Treptow an der Rega - Trzebiatów

  • Treptow an der Rega. Ein klangvoller Name für eine kleine Stadt, die durch diese Galerie in den nächsten Tagen den Mitforisten etwas erhellt werden soll.
    Treptow in Hinterpommern, im Hinterland, fernab der Touristenströme der Ostsee, die Orte wie Rewahl oder Horst einnehmen, aufblähen, ersticken lassen; liegt das kleine verschlafene Städtchen. Nach Vetreibung, Zerstörung und Vewahrlosung liegt es vergessen mit seinen kaum 10.000 Seelen, die kurze Rega umfließt die Stadt von drei Seiten.
    Wir blicken flussaufwärts auf die Stadt, malerisch präsentiert sich uns von weitem der mächtge Turm der Marienkirche. Die Unheimlichkeit des Idylls ruft in uns eine schwersüße, unergründliche, archaische Sehnsucht aus -Caspar David Friedrich hätte es malen müssen- folgen wir diesem Sehnen. Vor uns liegt Überraschung und Enttäuschung, Erwartbares und Unerwartetes:

    Dem Lockrufe aus Traum und Metadunst gefolgt, ahnen wir es doch, wie sich unser romantisches Desiderat einer gut erhaltenen, pommerschen Stadt, entzaubert. Ihrer Menschen durch Vertreibung beraubt, überstand die Stadt baulich den zweiten Weltkrieg fast bis zum Schluss unbeschadet. Die Rote Armee und anschließende Nachkriegszerstörungen rissen jedoch über die Hälfte der Altstadt danieder. Bis heute klaffen große Wunden in der Stadt, viele Brachen, viel Hässlichkeit und Elend. Doch auch noch manch Sehenswertes.
    Im Grunde sagt folgendes Bild viel über die Stadt aus: Im Stadtbild sehr präsent und dominierend die großartige Marienkirche (zu ihr und ihrem wunderschönen Inneren kommen wir später!), an den Rändern der Alstadt pitoreske Wasserlandschaften durch Rega und Mühlbach. Eine mittelalterliche Stadtmauer, die zumindest in ihren Grundmauern noch weite Teile der Stadt umschließt.
    Und schlißlich Massen an gähnender, teils postmoderne, heruntergekommene Nachkriegsachtektur, oft in Plattenbauweise ausgeführt.

    Hans Hartig malte 1910 aus einer ähnlichen Perspektive:

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…br%C3%BCcke.jpg

    Trauen wir uns über die Stadtbrücke, um zu schauen, ob dem Schein zu trauen ist oder ob uns anderes erwartet. Doch vorher atmen wir tief durch, versichern uns dem Schönen und lassen unseren Blick von der Brücke über das Flusstal schweifen, schauen den lustigen Enten, den exotischen Libellen den frechen Möven und dem Wogen des Windes in den Wasserpflanzen, duftender Wind lässt uns atmen und lauschen wir dem beständigen Plätschern der Rega:

    Nun, Augen auf und durch, hereinspaziert über die Stadtbrücke in die Altstadt:


    Alt (und gammlig) ist es in der Tat:

    Die Seitenstraße ist bunter, nicht schöner:

    Bleiben wir also auf dem Weg zum Rynek, dort mehren sich die Relikte des alten Treptows:

    Mal hat man sogar die Illusion von Geschlossenheit:

    ...mal nicht:

    Doch auch nach dieser in ihrer Ungewohnheit erschütternden Sichtachsen (alles in der gleichen Straße auf wenigen Metern!) geben wir geben nicht auf, schauen wir weiter nach vorn, und sehen die Bebauung des Rings- Von hinten:

    Fortsetzung folgt. Es wird besser, versprochen!

    2 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (12. Juli 2019 um 00:35)

  • Das Haus hat auch noch eine Seitenwand, die gotische Substanz vermuten lässt:

    Doch eh wir uns auf den Ring begeben, schaffen wir uns zuvor eine Übersicht aus der Luft, ein freundlicher wiki commons user hat sich dafür für uns in sein Flugzeug gesetzt, wir blicken in Ostrichtung und sehen die geschundene Altstadt, die Brachflächen, die unpassenden Lückenfüllungen aus Garagen und Plattenbauten, aber auch den Ring und einige geschlossene Straßenzüge, mit viel gründerzeitlicher und auch mancher, teils überformter älterer Substanz:

    (by Urząd Miejski w Trzebiatowie, CC BY-SA 3.0)

    Wir betreten den Ring von seiner Nordostecke und blicken sofort auf das hübsche, gefplegte Rathaus in der Ringmitte. Gotischer Vorgänger, abgebrannt, Neubau um 1700 und klassizistisch überformt:

    Doch auch die Reste des gotischen Vorgängers haben sich erhalten:

    Forsetzung folgt, die Besprechung der Ringebauung.

