Die Fenstererker scheinen hier authentisch zu sein; bemerkenswert und ungewöhnlich sind die geometrischen Schmuckformen. Auch wenn der Fronhof 150 Jahre jünger als das Hornmoldhaus ist, zeigen seine Fassaden eine Harmonie zwischen Schmuckfachwerk und geschnitzten Fenstererkern. Hinzuweisen ist auch auf das Schmuckfachwerk in den Brüstungen. Ich gehe zwar aus, dass hier keine Bohlenwände mehr zur Anwendung kamen, obwohl es theoretisch möglich wäre, dass die Schmuckhölzer in einem Drittel der Wandstärke auf die Bohlen angebracht wurden.
Fenstererker am Grolandhaus, Nürnberg Ende 15. Jhd.
Über die Nürnberger Fachwerkbauten habe ich hier im Forum schon sehr viel geschrieben und bin auch oft auf die durchwegs einfachen Fenstererker zu sprechen gekommen. Das Grolandhaus war just das erste von bisher 60 Bauten, die ich beschrieben habe. Fachwerkbauten in Nürnberg (dort auch vergrösserbare Abbildungen aus dem Marburger Bildindex)
Auf die Nürnberger Fenstererker komme ich in einem separaten Beitrag zurück. Im Inhaltsverzeichnis des Nürnberger Fachwerkbautenstranges weise ich aber jetzt schon auf folgende weiteren Bauten mit historischen Fenstererkern hin:
- Augustinerstr. 7 (dort auch ein Planausschnitt einer Bauuntersuchung in St. Gallen, wie ich sie mir von den Bietigheimer Fachwerkrekonstruktionen wünschte)
- Schildgasse 27 (und dort auch ein Bild der verwandten Albrecht-Dürer-Str. 24)
- Untere Krämersgasse 18
- Waaggasse 11
An den gassenseitigen Fassaden waren reich verzierte Fenstererker nicht zu finden; im Verlauf des 17. Jahhunderts kamen sie ausser Mode. Dafür gab es in den privaten Innenhöfen umso reichere Beispiele von fränkischen Fenstererkern.
Beispiel an der Winklerstr. Nr. x: http://www.bildindex.de/bilder/MI02570c13a.jpg
Das Rückgebäude von Weißgerbergasse 23, es soll aus der Mitte des 16. Jh. stammen, das Fachwerk 1977 freigelegt, passt das noch dazu?
http://www.abload.de/img/img_7138s6o8.jpg
Schmuckfachwerk war in Nürnberg die Ausnahme; gegen das obrigkeitliche Gebot für Enthaltsamkeit beim Fassadenschmuck verstiessen eher neu zugezogene Bürger (Pellerhof! In Frankfurt waren es die Bauherren des Salzhauses und der Goldenen Waage, die sich als Neuzugezogene profilieren wollten). Beim Beispiel Weissgerbergasse 23 sieht man, dass auch bei Zierfachwerk aus der Zeit des Hornmoldhauses die Fenstererker ganz in der alemannischen Tradition des 15. Jahrhunderts verblieben.
Fazit: Nürnberg darf keinesfalls für detaillierte Vergleiche in Bietigheim herangezogen werden, wohl aber möglicherweise für die baugeschichtliche Entwicklung!
Dies ist eine ganz fragwürdige Rekonstruktion. Das Vorgängergebäude wurde in den 1970er-Jahren abgebrochen, und erst anlässlich des Abbruchs erkannte man den bauhistorischen Wert der Nachbarhäuser mit ihrem hohen Alter aus dem 14. Jahrhundert. Diese wurden dann restauriert und das abgebrochene Gebäude rekonstruiert. Ich nehme an, dass das abgebrochene Gebäude vorher noch untersucht wurde, denn sonst hätte man ja keine Rekonstruktion machen können.
Die ersten beiden Obergeschosse haben schon etwas sehr Altertümliches mit ihrer Wandständerkunstruktion und Schwertern. Ich vermute, dass die ursprünglichen Fenster nur bis zum Halsriegel reichten (horizontaler Balken zwischen den Fenstern), also ohne die Oblichter. Letztere wurden wohl als Konzession an die heutigen Lichtbedürfnisse angelegt. Insofern handelt es sich hier nicht um 'echte' Kreuzstöcke.
Das Rathaus von Großbottwar zb hat im dritten Obergeschoss mehrere schlichte Fensterker in "alemannischer Tradition". Sie sind aber auch das Ergebnis einer Rekonstruktion während der Renovierung 1984-86:
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0828_193437.jpg
Die einfachen Fenstererker an diesem reichen Zierfachwerk überzeugen mich irgendwie nicht. Da müsste ich auch dokumentierte Befunde sehen. Als Schulbeispiel von Kreuzstockfenstern mit Läden nur bei den unteren Fensteröffnungen können aber die 'normalen' Fenster gelten.
