• Frage an die Hamburger im Forum: wurde eigentlich schon irgendwo Kritik an der baulichen Entwicklung in der Hafencity geäußert, beispielsweise in der Lokalpresse? Können die Investoren einfach bauen, was sie wollen, oder gibt es so etwas wie ein Gestaltungsgremium?

    Nein, am Architekturstil eigentlich nicht.

    Wie auf den Bildern zu erkennen ist, wird die HafenCcty ja durchaus angenommen. Es sind viele Fußgänger unterwegs, und das auch dann, wenn das Wetter nicht so perfekt ist. Speziell die Gegend um Grasbrookpark mit dem großen Spielplatz ist ganzjährig sehr belebt und so etwas wie das "heimliche Zentrum" der Hafencity.

    Kritik gibt es eher an der bislang unzureichenden Versorgung mit Schulen. Zwei weitere Schulen sind derzeit im Baus, aber eben noch nicht fertig und fehlen akut angesichts des Zuzugs vieler Familien mit Kindern.

    Persönlich finde ich die Hafencity insgesamt eigentlich recht gelungen - trotz der Architektur. Das Quartier "funktioniert", es ein lebendiger Stadtteil geworden und imnmer noch im Entstehen.

  • Oft wird ja behauptet, das traditionelle Bauen sei auf dem Vormarsch. Mein Eindruck ist, dass das gegenwärtige Bauen eher noch mehr in Richtung einer ortlosen Standardmoderne geht.

    Ich würde schon sagen, dass sich das traditionelle Bauen zumindest immer weiter ausbreitet, wenn man bedenkt, dass sowas vor 30 Jahren ziemlich unerhört war. Da bekamen wir allerhöchstens Postmoderne vorgesetzt. Heutzutage gibt es aber immer mal wieder hier und da ein schönes, neotraditionelles Projekt. Allerdings bewegt sich das Ganze noch immer nur in einer sehr kleinen Nische verglichen zum Mainstream der Moderne. An dieser Unterteilung in Nische und Mainstream wird sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern.

    Was die Moderne angeht, sie hat sich schon auch weiterentwickelt, wirkt oft wertiger, interessanter, verspielter, weißt mehr Bezüge zur alten europäischen Stadt auf. Letzteres fällt mir häufig positiv bei heutigen Erdgeschossgestaltungen auf. Das wirkt wieder viel offener und einladender und oft werden großzügige Arkaden oder Ladeneinbauten, wie wir sie aus dem späten 19./frühen 20. Jahrhundert kennen, vereinfacht wiederaufgegriffen oder angedeutet.
    Wenn ich mir die Moderne der 60-90er angucke, dann gruselt es mir oft sehr viel mehr, als vor was heute gebaut wird (Ausnahmen gibt es natürlich immer!). Das ist dann meist absolut unpassend im städtebaulichen Kontext, augenkrebsgefährdend und billig versus städtebaulich verträglicher, eher langweilig aber nicht unbedingt potthässlich und meist recht wertig.
    Aber ich wiederhole, negative Ausnamen gibt es natürlich immer. Z.B was Frau Lüscher uns da erst neulich an der Leipziger Straße in Berlin vorgesetzt hat (Haus der Archäologie), ist z.B. aller düsterste, hässlichste, billigste Moderne.

  • Persönlich finde ich die Hafencity insgesamt eigentlich recht gelungen - trotz der Architektur. Das Quartier "funktioniert", es ein lebendiger Stadtteil geworden und imnmer noch im Entstehen.

    Es waren auf jeden Fall viele Spaziergänger unterwegs, vor allem im Bereich der Elbphilharmonie und rund um das Maritime Museum - anscheinend nicht nur Auswärtige, sondern auch Hamburger.

    Ich finde, es fing gut an mit der Hafencity. Mit den vielfältigen Backsteinfassaden machten die meisten Neubauten einen wertigen Eindruck, hinzu kam die spektakuläre Elbphilharmonie. Auch die Lage direkt neben der Speicherstadt verlieh dem Ort ein gewisses Flair. An vielen Stellen waren tolle Maurerleistungen zu sehen, so wie hier:

    Auch diesen kleinen Turm finde ich originell:

    Nach meinem Eindruck hat die Qualität der Entwürfe zuletzt deutlich nachgelassen. Wieso hat man sich weitgehend von Backstein als Fassadenmaterial verabschiedet? Backstein ist das perfekte regionale, traditionelle Material in Hamburg, wo es weit und breit keinen Naturstein gibt außer Gletschergeröll. Backstein ist schön, altert sehr gut, kann Jahrtausende überdauern. Ich verstehe es nicht.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Nach meinem Eindruck hat die Qualität der Entwürfe zuletzt deutlich nachgelassen. Wieso hat man sich weitgehend von Backstein als Fassadenmaterial verabschiedet? Backstein ist das perfekte regionale, traditionelle Material in Hamburg, wo es weit und breit keinen Naturstein gibt außer Gletschergeröll. Backstein ist schön, altert sehr gut, kann Jahrtausende überdauern. Ich verstehe es nicht.

