Dresden - Wiederaufbau von Schloss Altfranken

  • Nein, bitte noch mal genau hinsehen... Selbst auf der Visualisierung war das alles noch nicht ganz so plump. Man vergleiche nur einmal den Turm links... Diese schrecklich billigen Balkongitter... Es gruselt einen.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Das Playmobil-Haus ist grotesk geworden. Es sieht aus wie ein Best Western und unterbietet nochmal die böse Vorahnung die man von den Abwicklungen bereits Gewinnen konnte. Eine Schaubude wie bei den Karl-May Festspielen. Ein infantiler, dekorierter Schuppen.

    Es ist auch deshalb so bitter, weil damit eine Rekonstruktion des Schloss Altfranken verhindert wurde. Auf dem Bauplatz wurde ja jetzt das hier abgeladen. Im übrigen ist gegen eine augenzwinkernde eventisierte Freizeitoase auf der grünen Wiese nichts einzuwenden. Die Burg Mortka ist ja ganz ulkig für Kinder und Cosplayer. In Altfranken stand allerdings noch das historische Eingangsportal sowie weitere authentische Nebengelasse.

    Hier regen sich die meisten völlig zu Recht auf. Ich weigere mich auch den Bauherren da einen Gesellschaftdienst zuzusprechen. Er hat den guten Namen des Ortes genutzt um ahnungslosen Touristen eine Hüpfburg zu verkaufen. Der Turm ist schlicht Marketing. Ein Pappmaché-gewordener Rohling für den inszenierten Online-Auftritt auf Booking.com

    Zitat von Seebastian

    Daher besten Dank an den Bauherren für soviel Mühe.


    Seebastian

    Ich finde es gerade sehr enttäuschend mit dir ernsthaft über die Quälität im Umgang des Dresdner Schlosses diskutiert zu haben und dann an dieser Stelle zu erfahren, dass dir eigentlich alles egal zu sein scheint. Jetzt habe ich eine Frage an dich: Wie kann man das hier nur schönreden? Um dich mit deinen Worten über die fantastische Sammlung Hoffmann zu zitieren: Das Bauprojekt hier ist „Schrott“.

  • (...) Man vergleiche nur einmal den Turm links... Diese schrecklich billigen Balkongitter... Es gruselt einen.

    Das meinte ich ja, mit den Abweichungen. Das hatte ich auch im Januar 2022 bemängelt.

    Was mich irritiert, ist das obere riesige breite Fenster in beiden Ecktürmen, das man auf den Baustellenbildern sieht.

    Auf der Visualisierung ist da ein kleines Vierpass-Fensterchen zu sehen. (...)

    Das hätte man sich wirklich verkneifen sollen.

  • Es ist ganz einfach, früher wurde mit dem Goldenen Schnitt gearbeitet.

    Nein, so einfach ist es eben auch wieder nicht. Schon den Architekten der Renaissance und des Barocks wurde Proportionslehre und Harmonie in einem mehrjährigen Studium eingetrichtert. Sogar unser hier allseits so geliebter Le Corbusier hat sich ein Leben lang mit Proportionslehre beschäftigt, und das sieht man selbst seinen Bauten an >> Der Modulor.

  • Hmm. Meine Überlegungen gehen aber in folgende Richtung.

    Kurzer Exkurs: Früher wurde viel schöner gebaut, da es in der Gesellschaft einen Wettbewerb um Schönheit gab. Und zwar beinahe durch die gesamte Gesellschaft. Wer ist kultivierter, größer oder überlegener. Dadurch kam ein Prozess zu stande der diese schöne Architektur hervorgebracht hat wie wir sie mögen.

    Teilweise haben sich die Bauherren sogar dafür ruiniert. Pückler, Juliusruh, Yenidze. Weil man einem höheren Zweck zustrebte. Gut ggf. auch Angeberei bzw. Repräsentanz. Aber das Ergebnis ist doch sehr gelungen.

    Heut ist die Rendite oft das einzige Streben.

