Das Kaiserreich im Rückblick

  • Kommen wir nun aber mal wieder zum Kaiserreich zurück:

    Wenn wir hier schon mal bei rechts und links sind, ist es vielleicht auch nicht so falsch sich mal die Parteien zu betrachten

    Rechts befand sich die "Deutsch-Konservative Partei" welche vorwiegend den Adel und das Preussische Beamtentum vertraten.

    Daneben die "Deutsche Reichspartei" , hier wurde eher der hohe Adel und die Industriellen vertreten.

    "Zentrum" vertrat die Interessen der Katholiken.

    "Nationalliberale Partei" diese vertrat sowohl den Mittelstand als auch das Militär

    "Fortschrittliche Volkspartei" deren Anhänger waren eher Beamte, Akademiker und Händler

    Ganz links dann die "Sozialdemokratische Partei" , welcher die einfachen Arbeiter anhingen.


    Welche Partei allerdings wie viel Sitze im Reichstag hatte, entzieht sich meiner Kenntnis.

  • Es gab natürlich zwischen Monarchisten und Nazis Unterschiede und Gemeinsamkeiten (wie z.B. der Nationalismus, die Ablehnung der Demokratie, die Verachtung der Weimarer Republik usw. usw.).

    Nationalismus hängt historisch gesehen überhaupt nicht unmittelbar mit Monarchismus zusammen. Er ist eine Ausgeburt der französischen Revolution, somit originär anti-monarchisch und historisch auch "links" einzuordnen.

    Und es war eben das - auch von den BRD-Linken - als fortschrittlich gepriesene, republikanische Frankreich, welches vor dem Ersten Weltkrieg a) nicht nur als Kolonialmacht auftratt, sondern b) gegen Deutschland eine revanchistische Politik fuhr und chauvinistisch gegen Deutschland und die Deutschen agitierte.

    Die dritte französische Republik trug weitaus mehr Verantwortung zum "Ausbruch" des Ersten Weltkrieges als das als konstitutionelle Monarchie verfasste Deutsche Reich.

    Zutiefst verachtet haben die Nazis viele: Juden, Slawen, "die Roten", Pazifisten, Homosexuelle usw. usw. Mag sein, dass Hitler Wilhelm II nicht besonders mochte (vor allem, weil er den Krieg verloren hatte und die Aura der Niederlage hatte). "Zutiefst verachtet" hat er die Hohenzollern einschließlich Wilhelm II sicher nicht.

    Wenn man argumentativ nicht mehr zu bieten hat, dann verweist man gerne und bequem auf die "Nazis", um die eigene Position moralisch anzuheben.

    In diesem Strang geht es um das Kaiserreich.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Die dritte französische Republik trug weitaus mehr Verantwortung zum "Ausbruch" des Ersten Weltkrieges als das als konstitutionelle Monarchie verfasste Deutsche Reich

    Und weil Du das so sagst, ist das so? Sieht für mich nicht nach "Diskussion" aus. Es sind zum Thema Verantwortung für den Ersten Weltkrieg tausende von Büchern geschrieben worden, weil dies ein unheimlich komplexer Vorgang war, der sehr lange in nationalen Narrativen verharrte (also jedes Land sich seine eigene Version geschrieben hat). Das Thema wird abschließend kaum zu klären sein und muss es auch gar nicht.

    Das Versagen der politischen Eliten der damaligen Zeit war allumfassend, auch hier empfiehlt sich Clarks Sicht auf die Dinge. Dieser schreibt eben nicht, dass Deutschland keine Verantwortung hätte, auch wenn sich das viele hier zu wünschen scheinen, sondern dass es ein kollektives Versagen ("Schlafwandeln") der Akteure gab, die in den ersten Weltkrieg geführt haben. Je tiefer man sich in ein Thema reinarbeitet, umso ärmlicher erscheinen die üblichen nationalistischen Schwarzweiß-Schablonen aller Seiten, seltsam, dass hier nun aufgrund einer lange offensichtlich zuungunsten Deutschlands interpretierten Geschichte gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und einfach nur ein anderer Sündenbock gefunden werden soll.

    Das Komplexe und Interessante an Geschichte ist doch auch gerade die Unschärfe, die zwangsläufig immer parteiischen Quellen, aus denen es ein möglichst umfassendes Gesamtbild zu destillieren gilt, das sich dann aber eben meist nicht für simplistische Sprüche eignet (statt "Deutschland alleinschuldig" hier nun anscheinend "Frankreich verantwortlich", es gab auch schon "Serbien verantwortlich", "Österreich-Ungarn verantwortlich", "Großbritannien verantwortlich").

