Die Zweite Moderne in Bremen und Bremerhaven
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Ich kann hier nur wieder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn ich das lese. Diese Stadt ist verloren, sie entledigt sich ihrer Geschichte und setzt nur noch auf die Moderne. Es gibt in dieser seit Kriegsende von den Sozialdemokraten regierten Stadt kein baugeschichtliches Bewusstsein mehr, Bremen hat in den letzten 70 Jahren zum zweiten Mal sein Gesicht verloren. Die Stadt ist so pleite, dass jeder Investor mit offenen Händen aufgenommen wird und praktisch machen kann, was er will - Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wir sollten bei unserer Bewertung des Areals nicht nur den Einzelbau, sondern die Gesamtanlage sehen. Das Ganze ist mehr als das Einzelne, die ästhetische Aussage des Ganzen hat eine andere Qualität, als wenn wir uns nur das Landhaus Luisenthal anschauen. Wir sehen hier, wie mit dem Abriss des Fachwerk- und des Aldi-Neubaus auch das Gutshaus gelitten hat, obwohl es doch alleine steht. Und das Mühlenviertel könnte man dann auch als unsensible Fortschreibung dieser wirklich schlechten Entwicklung ansehen. Die Entscheider für Aldi statt Fachwerkbau sind doch die gleichen wie die Mühlenviertel-Entscheider. Bewusstseinsmangel!
Immer, wenn man sich in Bremen mit einem bestimmten Gebiet befasst, so scheint es mir inzwischen, stößt man, je weiter man vorankommt, auf immer neue Abgründe. -
Danke für die Info. Unglaublich, dass diese Gebäude erst vor noch gar nicht allzu langer Zeit abgerissen wurden. Warum standen sie denn nicht unter Denkmalschutz?
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So, nach einem Besuch in der sich ständig verändernden und doch immer irgendwie gleich aussehenden Überseestadt habe ich noch einige Fotos parat:
Gebäude dieser Art wurden von jungen Radio Bremen Reportern schon mit unterschwellig kritisch gemeinten Ton als "Schick wohnen" angepriesen, erreicht wurde dann durch die Medienmultiplikatoren das Gegenteil, "Schick wohnen" wurde zu einem positiven Schlagwort, das die Immobilienwirtschaft hoch erfreute. Hier mal ein Exemplar:
I's a long way there, it's a long way to where I'm going, sang einst die Little River Band. So sieht also Bremens Zukunft aus:
Ein Blick ins Jahr 2070? Zukunft, Nein Danke!
Quizfrage: Ja, wer baut den da? Das ist leicht zu erraten: Dieses große Grundstück hat Bremens Immobilienkönig Zechbau gerade einem Investor abgekauft, wahrscheinlich in der Absicht, alles noch besser zu machen:
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Der Findorffer bei Spätherbsttristesse in der Überseestadt, mit einem untrüglichen Blick für die größten Unverschämtheiten - das wird mit Euch beiden nix mehr ;). Bei der Baugrube des von Zech übernommenen Europaquartiers bin ich nicht so pessimistisch, Stefan Forster macht die Wohngebäude zur Konsul-Smidt-Straße:
Springer baut einen Teil der Gebäude in Wasserlage... nee, da hab ich schon schlimmeres gesehen, aber ich habe ja auch meine bekannte Schwäche für diesen (wenngleich reduzierten) Neobacksteinexpressionismus... insgesamt natürlich ein wahnsinnig tristes Bild, was die Überseestadt zur Zeit abgibt, hierzu absolut kein Widerspruch. Ich als unheilbarer Optimist habe aber zumindest die vage Hoffnung, dass es eine leichte Tendenz zur Besserung gibt, auch wenn auch viele der neueren Entwürfe weiterhin maximal 10% des Weges gehen, den ich mir für diese Lagen wünschen würde.
Auch der Blick auf die hintere Überseestadt dürfte noch etwas gewinnen, im Vordergrund ein neues Bürogebäude namens View, rechts die schonmal gezeigten Deichhäuser, die ich wirklich gut finde, links im Hintergrund ein weiteres im Bau befindlichen Projekt namens Cecilienquartier:
Trotzdem insgesamt alles andere als das Nonplusultra, keine Frage. Wenigstens auf den Visualisierungen scheint immer die Sonne ;).