  • Die nördliche Ringbebaung, vollständig erhalten. Die diese Ringseite dominierenden traufständigen Häuser sind spätklassizistisch, Der Schweifgiebel ist aus dem Barock (das Haus könnte aber älter sein), die beiden anderen giebelstständigen Häuser werden auch älter sein, als ihre spätklassizistische Überformung vermuten lässt. Das Barockhaus und das Haus links davon haben jene Fachwerkgiebelrückseiten.

    Die Südseite ist bis auf ein Haus (nicht mit drauf) ist indes ein totaler Verlust. Die Bebauung ist postmodern, angepasst, bieder und billig,doch immer noch das beste, das diese Stadt an Wiederbebauung zu bieten hat:

    Bei diesem Haus bin ich mir nicht sicher, ob es Spolien sind, reine Fantasie, oder ob das Erdgeschoss tatsächlich erhalten wurde:

    Die Ostseite ist weit besser erhalten. Zwei Häuser (links und rechts der beiden prunkvollen Neorenaissance-Giebel) scheinen mir jedoch postmoderne Remineszen, oder aber total verbastelte Totsanierungen:

    Apotheke mit Frühbarocker Fassade:

    Südostecke:

    Südwestecke, ein interessantes Haus aus den 1920ern:

    gleiche Ecke, blick zur über dem Ring thronenden Marienkirche. Das Haus, welches der Giebel so nach hinten kippt, wollen wir noch genauer anschauen:

    Wie alt es wohl sein mag? Das Dekor scheint Teils aus den 1920ern, teils neuogotisch, teils aus dem Barock.
    Der krumme Giebel lässt es noch viel älter wirken.


    Nun geh ich aber husch ins Bettchen. Fortsetzung folgt morgen. Die spektakuläre Südseite des Rings Feld noch, das Schloss, die Stadtmauer mit Pulverturm, die Marienkirche und viele, viele schöne und hässliche Häuschen werden euch nach und nach präsentiert.

    Einmal editiert, zuletzt von Kaoru (8. Juli 2019 um 08:48)

  • im Südosten scheint schon alles erhalten zu sein.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • im Südosten scheint schon alles erhalten zu sein.

    im wesentlichen ja, am plac zjednoczenia ("Platz der Wiedervereinigung", leider habe ich keinen alten Stadtplan zur Hand) in der Nähe des Schlosses gibt es eine größere Brache; die Frau auf dem Plakat lächelt trotzdem, wohl ob ihrer neuen Zähne, nicht der städtebaulichen Situation wegen.

    Zum übrigen dort später.

    Einmal editiert, zuletzt von Kaoru (12. Juli 2019 um 00:36)

  • Doch kommen wir erst zur m.E. interessantesten Seite des Rings, der Südseite.
    Beginen wir gemächlich mit der Südwestecke, rechts steht auch das einzige erhaltene Haus der Westseite. Wir sehen, dass die Straße Wojska Polskiego, ("Straße der polnischen Armee"), welche die Südtangente des Platzes bildet, auf voller Länge nahezu vollständig erhalten ist, (auch nach Osten hin, vgl. die Südostecke des Rings) ...und zugleich auch die Hauptverkehrsstraße des Ortes bildet:

    Wenden wir uns nun vollends der Südseite zu und schauen auf ihre alten Häuser, mindestens das lachsfarbene Haus mit Barockgiebel hat einen gotischen Ursprung wie wir am Portal sehen, die Diele ist auch noch vollständig erhalten (übrigens eine der wenigen Restaurants vor Ort, die Stadt ist leider immer recht ausgestorben. Die Pizza dort ist aber gut und günstig, es lohnt allein schon wegen der Diele, die ich aber nicht fotografiert habe):

    Ein wenig daneben steht mein absolutes Lieblingshaus. Ein barockisiertes gotisches Haus, wunderbar orignell und eigen:

    Den weltschönsten Giebel schauen wir uns noch einmal von Nahem an:

    Das Haus hat natürlich auch eine Rückseite:

    Die Vorderseite leider nur angerissen, habe ich von den beiden (sehr schlichten) traufständigen Barockhäusern der Straße auch nur Bilder von der Rückseite:


    Im weiteren Verlauf präsentiert sich die Südseite so:


    Um mit diesem gewaltigen Haus (zumindest von der seite) die Südseite abzuschließen:

    Fortsetzung folgt!