  • Beitrag entfernt. Es geht im Strang um Betrachtungen. Nicht darum, ob man negativ oder positiv betrachten darf/soll. @Elbgeist ich bitte Dich dies zu berücksichtigen. Deine Beiträge wiederholen sich.

    Beauty matters!

  • wer - völlig zurecht - beklagt, dass die NPD lange Zeit nicht verboten war, es zugleich aber auch bedauert, dass jene Personen nicht in den Staatsdienst übernommen wurden, die als DKP- und KPD-Mitglieder die Existenz der BRD und ihrer freiheitlich-demokratischen Verfassung strikt ablehnten,

    Du solltest genauer lesen, was newly geschrieben hat.

    Zunächst ist diese Aussage, dass "wir seit 1945 die Geschichte durch eine rote Brille zu betrachten hatten" purer Unsinn.

    Jahrzehntelang wurde die Bundesrepublik von der konservativen CDU/CSU regiert. Dann waren in Westdeutschland sogar alte Nazis noch jahrzehntelang an einflussreichen Stellen, auch an den Universitäten. In Westdeutschland wurde die KPD verboten, die NPD blieb erlaubt, es gab einen Radikalenerlass, faktisch ein Berufsverbot für "rote" Lehrer usw. usw.

    Die Darstellung, dass "die Roten" den Deutschen nach 1945 ihre Geschichtsauffassung aufzwangen, ist absurd - es sei denn man steht sehr weit rechts und subsumiert unter "rot" alles mögliche und bedauert generell die Veränderungen seit 1945.

    Newly hat nichts "bedauert", er hat nur Fakten referiert. Er hat auch nichts "beklagt". Deine Interpretation mit "beklagt" - "bedauert" ist durch seinen Text nicht gedeckt.

    Schon mal auf den Gedanken gekommen, daß hier jemand eine dem neuen Zeitgeist genehme Forschung betrieb, um von dunklen Flecken der eigenen persönlichen Vergangenheit abzulenken ?

    Fischer stand anfangs allein. Es gab eine heftige Kontroverse um seine Thesen. Sowohl seitens der Fachhistoriker als auch der Medienöffentlichkeit stießen seine Ansichten auf weitgehende Ablehnung. Erst im Laufe der Jahre wurde Fischer Mainstream. Das war aber nicht abzusehen, als er seine Forschungen begann. Dein Gedanke trifft also nicht zu. Unumstritten war Fischer nie und ist es bis heute nicht. Bei Fischer geht es um zwei Punkte: die Kriegsschuldfrage bezogen auf den Ersten Weltkrieg und die Frage einer historischen Kontinuität vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg. Beide Aspekte werden kontrovers diskutiert. Geschichtswissenschaft ist ein Diskurs, eine immerwährende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

    Ich finde es rührend, wie Leute, die nicht müde werden, anderen gegenüber ständig ihre wissenschaftliche Überlegenheit zu betonen, mit Wikipedia-Artikeln argumentieren.

    Es ist unangebracht, über Wikipedia die Nase zu rümpfen. Du solltest dir den Artikel zur "Fischer-Kontroverse" mal ansehen. Das ist ein anspruchsvoller Fachtext, der eine gute Einführung in ein umfangreiches Thema bietet. Es gibt eine lange Literaturliste und 54 Fußnoten. Einen solchen Anmerkungsapparat findest du in einem klassischen gedruckten Lexikon nicht.

    Der Artikel beschreibt die Fischer-Kontroverse. Er enthält viele kritische Stimmen zu Fischer. Auch die Diskussionsseite zu dem Artikel ist ganz interessant.

    Sehr praktisch ist bei Wikipedia die Möglichkeit, über die Verlinkung zu weiteren Artikeln sich immer weiter in ein Thema zu vertiefen. Auch lohnt es sich oft, die entsprechenden Artikel auch in anderen Sprachversionen nachzulesen. In der Regel handelt es sich nicht um Übersetzungen, sondern um eigenständige Bearbeitungen des Themas.

  • Und weil Du das so sagst, ist das so? Sieht für mich nicht nach "Diskussion" aus [...] auch hier empfiehlt sich Clarks Sicht auf die Dinge.

