Paris - Bauten nach 1945

  • Wurde in Frankreich nach 1945 genauso hässlich gebaut wie bei uns? Wie weitgehend und mit welchen gestalterischen Mitteln haben sich die Architekten innerhalb der Städte am Bestand orientiert? Es ist vielleicht interessant, diesen Fragen im Rahmen einer Galerie einmal nachzugehen, denn es geht in (auch hier gerne geführten) baugeschichtlichen Diskussionen ja nicht selten um die Frage, ob und wie weit die Fehlentwicklungen der Nachkriegsarchitektur hierzulande etwas mit den Besonderheiten unserer Geschichte und den daraus erwachsenen Einstellungen zu tun haben.
    Ich möchte eine kleine, eher zufällig entstandene Auswahl aus Paris zeigen, die dennoch vielleicht das eine oder andere exemplarische Beispiel der Baugeschichte nach 1945 zeigt. Daneben natürlich immer wieder Seitenblicke auf die klassische Baukultur Frankreichs, die in meinen Augen an keinem anderen Ort der Welt eine solche Geschmackssicherheit, Eleganz, Urbanität und durchgehend hochstehende Qualität erreicht wie in Paris. Welche quasi unvergänglichen Werte dort mit der Investition in klassische Schönheit und Bauqualität geschaffen wurde, sieht man heute mehr denn je auch am Geldwert dieser Immobilien. In der folgenden Galerie zeigt sich meines Erachtens auch, dass kaum ein nach 1945 errichteter Neubau an dieses Niveau auch nur annähernd heranreicht, und dass der eigenständige Wert dieser Neubauten eigentlich fast zur Gänze darin besteht, sich in einer unvergleichlich viel besseren baulichen Umgebung zu befinden.

    Gerade im Bereich der Champs Elysées finden sich (leider) einige Beispiele:
    Diese gezackte Fassade orientiert sich immerhin in Materialität und Kubatur an den Nachbarbauten, auch wenn natürlich mehr Geschosse in die Gesamthöhe gequetscht werden (1990er Jahre?):

    Wohl 1960er Jahre:

    Ein ähnlicher Bau steht auch in einer nördlichen Kurfürstendamm Seitenstraße (1950er Jahre?):

    Jetzt wird's hart... (gleicher Architekt wie beim 1980er-Umbau der Wertheim-Fassade am Ku-Damm? :D;) ) :

    1960er Jahre?...:

    Immerhin ein Lichtblick, der Louis-Vuitton-Bau an der Av. des Champs Elysées, meiner Erinnerung nach ca. 10-15 Jahre alt:

    Ein recht gut eingepasster, durchaus qualitätvoll wirkender Bau vermutlich aus den 1950er Jahren (Seitenstraße Richtung Trocadero):

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Am linken Bildrand...:

    Ebenfalls recht unpassend, die beiden Nachbarn (der linke der beiden Naubauten dürfte sogar Architekturpreise erhalten haben... der rechte kommt recht bieder in 1990er-Optik daher):

    1970er Jahre vermutlich:

    Halbwegs angepasst:

    Schon ansehnlicher, aber nach dem Motto "darf es noch eine Etage mehr sein...?":

    Diesen Bau weiß ich kaum einzuordnen, vielleicht 1990er? Passt sich immerhin recht gut ein, nur die Fenster lassen die Datierung in die jüngere Vergangenheit zu:

    Fortsetzung folgt...

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Nähe Les Halles findet sich dieser Komplex, vermutlich aus den frühen 1980ern, durchaus um Anpassung bemüht, aber letztlich hässlich und plump, wie so mancher hierzulande entstandener Blockrand-Bau aus jener Zeit:

    Hier wird es nicht viel besser, auch wenn man dem Architekten ein Bemühen um die Einpassung nicht absprechen kann:

    Gegenüberliegende Seite der Straßeneinmündung, gespiegelte Straßenkante - und doch liegen Welten dazwischen:

    Am folgenden Beispiel erkennt man, dass Balkone und "französische" Fenster mit schmiedeeisernem Gitter für sich genommen schon freundlicher und lebendiger auf den Straßenraum wirken als glatte Bürohausfassaden, wie hier:

    Angenehmer anzusehen:

    Auch durchlaufende Balkone, allerdings schon tendenziell den Straßenmaßstab sprengend:

    Aus den 1950ern gibt es hingegen - wie bei uns - durchaus noch ziemlich gelungene Bauten. Man hatte eben noch so etwas wie Baukunst gelernt:

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  • Sehr interessant. Zeigt meiner bescheidenen Meinung nach, dass die Probleme der Nachkriegsarchitektur überall dieselben waren. Letztlich wirken die Gebäude (fast) alle so, als könnten sie auch in Köln oder Westberlin stehen. Und ist es nicht traurig, dass man moderne Gebäude immer danach beurteilt, wie wenig sie stören? Niemals, wie schön sie sind? Ein gutes modernes Gebäude stört nicht, so wie die Beispiele aus den fünfziger Jahren mit den Natursteinfassaden.

