Hamburg - Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz

  • In Hamburg gibt es Bestrebungen, die Neue Synagoge am Bornplatz wiederaufzubauen.


    https://www.domradio.de/themen/judentu…au-seiner-einst


    Hinter der Bezahlschranke gibts noch diesen Artikel:

    https://www.abendblatt.de/hamburg/eimsbu…g-gelingen.html

    Dämpfer am Ende des Artikels:

    10. Wie kann man Architekten für das Projekt gewinnen?

    Historiker Roland Jaeger: „Wenn es zum Neubau käme, wäre ein internationaler Wettbewerb auszuschreiben. Meines Wissens gibt es keine erhaltenen Baupläne, die eine seriöse Rekonstruktion zulassen würden.“


    Möglicherweise weiss ja jemand aus dem Forum mehr. ;)

  • Also, im Internet finden sich zumindest zahlreiche Fotografien dieser Synagoge, von außen und innen. Danach könnte vermutlich zumindest ein Bau in weitgehender Annäherung an das historische Gebäude errichtet werden, also a la Narrenhäusel in Dresden.
    Wenn aber bereits jetzt schon mit dem Argument angefangen wird, dass eine Rekonstruktion nicht möglich sei, weil alte Baupläne nicht vorhanden sind, schwant mir schon, was da möglichenfalls zu erwarten ist....Architektenwettbewerb. Am Ende ein "schicker" Neubau von Libeskind, womöglich noch finanziert von Steuergeldern? Dann also vielleicht besser nicht?...

  • Mir ist im ehemaligen Reichsgebiet nur eine Synagogenrekonstruktion der neueren Zeit bekannt, die sich deulich an den Vorgängerbau anlehnt, und das ist die 2018 wiederhergestellte Neue Synagoge in Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg. In Deutschland selbst wird es wohl nicht zu annähernden 1:1 Rekonstruktionen kommen, sondern eher zu Architektenwettbewerben, die voraussichtlich mit teils extremen Brüchen zur baugeschichtlichen Vergangenheit enden. Was dabei rauskommt müssen die betreffenden Gemeinden (er)tragen. Hoffe, dass das Beispiel Kaliningrad in Deutschland Nachahmer findet. Natürlich dient eine Synagoge der Zusammenkunft, und muss heutzutage, nicht nur aus aktuellem Anlass, auch auf dem neuesten Stand der Absicherungstechnik sein. Insgesamt betrachtet dürfte sich dabei eine Rekonstruktion nicht zwingend ausschließen. Letztendlich haben jedoch die Gemeinden als Nutzer das letzte Wort, auch zur äußeren Gestaltung.

  • Mir ist im ehemaligen Reichsgebiet nur eine Synagogenrekonstruktion der neueren Zeit bekannt, die sich deulich an den Vorgängerbau anlehnt, und das ist die 2018 wiederhergestellte Neue Synagoge in Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg.

    in Herford wurde die ehemalige Synagoge ebenfalls rekonstruiert, wenn auch mit leichten Abwandlungen. Für unrealistisch halte ich es jedenfalls nicht.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Nur eine Rekonstruktion des zerstörten Originals, hätte am ehemaligen Bauplatz einen Sinn. Sonst kann die Gemeinde ja gleich das aktuelle Haus weiter nutzen. Ich kann mir vorstellen, daß, neben den zahlreichen Abbildungen, auch noch die Grundmauern in der Erde stecken. So hätte man schon die genaue Größe. Der Rest lässt sich mit der modernen Vermessungstechnik ganz sicher anhand von Photos berechnen. Architekten müssen sich wirklich nicht in jedes Bauvorhaben einmischen. Den Wettbewerb kann man mal schön bleiben lassen.

    Das sehe ich wie Heimdall. Wenn keine Reko, dann lieber gar kein Neubau.

    Vielleicht kann sich Stadtbild Deutschland öffentlich dazu äußern? stickpoke:)

  • Der Bund stellt schon mal 600.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zur Verfügung:


    https://www.hamburg.de/nachrichten-ha…u-von-synagoge/


    Was in dieser Kurzmeldung nicht steht, aber in der längeren Fassung hinter der Paywall auf abendblatt.de:

    ""Mir ist wichtig, dass, wenn die Synagoge wieder aufgebaut wird, die Aussenhülle historisch zu 100% rekonstruiert wird" sagt Johannes Kars." Und, der Aufbau solle aus Bundesmitteln finanziert werden.

    Dieser ist übrigens Hamburger Bundestagsabgeordneter der SPD.

  • Hier ist ein recht aktueller Zeitungsbericht zur Synagoge. Natürlich gibt es da schon wieder jemanden, der die Rekonstruktion schlechtredet und wohl am liebsten verhindern möchte.

