• Darmstädter Impressionen

    Kurze Vorrede, bevor ich die Bilder dann unkommentiert präsentiere:

    Darmstadt ist irgendwie eine eigenartige Stadt. Spontan fällt mir zu ihr Folgendes ein: Prachtvolle Überreste einer einstigen Residenzstadt, eine teilweise potthässliche Fussgängerzone, einzigartiges Jugendstil-Ensemble (Künstlerkolonie Mathildenhöhe), im Martinsviertel viel Gründerzeitler, Kopsteinpflaster und Bäume, selbsternannte "Wissenschaftsstadt"...

    Ich habe versucht, das Schöne an Darmstadt wiederzugeben, manchmal aber auch das Hässlich-Skurrile (z. B. die berühmten "Kontraste").

    Dann wollen wir mal...

  • Gänz schön viele Bilder- Respect. Wusste gar nicht, dass DA solche Jugendstilschätzchen besitzt- habe bei meinen 2 Besuchen in der Stadt nicht mehr als Fußgängerzohne und Staatstheater gesehen...

    Zu Hundertwasser: ich persönlich stehe nicht so drauf, ist mir zu plakativ naiv.

  • das gelbe Gebäude auf dem achten Bild ist eine Rekonstruktion. Ist ungefähr zehn Jahre her, vorher standen nur noch die Außenmauern. Jetzt ist dort das Stadtarchiv untergebracht, gebaut wurde es aber als Theater. Das einzige Gebäude das im Krieg nicht getroffen wurde ist die "Goldene Krone".

    Wenn ich mehr Zeit habe, schreibe ich etwas mehr zu Darmstadt.

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Danke! Darmstadt ist auch so eine Stadt, über die ich mir noch nie so wirklich Gedanken gemacht habe. Scheint aber so eineiges schönes zu bieten zu haben! Nur die Fußgängerzone scheint mal wieder ein ziemlicher Mischmasch aus Historie und schlechtem Geschmack zu sein. :augenrollen:
    Was ist denn dieses gelbe Haus, was gerade erst rekonstriert wurde?? Ein Theater oder sowas? Ist nämlich sehr schön! Und das daneben mit dem Türmchen? Wem ist das Obeliskendenkmal vor der Kriche gewidmet? Und welches ist die "Goldene Krone"?

  • @ kindvon2dresdnern:

    Ja, diesmal war ich im Fotografier-Rausch. Dabei habe ich dann am Ende sogar noch eine Auswahl getroffen, ihr seht also nur einen Teil dessen, was ich fotografiert habe...
    Zu Hundertwasser äußere ich mich nochmal zu einer anderen Gelegenheit.

    @ Stephan:
    Würde mich freuen, wenn du was zum Thema Darmstadt sagen kannst - als "Kenner" fühle ich mich nämlich bei dieser Stadt keineswegs. Z. B. wusste ich nicht, dass das gelbe Gebäude eine Rekonstruktion ist - allerdings meinte meine Freundin, mit der ich an diesem Tag unterwegs war, das Gebäude sehe ja "irgendwie so neu" aus. Oft kann man also doch die rekonstruierten Gebäude von den alten unterscheiden (zumindest noch).

    @ Ben:
    Bei dem gelben Gebäude handelt es sich um den Mollerbau: früher das Hoftheater, jetzt Hessisches Staatsarchiv. Das Gebäude daneben ist das Hessische Landesmuseum. Beide Gebäude bilden zusammen mit dem Schloss ein nettes Ensemble. Der Obelisk ist der Großherzogin Alice gewidmet, eine Tocher der englischen Königin Victoria. Die Kirche, vor der der Obelisk steht, ist die St. Ludwigskirche, sie ist dem römischen Pantheon nachempfunden. Bei der "Goldenen Krone" müsste ich erstmal recherchieren...

  • Danke! Alice ist die Mutter der letzten Zarin, nicht? Mach dir keinen Stress. Ich dachte die "Goldene Krone" wär auf einem der Bilder drauf, weil Stephan es ja erwähnte, deshalb habe ich gefragt.

