ZitatDie nachfolgende Schilderung der Abrissproblematik in der Vegesacker Weserstraße habe ich schon mal in diesem Strang dargestellt, unter # 10. Inzwischen hat sich die Sache "weiterentwickelt".
Die Schröder Villa in der Weserstraße soll einen denkmalgeschützten Flügel mit Zustimmung des Landeskonservators zugunsten eines dieser Investorenschachteln verlieren. In der Bevölkerung gibt es einen zunehmenden Unmut darüber, eine Bürgerinitiative ist entstanden und inzwischen gibt es sogar eine Petition gegen den Abriss des rechten Flügels. Diese Petition können alle - in ganz Deutschland also - mitzeichnen. Die Adresse wird vertraulich behandelt, dafür steht die Bremische Bürgerschaft. Wenn Ihr bei Google "Petition Bremische Bürgerschaft " eingebt, kommt Ihr direkt zur Petition in der Mitzeichnungsfrist bis zum 17.8.21: S 20/212, - Erhalt des Denkmals Villa Schröder. Ich möchte Euch hiermit um Mitzeichnung bitten.
Die Villa ist 1996 vom Landesdenkmalamt Bremen unter Schutz gestellt worden (Text siehe ganz unten), dasselbe Landesdenkmalamt hebt nun diesen Schutz für einen Teilbereich zum Vorteil eines Investors wieder auf. Warum das Landesdenkmalamt 1996 ein Gebäude in seiner Gesamtheit als schutzwürdig ansieht, es aber selbst im Jahre 2021 zum Teil wieder aufhebt, erschließt sich für mich nicht. Ist Schutz nicht Schutz.
Kennt Ihr ähnliche Fälle und vor allem: Was kann man da noch machen. Vorschläge werden gerne angenommen.
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ZitatHier die Begründung der Bürgerinitiative:Alles anzeigen
In der Weserstraße in Bremen-Vegesack stehen über ein Dutzend Häuser und Villen unter Denkmalschutz, an verschiedenen Orten Vegesacks bewirbt Bremen dies Viertel als „Quartier Kapitäns- und Reederhäuser“ für den Tourismus.
Spaziert man durch diese Straße, so ist es, als wenn man durch ein bremisches Open-Air- Museum für Baukunst und Architektur geht. Auf Informationstafeln vor den Denkmälern werden ihre Geschichten erzählt.
Eines dieser Denkmäler ist die seit 1996 vollständig unter Denkmalschutz stehende Villa Schröder, Weserstraße 78a/79. Diese Villa wurde 1887 von der Oldenburger Architektengemeinschaft Klingenberg & Weber errichtet, die auch das unter Denkmalschutz stehende Gerichtsgebäude an der Domsheide erbaute.
Zwei bekannte Bauinvestoren (Olaf Mosel, Peter Sakuth) haben die Villa Schröder vor kurzem erworben. Dem seit 1996 unter Denkmalschutz stehenden Westflügel dieser Villa, 1887 errichtet und 1911 im gleichen Stil aufgestockt, soll dieser Denkmalschutz nun auf einmal entzogen werden.
Unter Zustimmung des leitenden Denkmalschützers (!) soll dieser historische Gebäudeflügel abgerissen und durch einen erheblich größeren, dort fremdartig wirkenden Neubaukörper ersetzt werden, der das Gesamtdenkmal Villa Schröder und das umgebende baukulturhistorische Ortsbild sprachbildlich und sprachwörtlich zerstört, siehe die folgenden Bilder:
Der leitende Denkmalschützer selbst hatte davor gewarnt, es dürfe hier kein Präzedenzfall dieser Art geschaffen werden, nun ist er dabei genau einen solchen herbeizuführen (siehe Anhang, WK-Stadtteilbeilage für Bremen-Nord un Umgebung "Die Norddeutsche" vom 22.9.2011).
Wir haben in einem Team von engagierten Bürgern uns mit einer Petition an die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft gewandt, mit der Bitte sich dafür einzusetzen, dass dieses Vorhaben nicht umgesetzt wird.
Es ist offensichtlich, dass öffentliche Interessen am Erhalt des Denkmals Villa Schröder und der besonderen architekturgeschichtlichen Umgebung überwiegen.