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Forster/Springer bauen sicherlich gefälliger als viele andere, Heinzer, aber ich sehe bei beiden die typischen Merkmale der Moderne: Wiederholungen und Flachdächer bei allen Gebäuden und damit die gewohnte Selbstähnlichkeit. Und ob sich Zechbau an diesen Entwürfen orientiert, das wissen wir heute ja noch nicht.
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Heinzer schrieb:
Der Findorffer bei Spätherbsttristesse in der Überseestadt, mit einem untrüglichen Blick für die größten Unverschämtheiten - das wird mit Euch beiden nix mehr
Ooooooch Heinzer, ich weiß nicht. Es gibt in der Überseestadt ja auch andere Gebäude, die mich erfreuen. Gewerbliche Gebäude. Die sind über 100 Jahre alt und schöner gestaltet, als der neue Rest im Überseeviertel. Vergleicht man die Lagerhäuser von damals mit den Lagerhäusern von heute........Wieviel Mühe man sich damals gegeben hat, davon kann doch heute keine Rede mehr sein. Außerdem müssten die Architekten, um diese Ebene zu erreichen ,wissen, was und wie sie gestalten müssen. Da fehlt doch die Vorstellungskraft und deshalb baut man so, wie hier schon vielfach dargestellt.Gegenbeispiele:
Hier am ehemaligen Hafenkopf des Überseehafens
Ich glaube, von Heinzer schon mal eingestellt hier im Forum. Man spricht vom längsten Gebäude Bremens. 400 Meter ist der ehemalige Baumwollschuppen lang, aber ich glaube, der U-Boot-Bunker Valentin in Bremen-Rekum ist noch länger.
Detailansicht mit Hafenmuseum:
Dahinter, Erinnerungen an olde Tieden in 60/70er-Jahren. Da brummte noch der Hafen:Dahinter, die Feuerwache, heute ein Restaurant, direkt am Hafenkopf des Holzhafens:
Und da sind wir schon am Holzhafen:
Welch ein ästhetischer Aufwand für ein Lagerhaus:
So, mein Bilderspeicher 17 ist jetzt voll, deshalb geht´s weiter unten weiter.
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So, hier nun Teil 2 meiner kleinen Exkursion zu den schönen Teilen der Überseestadt. Weitere Lagerhäuser:
Expressionismus an der Roland-Mühle?
Und sogar eine Historismusvilla mitten im Hafengebiet konnte ich entdecken. Wenn die in Schwachhausen stehen würde - unbezahlbar.
Leider etwas verschwommen wie die Witterung an diesem Tag:
All das, Heinzer, ist wunderbare Architektur oder besser gesagt, ist Architektur im Gegensatz zu den vielen abschreckenden Beispielen hier in der Überseestadt. Und es gibt noch vielmehr davon. Wenn ich mich mal wieder überwinde...... -
So, jetzt habe ich mich doch noch mal am Wochenende aufgerafft, um meine Fotodokumentation über die alte Überseestadt fortzusetzen. Zwar passen die alten Speicher und Firmengebäude nicht so recht zum Thema Zweite Moderne, zeigen aber, welch ästhetischer Standard hier vor mehr als 100 Jahren herrschte. Diese alten Gebäude stellen einen wirkungsvollen Kontrast und Kontrapunkt zu den wie Pilze aus dem Boden schießenden Neubauten dar. Also, weiter geht die Reise, zum Auftakt noch mal ein Foto mit inzwischen bekannten Motiven:
Zollamt am Holzhafen
Alter Speicher
Wir kommen zur ehemaligen Zentrale von Kaffee HAG in gold-weiß, die unter Denkmalschutz steht. Vermutlich 1920er-Jahre. Vor einigen Jahren war zu lesen, dass die neuen Eigentümer mit Abrissarbeiten begonnen hatten, ohne die Denkmalschutzbehörde zu benachrichtigen. Ich weiß aber nicht, ob der rechts liegende Neubau der Nachfolgebau dieser Abrissarbeiten ist. Vielleicht weiß jemand mehr darüber.