    Der 1943 geborene Historiker und Publizist Volker Ulrich äußerte sich im September 2013 in der ZEIT folgendermaßen zu - wie er meint - Christopher Clarks Einschätzung hinsichtlich einer größeren Schuldzuweisung an Frankreich und Russland:

    Obwohl der Historiker aus Cambridge Russland und Frankreich de facto stärker belastet als Deutschland, bezeichnet er es am Ende als unnötig, "eine Rangordnung der Staaten nach ihrem jeweiligen Anteil der Verantwortung für den Kriegsausbruch aufzustellen.

    ScreenShot 1: hier

    ScreenShot 2: hier

    Volker Ulrich, als saturierter BRD-Historiker, teilt natürlich mitnichten Clarks Position aber auch er stellt fest, dass Clark dem Deutschen Reich weniger Verantwortung zum Kriegsausbruch zuweist als dem Tandem Frankreich & Russland.

    Es sind zum Thema Verantwortung für den Ersten Weltkrieg tausende von Büchern geschrieben worden, weil dies ein unheimlich komplexer Vorgang war, der sehr lange in nationalen Narrativen verharrte (also jedes Land sich seine eigene Version geschrieben hat)

    Clark stellte ebenfalls heraus das sowohl Franzosen als auch Russen ihre diplomatischen Aufzeichnungen fälschten, um die russische Generalmobilmachung als eine Reaktion erscheinen zu lassen. Tatsächlich war es die erste Generalmobilmachung und dies - laut Clark - zu einem Zeitpunkt als Deutschland eine Insel relativer Ruhe gewesen sei.

    Die Bücher von denen du schreibst, beziehen sich auf diese Fälschungen.

    Dieser schreibt eben nicht, dass Deutschland keine Verantwortung hätte, auch wenn sich das viele hier zu wünschen scheinen

    - gekürtzt - Mod. die Spirale der Unterstellungen soll an dieser Stelle nicht weitergeführt werden. -

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

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    Du solltest genauer lesen, was newly geschrieben hat.

    Newly hat nichts "bedauert", er hat nur Fakten referiert. Er hat auch nichts "beklagt". Deine Interpretation mit "beklagt" - "bedauert" ist durch seinen Text nicht gedeckt.

    ...

    Er hat aber trotz meiner Erläuterung, dass mein 1945 für UNS Ostdeutschen galt, seine Aussage nicht korrigiert.

  • Es geht im Strang um Betrachtungen. Nicht darum, ob man negativ oder positiv betrachten darf/soll. @Elbgeist ich bitte Dich dies zu berücksichtigen. Deine Beiträge wiederholen sich.

    Mir ging es hier um den wiederholten Vorwurf, dass mancher das Kaiserreich reinwaschen wolle. Was ausdrücklich nicht zutrifft.

  • Elbegeist dann kannst Du ja nachfragen, wie das gemeint ist oder der nach Beispielen fragen. Es wurde ja bereits darauf eingegangen. Aber pures Dampfablassen will ich im Forum nicht haben.

    Bitte kommen wir wieder zur Architektur und Schönheit zurück. Gegen kleine Hintergrunddiskussionen sagt kein Mensch was. Aber alles mit Maß und Verstand.

    Beauty matters!

  • Geschichtswissenschaft ist ein Diskurs, eine immerwährende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

    Das übersieht die regelmäßigen Einflussnahmen auf den Diskurs. Ich hatte schon mal mitgeteilt, dass am Diskurs nur wahrnehmbar teilnehmen kann, wer auch dazu zugelassen wird. Nicht jeder wird einfach Professor, nicht jeder kann einfach in Fachpublikationen veröffentlichen, nicht jeder findet einfach einen großen Verlag. Willst du mit dabei sein, musst du in der Regel mitspielen.

    Und, es wird zwar in dem Wikipedia-Artikel leise berührt, aber nicht offen ausgesprochen: Solche Debatten haben immer einen politischen Hintergrund. So ist von Protesten amerikanischer Historiker pro Fischer die Rede, von der positiven Rezeption in der deutschen Presse, vom Eichmann-Prozess. Die sich wehrenden Restbestände der konservativen deutschen Historikerschaft waren schon in der Defensive und wurden nach 1968 weitgehend restlos beseitigt. In den 60er Jahren, was sich nach 1968 fortsetzte, also mit dem Ende der Ära Stalin, wurde langsam vom Kalten Krieg in die Phase der Entspannung übergeleitet. Die Entscheidungen hierzu fielen in Washington. War es zuvor nötig, (West-)Deutschland wieder moralisch aufzubauen, um es bei Bedarf als Kanonenfutter gegen die Kommunisten einsetzen zu können, so wurde das im Laufe der 60er Jahre unwichtiger. Vielmehr war es geschickter, die wirtschaftlich erstarkte Mitte Europas nun wieder fester an die Leine zu nehmen. So wurde eventuellen politischen Eigenbestrebungen der Deutschen, die aus deren wirtschaftlicher Stärke hätten resultieren können, ein Riegel vorgeschoben. Außerdem wurde das Faß durch das Spiel mit den Schuldgefühlen finanziell angezapft, also die bundesdeutsche Scheckbuchdiplomatie in Gang gesetzt.