    Um aber wieder zu dem alten Stande zurückzukehren benötigt es solche Bauherren wie von Schloss Alt Franken. Hier wird Geld für Zierrat locker gemacht. Zwar ist das nicht perfekt gelungen. Aber diesen Bau so zu verspoten ist auch nicht dienlich. Ich stell mir nur vor wenn der Bauherr oder andere die so ein Vorhaben teilen, dies hier lesen dann werden diese kompett abgeschreckt. Es hätte dort auch ein Hotel ala Landtagsanbau entstehen können. Aber hier hat sich einer immerhin mit dem Vorgängerbau beschäftigt.

    Daher sollte man auch den hier behandelten Bau begrüßen und hoffen das es dem Bauherren einer gleichtut. Dann aber mit etwas mehr Anspruch. Und der nächst noch mehr. Dann könnte am Horizont mal wieder ein Silberstreif auftauchen.

    Ansonsten werden es wohl isolierte Lösungen von ganz großen Idealisten bleiben wenn doch mal ein Gebäude wieder so entsteht wie es uns als perfekt erschiene.

    Strelizius: Im Schloss sind überwiegend Dinge höchster Qualität ausgestellt. Wenn da etwas aus der Sammlung Hoffmann dazwischen kommt dann stört dies das Gesamtbild. Wenn ich das richtig einschätze so steht das Schloss für Sich an einer Stelle wo früher(Neuzeit) nichts stand. Es stört also auch erstmal nicht. Es ist ein Anfang.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Daher sollte man auch den hier behandelten Bau begrüßen und hoffen das es dem Bauherren einer gleichtut.

    Ach Seebastian! Na hoffentlich nicht und das ist einfach unter dem Niveau des Vereins und auch der meisten hier im Forum. Für Potemkin haben wir in unseren Breiten glücklicherweise weiterhin ausreichend Kultur im Rücken. Selbstbetrug sollten wir uns bitte, bitte sparen.

    Es ist doch nicht so, dass dieser Herr Kimmerle unser Heilland und Wegbereiter wäre. Hoffnung schöpfen, die meisten hier aus anderen aktuellen Projekten. Beschäftige dich doch gerne mal, was in der Schlösserlandschaft Sachsen gerade an wirklichem Gesellschaftsdienst „für die Kunst“ abgeht.

    Schaue mir jede Woche den grandiosen Blog des laufenden

    Wiederaufbauprojektes Schloss Tiefenau an.

    Was man dort wunderbares sieht, hätte genau so in Altfranken passieren können und sollen Seebastian. Eigentlich unelegant von mir das feinsinnige und kluge Projekt in diesem Strang überhaupt zu erwähnen. Aber es ist mir wirklich wichtig hier den Kompass richtig zu stellen, sich zu erden und zu eichen. Das ist Stadtbild Deutschland. Eben nur so bringen wir als Gruppe die Baukunst insgesamt voran.

  • Ich sehe das ziemlich entspannt, es steht ja nicht neben der Frauenkirche und ist erst Mitte des 19. Jahrhunderts als "Phantasiegebäude" errichtet (und 20 Jahre später schon umgebaut) worden, somit also kein schrecklich wertvolles Gebäude. Wahrscheinlich wird der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle spielen, vielleicht ist es auch als lockere Nachempfindung gedacht ... als ironische Anspielung sicherlich nicht, obwohl mich das nicht mal stören würde.

    Außerdem ist man doch hier gegenüber den polnischen Aufbaubemühungen immer sehr positiv eingestellt - allerdings schreckt man dort auch vor phantasievollen Neuinterpretationen wie dem Posener Königsschloß nicht zurück. Von Danzig oder Warschau mal ganz zu schweigen, wo komplette Straßenzüge "erfunden" wurden oder selbst "Leitbauten" gnadenlos gestreckt oder komprimiert wurden, weil ja das eigentliche moderne Gebäude hinter den Fassaden natürlich alle Stockwerke auf derselben Höhe haben muß.