Ein weiteres Kaffee HAG-Gebäude
Zwei beeindruckende Bachstein-Lagerhäuser des HAG-Konzerns
Im HAG-Umfeld
Und weiter geht die Reise, Lagerhäuser und Lisenen
Mehr Bilder geht nicht, Fortsetzung folgt!
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Zweiter/resp. 4. Teil
Lagerhaus mit Turm
Bei solchen Gebäuden spricht man meistens vom morbiden Charme
Zum Vergleich ein modernes Lagerhaus, das nun wiederum gut zur explodierenden Neubebauung in der Überseestadt passt.
Bei den "Gebäuden" handelt es sich nicht um die Bauhauscontainer, die hier nun haufenweise in der Überseestadt rumstehen, sondern um richtige Container
Zum Abschied ein Weihnachtsgruß: bei dem Baum rechts handelt es sich um einen lichtergeschmückten Weihnachtsbaum
Aber Weihnachten ohne Geschenke - das geht nicht! Eine Kunstinstallation, die so vorausschauend wirkt und mich fragen lässt: sieht so die Zukunft der Backsteinbauten im Gebiet der Überseestadt aus?
So, mit dem letzten Bild soll sich der Kreis dann schließen, wir kommen wieder zur Zweiten Moderne. Man wirft mir ja schwarz-weiß-denken vor, aber ist die Realität nicht oft auch schwarz-weiß?
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Archtekten bauen nach eigenem Verständnis ja immer "Gute Architektur". Diese ist meist solitär und damit unverwechselbar, vor allem aber merkt man ihren Gebäuden einen hohen Grad an Kreativität an, kein Wunder, sind sie doch von Bau-Künstlern geschaffen.
Der Dienst am Menschen ist quasi Programm. In der Charta von Athen wurde folgendermaßen formuliert: "Alle Größenbestimmungen im Plan der Stadt müssen den Menschen zu Maßstab haben." Na, wunderbar, was sonst. Aber gerade die Gebäude der Modernisten erwecken nicht den Eindruck, als wenn sie diese heeren Ansprüche umsetzen können. Ihre vom eigenen Größenwahn angetriebenen Sprüche finden in der baulichen Wirklichkeit keine Entsprechung. Ein weiteres Beispiel der in Architektenkreisen grassierenden Hybris und Arroganz zeigt uns eine weitere Aussage der Chartaverfasser:
"Die Architektur muß sich dem Individuum zuwenden und für dessen Glück die Einrichtungen schaffen, die den Ramen aller seiner Lebensäußerungen bilden und diese gleichzeitig erleichtern werden. Wer könnte die notwendigen Maßnahmen treffen, wenn nicht der Architekt, der die vollkommenste Kenntnis vom Menschen besitzt."
Ein schönes Beispiel für diese gesammelte Selbstüberschätzung bietet mal wieder die Überseestadt. Eins der folgenden 6 Bilder habe ich hier schon mal früher eingestellt. Jetzt geht es aber um eine, die anfangs beschriebene, andere Kontextualisierung.
HAUS 1
HAUS 2
HAUS 3 - "Alle Größenbestimmungen im Plan der Stadt müssen den Menschen zu Maßstab haben."
Haus 4
Haus 5
Haus 6
Wer könnte die notwendigen Maßnahmen treffen, wenn nicht der Architekt, der die vollkommenste Kenntnis vom Menschen besitzt."
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Aber Weihnachten ohne Geschenke - das geht nicht! Eine Kunstinstallation, die so vorausschauend wirkt und mich fragen lässt: sieht so die Zukunft der Backsteinbauten im Gebiet der Überseestadt aus?
Wenn ich so hinsichtlich dieser Kunstinstallation überlege, müssen in Deutschland 1945 unglaublich viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gestanden/gelegen haben. Dumme unwissende Trümmerfrauen, die all diese Pracht einfach wegräumten...