    Danach sind es verschiedene Stufen des Störens... manche mehr, manche weniger. Wie klobig diese ungelenken und überdimensionierten postmodernen Dinger aus den 80ern aussehen. Von so etwas gibt es interessanterweise auch in Westberlin eine ganze Menge. Auch die "verspielten" Neunziger hängen mir mittlerweile fast mehr zum Halse raus als die 60er.

    Na gut, zurück zu Paris: es ist fast tröstend, dass dort letztlich dieselben Fehler gemacht wurden - nur ist der Bestand an prachtvollen Altbauten so dominierend, dass die neueren Gebäude, da ist es wieder, weniger "stören".

  • Was den Architekten dazu bewogen hat, bei diesem besonders häßlichen ca. 1990er-Bau einen für Paris als Stilelement völlig untypischen Erker zu entwerfen, bleibt für mich rätselhaft. Bei uns findet man ja leider auch viele Bauten dieser Art:

    Auch diesen Typus unauffälliger Bürobauten mit Staffelgeschossen im dezenten Retro-Stil der spätern 1990 bis Nuller Jahre findet man hier und da in Berlin:

    Obwohl die bei uns anzutreffenden aufgesetzten Dachgeschosse meist wesentlich störender und unpassender aussehen, zeigen auch die in Paris anzutreffenden modernen Dachaufbauten nicht immer Erfreuliches:

    Oft hat man anscheinend die originalen Dächer zurückgebaut, um noch 2-3 Wohnetagen draufsetzen zu können (rechtes Haus):

    Auch die links von dem Eckbau zu sehende Aufstockung könnte von einem Berliner Ingenieurbüro der 1990er entworfen worden sein. Die ebenso nutzlosen wie hässlichen roten Bügel am Dachgeschoss würde ich als zeittypisches Stilelement bezeichnen:

    Nur wenig östlich des Zentrums findet man ähnliche Hochhausgebiete wie bei uns:

    Diesen nachfolgend abgebildeten, modern angehauchten, jedoch immer noch ziemlich gut aussehenden Bau konnte ich anhand einer Architekteninschrift auf 1934 datieren.
    Wie bei uns begann die Misere der Nachkriegsarchitektur in Frankreich anscheinend ziemlich genau um 1960, wie ich in Zusammenfassung meiner dortigen Eindrücke glaube schlussfolgern zu können.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Lieber Snork,
    In deiner Auswahl an Gebäuden rund um die Champs-Elysées, die du den Nachkriegsjahren zuordnest, haben sich zwei prominente Beispiele des Art déco der frühen 30er Jahre eingefunden...
    Das erste Gebäude mit der "gezackten" Fassade hat schon immer diese Anzahl von Geschossen und die gleiche Gesamthöhe vorzuweisen und wurde um 1932 für den Radiosender einer pariser Zeitung erbaut.
    Hierbei ein Link auf Französisch zu diesem denkmalgeschützten Gebäude:

    http://www.paris-promeneurs.com/Architecture-m…-Poste-parisien

    Beim zweiten Gebäude handelt es sich um das "Louis Vuitton" Gebäude, das in der Tat vor 15 Jahren kernsaniert wurde, aber in diesem äußeren Erscheinungsbild schon seit 1931 besteht.

    Man baute genau so "modern" und "zeitgemäß" wie in Berlin zur gleichen Zeit, cf. Columbushaus und Karstadt am Hermannplatz ;)

  • Ebenfalls recht unpassend, die beiden Nachbarn (der linke der beiden Naubauten dürfte sogar Architekturpreise erhalten haben... der rechte kommt recht bieder in 1990er-Optik daher):

    Eine Bemerkung zum linken Gebaüde, denn der hat eine bestimmte Historie.
    Es handelt sich um die ehemalige Niederlassung von Citroen. Darum Auch den Doppelwinkelmotiv unten.
    Dieses Gebaüde war im Besitz des Hauses Citroen seit den 20ger. Anfang 30 wurde es in einem 2-Stöckiges Art Deco Kubus umgebaut, was eigentlich ganz schöne aussah.