    Meine These dazu lautet, dass die Gestaltung in diesen Bereichen noch vermittelnd daherkommen sollte zu den eingestreuten Altbauten. Ab dem letzten Ende von jeglicher Altbebauung wurde begonnen völlig wahllos in Material und Gestaltungsambition zu werden.

  • Ich glaube, für ein abschließendes Urteil ist es auch noch zu früh. Die beiden künftigen urbanen Zentren der Hafencity sind ja noch voll in der Bauphase, und es fehlen noch viele der Gebäude, die den Stadtteil prägen werden.

  • Was muss man da bitte abwarten? Fast alle Quartiere sind doch gestalterisch im Wettbewerb schon entschieden. Jetzt wird wegen Baukosten und Zins noch an der Umsetzung gespart und das war’s. Städtebaulich ist gerade das fehlende Abschlussstück unterste Schublade. Alles 40-60m Renditeklöpse mit willenlosen Podiumsbauten, mit Rasterfassade und ohne Dachabschluss. Kann man alles ergoogeln.

  • Davon mal abgesehen, dass die Aussage "alles 40-60m Renditeklöpse mit willenlosen Podiumsbauten, mit Rasterfassade" schlicht unzutreffend ist, wüsste ich nicht, wie ich zum jetzigen Zeitpunkt einschätzen sollte, wie ein Quartier wie z.B. dieses hier (Homepage Jan Sieg) künftig angenommen und im Alltagsleben wirken wird.

    Der höchste "Klops" wird immerhin 245m erreichen. Im Elbbrücken-Quartier entstehen auch einige weitere Bauten, die einen Blick wert sind. Weniger überzeugend finde ich ingesamt die Bebauung südlich des Baakenhafens.

  • Strelizius hat aber schon grundsätzlich recht, dass Vieles in den neueren Teilen der Hafencity NOCH modernistischer und austauschbarer wirkt als die jetzt schon 10, 15 Jahre alten Sachen - und dass dies fast schon als Leistung angesehen werden muss, denn eigentlich geht die Entwicklung in vielen dieser Konversionsareale eher in die andere Richtung, die neueren Sachen wirken durchdachter und zumindest etwas klassischer/angepasster.

    Ich will jetzt auch gar nicht so total urteilen. Das Gelände hat sicher seine Reize. Wir waren vor anderthalb Jahren mal von der Elphi langsam nach Osten gegangen und auf einem großen Spielplatz gelandet, der sehr belebt wirkte. Die Szenerie erinnerte mich irgendwie an Barcelona und die dort im Zuge der Olympischen Spiele 1992 und später im Zuge einer Art Weltausstellung, "Forum 2004" erbauten Erweiterungsgebiete östlich der Innenstadt. Aber diese kühle Modernität verträgt sich ganz gut mit der Mittelmeersonne, und wenn man dann an einem grauen Augusttag in Hamburg da zwischen diesen hohen Gebäuden steht und es selbst eine theoretische Sonne nicht mehr auf den Platz schaffen würde nachmittags um 4, dann fühlt es sich irgendwie falsch an.

    Viel zu wenig wird bei moderner Architektur der im Norden viel niedrigere Sonnenstand berücksichtigt. In den typischen, warmheißen Wolkenkratzermetropolen ist die Sonne über Monate oder fast ganzjährig der Feind und gebauter Schatten ein Segen. Auf dem 53. Breitengrad wird das auch in Zukunft nur wenige Wochen im Jahr betreffen.

    Ich bin mal gespannt, wie das fertiggestellt wirken wird. Ich bin da wirklich offen, und würde mich freuen, wenn dann doch so eine Art Ensemblegefühl aufkommen würde.

  • Aktueller Beitrag von NDR Hamburg über die derzeit entstehenden Neubaugebiete in der Hafencity:

    Endspurt in der Hafencity: Wie weit ist das Überseequartier?
    Investoren und Stadtplaner freuen sich auf einen "pulsierenden Zukunftsort". Im Frühjahr 2024 soll alles fertig sein.
    www.ndr.de

    Ein Problem sehe ich darin, dass nicht genug auf die Gestaltungsqualität der Neubauten geachtet wurde. Gesichtslose modernistische Architektur wirkt nun einmal nicht anziehend auf Menschen, egal wie attraktiv die Bespielung ist. Daran dürfte sich auch in Zukunft nichts ändern. Wissenschaftliche Daten untermauern diesen Sachverhalt.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Die HafenCity ist überwiegend ein grauenvolles Kuddelmuddel hinterklassiger modernistischer Architektur.
    Mit wenigen halbwegs akzeptablen Ausreißern und einer ganz netten Gestaltung der Aufenthaltsbereiche.

    Auch ich finde die früheren Bauten noch deutlich besser, aber auch höchstens unteres Mittelmaß, gemessen an dem, was wir selbst in den postmodernen 90ern noch an Bauleistungen hervorbrachten in Norddeutschland.

