

  • Zitat von Hamburger Abendblatt

    "(...) „Architektur hat mit Bedeutung zu tun“, sagt der Bauhistoriker Gert Kähler. „Was kann aber der Wiederaufbau eines Baus der Zeit Wilhelms II. bedeuten, der unbestritten Antisemit war?“ (...)"


    Der Herrscher, der trotz dass er "unbestritten" Antisemit ist, erlaubt große & prächtige Synagogen im ganzen Reich. Wer soll das glauben?

    Dann das Argument, dass man das Mosaik erhalten sollte. Ein moderner Neubau an der Stelle wär aber ok.

    Irgendwo beißen sich die Argumente doch, oder versteh ich das nur falsch? ;)


    Und anscheinend hält man alle Touristen für doof.