    Diese ganze politische Stimmungslage muss man angesichts der Auf und Abs solcher Debatten wie jener um Fischer stets im Auge behalten. Es deutete sich schlicht eine neue Zeit an, für die ein Fischer eine Funktion hatte. Hätte er sie nicht gehabt, wäre er trotz guter Quellenarbeit weniger rezipiert worden und es wäre ihm keine Nachfolgeschaft erwachsen.

  • Vielmehr war es geschickter, die wirtschaftlich erstarkte Mitte Europas nun wieder fester an die Leine zu nehmen. So wurde eventuellen politischen Eigenbestrebungen der Deutschen, die aus deren wirtschaftlicher Stärke hätten resultieren können, ein Riegel vorgeschoben. Außerdem wurde das Faß durch das Spiel mit den Schuldgefühlen finanziell angezapft, also die bundesdeutsche Scheckbuchdiplomatie in Gang gesetzt.

    Das ist aber auch eine sehr einseitige wenn nicht eindimensionale Sicht der Dinge. Das würde voraussetzen, das sämtliche Entscheidungsträger und die meisten Historiker ziemlich vertrottelt sind. Auf den Gedanken, Dass Entscheidungen bewusst (und im wesentlichen zum Vorteil für die Bundesrepublik Deutschland und deren Bewohner) getroffen und historische Erkenntnisse Ergebnis eingehender Forschung sind, ziehst du offensichtlich nicht einmal in Erwägung.

    ich will ja gar nicht in Abrede stellen, dass Geschichtswissenschaft insoweit nicht ganz zweckfrei ist, als Autoren ja meist irgendeine These belegen wollen. Das war schon immer oft auch im Rahmen von politischen Auseinandersetzungen. da waren die Historiker im Kaiserreich aber um keinen Deut anders. als die heutigen. Dies zeigt sich schon in der Themenauswahl der Forscher, die in verschiedenen Zeiten eben zum teil andere waren. Das ist aber durchaus legitim, solange die Fakten, die den Forschungsarbeiten zu Grunde gelegt werden, nicht manipuliert oder einzelne ausgeblendet werden und so ein ganz verzerrtes Bild entsteht.. Dies kommt durchaus ja vor und zwar schon in Kaiserreich (wenn man oft sehr konfessionell geprägte Aufsätze zu den Ereignissen im Dreissigjährigen Krieg liest) aber auch insbesondere bei Publikationen in den Diktaturen nach 1933. Der Erkenntniswert ist dann selbstverständlich sehr gering. Das gleich gilt leider auch für manche Beiträge in diesem Strang, weil es eben nicht richtig ist unausgewogene Beiträge die die Ereignisse im Kaiserreich verzerrt (schlecht) darstellen durch andere, die sie verzerrt (positiv) darstellen, quasi neutralisieren kann. letztendlich sind beide Arten von Beiträgen wenig hilfreich um sich ein Bild von den Verhältnissen im Kaiserreich zu machen.

    Die Beschäftigung mit dem Kaiserreich ist allerdings schon interessant und ich finde es auch durchaus positiv verschiede Standpunkte hierzu in diesem Strang zu lesen (wenngleich mir eine oft vorgenommene Fokussierung auf Kaiser Wilhelm II als etwas zu kurz gegriffen erscheint). Für dieses Forum wäre es aber angezeigt die Auswirkung auf Architektur und Stadtbaukunst nicht ganz aus dem Auge zu verlieren.

  • Das würde voraussetzen, das sämtliche Entscheidungsträger und die meisten Historiker ziemlich vertrottelt sind. Auf den Gedanken, Dass Entscheidungen bewusst (und im wesentlichen zum Vorteil für die Bundesrepublik Deutschland und deren Bewohner) getroffen und historische Erkenntnisse Ergebnis eingehender Forschung sind, ziehst du offensichtlich nicht einmal in Erwägung.