  • Ganz genau, das ist die Goldene Krone. Eigentlich nennt sie jeder nur "Die Krone", soweit ich weiß war das schon seit dem 18. Jahrhundert immer ein Gasthaus, seit den Siebziger ist darin eine Disko und Konzerthaus untergebracht.

    Die ersten Bilder zeigen das "Alte Pädagog", in den siebziger Jahren wieder aufgebautes Renaissance-Haus, in dem einst Georg Büchner und Ernst Niebergall lateinische Grammatik lernten. Im Kellergewölbe ist heute ein Restaurant.

    Auf dem elften Bild ist im Hintergrund die Technische Universität zu sehen in der einige Zeit Günther Behnisch gelehrt hat.

    Auf dem dreizehnten Bild ist der Bismarckbrunnen zu sehen in dem sich während der Bombardements vom 11. September 1944 die Leichen gestapelt haben. Darmstadt diente dazu als Experimentierfeld für die RAF.

    Der Luisenplatz auf dem 15. Bild dient leider als riesige Straßenbahn- und Bushaltestelle. Das Potenzial dieses einzigartigen Platzes wird nicht genutzt. Einfach nur trostlos! :(

    Das achtzehnte Bild, mit der Säule des Großherzogs Ludwig im Rücken, zeigt das Luisencenter. Vor einigen Jahren modernisiert zeigt es sich heute freundlicher. Davor hatte es weniger Fenster und die hellen Fassadenelemente waren dunkelbraun. Es dient als Einkaufszentrum.

    Die letzten Bilder zeigen das Hundertwasserhaus, aber ich glaube das habt ihr ja selbst gemerkt, mir gefällt´s nicht.

    Das Haus mit dem runden Eingangsportal ist das Ernst-Ludwig-Haus (1899-1901) auf der Mathildenhöhe (Künstlerkolonie) von Joseph Maria Olbrich. Hier fand 1901 die Ausstellung der Künstlerkolonie unter dem Titel "Ein Dokument deutscher Kunst" statt. Es war die erste Austellung von vielen, die Anfang des 20. Jahrhunderts Künstler mit selbstbewußtem Reformwillen in ganz Europa zeigten. Man erreicht das Ernst-Ludwig-Haus durch einen gewaltigen Bogen, hinter den der Eingang zurückspringt und der reich mit symbolischen Ornamenten geschmückt und von zwei übergroßen Statuen flankiert ist; sie stellen Mann und Frau dar und stehen für die Rolle des Bauwerks als "Tempel der Arbeit". Vor seiner Berufung nach Darmstadt war sein bekanntestes Bauwerk das Haus der Wiener Secession, das Austellungs- und Clubhaus einer neu gegründeten Gruppen von Architekten, Malern und Bildhauern die sich gegen den offiziellen Geschmack wandten.

    Mehr fällt mir jetzt auch nicht ein, aber das ist wohl normal nach vier Hefeweizen. :peinlich:

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Sehr interessante und schöne Fotos.

    Leider ist die Innenstadt trotz einiger historischer Gebäude zementierte Häßlichkeit, da können ja selbst Essen, Duisburg und Bochum mithalten.
    Aber drumherum scheint es ja noch einige schöne Gebäude zu geben. Schade, dass man das Hoftheater nicht als solches wieder rekonstruiert hat. Das Foyer wurde sogar rekonstruiert und ich denke, in einem historischem Theaterbau ist es immer schöner als in einem Nachkriegsbunker. Beim Stadtarchiv halte ich das Umfeld nicht so wichtig.

    Dieses Gebäude wurde aber scheinbar auch nicht vom Modernismus verschont, oder sehe ich das falsch (Vordergrund, links):

    ... und das rechte Gebäude scheint ein ziemlich schäbiger Wiederaufbau zu sein:

    Hast du eigentlich auch Fotos vom wunderschönen Hauptbahnhof sowie Wasserturm und anderen Bahnbauten gemacht?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Da ich mich auch neulich einmal mit der Bausituation in Darmstadt beschäftigt habe, möchte ich gern diesen Thread etwas bereichern.