Doch die Zivilgesellschaft wurde gezielt vom Verfahren ausgeschlossen und bekam auf diese Weise gar keine Gelegenheit diese Interessen einzubringen, hinter den verschlossenen Türen eines „Gestaltungsgremiums“ wurden Abriss und Neubau befürwortet.
Es wird hier erschreckend gut deutlich, dass die Bürger einer Stadt es schwer haben, ihr baukulturelles Erbe als Teil ihrer Identität zu bewahren, wenn der leitende Denkmalschützer und Politiker in undifferenzierter Weise dem Kommerz den uneingeschränkten Vorrang vor dieser kulturellen Identität geben.
Flapsig gesagt:
Was Bremen mit baukulturellen Schutzstatuten (Denkmalschutz, Erhaltungssatzung, Umgebungsschutz, genaue Vorgaben im Bebauungsplan) und der touristischen Bewerbung des Quartiers Kapitäns- und Reederhäuser als imagestärkendes und identitätsstiftendes Wahrzeichen zuvor kontinuierlich aufgebaut hat, würde es mit dem Mors schlagartig wieder einreißen.
Das Vorhaben wirft Fragen auf, es bestehen Ungereimtheiten und Widersprüche, die unser Team in den letzten Monaten zusammengestellt hat.
Nachfolgend ein Artikel aus "Die NORDDEUTSCHE".
Beachtenswert ist, wie zurückhaltend der Neubau auf dem Foto aussieht. Es handelt sich hier wohl um die üblichen Tricksereien der Architekturbüros.
Villenviertel WeserstraßeVilla Schröder soll durch Neubau nebenan barrierefrei werden
Aljoscha-Marcello Dohme 20.01.2021 Die Villa Schröder steht seit vielen Jahren leer und soll durch eine Neugestaltung wieder belebt werden. Geplant ist unter anderem, den Anbau durch einen Neubau zu ersetzten.
Neben der Villa Schröder ist ein Neubau geplant, der als eigenständiges Gebäude und nicht als Anbau zur Geltung kommen soll, sagt Architekt Philipp Romeiser. (Visualisierung: Büro bloomimages) Vegesack. Die Villa Schröder in der Weserstraße steht seit vielen Jahren leer. Der Projektentwickler M-Projekt will das ändern und in der Neorenaissance-Villa mehrere Wohneinheiten errichten. Außerdem soll ein Neubau an das historische Gebäude angeschlossen werden. Die Pläne wurden am Montagabend dem Vegesacker Beirat vorgestellt.
Nach den Worten von Philipp Romeiser, Geschäftsführer von M-Projekt, ist der Entwurf in einem Gestaltungsgremium abgestimmt worden. „Wir befinden uns jetzt in der letzten Finalisierung des eigentlichen Entwurfes, sodass wir in diesem Frühjahr noch den Bauantrag stellen und in diesem Jahr zu einem Baubeginn kommen wollen“, informierte er den Beirat. Nach dem jetzigen Planungsstand sei davon auszugehen, dass die Arbeiten in der ersten Jahreshälfte 2023 abgeschlossen werden könnten.
Bereits in der Vergangenheit habe es Überlegungen gegeben, wie das Gebäude wieder genutzt werden könne. Dabei sei es darum gegangen, aus den gut 250 Quadratmeter großen Wohnflächen je Ebene mehrere kleinere Wohnungen zu machen. „Das würde immer mit sich bringen, dass man in die vorhandene Substanz eine Treppe einbringen müsste, gegebenenfalls auch einem Aufzug“, so Romeiser. Ein weiteres Problem sei, dass das Haus nicht barrierefrei sei, da es anstatt eines Erdgeschosses ein Hochparterre gebe.
M-Projekt will die Villa nun auf einem anderen Weg barrierefrei machen. „Wir würden gerne den vorhandenen Anbau abbrechen und durch einen Neubau ersetzen, in dem sich weitere Wohnungen befinden“, erläuterte Rohmeiser. Über den Neubau solle auch die Erschließung der oberen Wohnungen im Altbau erfolgen. Damit sei auch der barrierefreie Zugang zur Villa sichergestellt.