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Der Architekt Axel Spellenberg bat mich, den nachfolgenden Text, der eigentlich für einen Leserbrief an den Weser-Kurier vorgesehen war, bei Stadtbild Deutschland einzustellen. Bremen hat eine neue Staatsrätin für Bau und Stadtentwicklung, Frau Gabriele Nießen, die vorher in Oldenburg tätig war und dort zu meiner Freude den Dudler-Bau verhindert hatte. Nun hatte mir Axel Spellenberg ein Foto zugeschickt, für was für einen Bau sie sich stark gemacht hatte und ich muss sagen, Dudler wäre besser gewesen, denn was dort nun steht, ist schlimmste 70er-Jahre-Verirrung mit Plattenbauoptik. Frau Nießen wird also die von mir u. a. hier schon häufig beklagte Orientierung des Stadtbildes in Richtung Moderne weiter fortsetzen, denn, so Frau Nießen: "Historisierend sollte es aber nicht sein". Die Senatsbaudirektorin Iris Reuther wird sich freuen, bekommt sie doch nun noch mehr Unterstützung für die Verschandelung unserer einstmals so schönen Stadt. Für mich heißt das: Alles historisierende muss sich einer Überprüfung unterziehen (außer natürlich den Altbremer Häusern, in denen die Mitarbeiter der Baubehörde selbst wohnen). Der Weg ist ja schon vorgezeichnet: Kühne & Nagel, Medienhausabriss, Zechhotel in der Martinistraße. Sparkassenneubau, von den vielen Scheußlichkeiten in der Überseestadt und anderswo will ich gar nicht reden.
Ich hatte lange überlegt, unter welcher Rubrik ich den Nicht-Leserbrief einstelle und habe mich dann aufgrund der offensichtlich in Zukunft noch mehr auf Moderne setzenden Haltung der neuen Staatsrätin für Die Zweite Moderne in Bremen und Bremerhaven entschieden.
Hier nun Axel Spellenbergs nicht abgedruckter Leserbrief:
"Historisierend sollte es aber nicht sein", meinte die neue Bremer Staatsrätin für Bau und Stadtentwicklung, Gabriele Nießen, auf die
Frage des Interviewers: "Was für ein Bild haben Sie von der Architektur in Bremen?" Damit bläst sie nur in das Horn derer, die jeder Art von historisierender Architektur in Bremen eine Absage erteilen. Ohne zu sehen, dass sich Neubauten wie die Bremer Landesbank am Domshof oder das neue Johann-Jacobs-Haus in der Obernstraße einer historisierenden Architektursprache bedienten. Die BLB des norddeutschen Backsteinexpressionismus und das Jacobs-Haus der historischen Backstein-Giebelarchitektur. Zum anderen ist es ein Faktum, dass eine sich an der 100 Jahre alten Bauhaus-Moderne orientierende Architektur als historisierend einzustufen ist. Weil deren Bauformen unzweifelhaft bereits Geschichte geworden sind. Andererseits muß die Frage aufgeworfen werden, ob sich die neue Staatsrätin zu einer Art Stilwächterin in Bremen aufschwingen möchte. Was sollte es denn bitte sein, wenn nicht "historisierend"? Oder verkörpern die "vielen einheitlichen Blöcke" (Weser Kurier) in der Überseestadt eine vollkommen neue, innovative Stilrichtung? Die Kunst, zu der die Baukunst nach Vitruv sogar als deren "Mutter" zählt, ist bekanntlich frei und ungebunden. Nun will die neue Staatsrätin den Baukünstlern wohl vorschreiben, wie sie zu entwerfen haben. Sind wir eigentlich in der ehemaligen DDR, in der so etwas an der Tagesordnung war? Das trostlose Resultat solchen Einheitlichkeitsdenkens und staatlichen Bevormundens der Baukunst kann man noch heute im Osten sehen. -
Nochmal zu Gabriele Nießen (Neue Staatsrätin für Bau und Stadtentwicklung )und ihr Wirken in Oldenburg (leider weiß ich nicht, wie ich die Fotos vergrößern kann. Da hatte ich ja auch schon in "Hemelingen" meine Schwierigkeiten).
Foto 1 zeigt den überarbeiteten Dudler-Entwurf, den u.a. Gabriele Nießen abgelehnt hat.