    Letztlich ist dieses Gebäude eher ein Kuriosum, ich sehe es aber dennoch überwiegend positiv.

    Easy does it.

  • Klar, in seiner Lage stört das Ding niemanden. Dennoch ist es ein Ärgernis. Es wäre recht leicht gewesen, es hier wirklich gut zu machen. Hoffentlich kriegt man das bei einer späteren Überarbeitung hin. Der Originalbau war ja eh schon schlicht, eine richtige Reko hätte da doch nur minimal mehr Geld gekostet. Wir sollten das mE auf keinen Fall als Beispiel irgendwo nennen oder zeigen. Höchstens um klar auf die Defizite von sowas aufmerksam zu machen.

    Jetzt wirkt es leider wie ein mittelmäßiges Ressorthotel auf dem Balkan. ^^

  • Um Gottes Willen, welch ein schräg-kitschiger Bau, den ich eher nach Skopje als in die Dresdner Umgebung verortet hätte.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Kurzer Exkurs: Früher wurde viel schöner gebaut, da es in der Gesellschaft einen Wettbewerb um Schönheit gab. Und zwar beinahe durch die gesamte Gesellschaft. Wer ist kultivierter, größer oder überlegener. Dadurch kam ein Prozess zu stande der diese schöne Architektur hervorgebracht hat wie wir sie mögen.

    Teilweise haben sich die Bauherren sogar dafür ruiniert. Pückler, Juliusruh, Yenidze. Weil man einem höheren Zweck zustrebte. Gut ggf. auch Angeberei bzw. Repräsentanz. Aber das Ergebnis ist doch sehr gelungen.

    Das ordnest du nicht ganz richtig ein. Erst müssten wir "früher" definieren, aber wenn wir uns jetzt mal in die Zeit des Barock und weiter zurück bewegen, dann ging es primär um Repräsentanz, denn dies war das Mittel schlechthin, seine politische oder wirtschaftliche Potenz zu demonstrieren. Das war aber nicht "Angeberei", sondern Teil des notwendigen Prozederes, um die entsprechende Stellung zu behaupten. Und daran war alles andere als die gesamte Gesellschaft beteiligt, wie du behauptest. Es war ein ganz geringer Bruchteil der Bevölkerung, der überhaupt in der Lage war, als Bauherr in Erscheinung zu treten: der Adel, die reiche Kaufmannschaft, sehr selten reiche Handwerker, auf dem Lande die ganz wenigen reichen Vollbauern.

    Was sich der Bauherr hier allerdings mit seiner halbgaren Rekonstruktion gedacht hat, die mich an eine Lego-Burg erinnert, bleibt mir schleierhaft. Wahrscheinlich glaubt man, dass dies auf Gäste anziehend wirkt. Ich befürchte sogar, dass die Rechnung aufgeht.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Der Originalbau war ja eh schon schlicht, eine richtige Reko hätte da doch nur minimal mehr Geld gekostet.

    Genau das ist der Knackpunkt: Entweder fehlte Ernsthaftigkeit oder Wissen. Am Geld scheint's ja nicht unbedingt gemangelt zu haben. Ein halber oder gar ein ganzer Meter mehr pro Etage hätte dem Bauherrn finanziell sicher nicht weh getan - im Gegenteil: mit mehr architektonischer Qualität könnte man sicher auch höhere Übernachtungspreise rechtfertigen und das Gebäude auch z. B. für Veranstaltungen besser vermarkten.

  • Eben. Ich nehme auch an, dass die etwas wohlhabenderen Dresdner oft recht geschulte Augen haben und sich zu wirklich guten und schönen Orten hingezogen fühlen, derer es eine große Auswahl in der Stadt und dem Umland gibt. Bleiben die Leute mit eher "einfachem Bildungshintergrund" (sorry) fürs Schloss Altenfranken, die da heiraten, nächtigen, köstigen und feiern.