    2 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (12. Juli 2019 um 00:38)

  • Bevor wir uns weiter der "Straße der polnischen Armee" widmen (man möge mich ergänzen, wenn jemand den deutschen Namen kennt), schauen wir wieder ein wenig in die Gassen und Höfe südlich jener Straße und schauen wie es dort bestellt ist ist.

    Oft lohnt dort nämlich ein Blick:

    Doch nicht immer hätte es solcher Würdigung Pommerscher Fachwerkbaukunst bedarft:

    Zwischen der wüsten Ödnis der Garagenlandschaften...


    ...ergibt man sich manchmal ganz unerwartet heimlich der bittersüßen Früchte der Pitoresque morbider Vergänglichkiten und elender Gegenwarten...

    ...um sich die Faustsche Frage zu stellen, ob das All das Nichts nivelliert oder umgekehrt:


    Und freut sich doch vieler kleiner alter Häuschen in mehr oder minder erhaltenen Straßenzügen:

    Fortsetzung folgt!

  • Das Garagenödnisbild zeigte im Hintergrund schon einen Teil der Stadtmauer.
    Im Osten sind nur noch Fragmente der Stadtmauer zu sehen, an den anderen Seiten sind die Mauerreste fast durchgängig zwei, drei, manchmal vier oder fünf Meter hoch. Stadttore gibt es keine mehr, an den Haupstraßen ist die Stadtmauer geschliffen.
    Die Stadtmauer selbst wurde um 1300 errichtet, ein Turm hat sich erhalten, der sog. Grützturm.


    Die Stadtmauer ist recht präsent im Stadtbild:

    Wie wir sehen, kann man auch ein Trafohäuschen ganz hervoragend als weiteren Turm in die Mauer integrieren:

    ...und bemerken nebenbei, dass auch die Gründerzeit schon zu überdimensionierten Bausünden fähig war, dieser Schulbau fällt auch im Luftbild unangenehm auf:

    Weitere Bilder vom westlichenTeil der Stadtmauer folgen, zuerst geht es jedoch zurück auf die Haupstraße.

    Forsetzung folgt!

    3 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (9. Juli 2019 um 01:31)

  • Bevor es zum Schloss geht, machen wir noch einen Schwenk zurück in den Bereich der Straße der polnischen Armee, der östlich des Rings liegt. Von den südlichen Quartieren haben wir uns durch gotische Garagenfachwerkmondlandschaften wieder zur Hauptstraße gemogelt und schauen auf dieses hübsche, spätklassizistische Portal.

    Ein ähnliches Haus dort ist von zwei niedlichen Nachbarn flankiert. Die Häuser haben dezentes Jugendstil Dekor, die Größe (die "Kleine") spricht jedoch dafür, dass sie im Kern älter sind.

    Sowieso gibt es in dieser Stadt viele kleine, niedliche Häuschen. Und daneben steht eins, das dann noch kleiner und niedlicher ist.

    Doch auch hier gibt es postmoderne Lückenfüller, könnte schlimmer sein:

    Viel mehr gibt es im östlichen Teil der Straße nicht zu sehen. Später kommt noch der westliche Teil, doch nach diesem Mini-Galeriebeitrag zuerst wieder etwas ausführlicher zum Schloss.
    Forsetzung folgt!

    Einmal editiert, zuletzt von Kaoru (9. Juli 2019 um 07:10)

  • Kommen wir nun zum Schloss, das am südöstlichen Rand der Altstadt liegt. Um 1810 präsentierte es sich nach einem Stich von Ludwig Lutke so:


    (gemeinfrei)

    Wir kehren ein zum Schloss und blicken auf die schlichte, aber sehr harmonische Nordfassade:

    Wir treten in einen großzügigen Ehrenhof...