Nachfolgendes Gebäude wurde von Gabriele Nießen favorisiert und kommt in den Sanierungszustand (der wahrscheinlich inzwischen schon abgeschlossen ist).
Eine Bebauung wie auf dem 3. Foto kam natürlich überhaupt nicht in Betracht, ein Entwurf eines Oldenburger Architekten von 2017 - ab in
die Schublade und auf gen Bremen! Auch dort gibt´s evtl. aufkeimenden Historismus zu verhindern.
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In der Bremer Tageszeitung Weser-Kurier war in dieser Woche einiges los zum Thema Bebauung. Primär ging es um das geplante neue Hochhaus an Stelle des Bundesbankgebäudes an der Kohlhökerstrasse. Es gab hierzu wohl eine Informationsveranstaltung der Bremer Grünen im Haus der Architektenkammer, leider habe ich das erst nachher erfahren. Nachfolgend der Bericht davon im Weser-Kurier.
ZITAT:
Hochhäuser wecken Emotionen
Diskussion über Gebäudegrößen
MATTHIAS HOLTHAUS
Altstadt. Wo passt es hin, wer will darin wohnen und muss das überhaupt sein? Das Hochhaus, von einigen Menschen bereits als steinernes Relikt vergangener Jahrzehnte abgeschrieben, erscheint seit einiger Zeit wieder auf der städtischen Bildfläche. Landmark-Tower, Wesertower oder die bisweilen erbitterten Diskussionen um die geplante Errichtung des Hochhauses in der Kohlhökerstraße verweisen auf bestehende oder eventuell kommende Zustände. „Wie hoch wollen wir bauen?“ fragten deshalb die Landesarbeitsgemeinschaft Stadt- und Regionalentwicklung von den Grünen sowie die Architektenkammer in deren Räumlichkeiten.
Und der Raum war voll besetzt, als sich der Architekt Stefan Rettich anschickte, seine Studie über Hochhäuser in Bremen vorzustellen, die er im Auftrag des Bauressorts angefertigt hat. Er untersuchte dafür den Maßstab der Stadt und setzte sich mit den Kriterien auseinander, die für die Auswahl geeigneter Standorte gelten könnten. Das Bauressort hat sich bislang nicht dazu durchringen können, den Studienempfehlungen zu folgen, als Gegenstand der Qualifizierung und der Auseinandersetzung taugt sie jedoch allemal.
„Sich schlau machen und eine Sachlichkeit reinbringen, das ist der Sinn der Veranstaltung“, beginnt Moderator Robert Bücking, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen, den Abend. Es folgt ein Impulsvortrag von Peter Stubbe, Vorstandsvorsitzender der Gewoba. Als Kind der Zeit erklärt er darin unter anderem die Bauweise der Nachkriegsviertel wie die Neue Vahr oder Osterholz-Tenever. „Die Gewoba hat verschiedene Hochhäuser. Wir bauen zwar keine neuen, sanieren aber welche“, sagt er.
Definition des Hochhauses
Stefan Rettich beginnt mit einer Definition: Danach fängt ein Haus an, Hochhaus zu sein, wenn es eine Höhe von 22 Metern erreicht. Bis zu einer Höhe von 60 Metern genügt ein für den Brandschutz relevantes Sicherheitstreppenhaus, ab 60 Metern müssen es zwei Sicherheitstreppenhäuser sein. In verschiedenen Städten werden Sichtachsen für prägnante und identitätsstiftende Punkte in der Stadt und sogenannte Mehrwertsprinzipien als Anspruch an Hochhäuser gestellt. So sollte das Erdgeschoss für eine öffentliche, kulturelle, soziale oder gastronomische Nutzung vorgesehen werden. Die Straßen und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) müssten gut ausgebaut, die Dachterrasse auch für die Öffentlichkeit nutzbar sein. Eine Nutzungsmischung aus Gewerbe und Wohnen zu bezahlbaren Preisen sollte gegeben, die Freiräume wie Plätze oder auch Grünflächen gut entwickelt sein. Und auch der Schattenwurf sollte vorher berechnet werden.