    Welcher Architekt hat das eigentlich "verbrochen"? :/

  • Unter der Zeichnung steht auf der Hotelwebsite

    Planung: Michael Lehni

    Offenbar ein ziemlich kleines Büro in Lauingen an der Donau. Es gibt eine nicht existierende Website. Siehe auch diesen SZ-Artikel:

    „Wir orientieren uns an der Struktur und den Proportionen des Schlosses, wollen es aber nicht im Detail nachbauen“, erklärte Michael Lehni. Der Architekt plant und realisiert das Hotel im Auftrag der Kimmerle Unternehmensgruppe.

    sowie:

    Anfangs habe es lange Diskussionen mit Stadtverwaltung und Denkmalamt gegeben, räumt Lehni ein. Die Reaktionen reichten von „toll“ bis „Dornröschenschloss“. Auch von „Zuckerbäckerarchitektur“ sei die Rede gewesen. Inzwischen seien ihm solche Vorwürfe aber Wurst: „Wir haben eine Baugenehmigung.“

    Also eigentlich alles mit Ansage.

  • Früher wurde viel schöner gebaut, da es in der Gesellschaft einen Wettbewerb um Schönheit gab. Und zwar beinahe durch die gesamte Gesellschaft.

    Wie schon tegula angemerkt hat, betraf das nur eine kleine Oberschicht, Adel und Klerus vor allem, in manchen Städten auch reiche Kaufleute. Das hatte vor allem auch den Zweck, die eigene Stellung zu dokumentieren und zu repräsentieren. Entsprechend gab es ja auch eine aufwendige Hofhaltung.

    Dafür verschuldete man sich teilweise in extremem Umfang, der Bau des hiesigen Schlosses, das gerade mit dem "Schloßfest" gefeiert wird, führte sogar zum Bankrott des Fürsten und zu einer Zwangsversteigerung.

    Ob sich der Erbauer des Yenidze-Gebäude tatsächlich durch den Bau ruinierte, weiß ich nicht, jedenfalls traf das Gebäude damals auch so viel Ablehnung, daß der Architekt erst einmal für über 10 Jahre aus Dresden nach Chemnitz ging ...

    OT Wenn ich mir anschaue, was hier in den letzten Jahren gebaut wurde, kann man aber schon zu dem Urteil gelangen, daß es heute nicht mehr um Ästhetik geht. Wieso man die würfelförmigen Gebäude neuerdings auch noch mit einem olivfarbenen oder dunkelgrauen Anstrich versehen muß, die sie eher noch schlimmer machen, verstehe ich erst recht nicht. Selbst daraus könnte man doch mit einem gelungenen Farbkonzept noch viel erreichen.

    Easy does it.

  • Wenn wir uns erhaltene Bauten normaler Familien über die Jahrhunderte in unseren Orten mal so anschauen, da ist auch viel handwerkliche Zier dabei. Man hat mit eher geringen Mitteln oft sehr viel Kunst und Pracht am Bau geschaffen. Unsere Altbauten bestehen ja nicht zur Mehrheit aus Bauten der Reichen, sondern repräsentieren alle Schichten. Ob nun reiche Fachwerkschnitzerei, Lüftlmalerei, Gipsstuck u.ä., man wusste sich schon zu helfen und auch bei geringen Mitteln zur Schönheit und Gottgefälligkeit beizutragen.

    Der Wettbewerb war letztlich nicht nur einer zwischen repräsentativen Interessen, sondern auch ein moralisch-religiöser. Wer möglichst prunkvoll für Gott baute, durfte mit einem besonders guten Leben im Himmel rechnen. In so einigen katholischen Gemeinden weltweit herrscht dieser Glaube weiterhin vor, weswegen man dort besonders zugänglich für klassische und traditionelle Bauweisen ist. Nicht ganz zufällig ist die Notre Dame School of Architecture eine katholische Akademie und die einzige weltweit mit einem vollen klassischen Architektur-Curriculum. Ähnliche Beispiele gibt es Dutzende, auch die meisten neuklassischen Architekten in Deutschland haben familiär einen katholischen Hintergrund.