    ..und bemerken, dass die Vollkomenheit trügt. Der Westflügel ist nie errichtet worden, er ist nur ein Stumpf. Man hat in neuerer Zeit den geplanten Grundriss des Schlosses durch Pflaster und Beton angedeutet:

    Die Rückseite liegt direkt am Hang, dort war früher die Stadtmauer, das Wasser davor ist der Mühlbach:

    Und wir entdecken ein merkwürdiges Relikt:


    Das Schloss ist nämlich ebenso im Grunde viel älter als es ausschaut. Ab 1224 wurde es als Frauenstift errichtet. Hiervon zeugen diese Reste, ab 1619 wurde es zur Residenz von Herzogin Sophie von Schleswig-Holstein umgebaut. Viktor de Port baute das Schloss für den Großen Kurfürsten nach einem Brand Ende des 17. Jhd. zu einem Barockschloss aus, später Erfolgte eine klassizistische Umgestaltung. Heute dient er Palast als Stadthaus, Stadtbibliothek und beherbergt ein kleines Schlossmuseum, welches jedoch gestern am Tag meines Besuches geschlossen war.

    Nur hier bin ich nach wie vor ratlos. Weiß jemand etwas zu diesen Stelen? Eine Inschrift konnte ich im Vorrübergehen nicht erblicken:

    Soviel Ratlosigkeit erschöpft, wir gehen hinunter zum Mühlbach, auf die Brücke. Es ist ein schlichter Blick und doch konnt ich bestimmt eine Viertel Stunde nur auf das Wasser schauen, so idyllisch und friedlich erschien es mir dort:

    Wir wagen noch einen Schritt über die Brücke und erhaschen einen kurzen Blick in die unspektakuläre Vorstadt.

    In den nächsten Beiträgen kommen wir -langsam aber sicher- endlich zur Marienkirche, worauf wohl die meisten gewartet haben dürften.

    Fortsetzung folgt!

  • Treptow ist eine jener mitteleuropäischen Kleinstädte, die einfach zu Herzen gehen. Mir gefallen besonders auch die Motive, die Kaoru als "unspektakulär" bezeichnet. Ich möchte an dieser Stelle einige Ergänzungen zum Schloss machen.

    Zunächst zu den geheimnisvollen Steinen oder Stelen im Garten: Dazu konnte ich nichts finden. Grabsteine sind es nicht. Dem Aussehen nach würde ich vermuten, dass es sich um Reste einer alten Gartenarchitektur handelt.

    Die oben gezeigte historische Ansicht ist kein Kupferstich, sondern ein klassisches Gemälde, Öl auf Leinwand. Der Berliner Landschafter Peter Ludwig Lütke malte das Bild 1809 im Auftrag des preußischen Königs. Es zeigt die Ansicht Treptows, wenn man von Kolberg her kommt. Das Gemälde war ein Geschenk für die Witwe des russischen Kaisers Paul, Maria Fjodorowna. Sie hatte ihre Kindheit in Treptow verbracht und war die Mutter des Kaisers Alexander sowie seines Bruders und Nachfolgers Nikolaus. Bis zur Oktoberrevolution befand sich das Bild in Petersburg. Dann verschwand es und tauchte nach 1930 im Berliner Kunsthandel wieder auf. Treptower Lokalpatrioten erwarben es. Das Bild kam ins Rathaus. 1945 nahmen es die Russen mit. Es soll dann wieder in Leningrad gewesen sein, wurde aber in den 50er Jahren an Polen zurückgegeben. Heute hängt das Gemälde im Rathaus, eine Kopie befindet sich im Schloss.

    Der im Boden markierte Flügel des Schlosses ist der Südflügel. Das zeigt ein Vergleich mit der Ausrichtung der Kirche und ein Blick auf die Landkarte. Auf der Internetseite des "Treptower Kulturzentrums" wird er zudem explizit so bezeichnet. Die Baugeschichte des Schlosses ist verwickelt. Seit dem 13. Jahrhundert war hier ein Prämonstratenserinnenstift. Nach der Säkularisierung wurden die Stiftsgebäude ab 1560 zum Renaissanceschloss umgebaut. Ab 1618 diente Treptow als Witwensitz der pommerschen Herzogin Sophie. Nach ihrem Tod fiel das Schloss an die Kurfürsten von Brandenburg. Friedrich III. ließ es Ende des 17. Jahrhunderts zur Dreiflügelanlage erweitern. 1813 war die große Zeit des Schlosses endgültig vorbei. Das Schloss gehörte nun dem Bürgermeister, der den Südflügel abtragen ließ, weil das Geld für den Unterhalt fehlte.