    Ich verstehe auch nicht, warum anscheinend die "Kleinteiligkeit" der anfänglichen Bauabschnitte nicht beibehalten wurde.

    Ich meine, irgendwo mal gelesen zu haben (wohl im SSC-Forum), dass man ab der Überseestadt sich besonders "weltstädtisch" und "global" präsentieren wollte. Dass das durch banale Architektur ohne Ortsbezug eher ins Gegenteil verkehrt, müssten wir den Verantwortlichen mal deutlich machen.

  • Die Hafencity (- ich hasse diesen Namen!) ist ein durch und durch modern geprägter Stadtteil, ja, und hat es deshalb in diesem Forum naturgemäß nicht einfach.

    Trotzdem sollte man so fair sein, anzuerkennen, dass sie einen wesentlichen Mangel zeitgenössischen Städtebaus - die sich in modernen Quartieren oft ergebende unwirtliche Ödnis und Leere - eben nicht aufweist. Sie ist ein lebendiger Stadtteil und in der Hamburger Bevölkerung wirklich beliebt.

    Ich könnte mir vorstellen, dass ähnliches künftig auch für das Überseequartier ergeben wird. Aber das ist Spekulation. Warten wir doch einfach mal ab, bis es fertig ist.

    Was sich jetzt schon sagen läßt ist, dass das südliche Überseequartier eine für moderne Stadtplanungen atypische Dichte aufweisen wird - die Straßen werden im Verhältnis zur Gebäudehöhe zum Teil erstaunlich schmal ausfallen. Die optische Wirkung wird schon aus diesem Grund anders sein, als wir es sonst aus Neubauquartieren in Deutschland gewohnt sind.

    Last but not least: Die Architektur wird modern sein, aber deshalb nicht unbedingt banal im üblichen Sinne (s. z.B. die auf den Foto oben bereits erkennbaren Rundbögen).

  • Aus meiner Sicht liegt die teilweise(!) Belebtheit der HafenCity vor allem an zwei Faktoren: der Lage am Wasser und die an mehreren Stellen wirklich gelungene Freiraumgestaltung. Bonusfaktoren sind die Aussichtsplattformen der Elbphilharmonie, die benachbarte Attraktion Speicherstadt und die simple Nähe zur eh belebten Innenstadt. Mit diesen Randbedingungen muss man als Planer schon extrem viel falsch machen, um ein leeres, ödes und totes Stadtquartier hinzustellen. Dass es schlechter geht als die HafenCity, keine Frage. Es geht aber auch viel besser. Viel, viel besser.

    So wurde ein Uferbereich z.B. in den 1980ern von Quinlan Terry gestaltet: Richmond Riverside bei London.
    Die neo-georgianischen Gebäude wurden alle in den 80ern neu errichtet.

    Womit ich nicht sagen will, dass nur klassische Architektur so viel Atmosphäre erzeugen kann - doch es ist deutlich wahrscheinlicher. <3

    1280px-Richmond_Riverside%2C_London_-_Sept_2008.jpg
    Diliff, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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    Busy day at Richmond by Robin Webster, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

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    Sergei Gussev, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons


    Thames_Path_in_the_early_evening.jpg

    Quelle

    Weitere Bilder


    Das ist ein wirklich lebensfroher Ort, der auch noch in 100 oder 300 Jahren sehr wahrscheinlich gut aussehen und Menschenströme anziehen wird.

    Doch wie wird die HafenCity altern? Teilweise sehen die modischen Neubauten dort jetzt schon überkommen aus...

  • erbse - Ich habe nicht behauptet, dass ich die Architektur der Hafencity für besser als neoklassische Neuschöpfungen oder gar Rekos halte. Sondern lediglich ausgesagt, dass sie ein wesentliches negatives Merkmal vieler moderner Quartiere - die ausgeprägte Ödnis und Leblosigkeit - nicht aufweist. Und daran habe ich keine Abstriche zu machen.

    Was den gemutmaßten nachteiligen Alterungsprozess angeht, bin ich recht entspannt. Besonders anfällig für unschönes Altern sind Putzfassaden mit Außendämmung - etwas, was es in der Hafencity kaum gibt.

  • Versteh ich. Und ich finde, dass diese modischen Hafenviertel allerorten "zu gut" wegkommen. Sie sind am Ende auch nur Lippenstift auf einem Schwein, oder Perlen vor die Säue. Auf jeden Fall irgendwas mit Schweinen. 🐖🐷

    Man gibt sich etwas mehr Mühe mit Fassaden und Freiflächen und hat eben das Wasser als Anziehungsort. Die Revitalisierung ehemaliger Hafenflächen ist zu begrüßen. Aber wirklich Dolles ist das alles nicht. Es bleibt leider alles ziemlicher Durchschnitt, teilweise auch einfach nur Schrottarchitektur. Ich will mich jedenfalls mit sowas nicht zufrieden geben.

  • Ein neues Video der Deutschen Welle (Laila Abdalla) zur Elbphilharmonie, für das internationale Publikum:

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    What's so Special About the Elbphilharmonie Concert Hall in Hamburg?