Zum Bestand: 61 Hochhäuser sind bis 45 Meter hoch, über 45 Meter gibt es 22 dieser Bauten, in die Höhe ragende Industriegebäude stehen 23 in Bremen. Als Fazit hat er folgende Punkt ausgemacht: So dürfe die Ensemblewirkung von Dom, Unser Lieben Frauen und St. Martini, die die schützenswerte Altstadtsilhouette bilden, nicht durch Neubauten beeinträchtigt werden. Mit Ausnahme vom Aalto- und dem Siemenshochhaus, dem Bundeswehrhochhaus und dem Landmarktower sind die Hochhäuser in Bremen überwiegend bis zu 45 Meter hoch. „Das ist der ,Bremer Pegel‘, mit dem Orte auf Quartiersebene akzentuiert und Zentren gebildet werden können.“ Die Industrie- und Stadtsilhouetten an beiden Ufern der Weser bilden für Rettich „Anknüpfungspunkte für höhere Häuser und großvolumige Gebäude.“ Bauliche Akzente könnten auch Stadteingänge verdeutlichen – so wie im Mittelalter, als Stadttore diese Aufgabe ausfüllten.
Bremens großstädtische Seite
Als sogenannte „kinetische Silhouette“ sieht er exemplarisch die Bahnstrecke Hamburg – Hannover, an der sich prägnante Bauwerke wie Fallturm, Fernsehturm und Hochhäuser der Bahnhofsvorstadt reihen. „Den Bahnreisenden zeigt Bremen hier seine großstädtische Seite“, meint Stefan Rettich in seiner Präsentation. Und diese Silhouette könne im weiteren Umfeld des Hauptbahnhofes sowie an den neu geplanten Haltestellen der Universität und Hemelingen ergänzt werden. Ebenso bildet nach Rettich die Hochstraße am Breitenweg „mit ihren prägnanten und bekannten Hochhäusern ein besonderes Ensemble“, das perspektivisch unter Einbeziehung des Güterbahnhofareals weitergebaut werden könne. Die Überseestadt müsse dahingehend überprüft werden, „ob zusätzliche Standorte für Hochpunkte auch städtebauliche und funktionale Mehrwerte für den neuen Stadtteil versprechen.“
Prüfkriterien für kommende Hochhausprojekte sollten unter anderem sein: ÖPNV-Anbindung, räumliche Wirkung im Quartier, eine Sichtfeldanalyse, Verschattung, Wohnnutzung, Grünflächen auf Flachdächern oder die öffentliche Nutzung von Dachterrassen.
„Das scheint ein Thema zu sein, das Gefühle hervorruft“, sagt daraufhin Katja-Annika Pahl, Professorin an der School of Architecture. „Es gibt aber Dinge, die man nicht nach Gefühl entscheiden sollte. Hochhäuser haben eine weitreichende Wirkung.“ Sie spricht sich für die in der Studie vorgestellten Leitlinien aus: „Ich würde erwarten, dass die Beteiligten ein Konzept für die Entscheidung haben.“
Architekt Gottfried Zantke, der sich gegen die geplante Bebauung des Bundesbankgeländes an der Kohlhökerstraße einsetzt, sieht Bremen als eine „maßstäbliche Stadt“ mit mittelhohen Bauten, Bremer Häusern und funktionierenden Nachbarschaften: „Warum plötzlich so etwas Artfremdes wie ein Hochhaus für Bremen?“ Eine Frau aus dem Publikum sagt, über 1000 Wohneinheiten seien in Tenever abgerissen worden, weil man gemerkt habe, dass es so nicht gehe: „Lernt man in Bremen nicht daraus?“ „Das hat damals nicht funktioniert und ich würde heute nicht mehr so bauen“, antwortet Gewoba-Chef Stubbe. Für Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki steht fest, dass Bremen keine Hochhausstadt ist: „Da ist uns mit dem Konzept viel an die Hand gegeben worden, um damit zu arbeiten.“ Jedoch müsse bei den Sichtachsenstudien nicht nur der Dom, sondern die ganze Altstadt einbezogen werden. Eine Zuhörerin mahnt abschließend: „Sie haben die Bürgerbeteiligung vergessen. Was wollen wir als Bürger für eine Stadt, das sollte die Diskussion sein.“
ZITAT ENDE
In den Tagen darauf gab es viele Leserbriefe die sich mit diesem Thema befassten. Die meisten waren nicht d`accord mit dem Bau dieses Gebäudes. (Ein Dank an den Weser-Kurier für die Auswahl dieser Leserbriefe). Dies zeigt mir, dass die Bremer sehr interessiert sind am Thema Stadtumbau.