Vorzustand ohne Fenstererker mit fränkischer Gefügeordnung:
http://geo.hlipp.de/photos/08/15/081572_172101be.jpg
Wenn ich so etwas sehe, wird mir übel... Weshalb hat man völlig unnötig die Gefache im ganzen Giebeldreieck herausgeschlagen, obwohl das Fachwerk in seinem Bestand noch intakt war??? Ist das Denkmalpflege und Substanzerhaltung? So eine "Restaurierung" ist bei mir schon von vorneherein abgeschrieben und unglaubwürdig, auch wenn Befunde vorhanden waren!
Am Marktplatz des selben Ortes, die Stadtschänke von 1434 mit einfachen alemannischen Fenstererkern an der Bohlenstube:
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0828_190456.jpg
Das sind gruusige Kästen - oder abgeschwächt - ein Bastel mit Brettern. Die Renovation erfolgte offensichtlich nach Grundsätzen der Rustikalität. Die Bohlenwände gehören mit Tonplatten zugedeckt und ein Verputz darüber! Die Mode des Freilegens von Bohlenwänden geht ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Ich habe noch nie Befunde mit ursprünglich freiliegenden Bohlen an Bohlenstuben gesehen. Anders ist es bei Bauten, die komplett mit Bohlen ausgefacht sind.
In Dettingen/Erms der Zwiefaltener Hof aus dem 16. Jh. Im 1 OG in der Mitte ein fränkischer Fenstererker:
https://aph-bilder.de/images/2018/02…0827_192648.jpg
Mein Gefühl sagt, dass es beim Hornmoldhaus eher in diese Richtung gehen müsste. Der Unterschied zu den alemannischen Fenstererkern des 15. Jahrhunderts sind die seitlichen Pfosten, die zugleich auch Konsolen der Erker sind.
In Sindelfingen, in der kleinen aber feinen Altstadt finden sich noch einige alemannischer Fenstererker:
Untere Burggasse 3 (Mein Profilbild)
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0827_134559.jpg
Das sieht für mich sehr authentisch für einen Fenstererker aus dem 15. Jahrhundert aus. Die beiden Konsolen werden wohl rekonstruiert sein, aber ihr Schmuck findet sich auch bei den Knaggenbündel an den Gebäudeecken. Ich vermute, dass in den Brüstungen noch die ursprünglichen Bohlen stecken könnten, die mit Tonplatten und einem Gefachputz darüber versehen wurden. Die Haupträume sollen ja nicht durch die Bohlen auf sich aufmerksam machen, sondern durch die Fenstererker.
Haus am Hexensprung, Hintere Gasse 9 mit Bohlenstube:
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0827_135058.jpg
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0827_135203.jpg
Iiiiiih!! Ist das rustikal...Die Schmuckformen der Erkerkonsolen sind wiederum den Eckknaggenbündel entnommen, was glaubwürdig scheint. Aber bitte diese gefasten, modernen Bohlen zudecken.
Und eher fränkischere Exemplare: Hintere Gasse 5:
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0827_134913.jpg
Wohl ein Fantasieprodukt. Für die hiesige Diskussion kommt das Beispiel eh nicht in Frage, da es sich aufgrund des Fachwerks mit Streben nicht um eine Bohlenstube handelt.
Kurze Gasse 2:
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0827_135712.jpg
Harmonisch! Die Gemütlichkeit der Eckstube hat eine grosse Ausstrahlung nach aussen.
Corbeil-Essonnes-Platz 9 (wohl erneuert?)
https://aph-bilder.de/images/2017/11…0827_142208.jpg
Das ist rustikaler Kitsch des 20. Jahrhunderts!
Tauberbischofsheim iliegt bereits zu weit weg von Bietigheim, als dass es für Vergleichsbeispiele herangezogen werden könnte. Das Beispiel zeigt aber wiederum, wie die verzierten Fenstererker und das Zierfachwerk harmonieren.
Ich weiss, ich gebe manchmal sehr vernichtende Urteile über jüngere Restaurierungen ab. Wenn man aber Forschung betreibt, kommt man nicht umhin, diese Restaurierungen zu hinterfragen, wie authentisch sie gemacht wurden und wie es um deren Dokumentation steht. Es gibt Bauherren und Handwerker, die behaupten, dass etwas ganz nach dem Original rekonstruiert worden ist. Wenn man dann nach Fotos und Dokumentationen fragt, ist nichts vorhanden. Das klingt dann für mich nicht vertrauenswürdig.
Für eine allfällige Rekonstruktion der Fenstererker am Hornmoldhaus müssen aber ganz sichere Beispiele herangezogen werden, sonst wirkt auch dieses nicht mehr glaubwürdig! Beim Hornmoldhaus kann ich mir sogar vorstellen, dass auf den Bohlen ein Zierfachwerk in der Dicke eines Drittels der Wandstärke aufgebracht war. Die Fenstererker könnten seitliche Abschlusspfosten aufgewiesen haben, die Zugleich auch die Konsolen bildeten. Aber nur infolge Unkenntnis jetzt schmucklose Fenstererker 'alemannischer Bauart' als Platzhalter hinzuzufügen, würde ich eher abwegig beurteilen.