    Meiner Auffassung nach ist Darmstadt ein unglücklicher Fall: Die Altstadt, die aus einer Vielzahl kleiner schmuckloser Häuser bestand, ist heute nicht mehr sichtbar, sie wurde vollkommen zerstört. Daß man nach dem Krieg dort nicht rekonstruiert hat (Ausnahme: die Stadtkirche, das Pädagog (oben 1. Foto) und Teile der Befestigung (z.B. den schlanken Turm oben)), hat sicherlich mit dem geringen kunstgeschichtlichen Wert der Vorkriegsbebauung zu tun (vgl. Beseler/Gutschow). Daher stellt sich der Altstadtbereich heute zumeist häßlich dar. Als empfindlichsten Punkt aber sehe ich heute den Luisenplatz an, der vormal von palastartigen klassizistischen Gebäuden (17.Jh.) umgeben war - von dieser Bebauung ist nur ein Palais (gegenüber dem Eingang zur Altstadt) übriggeblieben - der Rest ist Glas- und Betonbebauung und stört ungemein. Insbesondere die Achse Luisenplatz-Schloß bedarf m.E. einer neuen Lösung.

    Nichtsdestotrotz bietet Darmstadt dennoch hervorragende Einzelbauten: das Schloß, die (außerhalb liegende) Mathildenhöhe, das Stadtviertel um die TH, das hessische Landesmuseum, die dem römischen Pantheon nachempfundene klassizistische (Ludwigs-)Kirche, den (außerhalb liegenden) Hauptbahnhof.
    Diese liegen jedoch wie Inseln in einer überwiegend modernen Umgebung.

    Gerne würde ich auch noch einen Plan hineinstellen, den habe ich aber gerade nicht zur Hand.

    MfG,

    v.g.

  • Im Prinzip hat Darmstadt schon ein paar schöne Ecken, aber auch hier scheint die 70er-Jahre-Betonära großes Unheil angerichtet zu haben. Die Fußgängerzone ist regelrecht eine optische Zumutung und einige Gebäude scheinen sehr vereinfacht wiederaufgebaut worden zu sein. Aber auch viele schöne Gebäude und Straßenzüge fallen, wenn tlw. auch etwas schmuddelig, angenehm auf ...

  • Ich möchte noch eine Information nachreichen: Es gibt zur Zeit eine große Baustelle zwischen dem Schloss und den letzten verbliebenen Häusern der Alten Vorstadt. Bei den letztgenannten handelt es sich um diese hier:


    Die besagte Baustelle präsentiert sich momentan so:

    Da habe ich micht natürlich gefragt: Was könnte denn da gebaut werden? Wird man so sensibel sein und etwas Passendes zwischen das Schloss und diese schmucken Häuser bauen? Tja, leider sieht die Antwort so aus:

  • Haben wir etwas anderes erwartet? Schöne Häuser werden in Deutschland nur gebaut, wenn die Bürger mitbestimmen dürfen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Die ehemalige Hauptstadt des Großherzogtums Hessen liegt
    ca. 30 Km südlich von [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] an den Ausläufern
    des Odenwaldes. Ihre Bedeutung als Wissenschaftstadt ver-
    dankt sie der 1877 gegründeten Technischen Universität und
    den drei Fachhochschulen mit insgesamt mehr als 30 000
    Studenten sowie vielen Forschungseinrichtungen und
    Instituten. Der Ruf der Stadt als "Zentrum des Jugendstils"
    geht auf die 1899 gegründete Künstlerkolonie Mathildenhöhe
    zurück. Am 11. September 1944 wurde Darmstadt durch die
    Bombergroup Nr.5 der Royal Air Force auf Befehl von Luft-
    marschall Arthur Harris. Zielgebiet war die mittelalter-
    liche Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern. Von der Altstadt
    ist heute bis auf einen Teil der Stadtmauer nichts mehr
    übrig. 99 % der Altstadt, des eigentlichen Stadtkerns und
    insgesamt 78 & der Bausubstanz Darmstadts wurde zerstört.
    Der Angriff forderte 11 500 Menschenleben, rund 66 000
    der ungefähr 110 000 Einwohner wurden obdachlos. Bis zum
    Kriegsende stieg die Zahl der Toten, infolge weiterer Luft-
    angriffe auf 12 500 - 13 500 Menschen an.