    Im 18. Jahrhundert residierten zeitweilig Angehörige des württembergischen Herzogshauses, die als Offiziere in preußischen Diensten standen, im Schloss. So kam es, dass der erste König von Württemberg im Schloss zu Treptow an der Rega geboren wurde. Die Polen erfreuen sich besonders daran, dass im späten 18. Jahrhundert eine Maria aus dem polnischen Magnatengeschlecht Czartoryski einige Jahre hier weilte. Dies soll die Glanzzeit des Schlosses gewesen sein. Das klassizistische Äußere stammt vermutlich aus jener Zeit. Die Ehe mit einem Württemberger war jedoch unglücklich und wurde bald geschieden.

    Zum Treptower Schloss kann man viele schöne Geschichten erzählen. Schöne Schlossräume sucht man jedoch vergebens. Von 1977 bis 1989 wurde das Schloss umfassend restauriert. Seither wird es als Kulturzentrum genutzt. Dazu gehören Konzerte und andere Veranstaltungen, die Stadtbibliothek, die Lyonel-Feininger-Galerie und das "Schlossmuseum". Die Feininger-Galerie hat aber keine Werke des Meisters, sondern zeigt Wechselausstellungen. Feininger verbrachte von 1924 bis 1935 jedes Jahr die Sommerferien in dem Fischerdorf Deep (heute Mrzeżyno) an der Regamündung. Und das "Schlossmuseum" ist seinem Charakter nach ein Heimatmuseum. Es beherbergt unter anderem eine Sammlung alter Puppen. Vielleicht sind das hier ja die wahren Bewohner der niedlichen Altstadthäuser:


    Schloss Treptow an der Rega, Puppensammlung (Foto: CLI, August 2008, CC-BY-SA-4.0)

    Hier gehen sie zur Schule:

    Puppensammlung des Treptower Kulturzentrums (Foto: CLI, August 2008, CC-BY-SA-4.0)

    Und "Mohren" gibt es hier auch (bzw. Puppen mit Migrationshintergrund):

    Puppensammlung (Foto: CLI, August 2008, CC-BY-SA-4.0)

    Ob es wohl polnische Puppen sind oder deutsche?

    Puppensammlung (Foto: CLI, August 2008, CC-BY-SA-4.0)

    Das Heimatmuseum widmet sich jedenfalls dem Erbe der Region aus der Zeit vor 1945 und dem, was die neuen Siedler danach mitgebracht und erlebt haben, gleichermaßen.

    Puppensammlung (Foto: CLI, August 2008, CC-BY-SA-4.0)

    Die Schachspieler, die so schön auf dem Teppich bleiben, wollten auch noch mit rein. Der schönste Raum des Heimatmuseums ist sicherlich ein bürgerlicher Salon aus der Zeit um 1900:

    Schloss Treptow, Heimatmuseum, bürgerlicher Salon (Foto: Kapitel, September 2012, CC-BY-SA-3.0)

    Die Einrichtung wurde von heutigen und ehemaligen Treptowern zur Verfügung gestellt.

    Heimatmuseum, bürgerlicher Salon (Foto: Kapitel, September 2012, CC-BY-SA-3.0)

    An der Wand rechts eine Stadtansicht Treptows aus Richtung Kolberg, ähnlich dem berühmten Gemälde von Peter Ludwig Lütke, aber zweifellos jüngeren Datums. An der Wand links eine Sammlung alter Postkarten.

    Heimatmuseum, bürgerlicher Salon, zweiter Raum (Foto: Kapitel, September 2012, CC-BY-SA-3.0)

    Von der großen Zeit als Adelssitz vor 1813 ist im Innern nichts geblieben, aber das war vermutlich lange vor 1945 ganz oder zum überwiegenden Teil verloren.