    (...) Gegen ein bloßes Orientieren an dem, was einmal war, wendet sich Miriam Rürup, Historikerin und Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg: Im NDR sprach sie am Donnerstag vom Platz als einer „sichtbaren Lücke, die der Nationalsozialismus in unserer Stadt hinterlassen hat“. Wolle man einfach wieder aufbauen, was dort bis 1939 stand, „macht sich bei mir das Unbehagen breit, dass man genau diesen Verlust überdecken möchte“. ...

    ... „Woher kommt diese Haltung der Rückwärtsgewandtheit?“ ...

    (...) „Wenn man heute versucht, dort möglichst nahtlos anzuschließen, dann baut man ein Gebäude wieder auf, das historisch für orthodoxes Judentum steht. Damit wäre es aber ein einseitiges religiöses Symbol, das nur einen Teil des Judentums anspricht.“ (...)

    Ich hoffe, daß diese Person in der Entscheidung nicht viel zu melden hat. Es nervt, daß sich aber auch immer irgendjemand zu Wort melden, und seinen Senf dazutun muss. - Kann man das Gebäude nicht einfach rekonstruieren, weil es schön ist?

  • Bei den Aussagen merkt man mal wieder, dass sie nur stänkern will, aber eigentlich keine wirklichen Argumente hat. Die - wenn auch nicht komplett zerstörte - berliner Synagoge in der Pestalozzistraße war auch einst eine orthodoxe und heute ist sie eine liberale. Ist eben auch eine Sache der Nachfrage. Orthodoxe Strömungen, wie Chabad, kreieren sich eher etwas eigenes.

    Gibt es noch irgendwelche Spolien?

    Ich fände den Tempel in der Poolstraße allerdings auch interessant, auch wenn der "Witz" der Reko an diesem Ort ja die bereits dort befindlichen Institutionen sind.

  • (...) „Diese wichtige Entscheidung zeigt die Wertschätzung der Hamburger Landespolitik für die Aufbauarbeit der Hamburger Jüdischen Gemeinde, die in den letzten Jahren nicht zuletzt durch das Joseph-Carlebach-Bildungshaus viel für das Ansehen Hamburgs in der jüdischen Welt und für die Hamburger Juden erreicht hat“, sagte Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses. „Stimmen, die fordern, dass der Bornplatz leer bleiben müsse, um zu zeigen, was der Jüdischen Gemeinde angetan wurde, erteilen wir eine klare Absage“, sagte Lauder. (...)

    Super! Das ist genau die richtige Einstellung.

    (...) Abgesehen von den praktischen Erwägungen gibt es für den Rabbiner einen sehr wichtigen Grund für den Wiederaufbau: „Ich persönlich möchte nicht unsere ganze Zukunft nur auf die Zerstörung bauen.“ Auch 70 bis 80 Jahre nach dem Krieg müsse die Erinnerung an die Novemberpogrome bewahrt werden. Aber nach seinem Eindruck werde der 9. November zunehmend als Tag des Mauerfalls gefeiert. (...)

    Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Hamburger Landesrabbiner sind Anhänger der Rekonstruktion. Dann sollte doch eigentlich nichts mehr schief gehen.

    Hier ist noch ein ganz ähnlicher Bericht von der Hamburger Morgenpost:

    https://www.mopo.de/hamburg/bornpl…aufbau-33589452

  • Dadurch, dass die Zerstörungen der Synagogen nicht durch den Luftkrieg, sondern meist direkt durch die Nationalsozialisten erfolgten, kann eine Rekonstruktion zumindest nicht so leicht mit dem Begriff "Geschichtsklitterung" o.ä. diffamiert werden. Letztlich kann hier eindeutig argumentiert werden, den Zustand vor einer eindeutigen Unrechtshandlung wiederherzustellen.

    Wenn es dann von seiten der jüdischen Verbände auch deutliche Unterstützung für derartige Vorhaben gibt, kann ich mir den üblichen Widerstand eigentlich beim besten Willen nicht vorstellen, da die üblichen Argumentationslinien sich gottseidank kaum gegen Juden verwenden lassen, Stichwort "Geschichtsvergessenheit", "heile Welt", "Narben des Krieges" etc.

  • Bitte, seit nicht überrascht wenn es doch Widerstand geben würde. In manchen Bereichen macht sich mittlerweile eine moralistische Hybris breit, die selbst den Opfern oder deren Nachkommen noch erzählen will wie sie zu denken und zu fühlen haben. Frau Rürups Denkweise geht ja schon in diese Richtung.