Im Rahmen des Gestaltungsgremiums seien verschiedene Positionen des Neubaus diskutiert worden. „Wir haben uns nun darauf verständigt, dass der Neubau ungefähr anderthalb Meter gegenüber der vorderen Kante des bestehenden Altbaus zurücktritt“, berichtete der Architekt. Zudem seien beide Gebäude durch eine gläserne Fuge getrennt, sodass die unterschiedlichen Entstehungszeiten der Häuser eindeutig erkennbar seien. Geplant sei zudem eine Tiefgarage. „Die würde sich hinter dem Gebäude unterhalb des vorhandenen Gartenrasenniveaus befinden“, erklärte er. Diese Bauweise würde bedeuten, dass die Garage nicht sichtbar sei. Für sieben Wohnungen plane man 15 Stellplätze, so Rohmeiser weiter.
Den vorgestellten Planungen würde das Landesamt für Denkmalpflege zustimmen. „Wir haben die Pläne intensiv miteinander diskutiert und nicht allem zugestimmt, was ursprünglich mal vonseiten der Investoren vorgesehen war“, sagte Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki. „Am Ende haben wir einen Kompromiss gesucht und auch gefunden.“ Das Problem der Denkmalpflege sei, dass für solche großen Anwesen heutzutage keine angemessene Nutzung mehr zu finden sei. „Deswegen sind wir auch darauf angewiesen, dass man neue Wege findet für diese Immobilien“, erläuterte Skalecki. Leerstand sei für ein Haus keine Option, es müsse genutzt werden, so der Landesdenkmalpfleger.
Hier nun die
Begründung zur Unterschutzstellung 1996 (digitalisiertes Typoskript) -Landesamt für Denkmalpflege Bremen
Villa Schröder, Weserstraße 79 und 78 A in Bremen-Vegesack
Begründung:Der vermögende Vegesacker Unternehmer Johann Friedrich Schröder (Teilhaber der Vegesacker Firma Schröder & Co.) ließ sich 1887 von der renommierten Oldenburger ArchitektengemeinschaftKlingenberg & Weber in bester Vegesacker Wohnlage am Weserhang eine aufwendige, zweigeschossige, großbürgerliche Stadtvilla errichten. In unmittelbarer Nachbarschaft an der Weserstraße entstanden zwei weitere von Klingenberg & Weber entworfene Villen, und zwar für den Reeder J. D. Bischoff (Nr. 84, 1887; seit 1984 unter Denkmalschutz) sowie für Hermann Danziger, Teilhaber der Firma Schröder & Co. und Schwager von Johann Friedrich Schröder (Nr. 80/81, 1890; entstellend umgebaut in jüngerer Vergangenheit). Die drei als Backsteinrohbauten errichteten, vom Historismus geprägten Villen besitzen verschiedene gemeinsame, für das Büro Klingenberg & Weber charakteristische Gestaltungsmerkmale, so vor allem das ockergelbe Backsteinmauerwerk mit reicher Verwendung von Formsteinen und mosaikartig eingelegten Ornamentfriesen in andersfarbigem Backstein, kombiniert mit Sandsteinwerkstücken und Schieferdach. Ludwig Klingenberg (1840-1924) war zunächst als Bauführer in Bremen tätig (zu Klingenberg vgl. das Thieme-Beckersche Künstlerlexikon, s.u., mit weiteren Literaturangaben). Auf Reisen in Nordamerika, England und Frankreich, wo er besonders die mittelalterliche Architektur studierte, bildete er sich weiter. Ende der 1860er Jahre wechselte er nach Hamburg und ließ sich zuletzt in Oldenburg nieder. In Oldenburg, Bremen und im aufstrebenden Wilhelmshaven errichtete er mit seinem Partner Hugo Weber gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Bauten (Hauptwerke: Gerichtsgebäude an der Domsheide in Bremen und Provinziallandeshaus in Münster).Die Villa Schröder verbindet Elemente italienischer Renaissance-Palazzi (kubische Geschlossenheit des Hauptbaukörpers, hoher Sockel, flach geneigtes Walmdach, Betonung des Lagerhaften, Bossenquader-Gliederung an den Gebäudeecken