    Einmal editiert, zuletzt von Rastrelli (14. Juli 2019 um 22:13)

  • @Rastrelli
    Vielen lieben Dank für deine Ergänzungen, Korrekturen und die Bilder zum Schloss! Sie bereichern und vertiefen stets sehr.

    Die oben gezeigte historische Ansicht ist kein Kupferstich, sondern ein klassisches Gemälde, Öl auf Leinwand.

    Aber natürlich, man sollte Wikipedia Bildunterschriften nicht einfach ohne Nachzudenken übernehmen. Doch bin ich der Bildunterschrift eher davon ausgegangen, das Ölgemälde sei nach einem Stich gemalt worden.

    Der im Boden markierte Flügel des Schlosses ist der Südflügel. Das zeigt ein Vergleich mit der Ausrichtung der Kirche und ein Blick auf die Landkarte

    Das Schloss ist zu den Himmelsrichtungen um viele Grad gedreht, daher etwas uneindeutig, die Ausrichtung ist Südsüdwest. Doch Südflügel passt natürlich besser als Westflügel, die historische Bezeichnung widerlegt meine "gefühlte Himmelsrichtung" die ich gerade erst mit der Karte abgeglichen habe natürlich eindeutig und gibt dir Recht, Die von mir so bezeichnete Ostseite ist auch in Wahrheit eine Südostseite.

  • Wir bewegen uns nach Norden gen Marienkirche. Ihr schon wuchtiger Chor wird vom mächtigen Dach des Kirchenschiffs nochmals übertrumpft.

    Leider habe ich erst später gesehen, dass ich eine der schönsten Perspektiven auf die Kirche versäumt habe, zu photographieren. Von Osten präsentiert sie sich nämlich so:

    https://www.globetrotter-fotos.de/images/igaller…1000-677-80.jpg

    Nun, ich habe dafür noch eine Ansicht von Westen auf den von Stühler vollendeten 90 Meter hohen Turm. Die Ähnlichkeit zB. mit der Marienkirche Neubrandenburg sind unverkennbar.

    Und blicken noch einmal ehrfürchtig, als kleine Menschlein, auf diesen uns überragenden, steingewordenen, materialisierten Glauben (Man kann ja mal die theologisch Kühne These vom Stellvertreterprinzip ausdiskutieren. Christus als leibhaftige Manifestation des Herrn, eine Vermenschlichung des Schöpfers und ähnlich schafft der nicht erschöpfte, schöpferische Mensch eine steinererne Manifestation von Göttlichkeit. Kein Mammon, keine Götze, sondern Ausdruck tiefster Spiritualität, besellt vom göttlichen Funken des Heiligen Geistes ist diese Kirche, doch was spricht die Blinde gerade von Farben...)

    Bis Stühler präsentierte sich der Turm der Marienkirche übriens so:

    http://architektura.pomorze.pl/clients/_archi…q99-101_854.jpg

    Ehe wir uns in das wunderbare Innere der Kirche begeben, wollen wir uns mit ihrem nächsten Umfeld begeben. Lassen wir uns zuvor noch von diesem imposanten klassizistischen Haus am Platz blenden...

    ..und wir freuen uns auch noch über die Westseite mit einem hübschen Backsteinbau aus den 1920ern:


    ...und auch noch die Südwestecke ist recht ansehnlich:

    Doch Erleben wir schon seitlich des klassizistischen Hauses östlich der Kirche eine große Enttäuschung...

    ...um dann Vollends erschüttert zu sein über die klaffende Brache entlang der ganzen Südseite des Kirchhofs:


    In Wirklichkeit dürfte die Wahrnehmung (nach der Kirche) genau umgekehrt sein. Erst erschrickt man vor den furchtbaren Brachen und dann entdeckt man, was noch da ist.

    Fortsetzung folgt!

  • Kehren wir nun endlich ein in die Marienkirche, (eine dreischiffige Hallenkirche, 1300-1370 errichtet) und lassen uns ergreifen vom Innern; massiger, schwerer als die gotischen Kirchen in Lübeck, Schwerin oder Danzig, was auch durch die gediegene Farbgebung der vollständig erhaltenen, neogotischen Ausstattung und die ungeschlämmten Ziegel unterstützt werden dürfte. Die (Re)gotisierung mag viel zerstört haben, manches an ihr ist zu seriell, zu glatt, zu plump oder auch zu perfekt, doch ist es immer noch eine Wohltat, in einem solch harmonischen, ausgestalteten Raum zu weilen und wandeln. Mir scheint, der Bildersturm des II. Vatikanischen Konzils ist an den Kirchen Polens glimpflicher vorübergezogen als bei uns, man findet überall im Land viele große und kleine Kirchen mit weitestgehend unbeschadeter historistischer Ausstattung.

