• Ja, in Deutschland war die handwerkliche Tradition eben stärker ausgeprägt. Und das klassische Frankreich und das palladianische England hatten es auch nicht so mit extravaganten Formen. Rationales Denken und rationelle Produktion gingen dort eher Hand in Hand.

    Umso entsetzlicher ist der Verlust des Würzburger Ehrenhofgitters.
    Aber es gibt auch exzellente Chorschrankengitter in Deutschland: allen voran Amorbach (der Schmied hieß auch noch M. Gattinger), St. Paulin, Weingarten, Barfüßerkirche Augsburg u.a.

    Zunächst Amorbach:


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Augsburg, Barfüßerkirche, Gitter um 1760 von Johann Samuel Birkenfeld


    https://de.fotolia.com/id/152937756


    Trier, St. Paulin:



    Selbst so vergleichsweise kleine Kirchen wie St. Nikolaus in Überlingen verfügen über einfallsreiche Gitter. All das habe ich , von Nancy abgesehen, sonst in Frankreich noch nicht vorgefunden.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Oder hätte man bereits bei der Auswahl des Steinbruchs darauf achten können.

    Das meine ich ja, alles was letztendlich dazu führte, dass die Steinverkleidung des Schlosses jetzt so unregelmäßig und fleckig erscheint, hätte vorher bedacht werden müssen. Anderswo war das ja auch möglich.

    Ah, ich wollte übrigens gerade selbst die wunderschönen Gitter von St. Paulin aus meiner Heimatstadt teilen. :)

  • Ich habe auf die Schnelle nicht herausgefunden, von wem die Trierer Gitter sind. Vielleicht hast Du ja noch bessere Fotos?

    Nochmals zu Oegg: so hat er eine Straßenlaterne gemacht:

    Allmählich können wir fast einen eigenen Strang aufmachen....

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Nancy ist ganz großartig, keine Frage, aber eher die Ausnahme, da es Rokoko ist. Gerade aber die hochbarocken französischen Gitter sind m. E. aber eher imposant als wirklich künstlerisch einzigartig. Man merkt, dass darin viel Manufakturarbeit steckt. Viele schablonenhaft wirkende Formen. Viele Elemente sind auch nicht geschmiedet, sondern seriell gegossen. Gilt für Versailles, aber auch das Portal am Pariser Justizpalast (die Entstehungszeit von letzterem habe ich nicht im Kopf, schätze aber, es ist Louis XV).
    Vielsagend war für mich schon als Student das Übersteiggitter im Jardin Peyrou mit dem an der Würzburger Residenz zu vergleichen.


    Versailles, Hofgitter: Viele gerade Stäbe, viele Kreise....

    Ich weiß nicht, ob es schon hier oder in einem anderen Strang Thema war, aber vermutlich den meisten hier dürfte vielleicht bekannt sein, dass die Ziergitter "Grille royale" in Versailles erst seit 2008 rekonstruiert wurden!

    Auf der Wikipedia-Seite sieht man jeweils ein Panoramafoto einmal von vor der Reko und eines von danach.

  • Sicher. Aber offenbar brauchte man eben ein Werkzeug zur Steuerung der Besuchermassen. Und da ist mir diese Lösung deutlich lieber als eine modernistische. Man stelle sich mal vor, man hätte dort ein simples Stahlungetüm hingestellt - in Deutschland wäre das vermutlich leider passiert. Ich finde den Zaun von Versailles ausgesprochen ästhetisch.

    Und nun zurück zum Berliner Schloss. :) Die Schmiedeeisen-Diskussion kann ja vielleicht in einen Extrafaden verschoben werden.

  • Ich bin überzeugt dass es eine schonende Lösung gab, anstelle eines so sichtbaren Eingriffs. ich kannte Versailles bereits als Kleinkind ohne Gitter. Dazu : das Gitter war eigentlich immer offen, den Ludwig den XIV wollte dass jedermann den Schloss und den Spiegelsaal bewundern konnte. Jetzt ist dieses Gitter permanent geschlossen.
    Besonders interessant : das Gitter am Justizpalast ist Auch eine Teilrekonstruktion aus 1816 und 1873 (einige Elemente wurden während der Revolution und der pariser Kommune zerstört). Aber in dem Fall wurde alles richtig gemacht, denn alles war gründlich dokumentiert. :)

  • Aus der Diskussion um die ehemaligen Portalgitter des Berliner Schlosses hat sich eine interessante neue Diskussion ergeben, die es wert ist, in einem eigenen Strang abgehandelt zu werden.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Neobarocken Portalgitter wurden 1891 von der Berliner Firma Ed Puls und Schulz und Holdefleiss sowie die Gebrüder Armbrüster in Frankfurt a.M geschaffen. Nachzulesen in" Die neuen schmiedeeisernen Thore am königlichen Schlosse zu Berlin", in: Deutsche Bauzeitung 25, 1891, S. 549f., 573 .Beim Abriss des Schlosses 1950 wurden Die Gittertore demontiert und leider eingeschmolzen. Wie ich weiß war am Anfang an den Portalen I und II IV und V die Rekonstruktion vorgesehen.
    Mir gefallen die Gittertore sehr gut,besser wie das Glasteil Portal III

  • Die Glaswand in Portal III finde ich auch unglücklich. Ein Triumphbogen muss offen sein. Ein Gitter ist eine Barriere, aber Glas ist ein Raumteiler, auch wenn man hindurchsehen kann.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Wenn man schon in Versailles das Ehrenhofgitter rekonstruiert hat, obwohl die Rekonstruktion mit dem späteren Zustand des Schlosses nicht kompatibel ist, dann sollte man doch eigentlich auch den Mut haben, das Würzburger Ehrenhofgitter zu rekonstruieren, auch wenn es nur eine Paraphrase des alten wäre - einfach weil es für den Raumeindruck wichtig wäre. Die Fundamente müssten ja noch vorhanden sein und zumindest zwei Figurengruppen von van der Auwera sind es auch.

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    Einmal editiert, zuletzt von Seinsheim (9. Mai 2019 um 13:44)

  • Wie Sedelmaier und Pfister 1923 schrieben: ihm sein ein Aufenthalt in einer Parkanlage vergönnt.

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