und an den Pilastern des Mittelrisalits) mit neoromanischen Details (Rundbogenfenster, Rundbogenfries mit reliefierten Bogenfeldern unter dem Hauptgesims) und vagen Einflüssen des castle-style (burgartiger Turmanbau mit Belvedere-Funktion). Der symmetrisch ausgebildete, queroblonge Hauptbau mit Mittelrisaliten an beiden Langseiten ist von fast noch klassizistischer Strenge; dem entspricht die konventionelle Grundrißdisposition des Erdgeschosses mit der in der Mittelachse angeordneten Raumfolge Vestibül-Halle-Wohnzimmer-Veranda. Das zeittypische Bestreben nach malerischer Vielgestaltigkeit des Baukörpers macht sich nur am achteckigen, von einem spitzen Dach bekrönten Ostturm und am ursprünglich eingeschossigen, westlichen Anbau bemerkbar. Die Tendenz zum Malerischen betrifft aber nur die Silhouette, im Grundriß bleiben auch die Anbauten dem Symmetriegedanken verhaftet; der Turm ist nicht über Eck gestellt, sondern in die Mitte der östlichen Seitenfront gerückt. Der Bau stellt mithin eine architekturgeschichtlich und typologisch interessante Durchdringung eines noch klassizistisch geprägten Villentyps mit Gestaltungsmitteln des späten 19. Jahrhunderts dar.Der baukünstlerische Aufwand ist beim 3/8-Polygon des dreiachsigen straßenseitigen Mittelrisalits,der zugleich den Haupteingang hervorhebt, am höchsten: Die Kanten des Polygons werden im Erdgeschoß durch gemauerte, von Sandstein-Rustikablöcken unterbrochene Pilaster mit korinthischen Kapitellen betont, die sich bis zur Brüstungshöhe des Obergeschosses als gedrungeneLisenen fortsetzen und jeweils in einer von einem Löwenkopf bekrönten Sandsteinvolute auslaufen.In die Brüstungsfelder der Obergeschoßfenster des Mittelrisalits sind Sandsteinbalustraden eingestellt, die einen Austritt vortäuschen
1911 ließ Charlotte Schröder, die Witwe von J.A. Schröder, den eingeschossigen Anbau aufstocken. 1950 wurde der Anbau zu einer völlig separaten Wohnung für Walther H. C. Meyer ausgebaut und mit einem selbständigen Treppenhausanbau versehen (Entwurf Dieter Hoffmann). Der Umbau wurde erforderlich, weil Meyer das Hauptgebäude verkauft hatte, das dann 1951-53 unter seinem neuen Besitzer Gert Lürssen, Inhaber der Lürssen-Werft, verschiedene Änderungen nach Entwurf des Architekten Gerhard Kannengießer, Vegesack, erfuhr: Einbau einer Garage im Souterrain, Abbruch der bestehenden hohen Einfriedungsmauer, Gestaltung einer neuen Einfriedung mit PKW-Durchfahrt, Änderungen der Grundrißaufteilung im Erd- und Obergeschoß. Die Gartenseite des Hauses wurde einschneidend verändert, vor allem durch den Umbau der ehem. Veranda zu einem Wintergarten mit überdimensionierten Glasscheiben, die teilweise Vergrößerungbzw. Zusammenfassung der Fenster und die Entfernung des reich verzierten schmiedeeisernen Balkongitters. Von diesen Veränderungen abgesehen, befindet sich das Haus, zumal straßenseitig, jedoch in einem guten äußeren Erhaltungszustand mit zahlreichen bauzeitlichen Details.
Die Villa ist ein Baudenkmal gemäß § 2 Abs. l Nr. l Denkmalschutzgesetz (DSchG), dessen Erhaltung aus im Vorangehenden beschriebenen künstlerischen und wissenschaftlichen (architekturgeschichtlichen) Gründen im öffentlichen Interesse liegt.
Quellen und Literatur:- Bauakte, Bauamt Bremen-Nord- Bremen und seine Bauten, Bremen 1900, S. 461- Sophie Hollanders, Vegesack. Alte Bilder einer Hafenstadt, Bremen 1984, S. 176 f.- U. Thieme/F. Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 20, Leipzig 1927, S. 510 f. (Ludwig Klingenberg)(gez.)
Dr. Kirsch
Bremen, 11.Juni 1996