    (Für die durch die Stativlosigkeit bedingte Unschärfe bitte ich um Entschuldigung)

    Die zweimanualige Orgel ist vom Orgelbauer Johann Friedrich Schule im Jahre 1842 gebaut worden, mit 32 Registern eine mittelgroße Orgel, jedoch ist ihr Zustand schlecht und nur wenige Register sind spielbar.

    Zur Disposition:
    https://musicamsacram.pl/instrumenty/op…cierzynstwa-NMP

    Die doppelstöckige Empore auf der die Orgel ruht ist wirklich beeindruckend:


    ...und sie wird einstöckig in beiden Seitenschiffen fortgeführt:

    Aufgang zur Empore, auf der anderen Seite genauso gespiegelt:

    Die Kanzel, unter deren Schalldeckel der Heilige Geist als Taube dargestellt ist:

    Die Rückseite der Orgel (wir nennen es mal frei den Kontraprospekt, keine Ahnung wie es wirklich heißt), der Leuchter ist wie die übrigen Hauptleuchte für den großen Innenraum im Mittelschiff etwas unterdimensioniert:

    Der Chor:

    Weitere Bilder zur Ausstattung folgen morgen!

    Einmal editiert, zuletzt von Kaoru (12. Juli 2019 um 00:31)

  • Noch eine kleine, eher zufällige Auswahl an Ausstatungsstücken der Marienkirche.

    Zuerst eine kleine Skulptur Otto von Bambergs, unter dem als Apostel der Pommern ab 1124-28 Pommern christianisiert wurde und ohne den die Marienkirche nicht stünde.
    Ich lichtete diese Skulputur ab, da mir Hände und Gesicht im Vorübergehen mittelalterlich schienen, etwas grobschlächtig vielleicht, doch alt sah es aus. Nun, ich lag falsch, spätenstens an den Füßen und dem Sockel, der etwas von neuschlesischer Rübezahlschnitzerei hat, sehen wir, dass es sich wohl um eine Nachkriegsschöpfung handelt:

    Zumindest aus dem 19. Jahrhundert stammt die Skulptur Antonius von Padua:

    Der polnische Ursprung vieler Kirchenfenster ist unschwer zu erkennen (ca. zwei Drittel der Glasmalereien sind jedoch noch neogotisch):

    Dieses hier gefällt mir besonders. Unten eine Ansicht Trzebiatóws mit Marienkirche und ihrer Gemeinde. Darüber die Mutter Gottes und im Bogen die Trinität aus Heiligem Vater, Jesus Christus und dem Heiligen Geist:

    Der Chorbogen enthält eine Kette aus Heiligenbildern, offensichtlich wurden viele davon polonisert:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Chmielowski

    https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Ursula_Led%C3%B3chowska

    An vorhistoristischer Ausstattung ist leider nur noch sehr wenig erhalten, bespielsweise sind mir diese beiden barocken bzw. rokokonen Epitaphien aufgefallen:

    Der rokoko-Rahmen rahmt ein wesentlich älteres Bild aus der Renaissance:

    Die lateinische Inschrift ist auf meinen Photos leider kaum zu lesen.

    herzlichen Dank für diese wunderschönen Bilder und den einfühlsamen Text.

    Habe vielen Dank für Dein Lob, doch noch ist die Treptow-Galerie nicht am Ende! Wohl wahr, schönere Bilder kommen kaum, doch in den folgenden Beiträgen wollen wir uns noch die Stadt westlich des Marktplatzes anschauen, bisher konsequentes Terra Incognito dieser Galerie.

  • Treten wir nun heraus und begeben uns gen Westen.