    Nachdem Citroen von Peugeot aufgekauft wurde, wussten die Herren nicht wirklich was Sie daraus machen sollten, also wurde es zum Restaurant in den 80ger.


    Danach, als Mitte 2000 Citroen eine Renaissance erlebte, und wieder ein dynamischen und ein modernes Design anbat, wurde entschieden, aus dem "C42" (Citroen 42 avenues des Champs Elysees) wieder ein Austellungsraum zu machen. Da 2 Stockwerke nicht mehr ausreichten, wurde das alte Gebaüde abgerissen, und daraus so eine art avantgardistisches zu machen, was zum Geist der Marke passen sollte, und 2008 erôffnet wurde.

    Ein paar Jahre später ging der PSA Konzern in der Insolvenz, und den C42 wurde verkauft.

    Dazu : dieses Dach auf die Gallerie Lafayette wurde Anfang der 80ger gebaut, es ist ein Dachrestaurant, wo mann sogar bis vor ein paar Jahren billig und gut essen konnte, mit eine sehr schöne Aussicht. Ist also eine Frage der Perspektive, ich war dort regelmässig Kunde als ich in der Nahe ein Sommerjob hatte.

    Last but not least : die Halles sind ein Sonderfall. Die Gegend war marode und bestand aus schlimme Altbauten für Niedriglöhne die Anfang des Jahrhunderts errichtet wurden.

    Ich sag nicht dass die heutigen Gebäude besonders schön sind, aber verglichen mit dem, was es früher gab, ist es eher eine Verbesserung.
    Dazu hätte es viel schlimmer kommen können, hier unten ist das usprüngliche Projekt für das gesamte Areal, aus den 70ger.

    Einmal editiert, zuletzt von uhugreg (6. Oktober 2019 um 12:15)

  • Tolle Hintergrund Geschichte zu den Gebäuden! Erinnert mich an alte tage in diesem Forum wo es das öfters gab, heut wird ja lieber gestritten über afd recht räume und anderen Nossins mit dem man sich so auseinander setzen muss.

  • Jetzt wird's hart... (gleicher Architekt wie beim 1980er-Umbau der Wertheim-Fassade am Ku-Damm? :D;) ) :

    Danke Maxitown.
    Dazu : dieses Gebaüde hat auch eine interessante Historie, es ist einer der berühmtesten und beliebesten Orte an den Champs Elysées, denn dort ist der Publicis Drugstore untergebracht, der einzige Ort in Paris mit Ausnahme ein paar Bahnhöfe wo die gesamte internationale Presse zu kriegen ist.
    Eröffnet 1958, es war der einzige Ort in ganz Paris wo jedermann alles möglich bis mitternacht einkaufen konnte, oder auch essen konnte (Publicis ist eine Werbagentur, der Ort diente Auch als Vitrine)

    1972 der Schock, ein Brand beschädigte das Gebäude erheblich, die Struktur wurde ebenfalls stark hingenommen, also entstand eine moderne Neukonstruktion, die nochmals1974 modernisiert wurde nach einem schlimmen Attentat, um, wie soll ich sagen, schlimmen Zeiten zu vergessen. Die Fassaden des EG waren nämlich zwischen 1972 und 1974 halbwegs erhalten geblieben.


    2004 erfolgte die letzte "Renovierung", mit volle Unterstützung des neuen pariser Bürgermeister, ein resoluter "Modernist". Der neue Drugstore soll Auch die Kreativität der Werbeagentur Publicis reflektieren.

  • Snork 7. April 2022 um 20:03

    Hat den Titel des Themas von „Paris (F) - Bauten nach 1945“ zu „Paris - Bauten nach 1945“ geändert.
  • Ergänzend zu den jüngsten tollen Paris-Bildern von Snork. Schon eindrücklich, wie sehr man bei fast allen gezeigten Beispielen auch auf eine beliebige andere Stadt tippen könnte. Was bei älteren Bauten von Paris freilich nicht der Fall ist.

    Ich fänd eine übergreifende Galerie zu Nachkriegsarchitektur weltweit mal interessant. Dort könnten wir zeigen, dass überall die selbe Fantasielosigkeit und Ortsvergessenheit herrschte. Und manch ein Bauherr und Architekt es dennoch fertigbrachte, einen Ort harmonisch weiterzuentwickeln.

    Auch diesen Typus unauffälliger Bürobauten mit Staffelgeschossen im dezenten Retro-Stil der spätern 1990 bis Nuller Jahre findet man hier und da in Berlin:

    Hier würde man wohl sagen: typischer Bau der Stimmann-Zeit. ;)