    Warum vertrottelt? Ganz und gar nicht.

    Zum Einfluss auf den Medien- und Bildungsapparat via Institutionen a la "Atlantik-Brücke" müssen wir jetzt gar nicht abschweifen. Es gibt eben einen Hegemon, und der setzt seine Interessen unter der Oberfläche durch.

    Aber auch viele Historiker, sofern sie eine Position im Universitätsapparat oder z.B. bei der BpB usw. haben möchten, müssen sich eben auch daran orientieren, was dort erwünscht und erwartet wird. Wenn Du zu sehr von der Leitlinie abweichst und keine Protegés im Hintergrund hast, wird es nichts mit der Karriere. Dann kannst Du zwar Geschichte studieren und unbeachtete Hobby-Studien im Selbstverlag veröffentlichen, musst aber Dein Geld als Büromitarbeiter in einem Unternehmen für Fotokameratechnik verdienen (oder ähnliches).

    Entscheidungen werden vielfältig getroffen. Nicht nur nach der reinen, unbefleckten Wahrheitssuche. Solche reinen Wahrheitssucher leben gefährlich. Entscheidungen werden deshalb von vielen Leuten auch nach Karrierebestrebungen getroffen. Nach Ängsten vor sozialer Isolierung. Nach dem beschränkten Horizont von Filterblasen, in denen man sich beruflich und privat bewegt. Nach politischen Absichten.

    Ich erinnere mich gerade an ein Seminar zur Zeitgeschichte bei einem Professor, dessen SPD-Mitgliedschaft allgemein bekannt war und unter Studenten heimlich bezwinkert wurde. Es wurde dort NS-Zeit im Schnelldurchlauf durchgepeitscht. Ein Student hielt ein Referat zur NS-Außenpolitik. D.h., die gesamte Außenpoltik der NS-Zeit wurde in ca. anderthalb Stunden abgehandelt, inklusive Diskussion. Danach schloss der Professor sinngemäß mit dem Fazit: "Nun wurde deutlich, was wir auch schon vorher wussten: Der Nationalsozialismus war verbrecherisch durch und durch."

    Ich empfand das alles damals unfassbar platt, zumal Wechselwirkungen überhaupt nicht zur Sprache kamen. Aber, so dachte ich, so wird Karriere gemacht. Eine Kommilitonin promovierte dann bei ihm zu einem SPD-Thema und kam dann wohl in einer guten Stelle unter. Mich hätte er nie als Doktorvater angenommen, jedenfalls nicht hinsichtlich meiner Forschungs-Interessen. So läuft das Spiel. Der einzige Trottel war und bin wohl ich. :zwinkern:

  • so hätte der de facto ‚Junior-Status’ der ‚Monarchie’ zu Zeiten des 1. Weltkrieges, ihre weitere Schwächung durch die unausgestandenen ethnischen Konflikte und letztlich das Wegbrechen Ungarns sowie der o.g. ehemals nicht zum HRR gehörenden Gebiete dazu geführt, daß man in Wien nicht weiter am Prinzip der Anciennität hätte festhalten können und in der Folge sozusagen zu einem Rangtausch mit den Hohenzollern bereit gewesen wäre.

    Auch der Titel ‚Kaiser von Österreich’ hätte in der Tat keinen Bestand haben können. Dieser war ja eigentlich auch nur ein Notbehelf nach dem Ende des Alten Reiches gewesen. Aber wenn man den Begriff des ‚Erzherzogtums’ vom Kernbereich (Ober-und Niederösterreich) auf alle deutschsprachigen Kronländer (bis hin nach Vorarlberg) hätte ausdehnen können, wäre es möglich gewesen den jungen Monarchen Karl von Habsburg als König der Böhmischen Lande und Erzherzog von Österreich im Rang gleich nach dem König von Preußen und noch vor dem König von Bayern dem Bismarckreich beitreten zu lassen.

    Die böhmischen Länder hätten nicht zur Verfügung gestanden. In der von dir beschriebenen Konstellation hätten sich auch die Tschechen abgesetzt und - bildlich gesprochen - die böhmische Krone mitgenommen. Wie es dann ja auch geschehen ist: Am 28. Oktober 1918 wurde die Tschechoslowakische Republik ausgerufen. Die Mehrheit der Bevölkerung in den böhmischen Ländern sprach Tschechisch. Nimm das bitte zur Kenntnis! Sie lehnte den Anschluss an einen deutschen Nationalstaat ab. Die Wenzelskrone ist das Symbol tschechischer/böhmischer Staatlichkeit. Zu meinen, mit ihr ein "Versöhnungsprojekt" zwischen Hohenzollern und Habsburgern "krönen" zu können, erscheint aus tschechischer Sicht reichlich ignorant. Die Wenzelskrone gehörte den Habsburgern nicht. Sie gehörte dem Land.