    Noch sind wir östlich des Rings:

    Schon westlich:

    Noch lohnt sich auch ein Blick in die Hinterhöfe, wir erblicken wieder mittelalterliche Substanz hinter der Barockfassade

    Doch Der Westen ist im Wesentlichen geprägt von angepasster Wiederaufbauarchitektur. An Plattenbauten angeklebte Fachwerkgroteske:

    Südlich davon wieder sind wir schon wieder an der Stadtmauer, wo sich ein gutes Stück erhalten hat:

    Wieder an der "Straße der polnischen Armee" sehen wir einen schönen, großstädtisch wirkenden Jugendstilbau (auf dem Weg dorthin gibt es zwei oder drei ehemalige Kaufhausbauten, die auch in einer Stadt mit hunderttatusenden Einwohnern noch repräsentativ wirken könnten, leider habe ich sie nicht photographiert.)

    Fortsetzung folgt!

  • Schauen wir von dort noch einmal nach Nordosten und erblicken den zweitwichtigsten Sakralbau Treptows, die Heilig-Geist-Kapelle. Hier wurde unter Wirken Johannes Bugenhagens 1534 die Reformation Pommerns beschlossen:

    Leider war die Kapelle verschlossen. Sie ist auch nicht im besten baulichen Zustand:

    Das tolle Giebelfeld:

    Und von der Seite:

    Fortsetzung folgt!

  • Schließen wir unsere kleine Treptow-Galerie mit einem kurzen Gang vor die Tore der Stadt nach Westen hinaus. Auf Höhe der Stadtmauer läuft man an diesem klassizistischen Saalbau vorbei. Man hofft, es findet sich bald eine Nutzung.

    Ich überlegte kurz, ob es sich um eine (ehemalige) Synagoge handeln könnte, doch diese fand sich rechts der Rega Brücke in meinem Eingangsbeitrag. Hier mit einem Pfeil markiert.

    http://www.j%c3%bcdische-gemeinden.de/images/treptow.png

    Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Treptows:
    http://www.j%c3%bcdische-gemeinden.de/index.php/geme…a-hinterpommern


    Treten wir nun endgültig aus der Altstadt, überqueren den dort trockenen Graben der Stadtbefestigung und folgen der neben der Marienkirche einzig markanten Höhendominante der Stadtsilhouette, der evangelischen St. Johanniskirche. Leider war auch diese verschlossen.


    In der Nähe ist eine neue Feuerwache, bei der die Feuerwehr einen alten Spritzwagen ausstellt.

    Schräg gegenüber grüßt noch eine kleine Kapelle die Besucher der Stadt.
    Uns verabschiedet sie uns. St. Gertrud ist die Kapelle der ukrainisch-griechisch-katholischen Gemeinde Treptows.

    Damit sei unsere Treptow-Galerie von meiner Seite aus beendet. Ich hoffe, sie war euch nicht zu langatmig und auch ihr hattet Gefallen an ihr. Ergänzugen, Kritik und Korrekturen sind wie immer herzlich willkommen.

    (PS: Eine weitere, allerdings kleinere Galerie zu Cammin in Pommern wird bald folgen ;) )

  • Interessante Galerie, vielen Dank dafür!
    Ich muss aber sagen, dass ich ein wenig erstaunt bin, Treptow deckt sich nicht mit dem Bild von Polen, was ich bisher im Kopf hatte. Anstatt liebevoll rekonstruierte und sanierte Bauten sehe ich eine triste, graue Stadt. Gut, ein wenig mag es vielleicht auch dem wolkenverhangenen Himmel geschuldet sein, aber es wirkt alles so leblos, menschenleere Straßen, kaum Geschäfte, scheinbar keine richtige Fußgängerzone im Ortskern, fast alle Bauten sanierungsbedürftig und überall diese willkürlichen Brachen.
    Die Stadt wirkt entweder wie vergessen oder die Bewohner haben nur wenig Geld.
    Auf der anderen Seite liegt die Stadt aber doch keine 10 Kilometer von der Küste entfernt, das bietet sich doch für Badegäste ideal an für einen Tagesausflug ins Landesinnere in eine pittoresk in einer Flußlandschaft liegenden Kleinstadt?
    Auf mich wirkt es, als wäre die Stadt ein Opfer der Geschichte, erst die Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung, dann 45 Jahre Sozialismus und heute ergeht es der Stadt vielleicht wie vielen kleineren Orten im heutigen Ostdeutschland, es gibt kaum Arbeit, die Jugend wandert ab und somit ist auch kein Geld da und keine Kraft, den Ort aufzuhübschen und nach vorne zu bringen.