  • (...) Die breite öffentliche Unterstützung gibt dem Vorstand Kraft und Mut. „Wir haben kaum zu hoffen gewagt, dass unsere Vision Wirklichkeit werden könnte“, sagen der Landesrabbiner und der 1. Vorstandsvorsitzende. Der Wiederaufbau, fügen die beiden hinzu, wäre die Antwort auf die Zerstörung der Nazis. Eine Planungsgruppe der Gemeinde befasst sich jetzt mit den weiteren Schritten für die Machbarkeitsstudie und arbeitet mit der Senatskanzlei, der Bürgerschaft und den Hamburger Bundestagsabgeordneten zusammen.

    Wann die Synagoge wieder steht? Der Rabbi sagt: „In drei bis fünf Jahren.“ (...)

    Das Gebäude wäre eine neue Sehenswürdigkeit für Hamburg:

    https://img.abendblatt.de/img/hamburg/cr…27087c533bf.jpg

  • Sehr schön, einfach den Spieß umgedreht, rhetorisch, der Wiederaufbau als Antwort auf die Zerstörung durch die Nazis. So, genau so geht es! Außerdem natürlich eine herrliche Synagoge, auf jeden Fall ein Riesending für Hamburg, wenn das klappt.

  • Es gibt einen neuen Zeitungsbericht zur Rekonstruktion der Synagoge am Bornplatz.

    Zwar enthält der Bericht keine besonderen Neuigkeiten. Aber das Thema bleibt in den Medien und im Gespräch.

    https://www.welt.de/regionales/ham…icht-allen.html

    Die politischen Parteien und die jüdische Gemeinde sind sich über die "historisierende" Rekonstruktion einig. Doch, wie immer, geben auch die Gegner (Architekten und Historiker) wieder ihren abgestandenen Senf dazu. - Sie fordern den üblichen, sichtbaren Bruch in der Geschichte (den es in Deutschland, dank des zu 100% detailgetreuen rekonstruierenden Wiederaufbaus, an bisher keinem einzigen Ort gibt). Bezeichnen eine Rekonstruktion selbst aber als rückwärtsgewandt. Wieviele Brüche benötigen unsere Städte noch?

    (...) Filmemacherin und Autorin Marion Kollbach sieht das ähnlich. Sie ist im Vorstand des Jüdischen Salons im Grindelhof – ein Ort, der für das junge intellektuelle Judentum in der Stadt steht. Eine Rekonstruktion der alten Synagoge bewirke das Gegenteil von Erinnern, meint sie, „weil sie den Anschein erweckt, man wolle das Geschehene ungeschehen machen. Wenn man die Lücke schließen will, dann mit einem Bau, der den Bruch in der Geschichte an dieser Stelle der Stadt auch architektonisch deutlich gestaltet und dem vielfältigen Judentum heute gerecht wird.“ Es gebe „wunderbare Beispiele“ dafür in München und Dresden. (...)

    Gerade in München und Dresden stehen zwei besonders abschreckende Beispiele für moderne Synagogen. Bitte nicht auch noch so ein Kasten in Hamburg.

  • "Die Grundlage dieses Streits ist der alte ideologische Konflikt der Nachkriegszeit. Damals wollte die angeblich "gute" Moderne den Spuk des "bösen" Historismus vertreiben, der symbolisch mit Faschismus gleichgesetzt wurde. Damals setzte sich eine moralische Verknüpfung durch, die bis heute wirkt. Dabei gab es diese saubere Front niemals. Ein Großteil der "modernen" Nachkriegsplaner stammte direkt aus dem Wiederaufbaustab von Albert Speer, und die wichtigsten Ahnherren der Moderne - von Mies van der Rohe über Le Corbusier bis zu Philip Johnson - haben allesamt intensiv mit dem Faschismus kollaboriert. Doch deren geistige Erben erklären heute immer wieder mit großem Aplomb ausgerechnet die Bewahrung historischer Qualitäten in der Baukultur als politisch rechts verdächtig."

    Dieses Wort in jedermanns Ohr!

  • Ein wirklich guter Artikel. Endlich wird dieser "rechte Räume" Quatsch mal öffentlich richtiggestellt.

    Allerdings empfinde ich es von dieser Frau Miriam Rürup als ziemlich anmaßend, entgegen des eindeutigen Willens der jüdischen Gemeinde, trotzdem unbedingt einen Wettbewerb für eine modernistische Synagoge zu fordern.

  • Die Entscheidung über die Form des Wiederaufbaus sollte allein bei der jüdischen Gemeinde liegen. Wenn sie ein repräsentatives Gotteshaus wünscht, das keinen "Bruch" sondern ungebrochenen Stolz auf die eigene Geschichte und Religion verkörpert, dann hat sich hier niemand einzumischen. Punkt.

    In dubio pro reko