Ich bin ja erst seit ½ Jahr in dieser Community, liebe den Austausch und habe viel über meine Stadt erfahren. Aber je mehr ich über die Geschichte und den Status Quo unserer (ehemals) schönen Stadt erfahre, desto resignierter, ja depressiver werde ich. Gibt es nicht eine Möglichkeit etwas zu bewirken, zu verändern? Es ist ja wohl offensichtlich, dass die Stadtplanung nicht vom Bürgerwillen sondern von was Anderem gesteuert wird.
Kann man da nicht was machen? Ich denke, die Bremer sind mehrheitlich unserer Meinung.
Wie können wir die Stimmung unserer Mitbürger von interessiert in engagiert ändern?
Wenn nicht unsere Community, wer dann?
Liebe Butenbremer, (wie) seid ihr das in eurer Stadt angegangen?
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BremerMann fragte: Gibt es nicht eine Möglichkeit etwas zu bewirken, zu verändern?
Nun BremerMann, die Möglichkeit gibt es sicher. Mann müsste sich außerhalb dieses Forums zusammentun und sich dann engagieren. Ich könnte auch noch den einen oder anderen Interessierten auftreiben. Aber wir müssten neben den Inhalten auch einige Kriterien festlegen. Es dürfte beispielsweise meiner Meinung nach nicht ein reiner Laber-, sondern müsste ein Handlungsclub werden. Keine Maulhelden und jeder natürlich nach seinen Fertigkeiten und Fähigkeiten, ohne Druck. Was meinst Du?
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Also ich werde sicher keinen Verein gründen. Ich denke, dass es schon Vereine oder Bürgerinitiativen gibt, die sich für dieses Thema einsetzen. (Vom Verein `Anschari´ hab ich schon gehört) Ich dachte eher an eine Plattform auf der diese Initiativen gebündelt sind. Welche (öffentlichen) Bauten sind geplant, wo und wann kann man Pläne einsehen, sind evtl. Aktionen geplant, wer ist Ansprechpartner und sowas.
Vielleicht gibt es sowas ja auch schon und ich hab`s nur noch nicht gefunden.
Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass ich der Erste bin, der auf diese Idee gekommen ist; Das haben in den letzten Jahrzehnten schon hochkarätigere Leute versucht und sind gescheitert, aber es sind doch immer einige Erfolge zu verzeichnen gewesen. Also nicht nachlassen.
Zum Zweiten könnte man versuchen, unsere Community bekannter zu machen. Ich selber habe sie nur zufällig gefunden und mein Interesse an diesem Sujet ist erst daraus erwachsen. Da gibt es sicher noch mehr Bremer denen es genauso gehen könnte. Die Gruppe der aktiven Bremer hier ist ja eher überschaubar.
Frage ist natürlich, ob es überhaupt gewollt ist, für diese Site Werbung zu machen. Es ist schön, den Vorher-Nachher-Status festzustellen (und zu beweinen) und ich werde das auch gerne weiter tun, aber am Ende unbefriedigend wenn man nichts ändern kann.
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Bremerhaven ist echt ein städtebauliches Drama!
(Beitrag editiert, wenn man direkt auf einen Beitrag antwortet, braucht man den Beitrag nicht zitieren. Franka Mod)
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Das Bild oben ist aber aus Bremen, nicht Bremerhaven. Und ich kann Dir durchaus mal die Galeriestränge aus Bremerhaven empfehlen, z.B. hier: Bremerhaven-Galerie im Stadtbild-Forum, selbst in Bremerhaven gibt es einiges zu sehen, v.a. in puncto Bestand an großstädtische Gründerzeitstraßen muss man bis Hamburg oder Hannover fahren, um Vergleichbares zu finden.
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