    Und noch etwas: Der Titel "König der Böhmischen Lande" ist eine Phantasiebezeichnung von dir. Richtig muss es heißen: König von Böhmen.

    Mod - Diskussion über Böhmen wird hier weitergeführt.

  • Die Alternative: 'Großösterreich'

    Zwanzig Jahre vor Entstehung des Deutschen Kaiserreichs blitzte in den Jahren von 1849 bis 1851 kurzzeitig eine Idee auf der europäischen Bühne auf, die als Schwarzenberg-Plan oder auch als ‚Großösterreich’ bekannt ist. Diese sah v.a. vor, daß beide deutsche Großmächte ihre sämtlichen bisher außerhalb des Deutschen Bundes gelegenen Gebiete in einen neu aufgestellten deutschen Staatenbund einbringen sollten.

    Der Plan traf auf heftige Widerstände und wurde daher recht schnell ad acta gelegt. Und uns Heutigen erscheint er doch schon ziemlich exotisch. Aber wer weiß, vielleicht wäre dieses Gebilde tatsächlich doch nachhaltiger gewesen, als das kometenhaft strahlend emporsteigende, aber letztlich eben auch schnell wieder verglühende Bismarckreich ? Möglicherweise hätte es sogar den die Ordnung des alten Europas zersetzenden übersteigerten Nationalismus in Schach halten können ? Wir werden es nie erfahren...

    Karte von Master Uegly

  • Rollentausch ?

    Ganz abgesehen davon, daß sich die europäischen Monarchen vor 1914 bekanntermaßen gegenseitig zu Regimentschefs in ihren jeweiligen Armeen ernannten:

    Franz Joseph und Wilhelm II. sahen in der Uniform des jeweils anderen Landes schon durchaus schneidig aus…


    Ja, ja,

    Pagentorn frönt mal wieder seinem ‚Kaiserkult’…

  • Gibt es eigentlich diesseits und jenseits der deutsch-österreichischen Grenze ein Gebäude oder Monument aus der Zeit vor 1914, in dem sich die Hoffnung auf einen Beitritt der Habsburger mit ihren deutschsprachigen Landen zum Bismarckreich manifestierte hätte ?

    Daß dieses Thema in diversen Kreisen (gerade auch an Hochschulen) heftig diskutiert wurde ist klar. Aber hat sich dies irgendwo auch ‚in Stein’ greifbar niedergeschlagen ?

    Die Österreichische Kriegsgräberstätte in Cuxhaven (https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ste…itzeb%C3%BCttel)

    kann man wohl eher nicht als Ausdruck dieses Wunsches ansehen.

  • Kaiser und Kanzler : Einst Gegner - nun engste Verbündete

    Im Jahre 1889 besuchte Kaiser Franz Joseph Bismarck in Berlin (siehe obige Zeichnung von Wilhelm Gause). Dem seinerzeit gegründeten Zweibund hat Franz Joseph bis zuletzt unverbrüchlich die Treue gehalten und diesen auch gegen Hinterfragungen – etwas durch seinen Sohn Rudolf – verteidigt. Darüberhinausgehendes hat er sich allerdings wohl nicht vorstellen können. Unter welchen Bedingungen Franz Ferdinand oder Kaiser Karl später wohl bereit gewesen wären, Schritte hin auf 'noch mehr Integration' zu gehen ...???

  • Ein eindeutiges Bekenntnis zu einem Beitritt der Habsburger mit ihren Cisleithanischen Ländern zum Bismarckreich stellen sie zwar nicht dar, aber es gibt doch eine erstaunlich große Zahl von Bismarck-Monumenten, die während der Regierungszeit von Franz Joseph in Böhmen, Niederösterreich und Salzburg errichtet wurden. Ob man diesen Türmen und Gedenktafeln von Seiten der Dynastie große Sympathie entgegenbrachte, sei einmal dahingestellt. Aber immerhin hat man diese Bekenntnisse zum Werk Bismarcks auf dem eigenen Staatsgebiet toleriert.

    Eine Übersicht hierzu bietet folgende Liste :

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der…lb_Deutschlands