    Erster Teil meiner Fotoreihe über Darmstadt führt durch den
    Stadtteil Bessungen der 1888 eingemeindet wurde und noch
    über hohe Altbausubstanz verfügt.

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Tja, Darmstadt, ich als Frankfurter kann dir nachfühlen, das Schicksal der Städte ist ja ungefähr vergleichbar - totale, weitestgehend sinnfreie Zerbombung des historischen Stadtkerns und ein Wiederaufbau, der nochmal soviel kaputtgeschlagen hat, wie es schon die Briten taten. Auch hier in FFM gibt's Altbausubstanz ja im Prinzip nur noch in Vororten in größerer Geschlossenheit.

    Anzumerken ist noch, dass die Fachwerkaltstadt Darmstadt allerdings eher (mal in Hessen relativ ggü. z. B. Kassel oder Mainz betrachtet) unbedeutend war, richtig schwer wog die totale Zerstörung der Bauten des 18. und 19. Jahrhunderts (Schloß, Palais, Theater) und der totale Unwille, diese wieder aufzubauen.

    Schön zu sehen, dass sich die Gründerzeitler relativ geschlossen und sogar einige Fachwerkbauten erhalten haben, die Jugendstilbauten sind natürlich eine Klasse für sich. Mir fällt zusätzlich auf, dass die Altbausubstanz (Fachwerk wie Gründerzeit) in überdurchschnittlich gepflegtem Zustand ist. Offenbar hat in den letzten Jahren da ein Umdenken stattgefunden, nachdem man bis in die 80er in Darmstadt erfolgreich darum bemüht war, auch den letzten Rest der ursprünglichen Identität zugunsten zweifelhafter stadtplanerischer Ideen aufzugeben.

  • Das war erst der erste Teil!

    Mit Darmstadt-Bessungen habe ich angefangen und werde mich im Laufe der nächsten Wochen durch andere Viertel, z.B. Johannis- und Martinsviertel, arbeiten.

    Nachher stelle ich noch Bilder des Bahnhofs und der Bausubstanz drumherum ein.

    Zitat

    Auch hier in FFM gibt's Altbausubstanz ja im Prinzip nur noch in Vororten in größerer Geschlossenheit.

    Die Innenstadt zwischen Schloß und Staatstheater ist nahezu völlig frei von Vorkriegsbauten. Es wurden lediglich wenige Stadtbild prägende Gebäude wiederhergestellt. Die äußeren Bezirke sind, wie du schon anmerkst, relativ intakt.

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Darmstadt II. Teil: Hauptbahnhof und Umgebung

    1) Der Hauptbahnhof, 1912 von Friedrich Pützer in Formen des
    ausgehenden Jugendstils erbaut.

    2)

    3)

    4)

    5) Fürstenbahnhof direkt neben dem Hauptbahnhof, hier empfing der
    Großherzog hohe Staatsgäste und andere Fürsten. Gammelte lange Jahre
    vor sich hin bis ein Gastronom sich seiner annahm und ein Restaurant
    darin eröffnete.

    6)

    7) Die Post

    8)

    9) Alter Wasserturm

    10) Nochmal in Nahaufnahme. Bessere Aufnahme war nicht möglich.

    11)

    12)

    13)

    14) Jugend-Stil-Brunnen

    15) Weiß jemand, was das für ein Auto rechts vorne das ist?

    16)

    Nächste Woche geht's weiter mit Bildern des klassizistischen Johannesviertel...

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Schönen Dank für die Bilder ! Der Bessunger Orangeriegarten ist im Frühling/Sommer wirklich nett anzuschauen. Leider war ich im Winter dort. Schade übrigens das die rechte Seite nicht gebaut worden ist, nicht ? Aber da ist dem Fürsten ja das Geld ausgegangen - wie beim Schloß... :gg: